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Jahresbericht 1996

5. Organisation des Datenschutzes

5.1 Sicherstellung des Datenschutzes

5.1.1 Betriebliche und behördliche Datenschutzbeauftragte

Im abgelaufenen Jahr gab es in der öffentlichen Verwaltung zum ersten Mal Fälle, bei denen die gesetzlich vorgeschriebene Unabhängigkeit der behördlichen Datenschutzbeauftragten in Frage gestellt wurde.

Die Leitung einer großen öffentlichen Einrichtung faßte in einer ihrer turnusmäßigen Sitzungen den Beschluß, den nebenamtlichen behördlichen Datenschutzbeauftragten gegen seinen Willen abzuberufen. Im wesentlichen wurden seine Leistungen für den Teil seiner Arbeit beanstandet, der sein eigentliches Aufgabengebiet betraf und in dem er überwiegend beschäftigt war. Die Tätigkeit als behördlicher Datenschutzbeauftragter, für die ihm lediglich ein Fünftel seiner Arbeitszeit zugestanden wurde, wurde nicht geprüft.

Die Abberufung sollte nicht als Sanktionsmaßnahme gegen den behördlichen Datenschutzbeauftragten betrachtet werden, sondern vielmehr aus Gründen der Fürsorgepflicht einen Beitrag dazu leisten, daß der Betroffene seine Aufgabe, für die er eigentlich eingestellt war, wieder voll erfüllen kann. Die Leitung des Hauses bat den Berliner Datenschutzbeauftragten gem. § 36 Abs. 3 BDSG um Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme. Gleichzeitig wurde uns mitgeteilt, daß in der gleichen Sitzung ein neuer behördlicher Datenschutzbeauftragter bestellt wurde.

Eine vorzeitige Beendigung der Tätigkeit des behördlichen Datenschutzbeauftragten ist nur über zwei Wege erreichbar. Entweder muß ein Abberufungsverlangen der Aufsichtsbehörde nach § 38 Abs. 5 Satz 3 BDSG vorliegen, oder die speichernde Stelle muß in entsprechender Anwendung des § 626 BGB eine Kündigung aussprechen.

Voraussetzung für die erste Alternative ist nach § 38 BDSG jedoch die mangelnde Fachkunde oder Zuverlässigkeit oder offensichtliche Inkompatibilität für die Erfüllung der dem behördlichen Datenschutzbeauftragten übertragenen Aufgaben (förmliches Abberufungsverfahren). Eine solche mangelnde Qualifikation, Zuverlässigkeit oder Unvereinbarkeit mit dem Amt konnte jedoch von uns nicht festgestellt werden, da der Betroffene uns als engagierter behördlicher Datenschutzbeauftragter bekannt war.

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Die datenverarbeitende Stelle konnte die Bestellung des Datenschutzbeauftragten nur bei Anwendung von § 626 BGB widerrufen, wozu ein wichtiger Grund vorliegen muß. Dieser würde vorliegen, wenn der behördliche Datenschutzbeauftragte beharrlich untätig wäre, einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht begehen oder sich eines Vergehens gegen eine einschlägige Vorschrift (z.B. §§ 201 ff. StGB, § 43 BDSG) schuldig machen würde. Auch dies war nicht der Fall.

Wir sahen uns daher nicht in der Lage, der Bitte zu entsprechen und die Abberufung des behördlichen Datenschutzbeauftragten zu verlangen.

In einem zweiten Fall hatte die Dienststelle ebenfalls die Absicht, den behördlichen Datenschutzbeauftragten von seinem Amt zu entbinden. Begründet wurde dies damit, daß die Rechtsabteilung, der der Datenschutzbeauftragte organisatorisch angehörte, im Rahmen der Senatsumbildung zusätzliche Aufgaben erhalten hatte, ohne personelle Entlastungen zu erfahren. Dies wollte man damit kompensieren, daß der behördliche Datenschutzbeauftragte wieder voll seine eigentlichen Aufgaben in der Rechtsabteilung übernehmen sollte. Das Amt sollte zwar von einem anderen Mitarbeiter weiterhin ausgeübt werden, doch war der behördliche Datenschutzbeauftragte nicht bereit, sein Amt freiwillig aufzugeben.

