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Jahresbericht 1996

4.3 Zwei traditionelle Verwaltungen - Justiz und Finanzen

4.3.1 Justiz

Strafprozeßordnung

Die Diskussion um die Einführung des "Großen Lauschangriffs", also der akustischen Überwachung von Wohnungen zur Strafverfolgung, ist fortgeführt worden. Ein Formulierungsentwurf des Bundesjustizministeriums zur Änderung von Art. 13 GG ist allerdings vom Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes wieder abgekoppelt worden. Wir halten mit der Mehrheit der Datenschutzbeauftragten an der Auffassung fest, daß die Intensität des Eingriffs in diesem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung in keinem akzeptablen Verhältnis zu dem zu erwartenden Ertrag für die Strafverfolgung steht (JB 92, 4.2.1).

Hierzu ist ein Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes (Sächsischer VerfGH, Urt. v. 14.5.1996, Vf. 44 - II - 94) bemerkenswert, das sich mit einer Regelung im Sächsischen Polizeigesetz über den Lauschangriff zur Gefahrenabwehr auseinandergesetzt hat. Dieser ist mit der Sächsischen Verfassung nur dann vereinbar, wenn er zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte erforderlich ist. Er darf sich darüber hinaus nur gegen für die Gefahr Verantwortliche und nicht gegen Dritte richten.

Der Lauschangriff darf ferner nicht den absolut geschützten Bereich privater Lebensführung betreffen. Jeder Mensch muß Räume haben, in die er sich zurückziehen kann und in denen er von der Obrigkeit völlig in Ruhe gelassen wird. Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Schutz seiner privaten Intimsphäre. Das Gericht hat festgestellt, daß in diesem Bereich auch schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit oder gar Einzelner einen staatlichen Eingriff nicht zu rechtfertigen vermögen. Sollte sich erst nach einer geplanten Abhörmaßnahme herausstellen, daß der absolut geschützte Bereich privater Lebensführung von der Abhörmaßnahme betroffen worden ist, so sind die Aufzeichnungen unverzüglich zu löschen.

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Strafverfahrensänderungsgesetz: Ein neuer Gesetzentwurf

Am Ende des Jahres 1996 - sozusagen als Weihnachtsüberraschung - hat die Bundesregierung nunmehr einen eigenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts - Strafverfahrensänderungsgesetz 1996 - (StVÄG 1996) vorgelegt (BR-Drs. 961/96; s.a. BR-Drs. 620/94 vom 14. Oktober 1994 (StVÄG-Entwurf der Länder), JB 1993, 4.7; JB 1994, 4.8).

Leider wird auch der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf in weiten Teilen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 65, 1, 44), Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch den Gesetzgeber präzise und umfassend zu regeln, nicht gerecht.

Nach § 163 f. des Gesetzentwurfes soll in Zukunft bei "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist", eine planmäßig angelegte Beobachtung von Beschuldigten durchgehend länger als 24 Stunden oder an mehr als zwei Tagen angeordnet werden dürfen. Voraussetzung ist, daß die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Die Observation darf sich auch gegen Dritte richten. Bei Gefahr im Verzug darf die Anordnung von der Staatsanwaltschaft oder ihren Hilfsbeamten (der Polizei) getroffen werden.

Diese Regelung ist in vielen Punkten zu unbestimmt. Der Gesetzgeber sollte eine bestimmte Schwelle des Verdachtes für erforderlich erklären. Die Straftaten, die erheblich sein können, sind im Gesetz konkret zu benennen. Zu unpräzise ist die Voraussetzung, daß die Erforschung des Sachverhaltes ohne die Observation "wesentlich erschwert" wäre. Sie sollte vielmehr zur Aufklärung weiterer Straftaten erforderlich sein. Observierung von Dritten sollte an qualifizierte Voraussetzungen geknüpft werden. Wegen der Schwere des Eingriffes halten wir eine Anordnung der Observation nur durch die Polizei für unangemessen.

