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Anlagen zum Jahresbericht 1996

KAMMERGERICHT

Beschluß

Geschäftsnummer: 2 Ss 171/96 3 Ws (B) 406/96 304 a OWi 467/96

In der Bußgeldsache gegen ...

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 23. Oktober 1996 beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 24. April 1996 wird zugelassen.

2. Die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft gegen das genannte Urteil wird verworfen.

3. Die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 3. Januar 1996 ist dem Betroffenen zur Last gelegt worden, am 5. September 1995 gegen 16,40 Uhr als Führer des Ford Transit mit dem amtlichen Kennzeichen ... in der Straße "An der Urania" in Berlin in Höhe der Hausnummer 9, wo sich das Zeichen 283 mit dem Zusatz "Be- und Entladen, Ein- und Aussteigen frei" befindet, verbotswidrig im Halteverbot geparkt und dadurch eine Zuwiderhandlung gegen §§ 12 Abs. 1 (zu ergänzen: Nr. 6 a) und 49 (zu ergänzen: Abs. 1 Nr. 12) StVO begangen zu haben. Der Polizeipräsident hat deshalb gegen den Betroffenen nach § 24 StVG eine Geldbuße von 30,-- DM festgesetzt. Mit dem angefochtenen Urteil (zwischenzeitlich veröffentlicht in DAR 1996, 326 ff) hat das Amtsgericht den Betroffenen freigesprochen. Die Amtsanwaltschaft beantragt die Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der sie Verletzung sachlichen Rechts rügt.

1. Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zu (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Es bedarf grundsätzlicher Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Übertragung der systematischen Überwachung des ruhenden Verkehrs auf private Unternehmen mit § 26 StVG vereinbar ist und die Sachverhaltsaufnahme der dabei festgestellten verkehrsrechtlichen Zuwiderhandlungen durch deren Angestellte speziell im Rahmen des "Berliner Parkraumüberwachungskonzeptes" einem Beweiserhebungsverbot unterliegt und daraus folgend zu einem Beweisverwertungsverbot führt.

Seitenanfang 2. Der Betroffene hat die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit ausweislich der Urteilsgründe in Abrede gestellt und sich dahin eingelassen, sein Fahrzeug am Tatort lediglich zum Zwecke kurzzeitigen Ent- und Beladene angehalten zu haben. Diese Einlassung wäre, wie dem angefochtenen Urteil weiter zu entnehmen ist, nur durch die gegenteilige Bekundung des Zeugen ... zu widerlegen gewesen, der den dem Betroffenen vorgeworfenen Halteverstoß als Angestellter einer vom Senat beauftragten privaten Parkraumüberwachungsgesellschaft beobachtet und die dem Betroffenen vorgeworfene Zuwiderhandlung in der Hauptverhandlung als Zeuge bestätigt hatte. Dessen Aussage hat das Amtsgericht jedoch für unverwertbar gehalten.

a) Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Zeuge ... die maßgeblichen Beobachtungen als Angestellter der privaten Arbeitsgemeinschaft "Besser Parken in Berlin" getroffen. Diesem Unternehmen ist vom Berliner Senat die systematische Feststellung von Park- und Halteverstößen im Rahmen der flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung, die der Senat des Landes Berlin mit Beschluß Nr. 5016/94 vom 26. Juli 1994 in mehreren besonders verkehrsintensiven Gebieten von Berlin und unter anderem auch im Tatortbereich durch Aufstellung von Parkscheinautomaten (§ 13 StVO) eingeführt hat, auf Grund öffentlichrechtlichen Vertrages übertragen worden. In seiner Mitteilung an das Abgeordnetenhaus in Berlin (Drucksache 12/4683 vom 2. August 1994) erläutert der Senat dies dahin, daß Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und -einrichtungen (u.a. Parkscheinautomaten) sowie deren Betrieb an Privatunternehmen vergeben werden, soweit sich dieses Vorgehen als wirtschaftlicher herausstellt (Nr. 5.2); da der Erfolg des Parkraumbewirtschaftungskonzepts entscheidend vom Umfang der Befolgung seiner Regelungen durch die Kraftfahrer abhänge und dies eine intensive Überwachung sowie Verfolgung und Ahndung der im ruhenden Verkehrs begangenen Ordnungswidrigkeiten bedinge (Nr. 6.1), sollten die mit der Umsetzung der Parkraumbewirtschaftung beauftragten Privatunternehmen eigene Kräfte einsetzen, die entsprechende Zuwiderhandlungen feststellen und diese Feststellungen an die Polizei zur weiteren Ahndung übergeben sollten (Nr. 6.2). Dies erfolgt in der Weise, daß Angestellte der beauftragten Firmen die entsprechenden Parkverstöße sowie Tatort, Tatzeit (Tag und Uhrzeit) und amtliches Kennzeichen des Fahrzeuges in ein elektronisches Erfassungsgerät ("Handy") eingeben und die so erfaßten Daten auf direktem Weg, d.h. ohne Zwischenschaltung eines Behördenbediensteten an des Berliner Landesamt für Informationstechnik (LIT) übermitteln, wo sie als ausgedrucktes Verwarnungsgeldangebot (§ 56 OWiG) erstmals in schriftlicher Form erscheinen; andere schriftliche Belege über die von dem privaten Ermittler beobachtete und erfaßte Verkehrsordnungswidrigkeit existieren nicht. Eine materielle Kontrolle durch einen Angehörigen der Polizei, ob die Voraussetzungen für eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung vorliegen, findet nicht statt.

b) In der Tätigkeit der privaten Ermittler sieht das Amtsgericht eine Ermittlungstätigkeit, die bereits den Beginn einer staatlichen Verfolgungsmaßnahme darstelle, für die speziell im Fall von Verkehrsordnungswidrigkeiten (§§ 24 und 24 a StVG) gemäß § 26 Abs. 1 StVG ausschließlich Behörden oder Bedienstete der Polizei zuständig seien. Als typische Hoheitsaufgabe gehöre auch Verfolgung und Ahndung bloßer Ordnungswidrigkeiten zum Kernbereich hoheitlicher Staatsaufgaben, wie sie als Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse privaten Unternehmen verschlossen seien, weil sie gemäß Art. 33 Abs. 4 GG als ständige Aufgabe in der Regel nur Angehörigen des öffentlichen Dienstes übertragen werden dürfen, die in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen; allenfalls hätte es einer entsprechenden gesetzlichen Beleihung bedurft, an der es jedoch ebenfalls fehlt. Somit verstoße die Mitwirkung von Privatfirmen und ihren Beschäftigten bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs durch Erforschung und Feststellung von Verkehrsverstößen nicht nur gegen einfaches Gesetzesrecht (§ 26 Abs. 1 StVG), sondern auch gegen die Verfassung (Art. 20 Abs. 3 und 33 Abs. 4 GG).

Die insoweit rechtswidrige Beweiserhebung zieht nach Ansicht des Amtsgerichts unmittelbar ein Beweisverwertungsverbot nach sich: Der Beweiserhebung hafte ein so schwerer rechtlicher Mangel an, daß ein weiterer hoheitlicher Eingriff gegen den Betroffenen in Form einer Geldbuße nicht darauf gestützt werden dürfe. Dabei komme es nicht darauf an, daß der Parkverstoß auch ebenso auf ordnungsgemäßem Wege hätte festgestellt werden können, sei ein Beweisverbot doch jedenfalls dann anzunehmen, wenn die rechtswidrige Beweiserhebung zu Lasten des Betroffenen willkürlich oder unter bewußter Mißachtung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen angeordnet wurde (OLG Frankfurt a.M. NZV 1995, 368). Davon sei vorliegend auszugehen, weil sowohl der Senat des Landes Berlin wie die federführende Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe (im folgenden: SenVuB) nicht zuletzt durch Hinweise ihres eigenen Justitiariats ausdrücklich darüber in Kenntnis gesetzt worden seien, daß durch das geplante Berliner Parkraumbewirtschaftungskonzept die Schnittstelle zwischen dem selbstverständlichen Recht eines jeden Bürgers zur Anzeigeerstattung und der gesetz- und verfassungswidrigen Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Private unzulässigerweise überschritten werde und die hierfür notwendige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung hoheitlicher Befugnisse an Private bislang nicht vorhanden sei.