Wie im ersten Fall ist eine Abberufung des behördlichen Datenschutzbeauftragten gem. § 19 Abs. 5 BlnDSG i.V.m. § 36 Abs. 3 Nr. 4 BDSG nur möglich, wenn die Aufsichtsbehörde es verlangt oder § 626 BGB zur Anwendung kommt.

Beide Voraussetzungen waren auch hier nicht gegeben. Wir haben dem behördlichen Datenschutzbeauftragten unsere Unterstützung zugesagt, vor allem vor dem Hintergrund, daß er sich bei früheren Gelegenheiten über mangelnde Unterstützung in seinem Hause beklagt hatte und nun die Vermutung nahelag, daß man sich eines unbequemen Sachverwalters des Datenschutzes entledigen wollte.

Die Fälle zeigen, daß die verbreitet geübte Praxis, irgend jemanden zum behördlichen Datenschutzbeauftragten zu benennen, für die datenverarbeitenden Stellen zu häufig unvermuteten Konsequenzen führt. Die Bestellung eines behördlichen Datenschutzbeauftragten mag noch nach Belieben erfolgen. Dies gilt jedoch keineswegs für seine Abberufung, falls er nicht selbst damit einverstanden ist.

5.1.2 Dateienregister

Viele datenverarbeitende Stellen des Landes haben nach wie vor Probleme damit, Meldungen zum Dateien- und Geräteverzeichnis nach § 25 BlnDSG in der von der Dateiregisterordnung vorgesehenen Form aufzuliefern und den Meldestand aktuell zu halten. Neben den Stellen, die routinemäßig ihrer Meldepflicht nachkommen, weil sie sich organisatorisch auf die gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer internen Übersicht über die eigenen Dateien mit personenbezogenen Daten und die eingesetzten Geräte eingestellt haben, gibt es Stellen, die offensichtlich damit überfordert sind, der Meldepflicht in rechtmäßiger Form nachzukommen, und nicht wenige, die die Umsetzung dieser bindenden Rechtsvorschrift boykottieren. Dies gilt vor allem fü eine Reihe von Bezirksämtern, insbesondere im Zusammenhang mit dem Geräteverzeichnis. Der Zweck des Dateienregisters kann damit nicht erfüllt werden.

Typisch für den Unwillen vieler Behörden, ihrer Meldepflicht nachzukommen, ist die Suche nach Ausnahmeregelungen, die von der Meldepflicht befreien. Darunter fallen Dateien, die vom Berliner Informationsverarbeitungsgesetz (IVG) erfaßt werden, weil sie bei der allgemeinen Verwaltungstätigkeit benutzt werden, also der "Verwaltung der Verwaltung" dienen. Weiter fallen darunter jene Dateien, die nur zeitweise aus verarbeitungstechnischen Gründen entstehen (§ 19 Abs. 3 BlnDSG). Ferner gibt es natürlich keine Meldepflicht, wenn die Dateien nicht personenbezogen sind.

Zwei Fälle zeigen die Probleme damit auf:

Eine anerkannte Privatschule fragte an, ob personenbezogene Daten von Bewerbern, die ein Auswahlverfahren durchlaufen, unter die Bestimmungen des IVG fallen und somit nicht gemeldet werden müssen. In der Schuldatenverordnung findet sich jedoch eine explizite Rechtsgrundlage für die Speicherung der fraglichen Daten. Es ist auch geregelt, daß für den Fall, daß Bewerber nicht angenommen werden, die Daten nach sechs Monaten zu löschen sind. Das IVG gilt aber nur für solche Daten, für die es keine besonderen rechtlichen Vorschriften gibt (§ 1 Abs. 1).