Die §§ 474 ff. des Entwurfes regeln die Erteilung von Auskünften und Akteneinsichten aus den Verfahrensakten. Auch diese Regelungen enthalten eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die dem Gebot der Normenklarheit nicht gerecht werden. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die nicht ausreichende Unterscheidung zwischen Daten über Beschuldigte, Verdächtige und andere Personen. Problematisch ist auch eine Regelung, nach der Akteneinsicht gewährt werden kann, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Es besteht die Gefahr, daß bei Auskunftsersuchen von Justizbehörden oder öffentlichen Stellen unter Hinweis auf den Aufwand die ganze Akte übersandt wird.

Der Gesetzentwurf sieht auch vor, durch die Errichtung eines automatisierten Verfahrens verschiedenen öffentlichen Stellen direkten Zugriff auf eine Vielzahl von höchst sensiblen Daten zu gewähren. Die Regelung ist umso bedenklicher, als sie keine klaren Festlegungen in bezug auf die zugriffsberechtigten Stellen, den abzurufenden Datenumfang und die Verwendungszwecke der Daten enthält.

Wir haben nur einige Punkte aus dem langen Katalog an datenschutzrelevanten Regelungen des Gesetzentwurfes aufgegriffen. Sie zeigen jedoch exemplarisch das eingangs dargestellte Problem, daß es den Regelungen an der erforderlichen Normenklarheit fehlt. Statt dessen lassen die Regelungen auch für die Zukunft Spielraum für Unsicherheiten sowohl bei den Gesetzesvollziehern als auch bei den von den Grundrechtseingriffen betroffenen Personen bei der Auslegung der Vorschriften.

Genetische Informationen im Strafprozeß

Der Bundestag hat Anfang Dezember 1996 restriktive Regelungen zur Nutzung von genetischen Informationen im Strafprozeß beschlossen (BT-Drs. 13/667; BR-Drs. 5/97), über die bereits seit mehreren Jahren diskutiert worden ist (vgl. JB 1993, 4.7). In der Strafprozeßordnung wird jetzt eindeutig klargestellt, daß Blutproben oder sonstige Körperzellen, die dem Beschuldigten entnommen werden, nur für das zugrundeliegende Strafverfahren oder ein anderes gegenwärtig anhängiges Strafverfahren verwendet werden dürfen und sofort vernichtet werden müssen, wenn sie hierfür nicht mehr erforderlich sind. Eine Sammlung von Blutproben oder Körperzellen für zukünftige Strafverfahren wird damit ausgeschlossen. Molekulargenetische Untersuchungen dürfen ausschließlich zur Feststellung der Abstammung oder zur Klärung der Frage durchgeführt werden, ob Spurenmaterial von dem Beschuldigten oder dem Verletzten stammt, und dies auch nur, wenn der Beschuldigte nicht auf andere Weise überführt werden kann. Entscheidend ist die Festlegung des Gesetzgebers, daß darüber hinausgehende Informationen, etwa über äußere Merkmale oder Anlagen zu Krankheiten, im Strafprozeß nicht mit molekulargenetischen Methoden erhoben und verwendet werden dürfen. Derartige Überschußinformationen fallen zwar nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand bei der Erstellung eines "genetischen Fingerabdrucks" nicht an, weil ausschließlich ein Bereich des menschlichen Genoms untersucht wird, der als "nicht-sprechend" angesehen wird. Dies kann sich jedoch angesichts der weltweit mit hohem finanziellem Aufwand betriebenen Entschlüsselung des gesamten menschlichen Genoms durchaus in naher Zukunft ändern. Deshalb hat der Gesetzgeber ein ausdrückliches Verbot zur Erhebung und Verwertung von Überschußinformationen in die Strafprozeßordnung aufgenommen.

Genetische Untersuchungen dürfen ohnehin nur durch den Richter angeordnet werden, der auch den Sachverständigen zu bestimmen hat. Gehört der Sachverständige der Polizei an, so muß er in einer Organisationseinheit der Polizei tätig sein, die von der ermittlungsführenden Dienststelle organisatorisch und sachlich getrennt ist. Dem Sachverständigen ist das Untersuchungs- und Spurenmaterial ohne Namen, Anschrift und Geburtsdatum des Betroffenen zu übergeben. Der Berliner Datenschutzbeauftragte hat die Einhaltung dieser Schutzvorkehrungen von Amts wegen bei Untersuchungen zu überwachen, die in Berlin von öffentlichen oder privaten Stellen auf richterliche Anordnung durchgeführt werden.