c) Die Amtsanwaltschaft hält ein solches Beweisverbot nicht für gegeben und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zwecks neuer Verhandlung und Entscheidung. Nach ihrer Ansicht ist das vom Berliner Senat eingeführte Parkraumüberwachungskonzept so gestaltet, daß die Angestellten der Privatfirmen lediglich Informationen über Parkverstöße einsammeln und an die Ordnungsbehörde weitergeben; da den privaten Ermittlern keine Entscheidungskompetenz zustehe und es sich bei ihrer Tätigkeit somit letztlich nur um technische Hilfe bei der Vorbereitung einer fremden Entscheidung handele, würden sie lediglich als Werkzeuge ("Verwaltungshelfer") der Behörde bei Durchführung hoheitlicher Aufgaben tätig, was mit Art. 33 Abs. 4 GG vereinbar sei. Zusätzlich weist die beschwerdeführende Amtsanwaltschaft darauf hin, daß auch privaten Ermittlern das "Jedermanns"-Recht der Anzeigeerstattung zustünde und ihnen die Befugnis, ihre Beobachtungen an die zuständige Ordnungsbehörde weitergeben und gegebenenfalls im gerichtlichen Verfahren als Zeugen bekunden zu können, weder generell noch speziell deshalb in Abrede gestellt werden dürfe, weil sie als Mitarbeiter einer Privatfirma im Rahmen der Berliner Parkraumüberwachung für Entgelt tätig seien. Dieser Umstand sei allenfalls im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 261 StPO) nach "Wertigkeit" der Zeugenaussage im Einzelfall zu berücksichtigen, führe jedoch nicht schlechthin zu einem Beweisverbot.

d) Die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht ist dem Antrag der Amtsanwaltschaft beigetreten, folgt in ihrer Begründung jedoch in wesentlichen Punkten dem angefochtenen Urteil. Mit dem Amtsgericht geht auch die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht davon aus, daß die Übertragung der systematischen Überwachung des ruhenden Verkehrs und die dabei erfolgte Feststellung entsprechender Zuwiderhandlungen, wie sie dem Parkraumüberwachungskonzept des Berliner Senates zugrundeliegt, ohne ausreichende Gesetzes- und Rechtsgrundlage erfolgt ist: Die Sachverhaltsfeststellung am Tatort stelle sich als Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dar, die nicht an Private übertragen werden dürfe, sondern der dafür zuständigen Ordnungsbehörde vorbehalten sei. Weil die durch die privaten Ermittler erlangten Ermittlungsergebnisse unmittelbar, d.h. ohne zwischengeschaltete Entscheidung eines Hoheitsträgers in einen Verfolgungsakt (Verwarnungsgeldangebot) einfließen, sei die lückenlose tatsächliche Sachherrschaft, wie sie kraft verfassungsrechtlicher Vorgaben (Art. 33 Abs. 4 GG) allein der Ordnungsbehörde zustehe, nicht mehr gewährleistet. Somit stelle sich die private Ermittlertätigkeit auch nicht mehr nur als Tätigkeit eines bloßen "Verwaltungshelfers" dar; weil die Entscheidung, ob dem Betroffenen ein Verwarnungsgeld angeboten wird, letztlich allein vom privaten Ermittler getroffen werde, handle es sich bei dessen Tätigkeit in der Sache nicht mehr nur um eine die hoheitliche Entscheidung unterstützende, sondern diese maßgeblich tragende Tätigkeit.

Ebenso wie das angefochtene Urteil hält die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht ein daraus folgendes Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf den Rechtsstaatsgedanken (Art. 20 Abs. 3 GG) jedenfalls dann für gegeben, wenn die rechtswidrige Beweiserhebung staatlicherseits "bewußt unter Mißachtung gesetzlicher Regelungen" angeordnet wurde. Zwar enthalte das angefochtene Urteil Feststellungen dahin, daß die SenVuB durch das senatseigene Justitiariat auf die Rechtswidrigkeit ihres geplanten Parkraumüberwachungskonzeptes hingewiesen worden sei; es sei jedoch nicht auszuschließen, daß die Senatsverwaltung auf Grund anderer Erkenntnisse zu einer gegenteiligen Überzeugung gelangt sei. Durch Vernehmung der am Zustandekommen der Parkraumbewirtschaftungsvereinbarungen beteiligten Dienststellen sowie durch Verlesung der entsprechenden Urkunden in einer neuen Hauptverhandlung erwartet die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht insoweit weitere Aufklärung.

3. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu Recht freigesprochen, weil die Aussage des Zeugen ... unverwertbar ist.

a) Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG obliegt die Verfolgung und Ahndung derjenigen Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24 und 24 a StVG, die im Straßenverkehr begangen werden, derjenigen "Behörde oder Dienststelle der Polizei", die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt wird; ausweislich von § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Berlin) vom 14. April 1992 (GVBl. S. 119), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juli 1994 (GVBl. S. 241), in Verbindung mit § 1 Nr. 2 c der Verordnung über sachliche Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (ZuständigkeitsVO-OWiG) vom 14. August 1995 (GVBl. S. 553) ist dies für die dem Bußgeldbescheid zugrundeliegende Zuwiderhandlung der Polizeipräsident in Berlin. Soweit ein Bedürfnis dafür besteht, kann der Senat von Berlin mit der Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben auch Dienstkräfte der Polizei betrauen, die nicht Polizeivollzugsbeamte sind (§ 5 Abs. 2 Satz 1 ASOG). Dies ist für den Bereich der Verkehrsüberwachung und damit zusammenhängender Aufgaben im Sicherheits- und Ordnungsdienst durch die Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch Angestellte der Polizei (PA-ngVO) vom 17. Februar 1993 (GVBl. S. 98) geschehen; hier werden für den Bereich der Verkehrsüberwachung abschließend aufgezählte polizeiliche Aufgaben und Befugnisse auf Polizeiangestellte delegiert. Sonstigen Personen kann der Senat von Berlin bestimmte polizeiliche Befugnisse (durch Rechtsverordnung) nur dann übertragen, wenn sie damit einverstanden sind und ihre Heranziehung zu polizeilichen Aufgaben gesetzlich vorgesehen ist (§ 5 Abs. 3 ASOG). Dies ist für private Unternehmen bislang weder zur Überwachung noch zur Mitwirkung an Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten erfolgt. Damit hält sich das Berliner Parkraumüberwachungskonzept (Drucksache 12/4683 des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 2. August 1994) nicht mehr im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 StVG), die mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfGE 27, 18 ff), und entspricht auch nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen, wonach die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr bei den Behörden oder Dienststellen der Polizei zusammengefaßt werden soll, die nach Zuständigkeitsbereich und personeller Besetzung eine besondere Gewähr für eine sachgemäße und reibungslose Erledigung bieten (BVerfG aa0 S. 35; Senat in V-RS 72 (1987), 456). Bei dieser Gesetzeslage hat der Senat von Berlin im Rahmen seines Parkraumbewirtschaftungskonzeptes zu Recht davon abgesehen, private Firmen mit der Verfolgung von Parkverstößen zu betrauen; eine solche unmittelbare "Übertragung der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten auf private Unternehmen verstößt", wie der Senat von Berlin wörtlich ausführt (Nr. 6.1 der Drucksache 12/4683), "gegen Bundesrecht und wäre rechtswidrig". Der Senat von Berlin hat an sich durchaus auch erkannt, daß der von ihm gewählte Ausweg, wonach die mit der Umsetzung der Parkraumbewirtschaftung beauftragten Privatunternehmen eigene Kräfte einsetzen, die mit moderner Daten- und Kommunikationstechnik die Parkverstöße feststellen und diese Feststellungen an die Polizei zur weiteren Ahndung übergeben, "im Ergebnis zwar der (nach derzeitiger Gesetzeslage gesetzwidrigen) privaten Parkraumüberwachung angenähert ist", dann aber gemeint, daß die von ihm vorgeschlagene Lösung sich von jener insoweit unterscheide, "als eine Übertragung hoheitlicher Befugnisse unterbleibt" (aa0 Nr. 6.2).