In einem anderen Fall bat uns die Senatsverwaltung für Justiz um Stellungnahme zu der Auffassung einer Gerichtspräsidentin, daß die von Richtern auf ihren privaten Rechnern geführten Dateien und die dafür genutzten Geräte nicht zu melden seien, weil diese Daten nur vorübergehend gespeichert und verarbeitet werden. Die Daten würden nach Abschluß des Verfahrens wieder gelöscht oder anonymisiert werden.

Gem. § 22 Abs. 1 Satz 3 Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (AGGVG) haben Richter usw. eine Meldung nach § 25 BlnDSG vorzunehmen, wenn sie personenbezogene Daten zur Unterstützung ihrer Tätigkeit auf eigenen Geräten verarbeiten. Diese Datenverarbeitung darf sich gem. § 22 Abs. 2 AGGVG nur auf laufende Verfahren beziehen. Danach sind die Daten zu löschen oder zu anonymisieren.

Aus dem datenschutzrechtlichen Grundprinzip, daß Daten zu löschen oder zu sperren oder alternativ zu anonymisieren sind, wenn sie für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind, ergibt sich jedoch nicht, daß sie im Sinne von § 19 Abs. 3 BlnDSG temporär wären. Mit diesem Argument wären dann alle personenbezogenen Daten temporär, denn sie werden nur für einen endlichen Zeitabschnitt vorgehalten.

Dateien sind gem. § 19 Abs. 3 BlnDSG hinsichtlich der Meldepflicht nur privilegiert, wenn sie bei der automatischen Verarbeitung ausschließlich aus verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend gehalten werden. Dabei handelt es sich um personenbezogene Dateien, die im Rahmen der Arbeitsabläufe bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zeitweilig entstehen, ohne daß sie einem anderen Zweck dienen würden, etwa Zwischenergebnisse eines Datenverarbeitungsprozesses, die je nach Art des Prozesses für Tage (z.B. Batch-Prozesse) oder auch nur Bruchteile von Sekunden (z.B. temporäre Zwischentabellen bei Abläufen in relationalen Datenbanksystemen) bestehen.

Ein Datenbestand, der Nachnamen von Klägern, Aktenzeichen und Streitgegenstände enthält, ist auch nicht anonym. Schon diese drei Angaben an sich weisen eindeutigen Personenbezug auf, insbesondere, wenn der Nachname selten genug auftritt. Für einen Richter, der sich mit einem Urteil oder Beschluß befaßt hat, dürfte die Zuordnung zu einer ihm bekanntgewordenen Person selbstverständlich möglich sein. Selbst wenn es Aufwand für einen Richter bedeutet, entsprechende Verfahrensakten beizuziehen, so kann der Personenbezug ohne weiteres über diese Akten wieder hergestellt werden, sei es durch Einschaltung von Zugriffsberechtigten oder durch nicht legales Handeln.

Die Schwierigkeiten mit dem Dateienregister sowie der Aufwand für die Führung der Register beim Datenschutzbeauftragten könnten Anlaß für eine Prüfung sein, ob nicht im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden sollte, die Register zugunsten der Führung interner, selbstorganisierter Verzeichnisse abzuschaffen (Art. 18 Abs. 2).

