Ein medizinisches Forschungsgeheimnis
- muß zuverlässig tatsächliche Patienteninteressen
schützen, die auf strikte Wahrung persönlicher Geheimnisse
gegenüber bestimmter Personen, Institutionen und der Öffentlichkeit
überhaupt gerichtet ist, in der Regel aber nicht gegen schweigepflichtige,
behandelnde und forschende Ärzte und nicht gegen anonymer
Forschungsnutzung persönlicher Daten, die zur Hilfe für
Patienten von Morgen beitragen sollen.
- Eine Zustimmung des Patienten zur Forschungsnutzung seiner geheimnisgeschützten
persönlichen Daten ist nicht erforderlich. Unberührt
bleibt das Recht des Patienten, die Forschungsnutzung seiner Daten
grundsätzlich zu verweigern.
- Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis" kann die forschungshemmende
Zurückhaltung behandelnder Ärzte gegen die Abgabe von
Patientendaten mindern, der bisher noch Befürchtungen für
mißbräuchliche Nutzungen zugrunde liegen.
- Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis" kann die Nutzung
der Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen und anderen Sozialleistungsträger
für versorgungsepidemiologische Fragestellungen erleichtern.
Die Nutzung wird durch den ständigen Wandel der speziellen
Datenschutzbestimmungen in den Sozialgesetzen und - daraus folgend
- durch unterschiedliche Rechtsauslegung erschwert und verunsichert.
- Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis" kann die Fehlentwicklung
der Krebsregistergesetze korrigieren, die zwar der Krebsforschung
nutzen, die aber wegen des Anspruchs, die Erforschung bestimmter
Krankheiten gesetzgeberisch zu regeln, vergleichbare deutsche
epidemiologisclie Forschung praktisch blockiert, weil diese auf
Bildung zahlreicher krankheitsspezifischer und fachspezifischer
Register angewiesen ist. (Das Bundeskrebsregistergesetz ist seit
dem 01.01.95 in Kraft!)
Es ist ausgeschlossen, daß die gesetzgebenden Körperschaften
des Bundes und der Länder diesen hochdifferenzierten, umfangreichen
und zunehmenden Forschungserfordernissen der Medizin gerecht werden
können, selbst wenn sie es wollten.
Beispiele für einschlägige Datenschutzschäden:
- Das zerstörte Mannheimer Schizophrenieregister (Häfner)
- Das zwar noch gerettete, aber sterilisierte Krebsregister der
DDR
- und deren Diabetes-Register (Chr. von Ferber), die unter totalitären
Staatsverhältnissen ohne ein "Forschungsgeheimnis"
gebildet worden sind.
Um diese Ziele zu erreichen, sollte ein "medizinisches Forschungsgeheimnis",
das von einer Ethik-Kommission für bestimmte einzelne Forschungsvorhaben
mit bestimmten Forschungsbeteiligten anerkannt sein muß,
die Folge haben,
- daß gegenüber dem Forschungsbeteiligten keine Schweigepflicht
besteht und daß das "Forschungsgeheimnis" alle
personenbezogenen Daten aus allen Quellen umfaßt, die für
diese anerkannte Forschung benötigt werden.
- daß das medizinische Forschungsgeheimnis, "strafbewehrt"
gegen jede Offenbarung, der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt
und, wie diese, durch ein Beschlagnahmeverbot und ein Zeugnisverweigerungsrecht
(StGB und StPO) geschützt wird.
Die hohe Kultur des Datenschutzes in Deutschland will die AWMF
gefördert sehen durch Korrektur einer Fehlentwicklung, die
die Bekämpfung vieler Krankheiten, darunter wichtiger Volkskrankheiten,
behindert, ohne damit wirklichen Patienteninteressen zu dienen.
Begründende und weiterführende Literatur:
Bochnik, H. J. und Gärtner-Huth, C.: Ärztliche Schweigepflicht
zwischen Persönlichkeitsrechten, Sozialansprüchen und
Forschungserfordernissen. In: Abt, K.,
Giere, W., Leibner, B. (Hrsg): Krankendaten, Krankheitsregister,
Datenschutz. 29. Jahrestagung der GMDS, Springer, Berlin 1985,
S. 545 - 564.
Bochnik, H. J.: Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis"
im Datenschutzgesetz könnte deutsche Forschungsblockaden
beseitigen. Medizinrecht, 1994, S.398 - 400.
Dhom (Hrsg.): Epidemiologische Forschung, und Datenschutz in der
Medizin. Symposium der Akademie der Wissenschaften und Literatur
Mainz, (Februar 1991), Gustav Fischer, Stuttgart
1992.
Häfner, H., Häfner, G.: Forschung und Datenschutz. Produziert
die neue Gesetzgebung ein forschungsfeindliches Klima? Mitteilung
des Hochschulverbandes I/36, 1988, S. 178 - 184, 11/36, 1988,
S. 230 - 235.
Häfner, H., Pfeifer-Kurda, M.: The Impact of data protection
laws of the Mannheim Case Register in: Ten Hom et al. (Hrsg.):
Psychatric case registers in Public Health. Elsrise, 1988.
Protokoll der Sitzung des Arbeitskreises Ärzte und Juristen
der AWMF am 18./19.11.94, Teil 1: Medizinische Forschung und Datenschutz.
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