aa) Dem vermag der beschließende Senat nicht zu folgen. Es kann offenbleiben, ob bereits die Verkehrsüberwachung als solche, bei der im Gegensatz zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten keine Eingriffe zu besorgen sind, zum Kernbereich staatlicher Aufgaben gehört, bei der eine Privatisierung verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt (zu den Möglichkeiten und Grenzen privater Verkehrsüberwachung, insbesondere bei Geschwindigkeitsverletzungen und bei Verstößen im ruhenden Verkehr, zuletzt Steiner DAR1996, 272 ff, Radtke NZV 1995, 428 ff, Bick/Kiepe NZV 1990, 329 ff, Janker DAR 1989, 172 ff und NJW 1992, 1365 f sowie Rusteberg PVT 1989, 222 ff: alle mit weiterführenden Nachweisen; vgl. dazu auch OLG Frankfurt a.M. NZV 1995, 368, OLG Stuttgart DAR 1991, 31 und AG Alsfeld NJW 1995, 1503) . Fest steht jedenfalls, daß sich die Tätigkeit der Angestellten der privaten Unternehmen, wie sie der Berliner Parkraumbewirtschaftungskonzeption zugrundeliegt, nicht mehr nur als generelle, d.h. Allgemeingefahren abwehrende Verkehrsüberwachung erweist, sondern bereits individuellen Eingriffscharakter besitzt und damit den Beginn staatlicher "Verfolgung" darstellt. Der private Ermittler beobachtet, registriert und dokumentiert ganz gezielt ausschließlich jene Tatsachen, die das Verhalten des Betroffenen als rechtswidrig qualifizieren. Kriterium für sein Eingreifen ist somit ausschließlich die Rechtswidrigkeit der Parksituation; allgemeine Gefahrenabwehr durch Verkehrsüberwachung mag insofern willkommenes Beiwerk sein, ist aber nicht erstrebter Hauptzweck. Demzufolge handelt es sich bei der den privaten Ermittlern aufgetragenen Tätigkeit der Sache nach nicht mehr lediglich um allgemeine Prävention, sondern um bewußt eingesetzte Repression (Verfolgung und Ahndung begangenen Unrechts), die wegen ihres Eingriffscharakters jedenfalls einen belegten Anfangsverdacht voraussetzt. Der für den Beginn eines personenbezogenen Bußgeldverfahrens erforderliche Anfangsverdacht liegt spätestens dann vor, wenn Tatsachen aufgezeichnet werden, die die Handlung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit erkennen lassen und durch Aufzeichnen des amtlichen Kraftfahrzeugkennzeichens auch den Zugriff auf einen bestimmten Täter ermöglichen. Ebenso wie eine zunächst nur verdächtige Person dadurch zum personalisierten Objekt staatlicher Strafverfolgung, d.h. zum "Beschuldigten" (§ 157 StPO) wird, indem "das Strafverfolgungsorgan, welches das Verfahren in seinem jeweiligen Abschnitt maßgeblich gestaltet, es gegen ihn gerade als Beschuldigten betreibt" (BGHSt. 10, 8, 12), wird auch ein Verkehrsteilnehmer durch entsprechenden Inkulpationsakt zum "Betroffenen" eines Bußgeldverfahrens. Dieser Inkulpationsakt kann ausdrücklich erfolgen oder aber - wie vorliegend - sich aus der jeweiligen Situation ergeben, muß aber immer personenbezogen sein (näher zum Beginn der "Beschuldigten"-Eigenschaft und damit zum Beginn staatlicher "Verfolgung" im Kriminalstrafverfahren SK/StPO-Rogall Rdn. 21 ff vor 133 und Geppert, Oehler-Festschrift, 1985, S. 323, 326 ff). Indem die privaten Ermittler die Verkehrszuwiderhandlung nach Tatort, Tatzeit und nach polizeilichem Kennzeichen in ihr elektronisches Erfassungsgerät eingeben und dies dem Führer des betreffenden Kraftfahrzeuges durch unter den Scheibenwischer geklemmte schriftliche Notiz mitteilen, wird dieser Fahrer zum "Betroffenen" eines Bußgeldverfahrens erklärt und damit der Beginn ordnungswidrigkeitenrechtlicher "Verfolgung" markiert, wie sie nach § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG ausschließlich der Polizei und ihr angegliederten Dienststellen vorbehalten ist.