Justizmitteilungsgesetz

Im letzten Jahresbericht (JB 1995, 5.7) hatten wir darüber berichtet, daß die Bundesregierung Ende des Jahres noch den längst überfälligen Entwurf eines Gesetzes über Mitteilungen der Justiz von Amts wegen in Zivil- und Strafsachen (Justizmitteilungsgesetz) (BT-Drs. 12/1399) vorgelegt hatte. Die von den Datenschutzbeauftragten angeregten Änderungen sind bisher leider im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen worden. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu vielen Punkten Vorschläge unterbreitet, die auf eine Verringerung des Aufwandes für die Justiz abzielen. So strebt der Bundesrat beispielsweise eine Beschränkung der Prüfung der Datenübermittlungen durch die übermittelnde Stelle auf eine reine Schlüssigkeitsprüfung an. In der Praxis könnten danach personenbezogene Daten auch ohne eine vorherige Prüfung der Erforderlichkeit der Daten für die Aufgabenerfüllung einer anderen Behörde übermittelt werden. Dies ist nur einer von zahlreichen Änderungswünschen des Bundesrates. Inwieweit der Bundesrat diese Änderungen durchsetzen kann, ist noch offen.

Korruptionsbekämpfung in Berlin

Zur Bekämpfung der Korruption in der Berliner Verwaltung plant die Senatsverwaltung für Justiz ein Gesetz über die Einrichtung einer Zentralen Erfassungs- und Koordinierungsstelle zur Vorbeugung gegen Korruptionstaten in Berlin.

Nach den Vorstellungen der Justizverwaltung sollen alle Dienstkräfte des Landes Berlin verpflichtet werden, Hinweise oder tatsächliche Anhaltspunkte, die auf Korruption in der Verwaltung hindeuten, ohne Einschaltung des Dienstweges an diese Stelle zu melden. Die Koordinierungsstelle soll diese Hinweise und Meldungen dann prüfen und ggf. unter Einschaltung weiterer Stellen wie dem Rechnungshof oder der Innenrevision der betroffenen Verwaltung den Sachverhalt aufklären. Wenn die Koordinierungsstelle zu dem Schluß kommen sollte, daß Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, soll sie die Strafverfolgungsbehörden einschalten.

Es ist geplant, die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, bei denen nach Auffassung der Koordinierungsstelle ein tatsächlicher Korruptionsverdacht besteht, in einer besonderen Datei zu speichern. Eine Benachrichtigungspflicht über die Speicherung in dieser Datei ist nicht vorgesehen; auch eine Löschungsfrist ist bisher nicht geplant - wenn man davon absieht, daß bei Wegfall des Korruptionsverdachtes die Daten gelöscht werden sollen.

Auch wir begrüßen die Absicht, Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung zu ergreifen. Allerdings bestehen gegen das bisher bekanntgewordene Konzept erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Bei der beabsichtigten gesetzlichen Verpflichtung zur Meldung von Hinweisen oder tatsächlichen Anhaltspunkten für Korruption wird die Datenverarbeitung weit in das Vorfeld einer konkreten Gefahr oder eines Anfangsverdachtes verlagert. Sie erfolgt zudem hinter dem Rücken des Betroffenen.

Die Tätigkeit der Koordinierungsstelle läßt sich weder klar von der Tätigkeit der Polizei zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung noch von der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft bei der Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens abgrenzen. Für den Bereich der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung enthält bereits das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) Regelungen. Nach dem ASOG ist zudem allein die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr für die vorbeugende Straftatenbekämpfung zuständig. Die Koordinierungsstelle soll dennoch neben der Polizei eigene Befugnisse zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erhalten, ohne allerdings den einschränkenden Voraussetzungen des ASOG zu unterliegen.