5.2 Der Berliner Datenschutzbeauftragte

5.2.1 Die Dienststelle

Ende Juli 1996 ging der Bereichsleiter für Private Datenverarbeitung, Senatsrat Dr. Dieter Baumeister, in den Ruhestand. Ein Jahr zuvor war er im Zusammenhang mit der Übernahme der Aufgaben der Aufsichtsbehörde von der Senatsverwaltung für Inneres in unsere Dienststelle versetzt worden. Dort hatte er viele Jahre das für Datenschutz zuständige Referat geleitet und war maßgeblich an der Entstehung des Berliner Datenschutzgesetzes beteiligt. Die damit verbundenen Personalveränderungen wurden zum Anlaß genommen, die Zuständigkeiten in der Dienststelle neu zu verteilen (vgl. die neue Geschäftsverteilung in Anlage 7). Die grundlegende Idee dabei war, soweit wie möglich zusammengehörige Bereiche unabhängig davon, ob es sich um private oder öffentliche Stellen handelt, zusammenzuführen. Die für die neu entstandenen Arbeitsgebiete zuständigen Referenten nehmen nunmehr ihre Aufgaben gleichermaßen für Behörden und Privatunternehmen wahr. Dies entspricht sowohl der Erwartung der Bürger, die z.B. eine Gleichbehandlung des Datenschutzes in öffentlichen und privaten Krankenhäusern erwarten, als auch den Vorgaben der europäischen Datenschutzrichtlinie, die von einer grundsätzlichen Gleichstellung des öffentlichen und privaten Sektors ausgeht (vgl. JB 1995, 1.2).

Nach dem Scheitern der Fusion mit Brandenburg bleiben die Aufgaben der Dienststelle zwar weiterhin auf Berlin beschränkt. Es zeichnet sich allerdings ab, daß es zur weiteren Gründung gemeinsamer Einrichtungen beider Länder kommen wird; auch eine Vielzahl gemeinsamer Datenverarbeitungsverfahren wird entstehen. Dies wird eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesbeauftragten für den Datenschutz erforderlich machen, die auch in gemeinsamen Besprechungen schon vorbereitet wurde.

5.2.2 Aufgabenentwicklung

Während die Zahl der Eingaben im öffentlichen Bereich in etwa gleichgeblieben ist, gab es erneut einen starken Anstieg von Beschwerden über Privatunternehmen. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, daß die Übertragung der Aufgaben der Aufsichtsbehörde auf den Datenschutzbeauftragten zu einer besseren Wahrnehmung der datenschutzrechtlichen Probleme im Alltag geführt hat. Auch die Amtsüberprüfungen bei Unternehmen, die Daten für fremde Zwecke verarbeiten (Auskunfteien und Detekteien, Adressenhandel, Aktenvernichtungsunternehmen u.ä.) wurden wieder aufgenommen.

Die meisten Beschwerden im öffentlichen Bereich waren in diesem Jahr im Arbeitsgebiet Polizei zu bearbeiten, gefolgt von der Justiz. Die 1995 beobachtete hohe Anzahl von Beschwerden im Ordnungsbereich, insbesondere im Meldewesen, stand offensichtlich im Zusammenhang mit den Wahlen und ging wieder deutlich zurück. Bei den Beratungsersuchen dominierten erneut die Arbeitsgebiete Schule, Wissenschaft und Forschung einerseits und Gesundheit und Soziales andererseits. Man kann hieran deutlich erkennen, daß die klassischen Eingriffsverwaltungen eher reaktiv tätig werden, während in den Leistungsverwaltungen das Interesse an frühzeitiger Beratung deutlich höher ist. Im privaten Bereich ist es naturgemäß zu einem Rückgang von Beschwerden über die BahnCard (vgl. JB 1995, 3. 1) gekommen, dafür stiegen die Beschwerden von Mietern gegen ihre Vermieter deutlich an. Auffällig ist auch die Anzahl von Eingaben gegen Ärzte und Krankenhäuser sowie Beschwerden über den Umgang mit Personaldaten.

Bei den technischen Prüfungen kam es im Zusammenhang mit unseren Aktivitäten gegenüber Privatunternehmen zu einem deutlichen Anstieg des PCAnteils gegenüber anderen Verfahren (vgl. oben 4.8.3). Dies liegt daran, daß der PC zumindest im Bereich der kleineren und mittleren Betriebe das zentrale Organisationsmittel ist. In der öffentlichen Verwaltung lag dagegen der Schwerpunkt auf der Beratung der Großverfahren, deren Einsatz im vergangenen Jahr gestartet oder vorbereitet wurde (vgl. z. B. oben 4.1.1, 4.2.1, 4.8. 1).

