Anlagen zum Jahresbericht 1996
DER SPIEGEL 5 / 1997 vom 27. 1. 1997 Seite 17
RoteCard
Bei ihrer Ankunft in Deutschland könnten Flüchtlinge
künftig nicht nur mit ruppigen Beamten und stickigen Warteräumen
konfrontiert werden, sondern kriegten gleich auch noch ein Beispiel
deutscher Hochtechnologie in die Hand gedrückt: die AsylCard.
Darauf sollen ihre Daten nach Bonner Vorstellungen zur besseren
Kontrolle einheitlich gespeichert werden. AsylCard - diese Wortschöpfung
verdient Beifall. Das Wort klingt hübsch harmlos, so als
ob ein
Verfolgter die Karte bei seiner zuständigen Aufnahmestelle
nur noch durch einen Prüfautomaten ziehen müßte,
und schon bekäme er Asyl ("AsylCard - Die Freiheit nehm'
ich mir").
Anders aber als bei den Karten, die unsereins so in der Tasche
hat - die BahnCard, die Goldene KundenCard von der Stammkneipe
("DoornCard") sowie die Chipkarte der Krankenkassen
("AOCard" hat die AsylCard keinen Service-Charakter.
Sie soll den Mißbrauch von Sozialleistungen verhindern und
trägt deshalb so viele persönliche Daten, daß
Datenschützer die Karte ablehnen.
Nun gelten Datenschützer oft als Menschen, bei denen der
erhobene Zeigefinger eine Art Berufskrankheit ist, weshalb man
sie nicht ernst zu nehmen braucht.
Wahrscheinlich wird man versuchen, sie von den vielen, bisher
unerwähnten Vorteilen der Karte zu überzeugen: Die meisten
Flüchtlinge stammen ja aus den ärmeren Regionen der
Welt, haben nie irgendeine Karte gehabt und besitzen nicht einmal
eine Geldbörse mit den entsprechenden Fächern.
Da würde das Plastikstückchen von der Behörde die
Integration mächtig fördern, wenn es künftig bei
der Ausgabe von Sachleistungen heißt: "Bezahlen Sie
einfach mit Ihrem guten Namen." Wären dann noch die
Karten je nach Herkunft der Flüchtlinge unterschiedlich farblich
gestaltet ("EthnoCard"), ließen sich obendrein
unerwünschte Streitereien im Wohnheim leichter vermeiden.
Den ehrlichen, anerkannten Flüchtlingen könnte man die
Goldene AsylCard in Aussicht stellen. Die berechtigt dann dazu,
eine SteuerCard zu beantragen und sich eine ordentliche Arbeit
zu suchen. Und auch die abgelehnten Bewerber hätten was davon.
Plastik und Magnetstreifen dienen ihnen als FahrCard in die Heimat,
das Kärtchen dürfen sie als Souvenir behalten. So was
nennt man dann Technologietransfer.
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