Mit der Befugnis der Koordinierungsstelle, über eine Weiterleitung der Hinweise und Meldungen an die Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu entscheiden, würde der Entscheidungsspielraum der Staatsanwaltschaft, die Entscheidung zu treffen, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat überhaupt vorliegt, zum Teil bereits auf die Koordinierungsstelle vorverlagert. Damit würde der Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen die Möglichkeit genommen, gemäß § 160 Abs. 2 StPO selbst die be- und entlastenden Umstände jedes Einzelfalles zu ermitteln.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Unterrichtung der von Speicherungen betroffenen Mitarbeiter über die Tatsache, daß sie in einer besonderen Korruptionsdatei gespeichert sind. Nach § 16 Abs. 2 BlnDSG ist der Betroffene bei einer Speicherung in einer Datei grundsätzlich über die Speicherung zu unterrichten. Auch für die Löschung der gespeicherten Daten fehlen bisher Vorstellungen darüber, wann eine Löschung zu erfolgen hat oder in welchen Abständen die Voraussetzungen für eine Speicherung zumindest überprüft werden.

Bescheidung des Antragstellers nach Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO

Ein Bürger beschwerte sich darüber, daß die Amtsanwaltschaft dem Anzeigeerstatter, aufgrund dessen Anzeige ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, in der Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO mitgeteilt hatte, unter welchem Aktenzeichen und bei welchem Gericht Ermittlungsverfahren gegen seine Person laufen, aus denen eine höhere Strafe zu erwarten sei, gegen die die aus dem eingestellten Ermittlungsverfahren zu erwartende Strafe nicht erheblich ins Gewicht falle.

Die Mitteilung des Aktenzeichens im Einstellungsbescheid an den Anzeigeerstatter ist nicht erforderlich. Allerdings sehen wir auch, daß der Einstellungsbescheid nachvollziehbar sein muß. Da offensichtlich auch die Justizverwaltung die Übermittlung dieses Datums für nicht ganz unproblematisch hielt, sollte im Rahmen der Überarbeitung der Einstellungsformulare eine Änderung vorgenommen werden. Das uns übersandte überarbeitete Einstellungsformular enthält nun zwar nicht mehr die Angaben des Aktenzeichens, dafür jedoch eine Angabe des Tatvorwurfes. Damit ist aus datenschutzrechtlicher Sicht eine Verschlechterung eingetreten, da der Tatvorwurf ein noch sensibleres Datum ist, das bisher durch das Aktenzeichen allein nicht erkennbar war.

Die Lotterie der Datenlöschung nach abgeschlossenem Ermittlungsverfahren

Gegen einen Petenten und mehrere Beteiligte wurde 1987 ein gemeinsames Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Ermittlungsverfahren gegen den Petenten wurde 1990 eingestellt. Die anderen verbundenen Verfahren waren auch 1995 noch nicht abgeschlossen. Da die fünfjährige Aufbewahrungsfrist für eingestellte Ermittlungsverfahren erst am Ende des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Staatsanwalt die Abschlußverfügung in dem Ermittlungsverfahren vorgenommen hat, waren die personenbezogenen Daten des Petenten auch 1995 noch nicht gelöscht. Die Aufbewahrungsfrist hatte noch nicht einmal zu laufen begonnen.

Der beschriebene Fall zeigt eindrucksvoll, daß es dann nicht mehr nur auf die Länge einer Aufbewahrungsfrist ankommt, wenn sie durch den Zeitpunkt des "Ingangsetzens" variabel ist. Die Aufbewahrungsfrist hat sich im vorliegenden Fall verdoppelt.

Um in den Fällen eines verbundenen Ermittlungsverfahrens, in denen gegen mehrere Beschuldigte ermittelt wird, eine unzumutbare Verlängerung der Speicherung nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens zu verhindern, sollte die Speicherfrist bei jedem Mittäter gesondert errechnet und entsprechend auch getrennte Weglegeverfügungen getroffen werden. Sowohl die Abtrennung der verbundenen Verfahren wäre ein Lösungsansatz als auch eine gesonderte Löschung der Daten im Vorgangsverwaltungssystem AStA (ADV-Verfahren Amts- und Staatsanwaltschaften) nach Ablauf der individuellen, für jeden einzelnen Mittäter berechneten Aufbewahrungsfrist. Auf diese Weise wäre zumindest ein unbefugter, landesweiter Zugriff auf die Daten ausgeschlossen, und die Akte könnte in den verbundenen Verfahren noch herangezogen werden.