Eine flächendeckende Prüfung und Beratung der IuK-Verfahren in unserem Zuständigkeitsbereich ist allerdings völlig ausgeschlossen. Nach der letzten Statistik der Industrie und Handelskammer gibt es in Berlin ca. 125 000 Gewerbetreibende und ca. 80 000 Kleingewerbe und freie Berufe; bei allen ist davon auszugehen, daß sie Informationstechnik verwenden. In der Hauptverwaltung und den Bezirksämtern existieren nach den letzten Angaben im AbgeordnetenhausInformationssystem (AIS) vom März 1996 allein über 23 000 Bildschirmarbeitsplätze; zum gleichen Zeitpunkt waren 225 Großrechner gemeldet. Nicht darin enthalten sind die selbständigen Körperschaften und Anstalten; insbesondere die Berliner Hochschulen verfügen über immense Rechnernetze, deren Kontrolle alleine mehr Kapazitäten verschlingen würde als uns an Dienstkräften zur Verfügung steht: Im Bereich Informatik sind das je ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin für Großrechner, für Kommunikationssysteme, für Personalcomputer und für Client-Server-Architekturen.

Eine andere Zahl aus dem AIS ist vielleicht auch von Interesse: Für den Datenschutzbeauftragten gibt jeder Bürger Berlins jährlich 1 DM aus, für IuK allein für Hauptverwaltung und Bezirksämter 66 DM; auch hier sind Körperschaften und Anstalten nicht enthalten. Mit dieser einen DM sind auch die Kontrollen in der gesamten Privatwirtschaft finanziert.

Einen nicht unerheblichen Anteil an der Arbeit machten die Vortragstätigkeit sowie die Beteiligung an Aus- und Fortbildung aus. Eine Reihe von Mitarbeitern zeigte weit über die Arbeitszeit hinaus erneut ihr Engagement, bei Konferenzen und Kongressen, in Schulen und Hochschulen oder in Verbänden und Interessenvereinigungen Kenntnisse über den Datenschutz zu vermitteln und sich an den Diskussionen über die Fortentwicklung des Datenschutzes zu beteiligen.

5.2.3 Umgang mit dem Datenschutzbeauftragten

Bereits im vergangenen Jahr wurde auf Probleme mangelnder Unterstützung des Datenschutzbeauftragten hingewiesen (JB 1995, 7.1). In der letzten Zeit ist bei Teilen der Berliner Verwaltung die Tendenz zu beobachten, Probleme des Datenschutzes nicht nur zu vernachlässigen, sondern die Arbeit des Datenschutzbeauftragten zu behindern. Unliebsame Anfragen werden nicht oder nur mit großem Zeitverzug bearbeitet, die Zuständigkeit des Datenschutzbeauftragten wird aus unzutreffenden Gründen bestritten, oder es wird gar offen erklärt, man lehne es ab, die gegebene Rechtslage zu berücksichtigen. Ober zwei Fälle wurde oben berichtet (vgl. oben 4.1.2, 4.4.4).

Für die zögerliche Bearbeitung ein Beispiel: Im Jahresbericht 1995 hatten wir auf Datenschutzprobleme im Zusammenhang mit der Einbürgerung hingewiesen (JB 95, 5.5.3); dies ging auf eine Beanstandung zurück, die im Januar dieses Jahres ausgesprochen worden war. Nachdem im Juli 1995 wegen Organisations- und Strukturaufgaben um Fristverlängerung gebeten worden war, wurde im September 1995 die Ausarbeitung neuer Formulare angekündigt. Im Februar 1996 erfolgte ein erneuter Hinweis auf "Aufgabenerledigungsschwierigkeiten", ansonsten erhielten wir bis Ende 1996 trotz mehrfacher Mahnung auch beim Abteilungsleiter keine Reaktion mehr. Erst im Laufe der späteren Beratungen im Unterausschuß "Datenschutz" erfolgte gegenüber dem Parlament eine Stellungnahme und eine Entschuldigung für die Verzögerung. Erstaunt stellten wir fest, daß im Laufe des Jahres 1996 einige Verfahrensänderungen vorgenommen worden waren; uns hierüber zu informieren, hielt man nicht für nötig.

