Anlagen zum Jahresbericht 1996Auszug aus dem Jahresbericht 19912.2 Erbe der DDRMit dem Zusammentritt des neuen Abgeordnetenhauses zu Beginn des Jahres begann auch für die Berliner Verwaltung eine neue Epoche. Aus den bisher nach der deutschen Vereinigung noch getrennten Verwaltungseinheiten im West- und im Ostteil Berlins wurde eine einheitliche Organisation. Dies bedeutete, daß die im Ostteil der Stadt vorhandenen Datensammlungen eingebracht werden mußten in Abläufe, die sich an der Grundentscheidung des Einigungsvertrages orientieren, auch in den östlichen Bezirken im wesentlichen die bundesrechtlichen Strukturen einzufahren. Die rechtliche Grundlage wurde hierfür durch die beiden Mantelgesetze gelegt, durch die nahezu das gesamte Recht des Westens auf den Osten erstreckt wurde. Auch ist die Vereinigung der zentralen behördlichen Datenverarbeitungsinstitutionen der beiden Stadthälften bemerkenswert reibungslos verlaufen. Das vom früheren Landesamt für elektronische Datenverarbeitung übernommene Magistratsrechenzentrum wurde "abgewickelt". Diese informationstechnische Vereinigung der Stadt dokumentiert sich auch durch die Namensänderung des LED in "Landesamt für Informationstechnik". Alte DDR-Informationstechnik findet sich im Großrechnerbereich nicht mehr, hier und da findet man noch Personalcomputer der Fa. Robotron, deren Ersatz aber bevorstehe. Daß hierbei Schwierigkeiten auftreten würden, lag angesichts der fundamentalen Unterschiede der Staatsauffassungen auf der Hand. Eine flächendeckende Überprüfung war nicht möglich und nicht nötig: Allerorten war das Bemühen spürbar, trotz der vielfach unzureichenden Möglichkeiten angemessene Lösungen zu finden, auch wenn das Verständnis für die Grundgedanken des Datenschutzes mitunter Mühe bereitete. Einige Beispiele sollen die Schwierigkeiten beleuchten. Unsere Prüfpraxis ging davon aus, daß denjenigen, die den Aufbau der neuen Verwaltungsstrukturen zu bewerkstelligen hatten, eine faire Chance eingeräumt werden muß, ordnungsgemäße Abläufe herzustellen. Intensive oder gar überraschende Überprüfungen in derartigen Aufbausituationen sind zwar mitunter erforderlich, müssen aber behutsam eingesetzt werden. Datensammlungen der PolizeiGroßes Augenmerk war naturgemäß auf die Frage zu richten, auf welche Weise die Datenbestände der Polizei übernommen wurden, die sich auf Einwohner des Ostteils der Stadt bezogen.
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Es handelte sich dabei in erster Linie um die Daten des "Dialogorientierten
Recherche- und Auskunftssystems" des Zentralen Kriminalamts
der ehemaligen DDR (DORA), das auch von den Bezirkskriminalämtern
und den Kreiskriminalämtern benutzt wurde. In DORA konnten
bei geringfügigen Straftaten, Straftaten ohne überregionale
Bedeutung und bei Ersttätern Meldedaten, der Urteilsspruch,
Angaben aus dem Strafvollzug, Hinweise auf erkennungsdienstliche
Maßnahmen und Straftaten gespeichert werden. Bei Straftaten
von erheblicher Bedeutung kamen weitere Daten hinzu, wie z. B.
Daten zur Personenbeschreibung, zum Tathergang und zur polizeilichen
Beobachtung, Angaben über Arbeitsstellen und Daten über
Fahrerlaubnisse. Darüber hinaus konnten Daten von Personen
gespeichert werden, die der Republikflucht verdächtigt wurden.
Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurde das Zentrale Kriminalamt als Gemeinsames Landeskriminalamt (GLKA) der neuen Bundesländer weitergeführt. Dies gilt nach dem Einigungsvertrag solange und soweit die neuen Bundesländer keine Landeskriminalämter eingerichtet haben. In Berlin nimmt diese Aufgabe der Polizeipräsident wahr. Im Gegensatz zu den anderen Ländern hat Berlin sich von vornherein nicht am GLKA beteiligt. Der Polizeipräsident in Berlin hat vielmehr die DORA-Datenbestände, für die er zuständig ist, sofort übernommen. Vor der Übernahme fand eine Teilbereinigung statt. Gelöscht waren Daten über Personen, die wegen Sachverhalten gespeichert waren, die nach dem bundesdeutschen Recht kein strafbares Verhalten darstellen. So waren Datenspeicherungen wegen "Republikflucht" oder ähnlicher Straftaten zum Zeitpunkt der Übernahme bereits gelöscht. Nach Übernahme der DORA-Daten durch die Berliner Polizei wurden auch diese Datenbestände im laufenden DORA-Verfahren gelöscht. Die Ost-Berliner Datenbestände sind jedoch weiterhin im GLKA auf Datenträgern archiviert. Dies ist problematisch. Für die Verarbeitung übernommener polizeilicher Datenbestände ist ausschließlich der Polizeipräsident in Berlin zuständig. Er hat zu entscheiden, welche Daten nach den bereits genannten Grundsätzen übernommen werden und auch, inwieweit eine bundesweite Speicherung einzelner Datenbestände im INPOL-System erforderlich ist. Damit sind auch die Archivbestände zu übernehmen - was angesichts der anstehenden Auflösung des GLKA ohnehin ansteht. Neben DORA verfügte die ehemalige Volkspolizei auch über regionale Sammlungen, deren Berliner Bestände ebenfalls vom Polizeipräsidenten übernommen auch beim Polizeipräsidenten geführt werden (z. B. Kriminalakten, Bezirksspeicher Daktyloskopie, Täterlichtbildkartei, Personenfahndungskartei) auch recht eigenwillige Bestände, wie z. B. eine Spitznamenkartei, eine Kartei "Faschos, Skinheads und Sympathisanten" oder gar eine Ohrenabdruckspuren-Sammlung. Diese Datensammlungen wurden, soweit sie für die Arbeit der Polizei weiterhin erforderlich sind, in die bestehenden Bestände integriert. Im übrigen war darüber zu entscheiden, ob sie weiterhin aufbewahrt oder vernichtet werden sollten. Bei der Vernichtung der Daten war zu berücksichtigen, daß nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BlnDSG vor der Löschung personenbezogener Daten die Betroffenen zu hören sind. Allerdings hatte der Polizeipräsident eine Reihe der übernommenen Karteien und einzelne Teile der Aktensammlungen offenbar bald nach deren Auffinden vernichtet. Auf unsere Intervention nach Inkrafttreten des neuen Berliner Datenschutzgesetzes wurden weitere Vernichtungen gestoppt. Die Senatsverwaltung für Inneres hat in Abstimmung mit uns den Polizeipräsidenten gebeten, die Akten und Datensammlungen bis zum 31. Dezember 1996 gesichert aufzubewahren und sicherzustellen, daß sie nur für Auskünfte an Betroffene und mit Einverständnis der Betroffenen zu deren Rehabilitation genutzt werden. Etwaige Betroffene sollen durch wiederholte öffentliche Bekanntmachung darüber informiert werden, welche Datensammlungen im einzelnen übernommen wurden und wann die Vernichtung erfolgen soll, damit sie Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer schutzwürdigen Belange erhalten. Gesamtberliner MeldewesenBereits im Vorjahr wurde die zentrale Speicherung der Einwohnerdaten der DDR in einer Personendatenbank - nach der Wende in Zentrales Einwohnerregister (ZER) umbenannt - beschrieben. Die Überführung dieser Daten in ein einheitliches Melderegister war eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau der Verwaltung. Eine Projektgruppe im Landeseinwohneramt, bestehend aus Angehörigen der Senatsverwaltung für Inneres, des (damals noch existierenden) Ministeriums des Innern der DDR, der ehemaligen Magistratsverwaltung für Inneres, der Volkspolizei und des Landeseinwohneramtes (LEA) wurde Mitte 1990 ins Leben gerufen, um Konzepte zur Übernahme der für ein einheitliches Meldewesen notwendigen Daten aus dem Zentralen Einwohnerregister (ZER) zu erarbeiten. Geplant wurde, bis zum April 1991 diese Übernahme zu vollziehen und in der Folgezeit die Vereinheitlichung des Berliner Meldewesens zu realisieren. Dieses anspruchsvolle Vorhaben soll bis zum Ende des Jahres 1992 abgeschlossen sein. Ursprünglich war angedacht, die Daten der Bürger aus dem Ostteil der Stadt mit bereits vorhandenen DV-Programmen eines Dialogverfahrens zu übernehmen, um eine korrekte Fortschreibung des Datenbestandes zu gewährleisten. Dieser Weg erwies sich jedoch als nicht gangbar. So wurde aus dem im ZER gehaltenen, nach der Wende bereinigten und den Vorschriften des Melderechtsrahmengesetzes angepaßten Datenbestand ein Auszug auf Magnetband erstellt, der die Daten aller Personen beinhaltete, die auf irgendeine Weise mit Berlin zu tun haben bzw. hatten. Diese Auszugsdatei wurde danach in eine Datei überführt, deren Aufbau dem ADV-Verfahren für das Einwohnerwesen des LEA (EWW) entsprach. Mit Hilfe dieser Datei wurde zunächst eine Datenbank eingerichtet, die ausschließlich Daten von Bürgern aus dem Ostteil der Stadt enthielt. Dieser Datenbestand wurde auch gesondert behandelt, da z. B. die Lohnsteuermerkmale über die Bezirkseinwohnerämter zu ergänzen waren und die Änderungen, die sich aus dem normalen Meldestellenbetrieb ergeben, in einer "Zentralen Änderungsstelle" des LEA bearbeitet und in die Datenbank eingegeben werden mußten. Bis Ende 1991 sollte diese Sonderbehandlung beendet sein und die Bestände beider Datenbanken zusammengeführt werden. Bei einer Überprüfung, die im vergangenen Jahr nicht abgeschlossen werden konnte, wurden einige Mängel im Zusammenhang mit der Überführung der Bestände festgestellt. Nach der Übernahme der Daten gibt es im vom ZER genutzten Rechenzentrum immer noch denselben als "inaktiv" deklarierten Datenbestand. Diese Doppelspeicherung von personenbezogenen Daten ist für die Aufgabenerfüllung nicht erforderlich, eine künftig notwendige Rechtsgrundlage auch für die Speicherung von Daten aus "verarbeitungstechnischen Gründen" liegt ohnehin nicht vor. Sie widerspricht zudem der Aussage des Senats in seiner Stellungnahme zu unserem Jahresbericht 1990. In den Meldestellen der östlichen Bezirke wird noch mit den alten Meldekarteikarten gearbeitet. Auf diesen Karten sind nach den jetzt geltenden Rechtsnormen unzulässige Daten eingetragen. Über diese