Leider hat die Staatsanwaltschaft unsere Vorschläge abgelehnt. Eine individuelle Löschungsfrist im AStA-System wurde unter Hinweis auf die Aufgabe des AStA-Systems, als Vorgangsverwaltungssytem den Zugang zu den Akten zu ermöglichen, abgelehnt. Eine Trennung der verbundenen Ermittlungsverfahren wird aus Verfahrensgründen offensichtlich auch nicht für möglich gehalten. In diesen Fällen bleibt offensichtlich bei der Frage der Speicherfrist nur das "Prinzip Zufall".

Die offenbarte Inkognito-Adoption

Die leiblichen Eltern eines inkognito-adoptierten Kindes erhielten viele Jahre nach der Adoption einen Anruf einer Schwester des adoptierten Kindes, die erklärte, die Informationen über die Inkognito-Adoption ihrer Schwester vom damals für das Adoptionsverfahren zuständigen Gericht erhalten zu haben. Sie habe Einsicht in die Adoptionsunterlagen aller Geschwister nehmen können und besitze von diesen Unterlagen jetzt auch Kopien.

Bei Inkognito-Adoptionen wird nach § 61 Personenstandsgesetz ein Sperrvermerk eingetragen.Wenn Einsichtnahme in die Adoptionsunterlagen begehrt wird, entscheidet hierüber der zuständige Vormundschaftsrichter nach § 1758 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 34 Abs. 2 Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit. Es handelt sich um eine Entscheidung im Bereich der richterlichen Unabhängigkeit, der nach § 24 Abs. 2 BlnDSG unserer Kontrollkompetenz entzogen ist. Es gehört jedoch zu unseren Aufgaben aufzuzeigen, welche datenschutzrechtlichen Probleme auch in diesem Bereich auftreten können:

Nach § 1758 Abs. 1 BGB dürfen bei Inkognito-Adoptionen Tatsachen, die geeignet sind, die Adoption und ihre Umstände aufzudecken, ohne Zustimmung des Annehmenden und des Kindes nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, daß besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern. Sinn und Zweck dieser Auskunftsbeschränkung ist die Geheimhaltung der Adoption. Im vorliegenden Fall konnte nicht ausgeschlossen werden, daß bei der Durchsicht der Akten zur Vorbereitung der Entscheidung über die beantragte Akteneinsicht übersehen worden war, daß es sich um eine Inkognito-Adoption gehandelt hat. Wie auch immer dieser von der Senatsverwaltung für Justiz als Sachverhaltsirrtum bezeichnete Irrtum zustande gekommen ist - die Übermittlung der Adoptionsdaten entgegen der Vorschrift des § 1758 BGB steht im Ergebnis fest und ist in diesen Fällen nicht mehr rückgängig zu machen. Die Inkognito-Adoption ist nun auch Dritten bekannt, und die Familie des betroffenen Kindes muß mit den Folgen leben.

Übersendung von vollständigen Grundbuchauszügen bei Umschreibungen des Grundbuches auf ein Lose-Blatt-Grundbuch

Ein Bürger mußte nach dem Kauf eines Hauses und seiner Eintragung als neuer Eigentümer im Grundbuch feststellen, daß das zuständige Grundbuchamt seinen neuen Nachbarn, die dinglich Berechtigte waren, im Zuge der Umschreibung des Grundbuches neben Auszügen aus den Abteilungen I und II des Grundbuches auch Auszüge der Eintragungen in der Abteilung III mit den hypothekarischen Belastungen des Grundstückes übermittelt hatte.

Die Benachrichtigungspflicht der dinglich Berechtigten ergibt sich aus § 55 Grundbuchordnung (GBO) i.V.m. § 39 Abs. 3 Grundbuchverfügung (GBVfg). Bei Umschreibungen eines Grundbuchblattes ist den dinglich Berechtigten die Umschreibung bekanntzugeben. Soweit mit der Umschreibung keine Änderung der Rangverhältnisse in den Grundbuchabteilungen verbunden ist, genügt es nach unserer Auffassung, dem dinglich Berechtigten nur die Umschreibung mitzuteilen und ihm zur Ermöglichung der Überprüfung einer ordnungsgemäßen Übertragung seines Rechtes Auszüge der Abteilungen zu übersenden, wobei in der Abteilung II die Angabe der Rangposition seines Rechtes ausreichen dürfte. Die Höhe der hypothekarischen Belastungen spielt für den dinglich Berechtigten keine Rolle.