bb) Indem die durch Private erlangten Ermittlungsergebnisse allein durch die elektronische Datenerfassung und ohne zwischengeschaltete Entscheidung eines Hoheitsträgers in das Verwarnungsgeldangebot (§ 56 OWiG) einfließen, hat sich die Polizei der lückenlosen tatsächlichen Sachherrschaft über den Geschehensablauf bei der Überwachung begeben, wie sie schon für die ersten Verfolgungsmaßnahmen kraft gesetzlicher Kompetenzzuweisung nur der Polizei zusteht. Die privaten Ermittler fungieren nicht mehr nur als bloße "Tatbestandsfeststeller" im Bereich vergleichsweise unerheblicher Überwachungsaufgaben und führen für die Polizei auch keineswegs nur mehr beiläufige Vorermittlungen durch; vielmehr sind es letztlich sie allein, die nicht zusätzlich zur oder zeitlich vor, sondern anstelle der nach § 26 StVG allein zuständigen Polizei die maßgeblichen Ermittlungen treffen. Somit stellt sich die Tätigkeit der privaten Ermittler auch nicht, wie die Amtsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung unter Hinweis auf Maunz (in Maunz-Dürig, Rdn. 36 zu Art. 33 GG) meint, als Tätigkeit eines sogenannten "Verwaltungshelfers" dar, die dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG nicht unterliegen würde. Dabei muß es sich nämlich um rein technisch-mechanische Hilfsdienste handeln, die eigene Entscheidungen des (angeblichen) Verwaltungshelfers nicht oder jedenfalls in nur unerheblichem Umfang erfordern (so auch Maunz an der angegebenen Stelle; zur Wahrnehmung bloßer Hilfsfunktionen s. auch Honigl, Tätigwerden von Privaten auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, 1985, S. 86 ff). Anders als etwa der Abschleppunternehmer, den die Polizei bei der Beseitigung verkehrswidrig abgestellter Fahrzeuge zur Hilfe heranziehen werden die privaten Ermittler nicht nach individuellem Auftrag und individueller Weisung der Polizei und zusätzlich zu dieser, sondern in weitem Umfang statt dieser tätig; die privaten Ermittler tun ersichtlich nichts anderes, als Polizeibeamte oder Angestellte im Polizeidienst in gleicher Situation tun würden. Damit geht ihre Tätigkeit über den Bereich bloß einfacher technisch-manueller Hilfsdienste weit hinaus.

cc) Beruht das Verfahren bis zur Erteilung des Verwarnungsgeldangebotes letztlich allein auf den durch den privaten Ermittler im ersten Zugriff erfaßten elektronischen Daten, setzt dies gleichzeitig voraus, daß der private Ermittler das Halten bzw. Parken eines Fahrzeuges zuvor als ordnungswidrigkeitenrechtlich zu ahndenden Sachverhalt beurteilt hat. Da es im Ermessen des Feststellenden liegt, Tatumstände als rechtserheblich einzustufen und aufzunehmen oder davon abzusehen, greift die Tätigkeit der privaten Ermittler unmittelbar in die Ermessensausübung der Verfolgungsbehörde ein. Sie gibt den Entscheidungsrahmen vor, der zum Rechtsfolgenausspruch führt. Damit ist der Opportunitätsgrundsatz, wie er das gesamte Bußgeldverfahren beherrscht (§ 47 OWiG), jedenfalls bis zur Erteilung des Verwarnungsgeldangebotes an der Behörde vorbei- und auf die privaten Ermittler übergegangen. Dies ist gesetzwidrig; denn der Opportunitätsgrundsatz müßte bereits vor Ort, d.h. schon hinsichtlich der Frage beachtet werden, ob überhaupt eine Verfolgung und gegebenenfalls mit welchen Aufklärungsmitteln sie stattfinden soll. Dem steht nicht entgegen, daß der zu ermittelnde Sachverhalt bei der Verfolgung speziell von Park- und Halteverstößen oft keine besonderen Anforderungen an die Durchführung der Ermittlung und häufig auch vergleichsweise geringe Anforderungen an die Abwägung des pflichtgemäßen Ermessens stellt. Das Gebot pflichtgemäßer Ermessensausübung ist auch dann nicht gewahrt, wenn das Ermessen seitens der Behörde überhaupt erst ausgeübt werden kann bzw. entsprechende Ermessensfehler erst zu korrigieren sind, wenn sich der Betroffene gegen das automatisierte Verwarnungsgeldangebot zur Wehr setzt.