Datei und über Verknüpfungen zu anderen noch bestehenden Karteien oder Dateien (z. B. mit Hilfe der verfassungswidrigen Personenkennzahl) sind rechtswidrige Nutzungen möglich. Diese Karteien sind in einigen Meldestellen noch bis 1993 erforderlich, da die Einrichtung der notwendigen EDV-Geräte vorher nicht möglich ist. Die unzulässigen Eintragungen sind daher unkenntlich zu machen. Das LEA hat vom ZER Daten von allen Personen übernommen, die jemals in Berlin wohnhaft waren oder eine Arbeitstätte hier hatten. Vom LEA wird dies mit Auskunftsersuchen von Betroffenen zu Rentenzeiten oder ähnlichem begründet. Für diese Datenerhebung gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage. Grundsätzlich gilt, daß in der aktuellen Einwohnerdatei nur die z. Z. in Berlin lebenden Personen erfaßt werden dürfen (§§ 1 und 2 MeldeG). HausbücherVon verschiedenen Seiten sind wir auf den Verbleib der in der ehemaligen DDR geführten Hausbücher angesprochen worden. Diese Datensammlungen, in denen akribisch der Ein- und Auszug der Bewohner und die Besucher der Mieter festgehalten wurden, haben die jeweiligen Hausbuchbeauftragten geführt. Der Innenminister der DDR hatte im September 1990 angeordnet, daß sämtliche Hausbücher zu vernichten seien. Die Einziehung der Bücher sollte durch die zuständigen Meldestellen erfolgen. In Berlin hat sich ein ehemaliger Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee mit diesem Thema beschäftigt, der noch zu DDR-Zeiten die Meldestellen aus dem Polizeibereich löste und eine Struktur entsprechend dem Landeseinwohneramt mit den verschiedenen Meldestellen schuf. Weiterhin schrieb er die Hausbuchbeauftragten an und bat darum, die Hausbücher den Meldestellen zu übergeben. Eine Überwachung der Rückgabe wurde jedoch nicht durchgeführt. Weil zwischenzeitlich - z. T. bereits vor dem 3. Oktober 1990 - in Teilbereichen die Kartei der Hausbuchbeauftragten und auch zurückgegebene Hausbücher vernichtet wurden, war eine Rücklaufkontrolle auch nachträglich nicht mehr möglich. Das Landeseinwohneramt hat uns erklärt, daß ca. 86 000 Hausbücher in Umlauf waren, von denen ca. 11 000 bei den Meldestellen einschließlich Landeseinwohneramt lagerten. Der Verbleib der restlichen Unterlagen war nicht mehr zu klären. Auch die abgegebenen Hausbücher sind zwischenzeitlich vernichtet worden. Eine Anhörung der Betroffenen vor der Vernichtung (§ 17 Abs. 3 BlnDSG) erschien nicht erforderlich, da die Eintragungen in den Hausbüchern allen Beteiligten bekannt waren und die Verletzung schutzwürdiger Belange ausschied. Datenspeicher WohnungspolitikDurch die Vereinigung war dem Land Berlin der "Datenspeicher Wohnungspolitik" mit über 630 000 Datensätzen mit sehr detaillierten personenbezogenen Wohnungsdaten der Bevölkerung des Ostteils Berlins zugefallen. Die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen bat uns um datenschutzrechtliche Bewertung, inwieweit diese Datei noch genutzt werden könne. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Senatsbauverwaltung bereits einen Abzug des Datenbestandes zu Zwecken der Durchführung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Gesetzes zum Abbau der Fehlbelegung im Wohnungswesen erstellt, sich dabei jedoch auf die Daten beschränkt, die ausschließlich für diese Aufgaben erforderlich waren. Neben dem Wunsch der Senatsbauverwaltung, die vorhandenen Daten für Zwecke der Stadtplanung zu nutzen, lagen darüber hinaus Anträge auch vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz vor. Ein privates Unternehmen bat um Nutzung der Daten für die Erstellung eines Energiekonzeptes für die Bezirke Pankow, Köpenick und Treptow, das sie im Auftrag des Bundes und des Berliner Senats zu erarbeiten hatte. In ihrem Antrag hatte sie darauf verwiesen, daß ihre Arbeit entscheidend von der Bereitstellung territorialer Ausgangsdaten abhänge. Der Datenspeicher Wohnungspolitik sei die Basis des Auftrags, weil er hausbezogene Daten enthalte, die unter Verwendung des territorialen Grundschlüssels angelegt und bis Mal 1990 geführt worden sei. Dem Datenspeicher Wohnungspolitik lagen zwar in der ehemaligen DDR das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik sowie die Wohnraumlenkungsverordnung zugrunde, so daß die Daten bis zum 2. Oktober 1990 auch rechtmäßig gespeichert waren. Der Einigungsvertrag enthält allerdings keine besondere Bestimmung für fortgeltendes Recht der DDR - auch nicht als Landesrecht -, die den Bestand und die Nutzung des Datenspeichers Wohnungspolitik rechtfertigen würde. Damit hat der Datenspeicher insgesamt seit dem 3. Oktober 1990 keine Rechtsgrundlage mehr. Nach § 6 i. V. m. 10 und 11 BlnDSG wäre damit jede weitere Speicherung unzulässig und die Daten wären zu sperren bzw. zu löschen. Ergänzend war zu prüfen, ob eine weitere Nutzung einzelner Datensätze durch fortgeltende Rechtsgrundlagen der früheren DDR abgedeckt sein könnten. Hier kommen über Art. 9 Einigungsvertrag die statistischen Daten des territorialen Grundschlüssels (TGS) über das Statistikgesetz der DDR vom 20. Juli 1990 in Betracht, soweit sie vergleichbar sind mit den Statistikdaten des Regionalen Bezugssystems. Jedoch müßten bei einer Weitergabe solcher Daten auf jeden Fall dieselben vertraglichen Absicherungen wie bei der Weitergabe der Daten aus dem Regionalen Bezugssystem vorgenommen werden. Ob darüber hinaus auf spezialrechtlicher Grundlage oder gar auf dem Weg des Übergangsbonus nach § 34 Abs. 1 BlnDSG auch diejenigen Einzeldaten, die für die Erfüllung rechtmäßiger Aufgaben erforderlich sind, weiterhin gespeichert und verwendet werden können, wird noch geprüft. Dies setzt eine genaue Analyse voraus, welche der übernommenen Daten für welche gesetzlichen Aufgaben unerläßlich sind. Dabei ist selbstverständlich die Verwendung bestimmter Daten, wie der Personenkennzahl, ausgeschlossen. Zum Beispiel scheinen die §§ 138 ff Baugesetzbuch (BauGB) für die festgesetzten Sanierungsgebiete als Rechtsgrundlage für eine weitere Verwendung einzelner Daten geeignet zu sein. Jedoch ist auch hier zu bedenken, daß die Daten ursprünglich hinter dem Rücken der Betroffenen und nicht bei den Betroffenen erhoben wurden. Dies könnte dadurch geheilt werden, daß die Betroffenen über die bisherige Speicherung informiert werden und unter Hinweis auf § 138 BauGB gleichzeitig nach der Richtigkeit derjenigen Informationen befragt werden, die auch nach dieser Vorschrift beim Betroffenen hätten erhoben werden dürfen. Diese Überlegung gilt auch bei anderen Gesetzen, die als Grundlage für die weitere Verwendung einzelner Daten herangezogen werden sollen. Denkbar ist ferner, die Daten in anonymisierter und aggregierter Form entweder bei der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen fortzuführen oder dem Statistischen Landesamt für deren Zwecke zu überlassen. Dies würde allerdings zur Vermeidung einer Deanonymisierung eine hinreichende Aggregation voraussetzen. Der Verdacht, daß der vom Magistratsrechenzentrum übernommene Datenspeicher auch Gegenstand rechtswidriger Datenübermittlungen war, wurde durch einen Hinweis der Senatsbauverwaltung genährt, daß ihr ein Verkaufsangebot einer privaten Firma vorliege, mit dem Daten aus Gebäudedateien des Gebietes der ehemaligen DDR zum Verkauf angeboten werden. Diese Firma hatte als ehemalige öffentliche Stelle der DDR Daten im Auftrag des Magistrats von Ostberlin verarbeitet. Ein Ergebnis der von uns bei der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres angeregten Überprüfung steht noch aus. GesundheitswesenAls besonders problematisch stellt sich der Umgang mit den personenbezogenen Daten sowohl der Patienten als auch des ehemaligen Personals bei der "Abwicklung" bzw. Privatisierung von Einrichtungen des Gesundheitswesens der ehemaligen DDR im Ostteil Berlins dar. Es besteht der Eindruck, daß man sich des hohen Risikos, das bei der Auflösung vollständiger Gesundheitseinrichtungen hinsichtlich des angesammelten Datenmaterials besteht, nicht oder zumindest nur unvollkommen bewußt ist. Beispielsweise sind allein im Bezirksamt Mitte noch ca. 500 000 Patientenakten und 2 400 Personalakten aufzuarbeiten. Der Schriftwechsel zwischen den Beteiligten ist rege, jedoch Aktionen, die einer Lösung dienen, fehlen aus unserer Sicht weitgehend. Hinzu kommt in einzelnen Fällen ein erhebliches Kompetenzgerangel. Ein besonders gravierender Fall ist die "Abwicklung" des ehemaligen Regierungs- und Diplomatenkrankenhauses in der Scharnhorststraße. Ohne daß es zu einer abschließenden Klärung hinsichtlich der Abwicklungszuständigkeit zwischen den Bundes- und Landesbehörden einschließlich der neuen Länder gekommen war, beschloß die Gesamtberliner Landesregierung im Dezember 1990, die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung mit der "Abwicklung" des umstrittenen Krankenhauses zu betrauen. Man ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, daß zum einen kein Bedarf zur Weiterführung des Krankenhausbetriebes mehr bestand und zum anderen die Gebäude und Einrichtungen der Charité zur weiteren Nutzung übergeben werden sollten. So führten auch zwei von der Charité übernommene ehemalige Mitarbeiter nach der endgültigen Einstellung der Krankenhausaktivitäten im März 1991 die Registratur stundenweise weiter, um ehemalige Patienten mit Kopien aus ihren Akten zu versorgen, die für ihre weitere Behandlung benötigt wurden. Mittlerweile sind offenbar zumindest die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der Liegenschaft dergestalt geklärt, daß aus dem ehemaligen Reichsvermögen Bundesvermögen wurde. Da der Bund im Zuge des teilweisen Umzuges seiner Verwaltungen nach Berlin verständlicherweise Eigenbedarf anmeldete, war an eine Übernahme des ehemaligen Krankenhauses durch