Die Senatsverwaltung für Justiz hat - auch wenn sie Zweifel an unserer Kontrollkompetenz in diesen Grundbuchfällen hat - die Grundbuchämter gebeten, bei ihren Ermessensentscheidungen hinsichtlich der Datenübermittlungen an dinglich Berechtigte immer auch die datenschutzrechtlichen Belange der Betroffenen in die Überlegungen einzubeziehen. Diese Empfehlung an die Grundstücksämter wird hoffentlich zu einem sensibleren Umgang mit Grundbuchauszügen führen.

4.3.2 Finanzen

Über die bedauerliche Situation hinsichtlich der spezialrechtlichen Regelung des Datenschutzes in der Abgabenordnung wurde oben schon berichtet (vgl. oben 1.1).

Vermögensrechtsdatenverarbeitungsgesetz - eine Frist soll verlängert werden

Die Senatsverwaltung für Finanzen hat Ende des Jahres einen Entwurf zur Änderung des im letzten Jahr in Kraft getretenen Vermögensrechtsdatenverarbeitungsgesetzes (VermDVG) in das Abgeordnetenhaus eingebracht. Sie will die im Frist für eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 1996 für ein automatisiertes Abrufverfahren personenbezogener Daten durch die Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde zur Durchführung des Vermögensgesetzes und des Lastenausgleichsgesetzes um zwei Jahre verlängern.

Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatten wir kritisiert, daß derartige Online-Zugriffe zugelassen werden sollten. Wir sind der Auffassung, daß bei Fach- und Rechtsaufsichtsbehörden ein automatisiertes Abrufverfahren bei der kontrollierten Behörde nicht angemessen ist (§ 15 Abs. 1 BlnDSG). Um wenigstens eine Kontrolle der Abrufe zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber eine Protokollierung der Abrufe zwingend vorgeschrieben.

Bei einer Prüfung der technisch-organisatorischen Maßnahmen bei dem Abrufverfahren haben wir festgestellt, daß die in § 3 Abs. 2 VermDVG sowie in § 5 Abs. 3 Nr. 6 BlnDSG vorgeschriebene Protokollierung der einzelnen Abrufe in der Vergangenheit nicht erfolgt ist und aus technischen Gründen auch bei einer Verlängerung der Frist im VermDVG in Zukunft nicht erfolgen kann. Die Protokollierung ermöglicht jedoch zum einen eine Überprüfung der Erforderlichkeit eines automatisierten Abrufverfahrens, zum anderen können durch eine Protokollierung mißbräuchliche Abrufe aufgedeckt werden.

Die in § 3 Abs. 2 VermDVG vorgesehene Rechtsverordnung, die bei automatisierten Abrufverfahren auch nach § 15 Abs. 2 BlnDSG zwingend vorgeschrieben ist, ist bisher nicht erlassen worden. Sie ist auch nicht in Vorbereitung.

Die Verlängerung der Frist für ein automatisiertes Abrufverfahren entbehrt damit jeder Grundlage.

Das Fahrtenbuch

Wer einen Dienstwagen nutzt, ist in der Regel verpflichtet, ein Fahrtenbuch zu führen, um bei der Steuererklärung die betriebliche Veranlassung der durchgeführten Fahrten sowie den Anteil der privaten Nutzung des Dienstwagens nachweisen zu können. Im Fahrtenbuch sind u.a. der Name und die Anschrift des aufgesuchten Geschäftspartners einzutragen. Die bloße Angabe "Geschäftsfahrt" wird als nicht ausreichend angesehen.

Wir haben der Senatsverwaltung für Finanzen mitgeteilt, daß wir die Angabe "Geschäfts-fahrt" als ausreichend ansehen. Sollten im Einzelfall Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Angaben bestehen, hat die Finanzverwaltung nach § 93 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) die Möglichkeit, den Steuerpflichtigen um nähere Darlegung der Geschäftspartner zu bitten, wobei dann auch private Aufzeichnungen etwa im Terminkalender genutzt werden könnten. Es würden dem Finanzamt nur dann Daten Dritter übermittelt, wenn dies im Einzelfall als Nachweis erforderlich ist. Bei der vom Bundesfinanzministerium geforderten detaillierten Führung eines Fahrtenbuches muß jeder, der in geschäftlichen Beziehungen mit einem Besitzer eines Dienstwagens steht, der diesen zu Geschäftsfahrten regelmäßig nutzt, damit rechnen, daß seine personenbezogenen Daten im Fahrtenbuch gespeichert werden und an die Finanzverwaltung übermittelt werden - und dies, obwohl keine gesetzliche Regelung für die Datenverarbeitung existiert. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat sich unserem Vorschlag leider nicht angeschlossen, in Zukunft die Angabe "Geschäftsfahrt" genügen zu lassen. Sie verweist darauf, daß eine Überprüfung häufig erst Jahre später stattfinde und das Fahrtenbuch deshalb erforderlich sei.