Derartige Bearbeitungszeiten kommen zunehmend häufiger vor. Dies verzögert nicht nur die Aufklärung, ob die Praxis datenschutzgerecht ist oder rechtsfehlerhaft arbeitet, sondern wird auch dem Anspruch der Bürger auf zügige Bearbeitung ihrer Anliegen nicht gerecht.

5.2.4 Zusammenarbeit mit dem Abgeordnetenhaus

Die neue Berliner Verfassung siedelt den Datenschutzbeauftragten bei den Bestimmungen zur Volksvertretung an (Artikel 47). Er ist zwar eigene Oberste Landesbehörde, hat jedoch aufgrund dieser Stellung gegenüber dem Abgeordnetenhaus besondere Rechte und Pflichten (§ 22 Abs. 4, § 29 BlnDSG). Auch im Berichtsjahr hat er anläßlich der Einbringung des Jahresberichts 1995 sowie der Senatsstellungnahme hierzu im Plenum des Abgeordnetenhauses eine kurze Rede gehalten, in der er bereits auf die Schwierigkeiten einiger Teile der Verwaltung mit dem Datenschutz einging (vgl. Anlage 1).

Am 24. September 1996 konstituierte sich der Unterausschuß "Datenschutz" des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung unter dessen Vorsitzenden Rüdiger Jakesch neu. Er nahm sofort die Beratungen zum Jahresbericht 1995 auf; daneben wurden Gesetzgebungsvorhaben und aktuelle Probleme erörtert. Auch in einer Reihe anderer Ausschüsse wurden Datenschutzprobleme unter unserer Beteiligung erörtert und unser Rat erfragt, unter anderem wiederum vom Petitionsausschuß. Die Zusammenarbeit mit den Fraktionen und einzelnen Abgeordneten wurde in der üblichen konstruktiven Weise auch im neuen Abgeordnetenhaus fortgeführt.

5.2.5 Kooperation mit Stellen außerhalb Berlins

Das Datenschutzgesetz verpflichtet den Datenschutzbeauftragten, mit allen Stellen zusammenzuarbeiten, die wie er die Aufgabe haben, die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz zu kontrollieren (§ 24 Abs. 4 BlnDSG). Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ist hierfür das wichtigste Gremium. Sie tagte unter Vorsitz des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten im Berichtsjahr zweimal; die dort gefaßten Beschlüsse sind im Anhang abgedruckt (vgl. Anlagen zu 2). Von großer Bedeutung sind die im Rahmen der Konferenz gebildeten Arbeitskreise, da der dort stattfindende Erfahrungsaustausch ein notwendiges Mittel ist, den in den kleinen Dienststellen vorhandenen Sachverstand zu verbreitern und die vorhandenen bescheidenen Kräfte zu bündeln. Den Vorsitz im Arbeitskreis Medien führt seit Anfang an Berlin; in mehreren Sitzungen, bei denen auch ein intensiver Erfahrungsaustausch mit den Anbietern von Online-Diensten stattfand, wurde nach gemeinsamen Lösungen gesucht und entsprechende Konferenzbeschlüsse vorbereitet. Auch bilateral wurde eine Vielzahl von Kooperationsgesprächen mit dem Bundes- und anderen Landesbeauftragten geführt, besonders mit dem Brandenburgischen Landesbeauftragten.