die Charité natürlich nicht mehr zu denken. Was jedoch sollte aus dem sicher nicht unerheblichen Inventar und den besonders sensiblen Datensammlungen in den Archiven, Registraturen (die ja vermutlich Akten über die gesamte DDR-Prominenz enthalten) und der Personalverwaltung werden? Im September veranlaßte die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung eine Bestandsaufnahme hinsichtlich des Umfanges des in dem Krankenhausareal gelagerten Aktenmaterials. Von diesem Zeitpunkt an wurde wieder um die Zuordnung der Verantwortlichkeit für die Aufarbeitung der Unterlagen innerhalb des Senates gerungen. Daß inzwischen die mit der Schaffung von Baufreiheit in einem Teil des Gebäudekomplexes beauftragte OFD Berlin nicht inaktiv blieb und versuchte, die belegten Räume von den brisanten Akten zu befreien, kann eigentlich nicht verwundern - allerdings bedurfte es erst des energischen Eingreifens des Leitenden Amtsarztes des Bezirksamts Mitte, damit die Verlagerung der Bestände unter der fachlichen Aufsicht stattfand, die im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht geboten ist. Der Senat hat zwischenzeitlich beschlossen, die Zuständigkeit ganz in die Hände der Gesundheitsverwaltung zu legen. Diese hat nun die gewaltige Aufgabe, gemeinsam mit den für die Gesundheitsaufsicht zuständigen Bezirken nach Lösungen für die endgültige Lagerung aller Akten zu suchen. Erforderlich ist dabei eine Lagerung, die die Nutzung für künftige Krankheitsfälle der Patienten ermöglicht. Probleme bestehen im übrigen auch bei den fortgeführten Einrichtungen des Gesundheitswesens. Einige stichprobenartige Besichtigungen haben ergeben, daß teilweise katastrophale Zustände hinsichtlich der zu gewährleistenden Datensicherheit zu vermerken sind. So fehlt es am notwendigsten, wie verschließbare Aktenschränke, Ausstattung der Schränke mit Sicherheitsschlössern. In einem Fall ergab die Besichtigung einer ärztlichen Dienststelle, daß Patientenunterlagen in einem unabgeschlossenen Raum zum Treppenhaus gelagert wurden und dieser Raum zusätzlich noch als Durchgangsraum zu den anderen Diensträumen benutzt wurde. Flächendeckende Beanstandungen sind in diesem Fall nicht angebracht: Ein Vorwurf kann angesichts der Mangellage auch in personeller und finanzieller Hinsicht kaum erhoben werden, zumal von einer mitunter beeindruckenden Lernbereitschaft und Veränderungswilligkeit der Mitarbeiter ausgegangen werden kann. Gleichzeitig fehlt es jedoch noch an Wissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen und über die technisch-organisatorischen Möglichkeiten, wie diese Zustände auch mit unkonventionellen Möglichkeiten schnellstmöglich verbessert werden können. Deswegen hat der Schwerpunkt unserer Tätigkeit bei der datenschutzrechtlichen Beratung gelegen. Das Krebsregister der ehemaligen DDR soll nunmehr bis zum Inkrafttreten des Krebsregister-Sicherungsgesetzes (längstens bis zum 31. Dezember 1992) vom Bundesgesundheitsamt im Wege der Organleihe als Organ der neuen Bundesländer und Berlins verwaltet werden. Zu diesem Zweck ist ein Verwaltungsabkommen am 1. Januar 1992 zwischen den beteiligten Ländern und dem Bund in Kraft getreten. Entgegen den Forderungen der Datenschutzbeauftragten verwaltet das Bundesgesundheitsamt nicht nur treuhänderisch den personenbezogenen Teil des Krebsregisters, der von den übrigen - für die wissenschaftliche Nutzung ausschließlich interessanten - Daten zu trennen ist, sondern alle Unterlagen des Nationalen Krebsregisters" der ehemaligen DDR, die personenbezogene Daten enthalten. Das Bundesgesundheitsamt hat lediglich die Aufgabe, diese Unterlagen zu verwahren und sie gegen unbefugten Zugriff zu sichern. Dies gilt auch für die ab dem 1. Januar 1992 auf freiwilliger Grundlage erstatteten ärztlichen Meldungen. Das Verwaltungsabkommen sieht außerdem vor, daß für diese Datensammlung das Datenschutzrecht des Landes gilt, aus dem die jeweilige Meldung stammt. Daraus folgt, daß das Bundesgesundheitsamt den vorhandenen Datenbestand nach Herkunftsländern getrennt verwahren muß, zumal die Datenschutzgesetze der Länder, aus denen die Meldungen stammen, zum Teil stark voneinander abweichen. Für eine wissenschaftliche Nutzung des Krebsregisters enthält das Verwaltungsabkommen ohnehin nicht die erforderliche gesetzliche Grundlage. Es ist dringend erforderlich, daß dieses datenschutzrechtlich völlig unzureichende Provisorium alsbald abgelöst wird durch eine gesetzliche Regelung, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Krebskranken im östlichen Teil Berlins und in den neuen Bundesländern respektiert. Riskante TelefonnebenstellenanlagenDie Telefonnebenstellenanlagen in den öffentlichen Stellen der östlichen Bezirke Berlins entsprechen in aller Regel nicht dem technischen Stand, der im Westen Berlins trotz der auch dort zögerlichen Modernisierung Standard ist. Darüber hinaus gab es besondere Probleme: Aufgeschreckt durch die Enthüllungen über die weitreichende Abhörtätigkeit der Staatssicherheit, wandte sich der Personalrat eines Bezirksamtes mit einem Problem an uns, das sicher auch andere Stellen im östlichen Berlin betrifft: Schon das Abnehmen des Telefonhörers genügte, um ungewollt Teilhaber eines telefonischen Dialoges zu sein. Auch während des Wählens einer Rufnummer stellte sich der gleiche Effekt ein, obwohl der Wahlvorgang noch gar nicht abgeschlossen war. Diese Umstände führten zu der Schlußfolgerung, daß es den Mitgliedern des Personalrates umgekehrt ähnlich widerfahren könnte, wenn sie ihrerseits miteinander telefonierten, zumal nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, ob es sich bei den Telefonaten, zu deren unfreiwilligem Mithörer man werden konnte, um Gespräche innerhalb des Hausnetzes handelte, oder ob die Fehlschaltungen auf das allgemeine Telefonnetz der damaligen Deutschen Post zurückzuführen seien. Nachfragen bei der für die Wartung der Telefonanlage des Bezirksamtes zuständigen Stelle ergaben, daß die Anlage nach der Installation mit Fehlern übergeben und abgenommen wurde. Die "Unzulänglichkeiten" sollten im Laufe der Zeit beseitigt werden, was sich jedoch als kaum realisierbar herausstellte. In einem Gespräch mit dem Bezirksbürgermeister stellte sich heraus, daß auch ihm diese Probleme nicht unbekannt waren und auch bereits Aktivitäten zur Behebung des unbefriedigenden Zustandes eingeleitet worden waren, was wiederum dem Personalrat offensichtlich nicht bekannt war. Trotz der erheblichen finanziellen Hürden wurde letztlich doch noch eine Möglichkeit gefunden, die unzuverlässige Telefonanlage auszutauschen. Stasi beim FernsehenDie menschenrechtswidrigen Datenerhebungen des Staatssicherheitsdienstes sind Legion und auf Grund der aktuellen Debatten auch bekannt. Einem besonders niederträchtigen Datenzugriff beim inzwischen "abgewickelten" Deutschen Fernsehfunk (DFF) kamen wir mit Hilfe eines Dokuments auf die Spur, das uns ein aufmerksamer Bürger zur Verfügung gestellt hatte. Im Programm des Fernsehens der DDR, der Vorläuferin des DFF, zählte die Sendung PRISMA zu den populärsten Fernsehsendungen vor der Wende. Die Redaktion verstand sich als Sammelstelle für Bürgereingaben, die bisher fruchtlos geblieben waren. Eine Vielzahl von Bürgern versuchte sich hier in einer Weise kritisch zu äußern, wie dies über andere Medien kaum möglich war. Gerade zu den Unterlagen dieser Sendung, die nach außen ein Bollwerk gegen die Allmacht des Systems schien, verschaffte sich die Stasi einen (wie in diesem bürokratischen Staat üblich) formell geregelten Zugang - und zwar offensichtlich nicht nur zu den entstandenen Dokumenten, sondern auch zu der Informationstechnik, die der Eingabenstelle seit einigen Jahren zur Verfügung stand. Wir versuchten, diesem Zugang auf die Spur zu kommen. Die vorgefundenen schriftlichen Programm- bzw. Verfahrensdokumentationen erwiesen sich zwar für einen Nachvollzug als unzureichend. Einige noch vorhandene Dateien zeigten jedoch, daß versucht wurde, mit einem auf einer Programmdiskette entdeckten Datenbank-Verfahren, als dessen Hersteller der Rat des Bezirkes Erfurt firmiert, die "Eingaben der Bürger" (so der Name des ADV-Verfahrens) automatisiert zu verarbeiten. Das Hauptmenü enthielt neben weiteren sieben Funktionen auch drei paßwortgeschützte Menüpunkte: Wahlfreie Recherche, Terminkontrolle und Statistik. Bei Versuchen, den Paßwortschutz zu umgehen, stießen wir auf ein Softwareprodukt einer (West-)Berliner Firma zur Verschlüsselung (Kryptographie) von Dateien. Da bei der Einrichtung der Schlüsselwort-Dateien die Quelldateien nicht gelöscht worden waren, hatten wir die Möglichkeit, das gültige Paßwort für diese konkrete Anwendung beim DFF zu finden und die eigentlich zu schützenden Funktionen des Verfahrens zu testen. So war es möglich, alle unter einem Namen gespeicherten Eingaben aufzulisten. Auch der Beschwerdegrund konnte als Suchbegriff eingesetzt werden. Man kann sich vorstellen, daß dieses Datenbanksystem für die Eingabenbearbeitung hilfreich gewesen sein muß. Dies galt aber nicht nur für diesen eigentlichen Zweck. Auch für diejenigen, die mehr Interesse an Informationen zu bestimmten Personen hatten, bot sich auf diese Weise ein schneller Zugriff auf dieses Datenmaterial. Da ähnliche Informationsspeicher über Bürgereingaben bei anderen Dienststellen (Eingabenstellen des Staatsrates, des Ministerrates, des Ministeriums für Handel und Versorgung, der Rate der Kreise bzw. in Berlin der Rate der Stadtbezirke) existierten, versuchten wir Querverbindungen und Analogien zur PRISMA-Eingabenstelle zu finden. Wir stießen bei entsprechenden Befragungen tatsächlich auf das gleiche Erfurter Datenbankverfahren, das offensichtlich in unterschiedlichem Maße über die damalige