dd) Wie das angefochtene Urteil zutreffend ausführt, läßt sich das Parkraumüberwachungskonzept des Berliner Senates auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, daß auch sonst eine Vielzahl von Rechtsverletzungen im Kriminal- ebenso wie im Ordnungswidrigkeitenrecht durch "Private" angezeigt wird, die ihr Wissen in einer nachfolgenden Hauptverhandlung gegebenenfalls als Zeugen zu bekunden haben. Angesichts der Tatsache, daß die Tätigkeit der privaten Ermittler systematisch und nicht zufällig nur im Einzelfall und im übrigen "berufsmäßig" gegen Entgelt erfolgt, ist die Tätigkeit der privaten Ermittler mit dem Jedermannsrecht auf Anzeige von Rechtsverletzungen nicht zu vergleichen.

b) Bei dieser Gesetzes- und Rechtslage hat es das Amtsgericht zu Recht abgelehnt, die beweismäßigen Ergebnisse der in gesetzwidriger Weise durch Angestellte eines Privatunternehmens durchgeführten Verkehrsüberwachung gegen den Betroffenen zu verwenden. Ungeachtet der Tatsache, daß die gesetzwidrige Beweiserhebung nur in vergleichsweise geringem Umfang in grundrechtlich geschützte Belange des Betroffenen eingreift und die Beweisergebnisse letztlich auch auf ordnungsgemäßem Wege hätten erlangt werden können, unterliegen sie jedenfalls dann einem Beweisverwertungsverbot, wenn sie zu Lasten des Betroffenen unter bewußter Mißachtung geltender gesetzlicher Bestimmungen erlangt sind.

