Bereits der "nackte", noch allgemeine Fallzahlenvergleich
zur Vorgangsbearbeitung beim Referat für die Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität vermittelt einen ersten Eindruck
(PKS-Daten):
1991 = 1.682 erfaßte Fälle; 1.1 67 ermittelte TV; 499
Nichtd. TV
1992 = 3.769 erfaßte Fälle; 2.664 ermittelte TV; 1.685
Nichtd. TV
1993 = 5.088 erfaßte Fälle; 3.942 ermittelte TV; 2.782
Nichtd. TV
1994 = 4.567 erfaßte Fälle; 3.794 ermittelte TV; 2.392
Nichtd. TV
1995 = 4.233 erfaßte Fälle; 3.467 ermittelte TV; 2.1
01 Nichtd. TV
Mit dieser Entwicklung kommt nicht die situationsangepaßte,
verstärkte Ausrichtung der Ermittlungsarbeit auf einen personen-/personengruppenbezogenen
Ansatz zum Ausdruck, die zur Verifizierung oder Ausräumung
eines vermuteten OK-Hintergrundes oder dem Gewinnen von Zusatzerkenntnissen
geführt werden müssen. Ein qualitativer Indikator ist
darüber hinaus in der besonderen Beteiligung nichtdeutscher
Tatverdächtiger zu sehen. Sie liegt z. B. 1995 zu den Ermittlungsverfahren
beim Referat für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
bei 60,6%, also erheblich über dem Mittel für Straftaten
-insgesamt- der Polizeilichen Kriminalstatistik ( 34.0%).
Setzt man die Zahl der Ermittlungsverfahren des Fachreferates
Berlin für 1995 mit den Ergebnissen des BKA-Jahresberichtes
OK in Relation, demzufolge nach bundesweiter Erhebung je OK-Verfahren
von einer durchschnittlich 10monatigen Ermittlungsdauer auszugehen
ist, so ist daraus eine entsprechend dauerhafte Personalbindung
abzuleiten. Unter diesen Bedingungen und dem zusätzlich hohen
Aufgabendruck sind insbesondere Initiativermittlungen zu sich
abzeichnenden OK-Phänomenen nicht immer in dem gewünschten
und notwendigen Umfang durchführbar. Hinzu tritt, daß
der Tathintergrund einer Vielzahl von Fällen teilweise brutaler
(häufig schuß- und/oder kriegswaffenbewehrter) Gewaltanwendungen
wegen der Einschüchterung von Zeugen bzw. eigener strafbarer
Handlungen Betroffener in den Hauptbetätigungsfeldern der
OK ohne statistischen Niederschlag blieb bzw. bleiben mußte,
Spezielle Erscheinungsformen
Rauschgiftkriminalität
OK-Relevanz bei Rauschgiftdelikten stellt sich im wesentlichen
über Täter-Gruppenstrukturen, Organisationsgrade und
-ablaufe beim illegalen Handel und Schmuggel, über die Abschottungspraktiken
und Einflußnahme durch diese Täterkreise dar. Generell
ist ein Trend zur Gruppenbildung bei arbeitsteiliger Handlungsweise
in den höheren Dealerhierarchien zu beobachten. Bei Mengenverhandlungen,
Preisverhandlungen, Lieferungen, Geldentgegennahmen und ggf. Repressalien
werden jeweils andere Gruppenmitglieder tätig. Die Wesensmerkmale
der Aufbau- und Ablauforganisationen beim Heroinhandel sind derzeitig
die, daß Türken (Kurden) beim Einfuhrschmuggel, Großhandel
und Kleinhandel dominieren.
Zur aktuellen Situation zu den Herkunftsländern und den Transportwegen/-mitteln
ist festzustellen, daß harte Drogen, insbesondere Heroin,
noch immer überwiegend aus der Türkei stammen. Es wird
von türkischen und arabischen Tätergruppen meist in
dafür präparierten Kraftfahrzeugen nach Deutschland
geschmuggelt. Während lange Zeit die sog. Balkanroute eine
Rolle spielte, zeichnet sich nunmehr ab, daß eine Verschiebung
der Transportwege nach Norden stattfindet, d. h. über die
GUS und Polen nach Deutschland. Grund dafür könnte sein,
daß der Krieg im ehem. Jugoslawien mehr und mehr ein Ausweichen
notwendig macht.
Kokain wird weiterhin auf verschiedenen Schmuggelwegen durch Bewohner
südamerikanischer Anbauländer nach Deutschland verbracht.