Auch die Kooperation mit den Obersten Ausichtsbehörden der Länder im "Düsseldorfer Kreis" und mit dessen Arbeitskreisen wurde fortgeführt. Für den Bereich der Sparkassen haben wir eine Vermittlerfunktion zwischen diesem Gremium und der Konferenz übernommen, um eine gleiche Bewertung bei öffentlichen und privaten Kreditinstituten zu gewährleisten. In Berlin wurde auch ein Dialog von Bundes- und Landesbeauftragten, Aufsichtsbehörden und Rundfunkdatenschutzbeauftragten zur Gewährleistung einer einheitlichen Prüfpraxis bei den Neuen Medien aufgenommen, der allerdings wegen der zögerlichen Haltung der meisten Aufsichtsbehörden vorläufig noch nicht fortgeführt werden konnte.

Auf internationaler Ebene beteiligten wir uns an den Aktivitäten der Internationalen Konferenz der Datenschutzbeauftragten und der Konferenz der Datenschutzbeauftragten der EU. Besonderes Schwergewicht lag für uns wie im nationalen Bereich wiederum auf Problemen des Datenschutzes bei der Telekommunikation. Die Arbeitsgruppe Telekommunikation im Rahmen der Internationalen Konferenz tagte zweimal und befaßte sich insbesondere mit Problemen des Datenschutzes im Internet (vgl. oben 4.7.1; Anlage 5.1). Auf europäischer Ebene engagierten wir uns im Verfahren zur Verabschiedung der ISDN-Richtlinie (vgl. oben 4.7.1); eine besondere Koordination mit der von der französischen Datenschutzkommission geleiteten europäischen Arbeitsgruppe zu internationalen Datennetzen wurde vereinbart.

5.2.6 Öffentlichkeitsarbeit

Zur Konsolidierung der angespannten Haushaltslage, in der sich das Land Berlin befindet, sind Einsparungen in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung unumgänglich. Auch die Mittel für unsere Öffentlichkeitsarbeit sind davon nicht ausgenommen. Dem steht das immense Interesse der Bürger an sachbezogenen und verständlichen Informationen zu datenschutzrechtlichen Fragestellungen entgegen. Wir haben versucht, beiden Anliegen gerecht zu werden.

In unserer Reihe "Materialien zum Datenschutz" sind zwei neue Hefte erschienen. In der Broschüre "Medien und Persönlichkeitsschutz - Materialien 23 zum Datenschutz" sind Dokumente veröffentlicht, die sich mit den neuen Herausforderungen und Möglichkeiten im Medienbereich - z.B. durch neue Formen des elektronischen Publizierens, Öffnung der Medienarchive und Pressedatenbanken und den Ausbau neuer digitaler Kommunikationsformen (z.B. Video on demand) - und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen befassen. Personenbezogene Daten werden in immer größerem Umfang weltweit verarbeitet und ausgetauscht. Die sich daraus ergebenden Risiken für die Privatsphäre des Einzelnen und den Datenschutz können deshalb nur weltweit begrenzt werden. Mit dem Heft "Internationaler und Europäischer Datenschutz - International and European Data Protection - Materialien 24 zum Datenschutz" wollen wir auf diesen Umstand hinweisen. In der - zweisprachigen (deutsch/englisch) - Broschüre sind erstmals die internationalen und europäischen Richtlinien und Konventionen zum Datenschutz veröffentlicht. Außerdem sind Dokumente aus den Vereinigten Staaten von Amerika und aus der Russischen Föderation enthalten.

Wie adressiere ich ein Schreiben, das ungeöffnet einen Sachbearbeiter erreichen soll? Wie läuft die Postverteilung in Behörden? Werden die Briefe zentral geöffnet und dann offen weitergeleitet? Diese und andere Fragen zum Schriftwechsel mit Behörden werden vielfach an uns herangetragen. Unser Faltblatt "Datenschutz INFO 1 - Wie schreibe ich an Behörden?" ist die Antwort auf diese Fragen. Es wird das Postverteilungsverfahren bei Behörden dargestellt und anhand von Beispielen gezeigt, wie durch bestimmte Adressierungen sichergestellt wird, daß Schreiben offen oder verschlossen an eine bestimmte Person gelangen. Die geplante Herausgabe weiterer Datenschutz-INFOs scheiterte an der Haushaltslage.

