Bei Zweifeln über die Person oder die Staatsangehörigkeit
eines Ausländers, dem eine Aufenthaltsgenehmigung oder eine
Duldung erteilt werden soll, sind gemäß § 41 AuslG
die zur Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit
erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Derartige Zweifel können
insbesondere dann entstehen, wenn der Ausländer keinen Paß
besitzt oder wenn der Verdacht einer Fälschung oder Verfälschung
des Passes besteht. Zweifel an der Staatsangehörigkeit können
sich ergeben, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, daß
der Ausländer die von ihm behauptete Staatsangehörigkeit
verloren oder gewechselt hat. Zur Klärung derartiger Zweifel
kann die Ausländerbehörde bei anderen Behörden
nachfragen oder den Ausländer zur Vorlage von anderen geeigneten
Urkunden auffordern.
Erkennungsdienstliche Maßnahmen (Aufnahme von Lichtbildern
und Fingerabdrucken) können gemäß § 41 Abs.
3 AuslG durchgeführt werden, wenn ein Ausländer mit
einem als ge- oder verfälscht erkannten Paß oder Paßersatz
eingereist ist oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß
der Ausländer nach der Aufenhaltsbeendigung erneut unerlaubt
in das Bundesgebiet einreisen will. Diese gesetzliche Möglichkeit
der erkennungsdienstlichen Behandlung wird konsequent ausgeschöpft.
Außerdem sind gemäß § 16 AsylVfG alle Ausländer,
die um Asyl nachsuchen, erkennungsdienstlich zu behandeln.
Von den Fällen nach § 16 AsylVfG und nach § 41
Abs. 3 AuslG abgesehen, sind erkennungsdienstliche Maßnahmen
nach § 41 Abs. 2 AuslG zulässig, wenn die Identität
des Ausländers zweifelhaft ist, wenn also festgestellt werden
muß, ob der Ausländer tatsächlich diejenige Person
ist, für die er sich ausgibt.
In Ausschöpfung dieser Regelung ist beabsichtigt, über
14 Jahre alte Bürgerkriegsflüchtlinge, die bosnische
Pässe oder sonstige bosnische Identitätspapiere bei
der Ausländerbehörde zwecks Erteilung einer Duldung
vorlegen, erkennungsdienstlich behandeln zu lassen.
Diese Maßnahmen für einen abgrenzbaren Personenkreis
rechtfertigen sich in jedem Einzelfall vor dem Hintergrund, daß
den bosnischen Behörden 16000 Paß- und Ausweisformulare
nebst Stempeln abhanden gekommen und auch "altjugoslawische"
Ausweispapiere entwendet worden sind, ferner daraus, daß
in Berlin über 500 Ermittlungsverfahren wegen Fälschung
oder Verfälschung bosnischer Legitimationspapiere eingeleitet
wurden.
Zu 2.:
Zunächst ist anzumerken, daß Kriegsflüchtlinge
keine Sozialhilfe erhalten, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
(AsylbLG).
Der Bericht der Berliner Morgenpost vom 29.7.1994, daß "Sozialhilfe"
in Berlin an Kriegsflüchtlinge auch ohne Nachweis von Identitätspapieren
gezahlt wird, kann nicht bestätigt werden. Wenn in den Sozialämtern
ein Kriegsflüchtling vorspricht und sich nicht mit einem
von der Ausländerbehörde anerkannten Identifikationspapier
ausweisen kann, wird er zunächst an die Ausländerbehörde
verwiesen. Wenn die Ausländerbehörde am gleichen Tag
nicht mehr erreichbar ist, und von dem Flüchtling eine völlige
Mittellosigkeit und Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht
wird, wird bis zum nächstmöglichen Vorsprachetermin
bei der Ausländerbehörde eine einmalige tageweise Hilfe
gewährt.
Für die Feststellung der Identität und die Ausstellung
von gültigen Identitätspapieren ist allein die Ausländerbehörde
zuständig.
Zu 3.:
Die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG an Bürgerkriegsflüchtlinge
könnte nur dann von einer vorherigen erkennungsdienstlichen
Behandlung abhängig gemacht werden, wenn eine generelle erkennungsdienstliche
Behandlung aller Bürgerkriegsflüchtlinge mit dem geltenden
Recht vereinbar wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. §
41 Abs. 2 AuslG läßt erkennungsdienstliche Maßnahmen
nur zur Beseitigung von Zweifeln an der Identität in einzelnen
Fällen zu, auch wenn es sich dabei um er eine größere,
aber klar abgrenzbare Gruppe von Einzelpersonen handelt.
Ein "müheloses Abkassieren bei mehreren Sozialämtern"
ist nicht möglich , da es für die Gewährung von
Leistungen nach dem AsylbLG in Berlin klare Zuständigkeitsregelungen
gibt.
Die Einführung einer sogenannten "Stichtagsregelung"
für die Leistungsgewährung in den Sozialämtern
und im LASoz wird abgelehnt. Sie ist allein schon wegen der großen
Anzahl der zu betreuenden Bürger in den Berliner Sozialämtern
aus personeller, räumlicher und organisatorischer Sicht unhaltbar.
(Allein in 19 Berliner Sozialämtern werden weit mehr als
1000 leistungsberechtigte Bürgerkriegsflüchtlinge betreut,
in den übrigen 4 Sozialämtern liegt die Zahl bei nahe
1000 entsprechend zu betreuender Personen). Diese hohe Anzahl
von Leistungsberechtigten (Stand 30.09.1994 = 29 844) an einem
Tag abzufertigen ist nicht möglich. Hinzu kommt der hohe
Personalmangel in den Sozialämtern, insbesondere aufgrund
steigender Fallzahlen infolge unzureichender vorrangiger Leistungen
aus bundesgesetzlichen Regelungen.
Im übrigen ist der Senat der Ansicht, daß nicht belegte
Behauptungen von Mißbrauch bei Sozialleistungen durch Bürgerkriegsflüchtlinge
ausländerfeindlichen Stimmungen Vorschub leistet und keinesfalls
einem Solidaritätsgedanken für Menschen aus dem Kriegsgebiet
im ehemaligen Jugoslawien förderlich ist.
Zu 4.:
Die Mehrheit der Innenminister/-senatoren der Länder hat
die Bundesregierung bereits aufgefordert, auf eine entsprechende
Änderung des Ausländergesetzes hinzuwirken.
Ingrid Stahmer
Senatorin für Soziales
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