Das bevorzugte Transportmittel ist dabei das Fluggepäck,
jedoch wurde auch Körperschmuggel festgestellt. Haschisch
wird in den meisten Fällen von den Niederlanden nach Berlin
verbracht. Hierbei sind die Täter überwiegend Deutsche,
die sowohl Kraftfahrzeuge als auch die Bahn benutzen.
Auswirkungen des OrgKG und des Gewinnaufspürungsgesetzes
(GWG) für den OK-Bereich der Rauschgiftkrirminalität
sind noch nicht in nennenswerter Weise festzustellen.
Geldwäsche (verfahrensunabhängige Finanzermittlungen)
Der Straftatbestand der Geldwäsche gem. § 261 StGB wird
seit dem 1.1.1994 in der Polizeilichen Kriminalstatistik ausgewiesen.
Für das erste Erfassungsjahr kamen (nur) 2 Fälle zur
statistischen Erfassung; für 1995 war kein Fall zu registrieren.
Mit dem kriminalstatistischen Ergebnis für 1995 kommt zum
Ausdruck, daß in keinem Fall der verfahrensunabhängigen
Finanzermittlung die Tatbestandsmerkmale des § 261 StGB als
erfüllt angesehen werden konnten. Nur dieser Umstand hätte
zu einer Registrierung in der polizeilichen Kriminalstatistik
geführt.
Hintergrund dieser Aussage sind jedoch 157 sog. "Verdachtsanzeigen",
180 Erkenntnisanfragen des BKA und anderer Länder, 11 IP-Anfragen
und 5 Rechtshilfeersuchen.
Der Deliktsbereich weist Zusammenhänge mit der Wirtschaftskriminalität,
teilweise aber auch mit der Organisierten Kriminalität auf.
Kraftfahrzeug-Sachwertdiebstahl
In dem Deliktsbereich Kraftfahrzeugdiebstahl ist der (organisierte)
Sachwertdiebstahl nur ein relativ kleiner, vom Schaden und der
kriminellen Intensität her jedoch ein zunehmend bedeutender
Bereich.
Merkmale bzw. Indikatoren organisierter Kfz-Diebstähle/Verschiebungen
sind insbesondere:
* mögliche Tatobjekte werden vorab listenmäßig
erfaßt,
* Residenten bestellen danach im Ausland das Fahrzeug mit den
gewünschten Ausstattungsmerkmalen,
* speziell hergestelltes Werkzeug, besondere Fälschungsmittel,
* Verwendung vorbereiteter ausländischer Zulassungen und
Kennzeichen,
* gruppenweise Fahrzeugüberführungen mit sichernden
Begleitfahrzeugen,
* hohe Gewaltbereitschaft bei Grenzdurchbrüchen in Fahrzeugkolonnen,
* Vorbereitung auf evtl. Festnahmen durch Bereitstellung von Rechtsanwälten,
* zunehmend auch Grenzübertritt über die grüne
Grenze im Konvoi.
Die dramatisch zu nennende Steigerung der Kfz-Verschiebungen in
den Ostblock zeigt sich z. B. deutlich im Vergleich der Zahlenreihe
1988 - 1994 allein für Diebstähle von Pkw der Marke
Mercedes-Benz, die nicht älter als 2 Jahre waren und auf
Dauer abhanden gekommen sind:
1988 = 25 Pkw
1989 = 40 Pkw
1990 = 126 Pkw
1991 = 195 Pkw
1992 = 409 Pkw
1993 = 457 Pkw
1994 = 801 Pkw
1995 = 233 Pkw
Der starke Rückgang der entwendeten Mercedes-Fahrzeuge 1994/1995
ist auf die Außerbetriebnahme der Militärflughäfen
Groß-Dölln und Sperenberg sowie mit dem Abzug der Westgruppe
der sowjetischen Streitkräfte in Verbindung zu bringen.
Die Problematik der Bearbeitung dieses Deliktsfeldes liegt in
dem Auseinanderfallen von Tatort und Festnahme-/Sicherstellungsort.
Letztere verlagerten sich fast vollständig in Richtung polnische
Grenze, was die Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen
Polizeibehörden bzw. Staatsanwaltschaften erheblich erschwert.
Fahrzeuge, die nach einem Monat nicht wieder aufgefunden sind,
gelten in diesem Deliktbereich als auf Dauer entwendet. Ihr Anteil
lag in Berlin im Jahre 1994 bei ca. 60 %.
Umweltkriminalität
Kernbereiche der OK bei Delikten der Umweltkriminalität sind
die illegale Entsorgung von Sonderabfällen und der Handel
und Schmuggel von/mit radioaktivem Material. Es handelt sich bisher
zwar nur um einige wenige Einzelfälle der schweren Umweltkriminalität
mit Bezügen zur OK, jedoch ist wegen der hohen finanziellen
Anreize, die sonst so nur im Rauschgifthandel zu erzielen sind,
von einer Ausweitung dieser Deliktsformen auszugehen.
