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Anlagen zum Jahresbericht 1996

LPD 29. 12. 1994

Kleine Anfrage Nr. 5881 des Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski (F.D.P.) vom 09.08.1994 (eingeg. b. Abghs. 08.09.1994) über "Verhinderung des Sozialhilfe-Mißbrauchs durch vergebliche Bürgerkriegsflüchtlinge":

1. Welche Maßnahmen hat der Senat ergriffen, um den rechtswidrigen Mehrfachbezug von Sozialleistungen durch vorgebliche Kriegsflüchtlinge zu unterbinden? Welche Anstrengungen hat der Senat unternommen, um sicherzustellen, daß die Möglichkeiten des Paragraphen 41 Ausländergesetz (AuslG) voll ausgeschöpft werden?

2. Trifft der Bericht der Berliner Morgenpost vom 29. Juli 1994, Seite 8, zu, daß in Berlin Sozialhilfe an vorgebliche Bürgerkriegsflüchtlinge auch dann gezahlt wird, wenn die Identität des Antragstellers nicht eindeutig festgestellt werden kann? Wenn ja, warum, und wer trägt dafür die Verantwortung?

3. Weshalb ist es nicht möglich, eine Auszahlung in den vorgenannten Fällen von einer erkennungsdienstlichen Behandlung abhängig zu machen? Welche Maßnahmen hat der Senat ergriffen, um ein müheloses Abkassieren bei mehreren Sozialämtern nacheinander zu verhindern? Was hält der Senat in diesem Zusammenhang von einer "Stichtagsregelung"?

4. Gedenkt der Senat von Berlin von sich aus auf Bundesratsebene aktiv zu werden, um eine dem Paragraphen 18 Asylverfahrensgesetz vergleichbare Regelung für Bürgerkriegsflüchtlinge im Ausländergesetz zu verankern? Wenn nein, weshalb nicht?

Antwort des Senats (Schlußbericht) vom 21.11.1994 (eingeg. b. Abghs. 14.12.1994):

Zu 1.: Im ersten Teil der Fragestellung wird Ihrerseits unterstellt, daß es in Berlin einen rechtswidrigen Mehrfachbezug von Sozialleistungen von Bürgern gibt, die vorgeben, Kriegsflüchtlinge zu sein.

Da der Mißbrauch von Sozialleistungen durch Zuständigkeitsregelungen weitgehendst verhindert wird, andererseits keine konkreten Angaben, d.h. nachprüfbare Tatsachen vorliegen, sieht der Senat insoweit zu einer Stellungnahme keinen Anlaß.

Seitenanfang Bei Zweifeln über die Person oder die Staatsangehörigkeit eines Ausländers, dem eine Aufenthaltsgenehmigung oder eine Duldung erteilt werden soll, sind gemäß § 41 AuslG die zur Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Derartige Zweifel können insbesondere dann entstehen, wenn der Ausländer keinen Paß besitzt oder wenn der Verdacht einer Fälschung oder Verfälschung des Passes besteht. Zweifel an der Staatsangehörigkeit können sich ergeben, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Ausländer die von ihm behauptete Staatsangehörigkeit verloren oder gewechselt hat. Zur Klärung derartiger Zweifel kann die Ausländerbehörde bei anderen Behörden nachfragen oder den Ausländer zur Vorlage von anderen geeigneten Urkunden auffordern.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen (Aufnahme von Lichtbildern und Fingerabdrucken) können gemäß § 41 Abs. 3 AuslG durchgeführt werden, wenn ein Ausländer mit einem als ge- oder verfälscht erkannten Paß oder Paßersatz eingereist ist oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Ausländer nach der Aufenhaltsbeendigung erneut unerlaubt in das Bundesgebiet einreisen will. Diese gesetzliche Möglichkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung wird konsequent ausgeschöpft. Außerdem sind gemäß § 16 AsylVfG alle Ausländer, die um Asyl nachsuchen, erkennungsdienstlich zu behandeln.

Von den Fällen nach § 16 AsylVfG und nach § 41 Abs. 3 AuslG abgesehen, sind erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 41 Abs. 2 AuslG zulässig, wenn die Identität des Ausländers zweifelhaft ist, wenn also festgestellt werden muß, ob der Ausländer tatsächlich diejenige Person ist, für die er sich ausgibt.