Magistratsverwaltung bei den ehemaligen Raten der Stadtbezirke eingeführt wurde. Sowohl aus den letztgenannten Auskünften als auch aus den in der PRISMA-Redaktion erzielten Prüfungsergebnissen läßt sich kein eindeutiger Schluß auf die Art und Weise des Stasi-Zugriffs auf die von den DDR-Bürgern vertrauensvoll übergebenen personenbezogenen Informationen ziehen. Es ist mithin nicht gesichert, ob die Datenübermittlung entsprechend den konkreten Begehrlichkeiten des MfS durch persönliche Einsichtnahme vor Ort erfolgte oder ob regelmäßig Kopien der Datenbank auf Disketten übergeben wurden bzw. sich eine derartige Übergabe erst im Stadium der Vorbereitung befand. Vielleicht ergibt sich ja aus der nun möglichen Einsichtnahme von Betroffenen in die über sie von der Staatssicherheit gesammelten Akten eine endgültige Aufklärung dieses Sachverhalts. Prüfung der Verfassungstreue oder Zwang zur Selbstbezichtigung?Die Übernahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Dienststellen der DDR in den öffentlichen Dienst bereitet eine Vielzahl von Schwierigkeiten; hierzu gehört vor allem auch die Überprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern daraufhin, ob ihre Übernahme aufgrund ihrer früheren Tätigkeiten zumutbar ist - und zwar nicht nur wegen der Zuarbeit zur Staatssicherheit, sondern auch wegen anderweitiger Verstrickungen in menschenverachtende Verhaltensweisen. über die hierzu vom Land Berlin eingeleiteten Befragungen haben wir im vergangenen Jahr ausführlich berichtet. Überprüfungen bei einigen Verwaltungen haben ergeben, daß in den überwiegenden Fällen nach den Richtlinien der Senatsverwaltung für Inneres verfahren wird, mit denen unsere wesentlichen Forderungen zum Verfahren und zur Verwendung der Daten aus den Fragebögen erfüllt worden waren. Gleichwohl sind aber noch eine ganze Reihe gewichtiger Probleme offen, der Vollzug im einzelnen warf vielerlei Fragen auf. Bereits seit längerem hatten die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder auf das Erfordernis hingewiesen, die Überprüfung bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Zwar enthält der Einigungsvertrag einen außerordentlichen Kündigungsgrund in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat oder für die Staatssicherheit tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Eine ausdrückliche Befugnis zur Erhebung entsprechender personenbezogener Daten oder Regeln für die weitere Verwendung dieser Daten enthält der Einigungsvertrag jedoch nicht. Rundschreiben und Verwaltungsvorschriften können allenfalls übergangsweise als Basis für die Befragung dienen. Selbst wenn die erforderliche gesetzliche Regelung nicht kurzfristig geschaffen werden kann, muß zumindest sichergestellt werden, daß den Betroffenen keine Fragen gestellt werden, die sie zu einer verfassungswidrigen Selbstbezichtigung zwingen. Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn sich die Innenminister und -senatoren angesichts der sehr unterschiedlichen Fragepraxis zumindest auf eine Vereinheitlichung der Fragebögen verständigt hätten. Nichts von dem ist geschehen. Dessen ungeachtet hat die Senatsinnenverwaltung nicht nur das Verfahren für übernommene Mitarbeiter der ehemaligen DDR-Verwaltung auf alle zukünftigen Bewerber für den öffentlichen Dienst ausgeweitet, sondern den Fragenkatalog wieder entscheidend erweitert und den Zwang zur verfassungswidrigen Selbstbezichtigung erneut eingeführt. Zwar ist eine Vereinheitlichung des Bewerberverfahrens und somit auch eine Gleichbehandlung aller zukünftigen Mitarbeiter der Berliner Verwaltung begrüßenswert. Gerade wegen der Erhebung höchst sensitiver Daten kann dies aber ebenfalls nur auf einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage geschehen. Der Verweis des Berliner Datenschutzgesetzes auf das Bundesgesetz, das die Erforderlichkeit "im Rahmen der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses" ausreichen läßt, kann die geplanten Befragungen jedenfalls nicht rechtfertigen. Der im Dezember 1990 vorgesehene Fragenkatalog beschränkte sich noch auf Fragen nach einer Funktion in der SED, einer anderen Blockpartei, nach eventuellen Tätigkeiten für das frühere Ministerium für Staatssicherheit, dessen Untergliederungen oder vergleichbare Institutionen und auf die Frage, ob gegen den Befragten der "Vorwurf oder der Verdacht erhoben worden ist, gegen Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen zu haben". Dies entsprach dem Erforderlichkeitsprinzip. Die jetzt vorgesehenen Fragen überschreiten den zulässigen Rahmen aber erheblich. So soll erneut gefragt werden, ob der Betroffene "innerhalb seiner beruflichen oder gesellschaftlichen Tätigkeit solche Aufgaben zu erfüllen hatte, die gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben". Diese Frage stellt eine unerlaubte Aufforderung zur Selbstbezichtigung dar. Ebenso problematisch ist die Frage nach der Zugehörigkeit zum Nomenklaturkader, die für eine objektive Beurteilung ungeeignet und ebenfalls unzulässig ist. Beim Vollzug des bisherigen Verfahrens sind ebenfalls noch Fragen offen: So ist weiterhin ungeregelt die Frage der Dauer der Aufbewahrung der Fragebögen (sowie weiterer Protokolle oder Notizen hierzu). Auch wenn diese Unterlagen in geeigneter Weise verschlossen werden, kann die Aufbewahrungsdauer nicht identisch sein mit der der Aufbewahrungsdauer der Personalakte selbst. Bei den Angehörigen der ehemaligen Volkspolizei wurde die Aufbewahrungsdauer auf zehn Jahre begrenzt. Wir halten dies auch allgemein für einen ausreichenden Zeitraum, da sich nach Ablauf dieser Frist die Notwendigkeit erneuter Überprüfungen erübrigt haben dürfte. Vor allem auch im Hinblick auf die möglicherweise in den Antworten enthaltenen Daten über Dritte halten wir eher eine noch kürzere Aufbewahrungsdauer für angemessen. Es ist nicht hinnehmbar, daß Arbeitnehmer in abgewickelten Einrichtungen, die den Personalbogen ausgefüllt haben, aber nicht erneut beim Land Berlin beschäftigt werden, den Fragebogen nur auf Wunsch ausgehändigt bekommen sollen. Dies würde dazu führen, daß Fragebögen solcher Bewerber, die nicht von sich aus die Aushändigung wünschen, auf Dauer aufbewahrt werden, obwohl sie noch nicht einmal Bedienstete des Landes Berlin sind. Bei unseren Überprüfungen vor Ort haben sich einige zusätzliche Aspekte herausgestellt: Die Zusatzfragen und in diesem Zusammenhang stehende Vorgänge werden in einem verschlossenen und versiegelten Umschlag (in einer Beiakte) zur Personalakte genommen und mit der Aufschrift "Personalvorgänge aus Anlaß der Weiterbeschäftigung nach der Vereinigung. Nur vom Leiter der Personalabteilung oder dem ausdrücklich Bevollmächtigten zu öffnen" versehen. Unklar ist, woran erkennbar ist, wann und zu welchem Zweck der Umschlag geöffnet wurde. Es müßte daher auf dem Originalumschlag ein Aufdruck angebracht werden, der entsprechende Hinweise aufnehmen kann; der Umschlag müßte nach der Einsicht wieder versiegelt werden. Zur Kontrolle wäre eine von der Personalakte unabhängige Aufbewahrung der Umschläge günstiger. Die Verfügungen zur Weiterbeschäftigung werden direkt in die Personalakte aufgenommen. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, daß jederzeit nachvollziehbar ist, ob eine Anhörung stattgefunden hat (was ja auch Rückschlüsse auf Inhalte des verschlossenen Umschlags zuläßt). Es würde ausreichen, die jeweiligen Verfügungen ebenfalls in den verschlossenen Umfang zu nehmen, weil bereits der Arbeitsvertrag (der in die Personalakte zu nehmen ist) erkennen läßt, daß die Grundlagen für eine Weiterbeschäftigung vorlagen. Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts (Erstreckung des Landesbeamtenrechts) trat die Senatsverwaltung für Inneres mit der Frage an uns heran, ob die Fragebögen im Rahmen der Verfassungstreue-Überprüfung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Landesbeamtengesetz (LBG) vor Übernahme von Beschäftigten in das Beamtenverhältnis verwendet werden dürfen. Dies muß verneint werden. Die Daten sind ausschließlich auf der Grundlage des Einigungsvertrages und der dort festgelegten Zweckbindung erhoben und ausgewertet worden. Zwar ist im Einigungsvertrag geregelt, daß außerordentliche Kündigungsgründe in den Fällen vorliegen, in denen Arbeitnehmer gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben oder für das frühere MfS tätig waren und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Dies rechtfertigt aber nicht die Verwendung zu einer Verfassungstreueprüfung, die aufgrund einer völlig anderen Rechtsvorschrift erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn die Fragebögen von allen Bewerbern ausgefüllt werden sollen. Ein bezirkliches Schulamt hatte angeordnet, daß Bewerber um ein Lehramt mit dem üblichen Personalfragebogen auch den neuen Zusatzfragebogen ausgefüllt und unterschrieben der Leitung der Schule vorzulegen haben, bei der die Einstellung vorgesehen ist. Diese Regelung ist unzulässig, da Schulleitungen weder Teil der personalaktenführenden Stelle noch einstellende Dienstbehörde sind. Wegen der besonderen Zweckbindung von Personaldaten sind zugriffsberechtigt nur die Stellen, die selbständig dienst- oder arbeitsrechtliche Verhältnisse begründen, verändern und auflösen dürfen (Dienstvorgesetzte). Für einen Fachvorgesetzten ergibt sich dagegen ein unmittelbares Recht auf Einsicht in Personaldaten nicht, da dieser regelmäßig nicht mit dienstrechtlichen Aufgaben betraut ist. Antragsteller von ABM-Projekten, für die die Koordinierungs- und Abwicklungsstelle der ehemaligen Akademie der Wissenschaften (KAI/AdW) als Träger fungierte, wurden aufgefordert, bereits bei Antragstellung die Personalfragebögen für mögliche spätere ABM-Kräfte mit den Zusatzfragen