Leider ist auch mit dem Jahressteuergesetz 1997 diese Form der Besteuerung beruflich genutzter Fahrzeuge trotz vieler Proteste nicht rückgängig gemacht worden.

Die Schmierpapier-Affäre

Ein Strafgefangener stellte bei seiner Arbeit in der Buchbinderei einer Justizvollzugsanstalt fest, daß es sich bei den Blättern, die er zu Notizblöcken binden sollte, um Auszahlungslisten eines Berliner Sozialamtes handelte. Auf den Auszahlungslisten waren Namen, Adressen und Kontonummern von Sozialleistungsempfängern vermerkt.

Was war passiert? Bei der Einführung des haushaltsrechtlichen Programmes ProFISKAL war es im Sozialamt eines Bezirksamtes zu Fehldrucken bei der Überprüfung der noch nicht freigegebenen Zahlungen gekommen. Diese Fehldrucke wurden gesondert gesammelt, um sie anschließend ordnungsgemäß zu vernichten. Da zu diesem Zeitpunkt auch Papier gesammelt wurde, aus dem anschließend in der Buchbinderei der Justizvollzugsanstalt Notizblöcke hergestellt werden sollten, konnte es passieren, daß ein Mitarbeiter versehentlich die Fehldrucke zur Notizblockverarbeitung gegriffen und weitergegeben hat. In der Buchbinderei war dies nicht aufgefallen, da sich der Stapel mit den Fehldrucken inmitten der eigentlichen "Schmierblätter" befand.

Das betroffene Bezirksamt hat uns versichert, daß es sich um einen absoluten Einzelfall gehandelt hat. Vorsorglich seien noch einmal alle Mitarbeiter auf ihre Sorgfaltspflicht im Umgang mit personenbezogenen Daten hingewiesen worden.

4.4 Selbstverwirklichung im Sozialstaat: Datenverarbeitung am Arbeitsplatz, im Gesundheitswesen, bei Bau und Wohnen

4.4.1 Arbeitnehmer und öffentliche Bedienstete

Aufnahme von Unterlagen in die Personalakte ohne Grenzen?

Eine ehemalige Bedienstete der Staatsanwaltschaft war an uns mit der Bitte um Prüfung ihrer Personalakte herangetreten. Bei einem Prüfbesuch im Personalamt stellten wir fest, daß sich in der Personalakte Vermerke des Vorgesetzten über Telefongespräche mit der Petentin befanden, die Einblick in die Intimsphäre und gesundheitliche Situation der Petentin während eines Krankenhausaufenthalts gaben, obwohl der Inhalt keinerlei Einfluß auf das Dienstverhältnis hatte.

Die Aufnahme des Vermerks über die psychische und körperliche Situation der Petentin in die Personalakte war unzulässig. Der Grundsatz der Lückenlosigkeit und Vollständigkeit der Personalakte muß dort seine Grenzen finden, wo es um die Intimsphäre geht. Weder der Schutz öffentlicher Interessen noch die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Personalaktenwesens erfordern die komplette Erfassung der persönlichen Verhältnisse jedes einzelnen Beschäftigten. Einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, daß für Beamte etwas anderes gilt, gibt es nicht.