Neben den vorstehend genannten Veröffentlichungen ist über zwei weitere Schwerpunkte in der Öffentlichkeitsarbeit zu berichten:

Im Berichtsjahr haben wir ein neukonzipiertes Datenscheckheft herausgebracht. Dieses inzwischen über zehn Jahre alte Informationsmaterial, das auch von anderen Datenschutzbeauftragten übernommen wurde und bundesweit bekanntgeworden ist, ist bei den Bürgern wegen seines praktischen Ansatzes sehr beliebt. Auch das neue Datenscheckheft wurde uns wieder förmlich "aus den Händen gerissen". Es ist daher ebenfalls schon wieder vergriffen und konnte bislang nicht nachgedruckt werden.

Ob Telekom, Ämter oder Adressenverleger - alle wollen erstmal nur das eine: Daten, Daten, Daten. Ohne sie können kein Antrag bearbeitet, kein Bußgeldbescheid erlassen, keine Gebühren eingetrieben und auch kein Werbebrief versandt werden.

Wie aber kann ich Auskunft über meine gespeicherten Daten erhalten? Bei welchen Stellen kann ich diese beantragen? Wie kann ich Akteneinsicht in über mich vorhandene Unterlagen bekommen? Wie die Berichtigung und Löschung meiner Daten erreichen?

Das neugestaltete Datenscheckheft bietet praktische Hilfe. Eine kleine Mappe enthält Kärtchen mit Informationen darüber, wer welche persönlichen Daten gespeichert haben könnte und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht. 37 Musterbriefe helfen, den richtigen, aber auch rechtlich korrekten Ton zu finden, um den solcherart angeschriebenen Unternehmen, Verbänden oder Ämtern deutlich zu machen, was man will: Auskünfte über gespeicherte Daten, vorhandene berichtigen, andere löschen. Enthalten sind beispielsweise Schreiben, mit denen die Zusendung von Werbematerial unterbunden werden kann, sowie solche, mittels derer Auskunft und Akteneinsicht bei Polizei, Verfassungsschutz, Krankenkasse, Ärzten, Sozialämtern oder der SCHUFA beantragt werden kann. Die Musterbriefe können sogleich ausgefüllt und umgehend in einem Fensterumschlag verschickt werden.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte im Internet

Seit dem 21. März 1996 ist der Berliner Datenschutzbeauftragte mit einem eigenen Programmangebot im Internet präsent.

Unter http://www.datenschutz-berlin.de sind vielfältige Informationen über den Datenschutz abrufbar. Ein Programmschwerpunkt ist die Vorstellung des jeweils aktuellen Jahresberichtes sowie die Bereitstellung der wesentlichen, darin zitierten Dokumente. Informationen über nationale und internationale Themen werden ebenfalls angeboten. In einer Übersicht werden die von uns herausgegebenen Broschüren und Materialien vorgestellt und können bei Bedarf abgerufen werden. Praktische Hinweise zur Selbsthilfe (z.B. im Umgang mit Behörden) werden unter dem Programmpunkt "Service" bereitgestellt.

Das Angebot wird weltweit genutzt. Dies ist an den Anfragen erkennbar, die wir über e-mail erhalten (Unsere e-mail-Adresse lautet: mailbox@datenschutz-berlin.de). Die (anonyme) Protokollierung im Server verzeichnete im Laufe des Jahres monatlich bis zu über 40.000 Abrufe, wobei die dabei nicht registrierten Abrufe auf "Proxy-Servern" die insbesondere in den Universitäten eingerichtet sind, nicht erfaßt werden.

Berlin, 4. März 1997

Dr. Hansjürgen Garstka

Berliner Datenschutzbeauftragter

Zuletzt geändert:
am 10.04.97

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