aa) Der entscheidende Senat folgt damit der Linie, wie sie in einem vergleichbaren Fall (Geschwindigkeitsmessung durch Private) bereits vom AG Alsfeld (NJW 1995, 1503) und im Beschwerderechtszug vom OLG Frankfurt a.M. (NZV 1995, 368) vertreten wurde (vgl. in anderem Zusammenhang auch KG StV 1985, 404) . Auch nach überwiegender Ansicht im Schrifttum kann eine an sich rechtswidrige Beweiserhebung durch die Überlegung, daß die Strafverfolgungsorgane bei rechtmäßigem Vorgehen dasselbe Beweisergebnis hätten erlangen können, jedenfalls dann nicht legitimiert werden, wenn sich die rechtswidrige Beweiserhebung im Einzelfall als bewußte oder jedenfalls grobfahrlässige Mißachtung zwingender Rechtsvorschriften darstellt (vgl. für viele vor allem Rogall NJW 1988, 385, 391 sowie denselben in SK/StPO Rdn. 103 zu 136 a, Meurer JR 1990, 391, Roxin NStz 1989, 379 sowie Wolter in SK/StPO Rdn. 203 zu 151). Dem ist der Fall gleichzustellen, daß die verantwortlichen staatlichen Stellen und damit vorliegend der Senat von Berlin und die in Sachen der Parkraumbewirtschaftung und -Überwachung federführende Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe sehenden Auges eine Lösung umgesetzt haben, die seit Ende der 80er Jahre vielerorts als höchst bedenklich eingeschätzt wurde (vgl. nur den Arbeitskreis II "Verkehrsüberwachung durch Gemeinden oder Private?" auf dem 27. Deutschen Verkehrsgerichtstag 1989) und über deren rechtliche Risiken der Senat, wie das Amtsgericht festgestellt hat, durch eigene Dienststellen und von außerhalb mehrfach in Kenntnis gesetzt wurde. Bei dieser Sachlage sieht der Beschwerdesenat keine Notwendigkeit, dem Antrag der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht zu folgen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zwecks weiterer Aufklärung, auf Grund welcher anderer Erkenntnisse der Senat von Berlin zur gegenteiligen Rechtsüberzeugung gelangt sei, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Eine solche Zurückverweisung ist schon deshalb nicht erforderlich, weil die tatsächlichen Voraussetzungen eines Beweisverbotes nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGHST. 16, 164, 166, BGH MDR 1981, 338, BayObLG bei Ruth DAR 1982, 253 und OLG Düsseldorf VRS 57 (1979) , 289, 291) und nach ganz herrschender Ansicht im Schrifttum (vgl. SK/StPO-Schlüchter Rdn. Rdn. 11 zu § 244, KK-Pelchen, 3. Aufl. 1993, Rdn. 53 vor § 48 sowie Beweisantrag in, Strafprozeß, 5. 1983, S. 121 f: alle mit weiteren Nachweisen) im Wege des Freibeweises festgestellt werden dürfen; zum andern ist eine Zurückverweisung nicht erforderlich, weil die maßgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen des Beweisverbotes vom Amtsgericht hinreichend sicher festgestellt sind. Der Senat hat im Wege des Freibeweises darüber hinaus weiter festgestellt, daß dem Senat von Berlin die ablehnenden Stellungnahmen des Bund-Länder-Fachausschusses (BLFA-OWiG) aus seiner Sitzung vom 7./8. November 1989 in Kiel oder vom 19./20. Oktober 1993 in Schwerin ebenso bekannt waren wie die warnende gutachterliche Stellungnahme des Bundesministers für Verkehr vom 24. August 1993, die vom Senator für Verkehr und Betriebe jedenfalls zeitweilig sogar ausdrücklich für rechtlich zutreffend gehalten wurde (vgl. Vermerk SenVuB vom 7. März 1994). Im Wege des Freibeweises hat das Beschwerdegericht des weiteren festgestellt, daß das senatseigene Justitiariat mit Schreiben vom 8. März und vom 11. Mai 1994 nachdrücklich auf die rechtlichen Bedenken gegen die vom Senator für Verkehr und Betriebe befürwortete Konzeption hingewiesen hat und daß diese Bedenken auch von anderen Senatsstellen geteilt wurden (vgl. Vermerk des Finanzsenators vom 3. Februar 1994 sowie Schreiben SenVuB vom 16. Februar 1994). Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen oder auf Grund welcher anderer Überlegungen oder Erkenntnisse die Regierung des Landes Berlin sich zu der gesetzwidrigen Parkraumüberwachungskonzeption entschlossen hat. Maßgeblich ist allein, daß das von ihr bestimmte Parkraumüberwachungsmodell sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 26 Abs. 1 S. 1 StVG hält und somit auch nicht mehr den vom BVerfG im Hinblick auf Art. 33 Abs. 4 GG aufgestellten Grundsätzen entspricht, wonach die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten in die ausschließliche Zuständigkeit der Polizei fällt.

bb) Es kommt hinzu, daß es sich nicht um eine rechtswidrige Beweiserhebung im Einzelfall, sondern um eine jedenfalls für den weiträumigen Bereich der Berliner Parkraumzonen allgemeingültige Regelung handelt, der seitens der damit befaßten Gerichte nur mit Hilfe eines entsprechenden Beweisverbotes entgegengewirkt werden kann. Dem Senat von Berlin war das "Rechtsrisiko der Aufhebung" der auf Grund dieser gesetzwidrigen Beweiserhebung zustandegekommenen Bußgeldbescheide durch die Gerichte" bekannt (Vermerk der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe vom 16. Mai 1994).

4. Der Senat weist abschließend darauf hin, daß er nicht Zweckmäßigkeit und Effizienz der auf private Unternehmungen gestützten Berliner Parkraumkonzeption zu würdigen hat. Dem Senat ist es im Rahmen eines ihm konkret zur Entscheidung vorgelegten Bußgeldverfahrens lediglich aufgegeben zu überprüfen, ob dieses private Parkraumüberwachungsmodell der derzeitigen Gesetzeslage entspricht (was nach Ansicht des Senates nicht der Fall ist, weil bislang auch jede Möglichkeit gesetzlicher Beleihung fehlt) und daraus die beweisrechtlich notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO.

Dr. Dietrich / Halter / Prof. Dr. Geppert

Zuletzt geändert:
am 06.03.97

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