einzureichen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststand, ob das Projekt überhaupt genehmigt würde. Auch dies war unzulässig: Es bestand kein Erfordernis, die Bewerber bereits zu einem Zeitpunkt zu überprüfen, zu dem die Schaffung der ABM-Stelle noch unsicher war, die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverhältnis also überhaupt noch nicht gegeben waren. In mehreren überführten Hochschulen wurden zusätzlich zu dem allgemeinen Überprüfungsverfahren Ehrenausschüsse mit der Aufgabe eingesetzt, interne Erkenntnisse über frühere Verhaltensweisen von Hochschulmitarbeitern in den Beurteilungsprozeß einzubringen. Dabei war nicht klargestellt, inwieweit ein Austausch von Personaldaten zwischen des Ehrenausschüssen und den Personalstellen erfolgen sollte. In einigen Fällen sollten Mitarbeiter (auch) ihr Einverständnis erklären, daß über sie Auskünfte beim Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes eingeholt werden. Trotz der besonderen Bedeutung der persönlichen Integrität im Bereich von Wissenschaft und Lehre können die Befugnisse derartiger Gremien nicht über das gesetzlich vorgegebene Maß hinausgehen. Die Ermächtigung, Daten im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu erheben und zu verarbeiten, berechtigt nur die für die Personalentscheidungen zuständige Stelle, eine Kenntnisnahme durch Dritte - hier durch Mitglieder der Ehrenausschüsse - ist mangels Erforderlichkeit für die Vertragsabwicklung davon nicht gedeckt. Insoweit muß dafür Sorge getragen werden, daß die Ausschüsse gegenüber den Bediensteten keine Befugnis für sich reklamieren, Daten sammeln zu dürfen. Deshalb darf auch der von den Ausschüssen ausgegebene Antrag auf Überprüfung beim Sonderbeauftragten der Bundesregierung von diesem Gremium nicht einmal entgegengenommen werden. Die Behörde hat vielmehr ein eigenes Antragsrecht und muß den Betroffenen nur informieren. Lediglich bei Neueinstellungen ist die Zustimmung Betroffener zur Auskunftserteilung einzuholen. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb die Bediensteten durch eine solche Aufforderung unnötig unter Druck gesetzt werden. Es könnten allein aus einer solchen Weigerung keine dienstrechtlichen Konsequenzen abgeleitet werden. Mangels gesetzlicher Befugnis sind die Ehrenausschüsse auch nicht berechtigt, Erklärungen über eventuelle Mitarbeit beim MfS entgegenzunehmen. Trotz dieser Rechtslage wollen einzelne Hochschulen weiterhin Ehrenausschüsse zur Beratung heranziehen. Dies ist nur unter folgenden Bedingungen möglich:
Die Bezirksverordneten und Bezirksstadträte eines Bezirks wurden von einem Ausschuß der Bezirksverodnetenversammlung zur Abgabe einer "Eidesstattlichen Erklärung" aufgefordert, daß sie weder hauptamtlicher noch informeller Mitarbeiter des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR oder anderer Sicherheitsorgane waren. Diese Erklärung sollte durch Anfrage beim Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen überprüft werden. Die Form dieser "Eidesstattlichen Erklärung" konnte bei juristischen Laien zu der irrigen Vorstellung führen, wer fälschlich eine solche Erklärung abgebe, mache sich strafbar. Weder die Bezirksverordnetenversammlung noch einer ihrer Ausschüsse sind jedoch eine zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständige Behörde im Sinne des Strafrechts. Wir haben die Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung darauf hingewiesen, daß die Form der Eidesstattlichen Erklärung objektiv ungeeignet war, der Wahrheitsfindung zu dienen, sondern lediglich den unwissenden Bezirksverordneten unter einen gewissen Druck gesetzt hat. 3.4.1 PolizeiAllgemeines Sicherheits- und OrdnungsgesetzDas Fehlen bereichsspezifischer Vorschriften zur Gewährleistung des Datenschutzes bei Sicherheits- und Ordnungsbehörden stellte den gravierendsten Mangel der Gesetzgebung dar. Dies ist von den Datenschutzbeauftragten seit ihrem Bestehen in den siebziger Jahren festgestellt worden. Auch Kritiker dieser Auffassung mußten spätestens seit dem Volkszählungsurteil einräumen, daß gerade diejenigen Stellen, deren Aufgabe die weitestgehenden Befugnisse zur Verarbeitung personenbezogener Daten erfordert, sich ohne hinreichende Rechtsgrundlagen in einem schwer hinnehmbaren Zustand befanden. Auch die Rechtsprechung, selbst wenn sie wie das Bundesverwaltungsgericht die Polizeipraxis rechtfertigte, hat zunehmend deutlicher auf die Defizite hingewiesen. Es gereicht dem Land Berlin nicht zum Ruhme, wenn erst im vergangenen Jahr und das erst wegen des drohenden Ablaufs der Übergangsfrist im Datenschutzgesetz ein Entwurf zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in den Gesetzgebungsprozeß eingebracht wurde. Wegen der nunmehr erforderlichen Eile wurde der Entwurf von den Koalitionsfraktionen aus der Mitte des Parlaments eingebracht - die gerade bei einem derart wichtigen Gesetz unerläßliche verwaltungsinterne Abstimmung einschließlich der Beratung mit dem Datenschutzbeauftragten wurde damit umgangen. Dies wäre verschmerzbar gewesen, wenn sich der Entwurf durch ein besonderes Maß an kritischer Distanz zum Staat, und das heißt hier zu den Sicherheits- und Ordnungsbehörden ausgezeichnet hätte, wenn der Entwurf diesen Institutionen zwar die erforderlichen Mittel auch informationstechnischer Art in die Hand gegeben, aber klare, rechtsstaatlich einwandfreie Grenzen gezogen hätte. Leider war das Gegenteil der Fall. Der Entwurf, der am 5. November in das Abgeordnetenhaus eingebracht wurde, hielt sich nicht nur auf der Linie traditioneller Vorstöße zur Legitimierung bisheriger und künftig erwünschter polizeilicher Maßnahmen (z. B. des Vorschlags des zuständigen Arbeitskreises der Innenministerkonferenz für einen Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes), ja wollte der Berliner Polizei Befugnisse verschaffen, die ihr andernorts versagt wurden. Zur Begründung diente die erforderliche Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, eine Aufgabe, für deren rechtliche Bewältigung freilich der Bundesgesetzgeber zuständig ist, dem auch gerade ein entsprechender aus der Mitte des Bundesrates mit der Stimme Berlins eingebrachter Entwurf vorliegt. Ein Entwurf, der seinerseits heftige Kritik hervorrief obwohl er im Vergleich zu dem Berliner ASOG-Entwurf geradezu als zurückhaltend bezeichnet werden muß. Daß der Berliner Gesetzgeber insoweit überhaupt tätig werden konnte, liegt an einer Zielstellung, die mit der ASOG-Novellierung verfolgt werden soll, obwohl sie mit dem eigentlichen Anliegen der Legitimierung polizeilicher Datenverarbeitung zunächst nichts zu tun hat: Der Polizei soll nunmehr ausdrücklich die Aufgabe der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (den Ordnungsbehörden zusätzlich eine entsprechende Aufgabe bei Ordnungswidrigkeiten) zugewiesen werden, die im Vorfeld der Strafverfolgung und damit außerhalb der Bundeszuständigkeit liegen soll. Im Hinblick auf diese Aufgabe sollen der Polizei Befugnisse verschafft werden, die den Bereich der klassischen polizeilichen Tätigkeit verlassen. So war es bislang Allgemeingut, daß die Polizei nur dann gegenüber dem Bürger tätig werden kann, wenn sie auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte vergangene Straftaten verfolgt (als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft) oder konkrete Gefahren abwehrt (in eigener Zuständigkeit). Vorbeugende Straftatenbekämpfung bedeutet dagegen Tätigwerden ohne derartige Voraussetzungen allein aufgrund der Vermutung, die Ermittlungen könnten einen Beitrag zur Aufklärung (und Verhinderung) irgendwelcher möglicherweise bevorstehender oder geschehener Straftaten leisten. Geradezu notwendigerweise werden damit auch Unbescholtene, ja völlig Unbeteiligte Objekte polizeilicher Maßnahmen. Es wird geltend gemacht, daß die Sicherheitsbehörden schon immer in diesem Bereich Informationen verarbeitet hätten, beispielsweise zur Vorbereitung künftiger Strafverfolgung Kriminalakten auch nach Abschluß der Ermittlungen und Abgabe des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft einbehalten und später genutzt hätten. Eine Rechtsgrundlage habe man früher nicht für nötig gehalten, erst das neue Bewußtsein um den Eingriffscharakter der Informationsverarbeitung habe eine gesetzliche Regelung und damit die Ausdehnung der Aufgabe nötig gemacht. Dies mag sein. Es wäre allerdings angemessen gewesen, wenn im Zusammenhang mit der Regelung eine sorgfältige Abwägung der erforderlichen Mittel stattgefunden hätte, die dann auch zu einer Abschichtung der unerläßlichen Regelungen geführt hätte. Der in die Diskussion gebrachte ASOG-Entwurf verschaffe demgegenüber den Sicherheitsbehörden jedmögliche Befugnisse, ohne wie für ein Polizeigesetz eigentlich zu erwarten - klare Grenzen zu ziehen. Darüber hinaus wurde die Gelegenheit wahrgenommen, ganz besonders intensive Mittel der Informationserhebung der Polizei auch ausdrücklich in die Hand zu geben, deren Einsatz bislang als problematisch oder rechtlich nicht zulässig galt: nachrichtendienstliche Mittel, polizeiliche Beobachtung, V-Leute, Rasterfahndung. Für den Bereich der Strafverfolgung will der Entwurf des OrgKG gerade den Einsatz dieser Mittel regeln, mit gewisser Zurückhaltung. So sollen sie etwa nur dann zulässig sein, wenn bestimmte strafrechtliche Tatbestände erfüllt sind. Diesen rechtsstaatlich gebotenen Weg will der ASOG-Entwurf verlassen: Es soll ausreichen, daß der Einsatz der Mittel zur vorbeugenden Bekämpfung jeglicher erheblicher Straftaten eingesetzt werden, eine Beschränkung, die in ihrer Vagheit kaum eine Schranke setzt. Auch Befürworter des Entwurfs erkennen an, daß als eigentliche Schranke nur noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip dienen soll - ein Weg zurück zum Preußischen Allgemeinen Landrecht (so ein wörtlicher Hinweis in einer der Anhörungen). Es kann niemanden verwundern, daß der Berliner Datenschutzbeauftragte gegen diesen Entwurf heftigen Protest anmelden mußte. Auch die Fraktion der F.D.P. hatte einen Entwurf für ein ASOG eingebracht. Sie hatte bereits vor Jahren auf die Dringlichkeit der ASOG-Novellierung hingewiesen. Auch im Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P. werden die Informationseingriffe der Polizei weit in das Vorfeld konkreter Gefahr verlagert. Auch hier wird der Einsatz von verdeckten Ermittlern und technischen Mitteln, wie "Wanzen", Videoaufnahmen und Richtmikrofonen, nicht nur gegen potentielle Straftäter, sondern auch gegen "Kontakt- und Begleitpersonen" ermöglicht. Diese erheblichen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht werden allerdings an engere Voraussetzungen - Straftatenkatalog und Richtervorbehalt - geknüpft. Darüber hinaus werden besonders bedenkliche Informationseingriffe, wie die Rasterfahndung und die zu einem umfassenden Bewegungsbild der Betroffenen führende polizeiliche Beobachtung ausgeschlossen, und der verdeckte Einsatz technischer Mittel in Wohnungen auf den Schutz verdeckter Ermittler beschränkt. Aus der Vielzahl der von uns vorgebrachten Kritikpunkte sollen nochmals folgende hervorgehoben werden: Weitreichende Eingriffe, wie der Einsatz verdeckter Ermittler, das heimliche Abhören und langfristiges Observieren, werden davon abhängig gemacht, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder eine schwerwiegende Ordnungswidrigkeit bekämpft werden soll. Straftaten von erheblicher Bedeutung sind nach dem Gesetzentwurf Verbrechen sowie Vergehen, die aufgrund ihrer Begehungsweise, ihrer Dauer oder Schwere eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen und geeignet sind, die Sicherheit der Bevölkerung zu beeinträchtigen; dies gilt insbesondere für Straftaten, die banden-, gewerbs-, gewohnheits-, serienmäßig oder in anderer Weise organisiert begangen werden. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht normenklar genug. Auch in der Stellungnahme der Bundesregierung zum OrgKG wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Regelung erhoben, die schwerwiegende strafprozessuale (also einen Straftatverdacht voraussetzende) Eingriffsbefugnisse von einem derart unbestimmten Rechtsbegriff abhängig macht. Vielmehr kann nur ein enger Straftatenkatalog den Einsatz intensiver Erhebungsmittel rechtfertigen. Keinesfalls kann die "Dauer oder Schwere" einer Ordnungswidrigkeit Anknüpfungspunkt für Eingriffe sein. Wenn Ordnungswidrigkeiten überhaupt den Katalogstraftaten gleichgestellt werden sollen, dann bedarf es hier zumindest einer Aufzählung gemeingefährlicher Tatbestände. Die Polizei soll die Möglichkeit erhalten, personenbezogene Daten zu erheben, wenn das zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Nach dieser sehr allgemeinen Formulierung können nahezu voraussetzungslos Daten über jede Person erhoben werden, völlig unabhängig davon, ob es sich um Verdächtige oder Nichtverdächtige handelt. Ferner ist eine sehr weitgehende Auffangnorm für die heimliche Datenerhebung vorgesehen. Dies ist bedenklich, da zum informationellen Selbstbestimmungsrecht der Bürger gehört, daß sie überblicken, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Das bedeutet, daß grundsätzlich Daten offen beim Betroffenen zu erheben sind. Die in dem Entwurf aufgeführten Ausnahmetatbestände von diesem Grundsatz sind so weitgehend, daß es in der Praxis zu einer Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses kommen könnte. Sowohl im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen als auch in dem Entwurf der F.D.P.-Fraktion ist die Möglichkeit der Einrichtung von Kontrollstellen mit genereller Berechtigung zur Identitätsprüfung vorgesehen. Anders als bei Kontrollstellen für die Strafverfolgung, für deren Einrichtung ein konkreter Tatverdacht vorliegen muß, soll diese Maßnahme bereits im Vorfeld konkreter Gefahren zulässig sein, wenn bestimmte Straftaten zu befürchten sind. Darüber hinaus geht der Straftatenkatalog über den des § 111 StPO hinaus. Verfassungsrechtlich bedenklich ist, daß routinemäßig an Kontrollstellen bei allen potentiellen Teilnehmern einer Demonstration die Identität festgestellt werden kann. Gerade Informationseingriffe gegen Teilnehmer von Versammlungen hat das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil besonders hervorgehoben: "Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist." Auch erkennungsdienstliche Maßnahmen werden zugelassen, wenn dies "zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erforderlich" ist. Dies ist in dieser Allgemeinheit viel zu weitgehend. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß auch wegen geringfügiger Delikte derartige Maßnahmen ergriffen werden. Erkennungsdienstliche Behandlungen sollten nur erfolgen, wenn der Betroffene eine schwerwiegende Straftat begangen hat und Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß der Betroffene erneut eine schwerwiegende Straftat begehen wird und die erkennungsdienstlichen Unterlagen dann zur Aufklärung der Straftat erforderlich sind. Es ist jedenfalls auszuschließen, daß Bagatelldelikte zu einer erkennnungsdienstlichen Behandlung führen. Datenschutzrechtlich bedenklich ist ferner, daß die im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen aufgeführten erkennungsdienstlichen Maßnahmen nur beispielhaft aufgezählt sind. Wie im F.D.P.-Entwurf sollte die Aufzählung der Maßnahmen abschließend sein. Nur so kann ausgeschlossen werden, daß z. B. tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifende Maßnahmen wie Blutuntersuchungen oder Genomanalysen vorgenommen werden. Die Polizei soll "bei oder im Zusammenhang mit" Veranstaltungen oder Ansammlungen Ermittlungen anstellen und von Teilnehmern Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen können. Diese Maßnahmen sind datenschutzrechtlich besonders bedenklich, da hier von nicht nur Gewalttäter betroffen sind, sondern regelmäßig eine Vielzahl völlig unbeteiligter Personen, die in keinem Zusammenhang mit Ausschreitungen oder Gewalttätigkeiten stehen. Die Bild- und Tonaufzeichnung von 'Veranstaltungsteilnehmern kann nach dem Gesetzentwurf bereits erfolgen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen werden. Dies ist zu weitgehend. Derartige Maßnahmen sollten nur zur Verhinderung von Straftaten erfolgen. Darüber hinaus sollte, wie im F.D.P.-Entwurf, klargestellt werden, daß die Datenerhebungen offen, d. h. für die Betroffenen als polizeiliche Maßnahme erkennbar, durchzuführen sind. Beide Gesetzentwürfe lassen polizeiliche Ermittlungsmethoden zu, die wegen ihrer Heimlichkeit, ihrer Dauer und der vorgesehenen technischen Methoden besonders schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen eingreifen. Dazu zählen die Observation (planmäßig angelegte heimliche Beobachtung einer Person länger als durchgehend 24 Stunden oder an mehr als 2 Tagen), der Einsatz z. B. von "Wanzen", Peilsendern, Richtmikrofonen und Infrarotkameras. Damit werden bis in die Wohnung hinein heimliche, tief in die Privatsphäre der Betroffenen eindringende Überwachungen in verfassungsrechtlich bedenklichem Umfang ermöglicht. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jeder Person einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in der sie ihre Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehört auch der Anspruch, in dieser Sphäre für sich zu sein und sich selber zu gehören. Die Bundesregierung hat deshalb in ihrer Stellungnahme zum Bundesrats-Entwurf des OrgKG für den Bereich der Strafverfolgung den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen abgelehnt. Sie hat Bedenken sowohl hinsichtlich der Zulässigkeit des Abhörens und Aufzeichnens des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen als auch hinsichtlich der Zulässigkeit der Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen in Wohnungen geäußert. Dies muß grundsätzlich auch für den präventiven Bereich gelten, in dem noch nicht einmal als Eingriffsvoraussetzung das Vorliegen eines Straftatverdachts vorausgesetzt wird. Im F.D.P.-Entwurf ist der Einsatz technischer Mittel in Wohnungen ausgeschlossen. Im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen wird der Einsatz technischer Mittel bereits zugelassen, wenn die vorbeugende Bekämpfung einer Straftat von erheblicher Bedeutung auf andere Weise wesentlich erschwert oder verzögert würde. Dies ist angesichts des erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht zu weitgehend. Der Einsatz dieser Mittel muß vielmehr ultima ratio der Informationsverschaffung sein. Diese Maßnahmen können nur zulässig sein, wenn die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise unmöglich ist. Dazu gehört, daß durch einen abschließenden Straftatenkatalog, der sich auf schwerwiegende Straftaten beschränkt, die gewerbs-, gewohnheitsmäßig oder bandenmäßig begangen werden, normenklare Voraussetzungen geschaffen werden. Sowohl der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen als auch der F.D.P.