Straftaten im Zusammenhang mit dem Nachtleben
(insbesondere Menschenhandel, Schutzgelderpressung, Zuhälterei,
Prostitution, illegales Glücksspiel) stellen keine eigenständige
statistische Kategorie dar und sind unter verschiedenen Schlüsselzahlen
erfaßt. Dazu gehören u. a. "1440 Menschenhandel",
"1420 Zuhälterei" und teilweise "1410 Förderung
der Prostitution".
Aus den Kontrollaktivitäten im "Rotlichtmilieu"
resultierte auch 1995 eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren.
Dabei hat sich insbesondere bei der Überprüfung bordellartiger
Betriebe der Eindruck verstärkt, daß zunehmend Prostituierte
aus den Ländern des früheren Ostblocks und aus Thailand
das Bild bestimmen.
OK-relevante Merkmale/Indikatoren begründen sich in diesem
Milieu insbesondere auf folgende Feststellungen:
- hierarchischer Aufbau der Zuhältergruppen mit jeweils
einer dominierende Person an der Spitze,
- konsequente Abschottung dieser Gruppen sowohl nach innen als
auch nach außen,
- psychische und physische Druckausübung auf Gruppenmitglieder,
die gegen interne Regeln
- verstoßen bzw. sich aus der Gruppe lösen wollen
(betr- auch Aussagen ggü. der Polizei),
- Versuche der Einflußnahme auf die Polizei (Bestechungsversuche),
- Investitionen in legale Geschäfte, um Geld zu "waschen"
sowie den Anschein von Seriosität zu wahren oder zu erlangen.
Fälschungen und Fälschungsbereiche
Der Bereich der OK-relevanten Fälschungen betrifft insbesondere
die Geld- und Wertzeichenfälschungen und die Fälschungen
mit Kfz-Bezug.
Im ersteren Deliktsbereich wurden 1995 356 Fälle registriert,
was ggü. dem Vorjahr eine Abnahme um -220 Fälle (-38,2%)
bedeutet.
Arbeitsrechtliche Bezüge zur OK
Diesem Bereich der Kriminalität liegen häufig Mischtatbestände
zugrunde, die mit illegaler Beschäftigung, illegaler Einreise,
Schleusertätigkeit und entsprechenden Randbereichen zu tun
haben.
Demgemäß lassen sich auch OK-Zusammenhänge weniger
statistisch als durch beschreibende' Kriterien darstellen. Als
Stichworte sind hier zu nennen: Einschleusung von Kriegsflüchtlingen
aus Bosnien-Herzegowina und von Prostituierten, Fälschung
von Legitimationspapieren (Arbeitspapiere, Landesausweise), organisierte
Vermittlungen von Scheinehen zur Sicherung eines legalen Aufenthaltes
u. ä.
Insbesondere aufgrund der Verschärfung des Asylrechts, des
weiterhin bestehenden Wirtschaftsgefälles zu den osteuropäischen
Ländern und der hiesigen, bundesrepublikanischen Rezessionstendenzen
wird sich die Qualität dieses Deliktbereiches i. S. von organisiertem,
zumindest aber strukturiertem, Vorgehen verstärken.
Bei der Bearbeitung der Vielzahl von Ermittlungsverfahren gegen
illegal Beschäftigte nichtdeutsche Arbeitnehmer und tatverdächtige/betroffene
Arbeitgeber wurden immer wieder Netzstrukturen und Bezüge
zur OK festgestellt.
Beteiligung ethnischer Gruppierungen
Insbesondere nach der Vereinigung beider Stadtteile haben Angehörige
verschiedener ethnischer Gruppierungen auf unterschiedlichen Kriminalitätsfeldern
besondere Aktivitäten entwickelt, die unter den Definftionselementen
der OK einzuordnen sind. Durch die Einrichtung einer Reihe von
ethnisch orientierten kriminalpolizeilichen Arbeitsgruppen wurden
entsprechende Ermittlungsschwerpunkte gesetzt.
Schußwaffen und OK
Aufsehenerregende Ermittlungsfälle (meist gerichtet gegen
ehem. Jugoslawen, Chinesen und Vietnamesen) standen 1995 oftmals
i.V.m. der Verwendung von Schußwaffen. Global betrachtet
(Straftaten - insgesamt-) hat jedoch die Fachdienststelle zur
Bearbeitung der OK 1995 in diesem Bereich keine Zunahme der Verwendung
von Schußwaffen festgestellt ("gedroht", "geschossen",
"mitgeführt").
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