In Ausschöpfung dieser Regelung ist beabsichtigt, über 14 Jahre alte Bürgerkriegsflüchtlinge, die bosnische Pässe oder sonstige bosnische Identitätspapiere bei der Ausländerbehörde zwecks Erteilung einer Duldung vorlegen, erkennungsdienstlich behandeln zu lassen.

Diese Maßnahmen für einen abgrenzbaren Personenkreis rechtfertigen sich in jedem Einzelfall vor dem Hintergrund, daß den bosnischen Behörden 16000 Paß- und Ausweisformulare nebst Stempeln abhanden gekommen und auch "altjugoslawische" Ausweispapiere entwendet worden sind, ferner daraus, daß in Berlin über 500 Ermittlungsverfahren wegen Fälschung oder Verfälschung bosnischer Legitimationspapiere eingeleitet wurden.

Zu 2.:

Zunächst ist anzumerken, daß Kriegsflüchtlinge keine Sozialhilfe erhalten, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der Bericht der Berliner Morgenpost vom 29.7.1994, daß "Sozialhilfe" in Berlin an Kriegsflüchtlinge auch ohne Nachweis von Identitätspapieren gezahlt wird, kann nicht bestätigt werden. Wenn in den Sozialämtern ein Kriegsflüchtling vorspricht und sich nicht mit einem von der Ausländerbehörde anerkannten Identifikationspapier ausweisen kann, wird er zunächst an die Ausländerbehörde verwiesen. Wenn die Ausländerbehörde am gleichen Tag nicht mehr erreichbar ist, und von dem Flüchtling eine völlige Mittellosigkeit und Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht wird, wird bis zum nächstmöglichen Vorsprachetermin bei der Ausländerbehörde eine einmalige tageweise Hilfe gewährt.

Für die Feststellung der Identität und die Ausstellung von gültigen Identitätspapieren ist allein die Ausländerbehörde zuständig.

Zu 3.:

Die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG an Bürgerkriegsflüchtlinge könnte nur dann von einer vorherigen erkennungsdienstlichen Behandlung abhängig gemacht werden, wenn eine generelle erkennungsdienstliche Behandlung aller Bürgerkriegsflüchtlinge mit dem geltenden Recht vereinbar wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. § 41 Abs. 2 AuslG läßt erkennungsdienstliche Maßnahmen nur zur Beseitigung von Zweifeln an der Identität in einzelnen Fällen zu, auch wenn es sich dabei um er eine größere, aber klar abgrenzbare Gruppe von Einzelpersonen handelt.

Ein "müheloses Abkassieren bei mehreren Sozialämtern" ist nicht möglich , da es für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG in Berlin klare Zuständigkeitsregelungen gibt.

Die Einführung einer sogenannten "Stichtagsregelung" für die Leistungsgewährung in den Sozialämtern und im LASoz wird abgelehnt. Sie ist allein schon wegen der großen Anzahl der zu betreuenden Bürger in den Berliner Sozialämtern aus personeller, räumlicher und organisatorischer Sicht unhaltbar. (Allein in 19 Berliner Sozialämtern werden weit mehr als 1000 leistungsberechtigte Bürgerkriegsflüchtlinge betreut, in den übrigen 4 Sozialämtern liegt die Zahl bei nahe 1000 entsprechend zu betreuender Personen). Diese hohe Anzahl von Leistungsberechtigten (Stand 30.09.1994 = 29 844) an einem Tag abzufertigen ist nicht möglich. Hinzu kommt der hohe Personalmangel in den Sozialämtern, insbesondere aufgrund steigender Fallzahlen infolge unzureichender vorrangiger Leistungen aus bundesgesetzlichen Regelungen.

Im übrigen ist der Senat der Ansicht, daß nicht belegte Behauptungen von Mißbrauch bei Sozialleistungen durch Bürgerkriegsflüchtlinge ausländerfeindlichen Stimmungen Vorschub leistet und keinesfalls einem Solidaritätsgedanken für Menschen aus dem Kriegsgebiet im ehemaligen Jugoslawien förderlich ist.

Zu 4.:

Die Mehrheit der Innenminister/-senatoren der Länder hat die Bundesregierung bereits aufgefordert, auf eine entsprechende Änderung des Ausländergesetzes hinzuwirken.

Ingrid Stahmer

Senatorin für Soziales

Zuletzt geändert:
am 02.03.97

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