-Entwurf sieht den Einsatz von verdeckten Ermittlern und von V-Leuten vor, obwohl die Notwendigkeit dieser Maßnahmen im präventiven Bereich selbst unter Polizeipraktikern umstritten ist. Durch diese Maßnahmen wird in schwerwiegender Weise in den Grundsatz der Transparenz der Datenerhebung eingegriffen. Das Auftreten unter einer Legende und die verdeckte Weitergabe von den auf diese Weise erlangten Informationen führt zu einer Täuschung der Betroffenen, die tief in die Privatsphäre hineinreichen kann. Derart erhebliche Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht setzen zumindest voraus, daß bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß eine Straftat auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität von dem Betroffenen begangen wurde. Der nicht einmal näher präzisierte Verdacht, eine Straftat von erheblicher Bedeutung könne begangen werden, rechtfertigt derartige Eingriffe nicht. Ermöglicht werden soll das Erstellen (bis zu 2 Jahre dauernder) Bewegungsbilder durch die polizeiliche Beobachtung. Danach kann die Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung und zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person über Jahre festhalten, wann und wo sich eine Person, die als potentieller Straftäter eingestuft wird oder andere Personen, die als Kontaktpersonen angesehen werden, bei Grenz- oder Zollkontrollen festgestellt wurden. Im präventiven Bereich sollte von derart einschneidenden Maßnahmen abgesehen werden. Zumindest sollten für derartige Maßnahmen wesentlich kürzere Befristungen vorgesehen werden und Personen, die sich keiner Straftat verdächtig gemacht haben, von diesen Beobachtungen ausgenommen werden. Die Rasterfahndung ist selbst im repressiven Bereich umstritten. Rasterfahndung ist ein Massengrundrechtseingriff, der ohne Rücksicht auf Verdachtsmomente oder Störereigenschaft eine große Zahl von Personen erfaßt, deren Daten zu ganz anderen Zwecken erhoben wurden. Eine Differenzierung zwischen Verdächtigen und Nichtverdächtigen, zwischen Störern und Nichtstörern findet nicht statt. Diese Maßnahme ist nicht nur wegen des erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht völlig unbeteiligter Personen bedenklich, sondern auch. wegen des Zweckbindungsgebots, da sie tendenziell auf Zweckentfremdung angelegt ist. Der Datenabgleich kann zur Folge haben, daß ein großer Kreis von unbescholtenen Personen für polizeiliche Maßnahmen herangezogen wird, obwohl sie sich nicht verdächtig gemacht haben, sondern nur - zufällig - bestimmte Merkmale erfüllen. Dies ist besonders bedenklich im präventivpolizeilichen Bereich, wo noch nicht einmal ein auf eine bestimmte Person konkretisierter Tatverdacht vorliegen muß. Zudem ist eine Erforderlichkeit dieser Maßnahmen für präventive Zwecke kaum denkbar. Im allgemeinen Datenschutzrecht Berlins wird besonderer Wert auf die Transparenz der Datenverarbeitung gegenüber Bürger und Öffentlichkeit gelegt. Es ist bedauerlich, daß gerade in dieser Hinsicht der Gesetzentwurf deutliche Rückschritte etwa bei der Offenlegung der eingesetzten Informationstechnik oder bei der Akteneinsicht des Bürgers vorsieht. Es ist zu hoffen, daß es gerade hier gelingt, das Niveau des Berliner Datenschutzgesetzes auch im Polizeirecht aufrecht zu erhalten. Polizei und SchwangerschaftsabbrücheDie Polizei wurde vor mehr als acht Jahren wegen des Selbstmordversuchs einer jungen Frau gerufen und vermerkte auf dem Einsatzbericht "Verdacht Schwangerschaftsabbruch". Weitere Anhaltspunkte oder Hinweise über die Hintergründe dieses Vermerks existieren nicht. Die Polizei erhielt den Hinweis, daß eine junge Frau behaupte, ein Kind geboren zu haben. Daraufhin wurden polizeiliche Ermittlungen eingeleitet. Die betroffene Frau gab hierzu an, daß sie eine Fehlgeburt hatte. Die gynäkologische Untersuchung brachte keine Aufklärung. Die polizeilichen Ermittlungen endeten mit der ausdrücklichen Feststellung, daß der Verdacht sich nicht erhärtet habe und nicht geklärt werden konnte, ob die Betroffene überhaupt schwanger war. Eine junge Frau wurde von ihrem ehemaligen Freund wegen illegalen Schwangerschaftsabbruchs angezeigt. Seine Aussage war widersprüchlich. So sagte er u. a. aus, die Betroffene sei im 7. Monat schwanger gewesen und habe nach einem Sturz das Kind verloren; auf der anderen Seite gab er an, nicht gewußt zu haben, ob sie überhaupt schwanger gewesen sei. Die junge Frau bestritt, schwanger gewesen zu sein. Sie teilte mit, daß ihr Gewicht sich damals wegen Hormonstörungen verändert habe. Bei einer Hausdurchsuchung anläßlich eines Ermittlungsverfahrens in einem anderen Zusammenhang wurde in der Wohnung ein Embryo in einem Kaffeeglas gefunden. Die Betroffene gab hierzu an, sie habe den Embryo von ihrem Freund geschenkt bekommen und sei davon ausgegangen, daß er "nicht echt" sei. Die polizeilichen Ermittlungen endeten mit dem Vermerk, daß der Tatverdacht sich nicht konkretisieren ließ. In allen Fällen wurden Daten über die Frauen über Jahre hinweg im Informationssystem Verbrechensbekämpfung gespeichert. Wir haben sie bei einer Überprüfung aller Datensätze im Zusammenhang mit § 218 StGB festgestellt. Es ist bereits zweifelhaft, ob die jahrelange polizeiliche Erfassung von ehemals Schwangeren, die eines illegalen Schwangerschaftsabbruchs verdächtigt werden - nach Abschluß des Straf- oder Ermittlungsverfahrens - überhaupt für die Aufgabenerfüllung der Polizei erforderlich ist. Dies ist jedenfalls nicht der Fall bei den Frauen, die sich schon nach den Ermittlungen der Polizei nicht gemäß § 218 StGB strafbar gemacht haben. Aber auch in den Fällen, in denen ein illegaler Schwangerschaftsabbruch vorliegt, ist eine Registrierung der betroffenen Frauen für die polizeiliche Arbeit nicht erforderlich. Es liegt keine konkrete gegenwärtige Gefahr vor, für deren Bekämpfung diese Datenspeicherungen erforderlich sind. Für die vorbeugende Straftatenbekämpfung ist eine Speicherung der Tatverdächtigen nur verhältnismäßig, wenn diese eine schwerwiegende Straftat begangen haben und aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine Wiederholungsgefahr besteht. Dies ist bei illegalen Schwangerschaftsabbrüchen durch schwangere Frauen nicht der Fall. Zum einen ist angesichts der geringen Strafandrohung und der gesetzlichen Privilegierungen für Schwangere nach §§ 218, 219 StGB zweifelhaft, ob dieses Delikt von derart schwerwiegender Bedeutung ist, daß eine jahrelange Erfassung der Frauen zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung verhältnismäßig ist. Zum anderen befinden sich die Frauen, die sich zu diesem Schritt entschließen, in einer besonderen Konfliktsituation. Eine konkret bestehende Wiederholungsgefahr ist hier nicht ersichtlich. Daß eine weitere Schwangerschaft und damit ein erneuter (auch illegaler) Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich möglich ist, kann nicht als Begründung für eine vorsorgliche polizeiliche Speicherung herangezogen werden, da dann alle Frauen im gebärfähigen Alter vorsorglich registriert werden müßten. Darüber hinaus ist die polizeitaktische Notwendigkeit derartiger Speicherungen nicht erkennbar. Wie soll die Speicherung dieser Vorgänge zu einer Verhinderung oder Aufklärung künftiger illegaler Schwangerschaftsabbrüche dieser Frauen beitragen? Im übrigen ist zu bemängeln, daß - nicht einmal bei völlig vagen Beschuldigungen und Verdächtigungen - der Verfahrensausgang in Erfahrung gebracht wurde. Es ist davon auszugehen, daß bei einem Großteil der Vorgänge Verfahrenseinstellungen oder Freisprüche erfolgt sind, die zu einer Löschung der Daten hätte führen müssen. Der Polizeipräsident hat inzwischen mitgeteilt, daß bis auf einen Fall die Daten sämtlicher Frauen zu § 218 gelöscht wurden. In einem Fall sei die Prüfung noch nicht abgeschlossen. Zur künftigen Verfahrensweise hat der Polizeipräsident dargelegt, daß er bei Verdacht des Vorliegens eines Verstoßes nach § 218 StGB "ohne Speicherung weiterer Ermittlungsverfahren von der Erfassung der Frauen zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung absehen" werde. Das bedeutet, daß jeder andere Straftatverdacht auch künftig zu einer polizeilichen Registrierung von Frauen wegen des illegalen Abbruchs ihrer Schwangerschaft führen wird. Diese Verfahrensweise widerspricht dem verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hier wird - überspitzt formuliert - nach dem Motto "Wer klaut, treibt auch noch mal ab" verfahren. Wie bereits dargelegt, ist die Registrierung von Frauen, die einen illegalen Schwangerschaftsabbruch begangen haben, für die Aufgabenerfüllung der Polizei schon wegen der Einmaligkeit dieser Zwangssituation nicht erforderlich. Ungeachtet der Problematik, daß durch eine polizeiliche Speicherung ohnehin künftig keine Schwangerschaftsabbrüche durch die betroffenen Frauen verhindert werden können, ist auch nicht ersichtlich, warum andere Straftaten, deren die Frauen völlig unabhängig von der illegalen Abtreibung verdächtigt werden, eine vorsorgliche Registrierung auch des Schwangerschaftsabbruchs zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erforderlich machen sollten. Lichtbildsammlung und LichtbildvorzeigekarteiIn unserem letzten Jahresbericht hatten wir auf einen Fall hingewiesen, in dem ein junges Mädchen nach dem Diebstahl eines Schokoladenriegels durch Abnahme von Fingerabdrücken und Fotoaufnahmen erkennungsdienstlich behandelt wurde. Dies nahmen wir zum Anlaß einer eingehenden Prüfung. Ende September 1991 waren in der Lichtbildsammlung der Polizei 116 444 Personen und in der Lichtbildvorzeigekartei 16 426 Personen registriert. Ist die erkennungsdienstliche Behandlung ausschließlich für die Strafverfolgung erforderlich ( § 81 b 1. Alt. StPO), sind die gewonnenen Unterlagen zur Ermittlungsakte zu nehmen und an die Staatsanwaltschaft zu übersenden. Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung gem. § 81 b 2. Alt. StPO und § 16 Abs. 1 ASOG erfolgt dagegen eine karteimäßige Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen. Die Lichtbilder werden in die Lichtbildsammlung und in bestimmten Fällen in die Lichtbildvorzeigekartei für die Vorlage an Zeugen in Strafverfahren aufgenommen. § 16 ASOG und § 81 b StPO regeln nur die Befugnis zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Es fehlen jedoch konkrete gesetzliche Regelungen, in denen die Speicherung in erkennungsdienstlichen Sammlungen erlaubt wird. Die Speicherung und Nutzung der erkennungsdienstlichen Unterlagen kann daher nur auf die Übergangsregelung des § 34 Abs. 1 BlnDSG gestützt werden. Die Speicherung und weitere Nutzung erkennungsdienstlicher Unterlagen zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung sollte sich deshalb auf erhebliche Straftaten beschränken, wenn eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertigt nicht jede Anordnung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme auch automatisch die Speicherung und weitere Nutzung zu präventiven Zwecken. Die Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen ist danach nur zulässig, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, daß der Betroffene auch künftig oder anderwärts gegenwärtig strafrechtlich in Erscheinung treten wird und daß die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Aufgrund der Ergebnisse unserer Überprüfung ergibt sich die Vermutung, daß die erforderliche differenzierte Einzelfallentscheidung und Prognosebeurteilung weder durch den Sachbearbeiter der ermittelnden Dienststelle, der die erkennungsdienstliche Maßnahme anordnet, noch durch die Stelle, die die Lichtbildsammlung und die Lichtbildvorzeigekartei führt, in ausreichendem Umfang erfolgt. Der Sachbearbeiter der ermittelnden Dienststelle, der die erkennungsdienstliche Behandlung anordnet, gibt lediglich in einem Formular das Delikt an und kreuzt die Rechtsgrundlage an. Weder die konkreten Gründe für die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung, noch für die Einstellung in die Lichtbildsammlung - insbesondere die Prognoseentscheidung - werden dokumentiert. Dies macht der Stelle, die die Lichtbildsammlung führt, vor der Aufnahme der angelieferten erkennungsdienstlichen Lichtbilder in die Lichtbildsammlung eine Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen unmöglich. Diese übernimmt in der Regel ungeprüft die übersandten Fotos in die Lichtbildsammlung. Eigene Überprüfungen erfolgen nur in Ausnahmefällen, wenn die Unverhältnismäßigkeit der Speicherung schon aufgrund des angegebenen Delikts offensichtlich ist. Die Stelle, die die Lichtbildsammlung führt, ist als speichernde Stelle verantwortlich für die Speicherung der erkennungsdienstlichen Fotoaufnahmen, auch wenn andere Stellen die erkennungsdienstlichen Maßnahmen durchführen. Sie muß deshalb in die Lage versetzt werden, eine eigenständige Entscheidung treffen zu können. Dies setzt voraus, daß eine Unterrichtung über den zugrundeliegenden Sachverhalt sowie die Gründe sichergestellt sind, die zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung geführt haben und die eine weitere Speicherung rechtfertigen. Allein die Deliktsangabe und das Ankreuzen der Rechtsgrundlage über die erkennungsdienstliche Behandlung durch den Beamten der ermittelnden Dienststelle auf einem Formular reichen hierfür nicht aus. Ferner ist es mit den dargelegten Grundsätzen zur Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen nicht zu vereinbaren, daß bei der Lichtbildvorzeigekartei bei bestimmten Delikten auf die Prüfung der Wiederholungsgefahr verzichtet wird. Auch und gerade bei dieser Kartei, in die Dritte Einsicht nehmen, sind alle Umstände des Einzelfalls (z. B. auch seit wann der Betroffene nicht [mehr] strafrechtlich in Erscheinung getreten ist) zu berücksichtigen und die Tatsachen, die der Prognoseentscheidung zugrundeliegen, konkret festzustellen. Zudem muß an der Erfassung der Beschuldigten in der Lichtbildvorzeigekartei, z. B. wegen der Art oder Schwere der von ihnen begangenen Straftat, ein besonderes Interesse dargelegt werden. Wir empfehlen daher, daß die ermittelnde Dienststelle - wie dies bereits für das Personenfeststellungsverfahren vorgesehen ist - den erkennungsdienstlichen Unterlagen künftig eine kurze Begründung anfügt, aus der sich auch die Notwendigkeit der weiteren Speicherung für die vorbeugende Straftatenbekämpfung ergibt. Die Stelle, die die Lichtbildsammlung und die Lichtbildvorzeigekartei führt, wird damit in die Lage versetzt, durch entsprechende Prüfung seinen Pflichten als speichernde Stelle vor der Aufnahme in die Lichtbildsammlung nachzukommen. Wir empfehlen ferner, daß auch die Stelle, die die Lichtbildvorzeigekartei führt, die Entscheidung für die Aufnahme und Speicherung in der Lichtbildvorzeigekartei künftig durch einen kurzen Vermerk dokumentiert und damit die Überprüfbarkeit dieser Entscheidung durch den Betroffenen, den Datenschutzbeauftragten und die Gerichte gewährleistet. Zu kritisieren ist ferner, daß eine Überprüfung der Verfahrensausgänge selbst bei den in der Lichtbildvorzeigekartei gespeicherten Fotoaufnahmen unterbleibt. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß in den Karteien Lichtbilder von Personen enthalten sind, die keine Straftat begangen haben und daß diese sogar Zeugen im Rahmen von Strafverfahren vorgelegt werden. Dies ist ein Mißstand, auf den wir wiederholt bei der Datenspeicherung zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung hingewiesen haben und der gerade bei der Lichtbildvorzeigekartei einen besonders schwerwiegenden Eingriff für den Betroffenen darstellt. Bis zur Einrichtung des von uns seit Jahren geforderten Rückmeldeverfahrens über den Verfahrensausgang sollte im Hinblick auf die notwendige Pflege der Lichtbildvorzeigekartei und der Lichtbildsammlung eine aktive Erkundigung nach dem Ausgang gerichtlicher Verfahren erfolgen. 3.4.4 StatistikDer Entwurf eines Landesstatistikgesetzes ist am 14. November 1991 zum dritten Mal in das Abgeordnetenhaus eingebracht worden. Es ist zu hoffen, daß dieser Entwurf, der in seinen Grundzügen einer jahrelangen Forderung des Berliner Datenschutzbeauftragten entspricht, nun endlich zügig verabschiedet wird. Damit würde die amtliche Statistik im Land Berlin zum ersten Mal auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, die längst überfällig ist. In zwei Punkten berücksichtigt der Entwurf unsere Empfehlungen allerdings noch nicht. So läßt der Entwurf die Deanonymisierung von statistischen Einzeldatensätzen zu, die aus dem Verwaltungsvollzug für statistische Zwecke genutzt werden. Dies würde das Statistikgeheimnis gegenüber dem Bundesrecht in nicht hinnehmbarer Weise einschränken. Zudem soll die gesetzliche Vorgabe, daß Daten aus dem Verwaltungsvollzug nur aufgrund einer Rechtsverordnung dem Statistischen Landesamt zur Verfügung gestellt und von diesem nur aufgrund einer Rechtsvorschrift miteinander verknüpft und ausgewertet werden dürfen, lediglich für Daten gelten, die dem Statistischen Landesamt nach Inkrafttreten des Gesetzes übermittelt worden sind. Nach der Begründung des Entwurfs können Daten, die dem Statistischen Landesamt vor Inkrafttreten des Landesstatistikgesetzes aus dem Verwaltungsvollzug ohne gesetzliche Grundlage übermittelt wurden, auf Dauer weiter gespeichert bleiben, ohne daß die erforderliche besondere Verarbeitungsbefugnis zumindest nachträglich geschaffen werden muß. Dies widerspricht dem Berliner Datenschutzgesetz, das jede Verarbeitung - also auch Nutzung - personenbezogener Daten entweder von einer besonderen Rechtsvorschrift oder von der Einwilligung der Betroffenen abhängig macht. Der Gesetzgeber hat deshalb nur zwei Möglichkeiten: entweder kann er dem Statistischen Landesamt eine Übergangsfrist bis zur Löschung dieser bisher aus dem Verwaltungsvollzug übermittelten Daten einräumen, oder er muß (ggf. innerhalb einer bestimmten Frist) eine Verarbeitungsbefugnis für diese bereits vorhandenen Daten durch besondere Rechtsvorschrift schaffen. Hinsichtlich der Übermittlung von Daten aus dem Verwaltungsvollzug kann dies auch durch Rechtsverordnung geschehen. Das Statistische Landesamt führte im Frühjahr 1991 im Auftrag des Statistischen Amtes der EG und des Statistischen Bundesamtes eine Testbefragung auf freiwilliger Basis durch, bei der die Interviewer Laptops zur Erfassung der Antworten einsetzten. Grundlage dieses Versuchs war das Fragenprogramm der Mikrozensus-Befragung, das der Interviewer menügesteuert auf dem tragbaren Computer abrufen und elektronisch "ausfüllen" konnte. Die Befragung erstreckte sich auf ca. 500 Haushalte und wurde durch ein Anschreiben angekündigt, in dem allerdings der Einsatz von Laptops nicht erwähnt wurde, um einen Test unter realen Bedingungen "mit Überraschungseffekt" durchführen zu können. Allerdings erhielt der Befragte in jedem Fall die Möglichkeit, einen Fragebogen in seiner Wohnung per Hand auszufallen und ihn per Post zurückzuschicken, falls er die Befragung mittels des Bauchladen-Computers ablehnte. Wir haben eine Reihe von Empfehlungen zur Sicherung der Daten auf dem Laptop gegeben, die unseren bereits im vergangenen Jahr gegebenen allgemeinen Empfehlungen für den Einsatz von Laptops entsprachen". Entscheidend ist jedoch beim Einsatz tragbarer Computer zur Durchführung statistischer Befragungen, daß dem Befragten tatsächlich die Wahlmöglichkeit eingeräumt wird, ob er dem Interviewer gegenüber die Fragen mündlich beantworten will und ihm evtl. bei der Eingabe der Antworten in den Computer über die Schulter schauen will oder ob er es vorzieht, den Fragebogen in Papierform auszufüllen und direkt per Post dem Statistischen Landesamt zuzusenden, ohne daß der Interviewer von den Antworten Kenntnis nehmen kann. Dieses Wahlrecht hat Verfassungsrang, wie das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil von 1983 betont hat. Es darf auch bei einer technikunterstützten Befragungsmethode (deren Akzeptanz bei den Befragten durchaus zweifelhaft ist) nicht ausgehöhlt werden. |
Zuletzt geändert:
am 26.02.97