Wir haben das Vorgehen der Personalstelle beanstandet und um Entfernung dieser Vorgänge gebeten. Bei einem späteren Prüfbesuch stellte sich heraus, daß die beanstandeten Unterlagen sich nunmehr nicht mehr in der Hauptakte, sondern in Nebenakten befanden. Eine weitere Nebenakte enthielt den gesamten Schriftverkehr mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten sowie Vermerke über dessen Besuch. Diese Vorgehensweise verstößt gegen § 51 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG), wonach nur solche Unterlagen in die Personalakte (Haupt- und Nebenakten) aufgenommen werden dürfen, die mit dem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen. Denn die Nebenakten mit dem beanstandeten Inhalt würden die Petentin während ihrer Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst auch bei einer Versetzung stets "verfolgen" und beim neuen Dienstherren in entsprechend schlechtem Licht erscheinen lassen.

Aufbewahrung von Personalakten

Eine Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technik fand im Rahmen eines Arbeitsauftrags Unterlagen mit sensiblen personenbezogenen Daten über ihre Person in einem Aktenordner, der die Aufschrift "Referatsangelegenheiten" trug, im Schrank ihres Vorgesetzten vor. Da sie in der Form der Aufbewahrung dieser sensiblen Daten einen Verstoß gegen die geltenden Bestimmungen des Datenschutzes vermutete, wandte sie sich an den behördlichen Datenschutzbeauftragten, der seinerseits den Leiter der Personalabteilung informierte. Obwohl der Referatsleiter aufgrund dieses Vorfalls ein hausinternes Rundschreiben verfaßte, in dem die Aufbewahrung von personenbezogener Daten neu geregelt wurde, sah sich der Arbeitgeber in der Einsichtnahme in den Ordner einen groben Verstoß gegen die allgemeinen Dienstpflichten und mahnte die Beschäftigte ab.

Der Zugriff auf den Aktenordner und damit die Kenntnisnahme der darin enthaltenen Daten war nicht unbefugt, da er im Rahmen eines Arbeitsauftrags erfolgte. Rechtswidrig war vielmehr die Art der Aufbewahrung der personenbezogenen Daten. Bei der Aufbewahrung nicht automatisiert verarbeiteter Daten sind Maßnahmen zu treffen, um den Zugriff Unbefugter bei der Bearbeitung, der Aufbewahrung, dem Transport oder der Vernichtung zu verhindern (§ 5 Abs. 2 BlnDSG). Da es sich bei den Daten darüber hinaus um Personalaktendaten im Sinne des § 56 LBG handelt, der entsprechend auch auf Angestellte im öffentlichen Dienst des Landes Berlin anzuwenden ist, trifft die Behörde eine gesteigerte Geheimhaltungspflicht, die zu einer besonders vertraulichen Behandlung und Vorkehrung gegen Mißbrauch zwingt.

Gegen diese Verpflichtung verstieß die Art der Aufbewahrung in erheblichem Maß. Die Tatsache, daß die Beschäftigte sich wegen des von ihr aufgedeckten Mißstandes zunächst an den behördlichen Datenschutzbeauftragten gewandt hat, belegte deren Pflichtbewußtsein dem Arbeitgeber gegenüber. Wir haben wegen der unsachgemäßen Aufbewahrung der Daten einen Mangel festgestellt und die Behörde aufgefordert, künftig einen sorgfältigen Umgang mit solchen personenbezogenen Daten zu pflegen sowie die förmliche Abmahnung zurückzunehmen.

Terminplaner als unzulässiger Datenträger ?

Im Vorzimmer der Amtsleiterin einer Behörde hing ein Terminplaner, auf dem namentlich die Abwesenheit aller im Amt beschäftigten Kollegen für das jeweils laufende Jahr für jeden Besucher ersichtlich war. Aufgrund der farblich unterschiedlichen Eintragungen konnte nachvollzogen werden, ob jemand wegen Urlaub oder Krankheit fehlte bzw. gefehlt hatte.

Da es sich bei Daten über krankheitsbedingte Fehlzeiten von Beschäftigten um höchst sensible Informationen handelt, die lediglich der personalaktenführenden Stelle oder der jeweiligen Einsatzstelle bekannt sein dürfen und von dieser vertraulich zu behandeln sind, ist diese Form der Anbringung von Terminplanern rechtswidrig. Diese sind nicht in Vorzimmern, wo sich häufig amtsfremde Personen aufhalten, sondern an einem anderen, geeigneten Ort aufzuhängen. Eine denkbare Alternative wäre auch eine Abdeckung.

Verwaltungsreform hinter dem Rücken der Mitarbeiter

Der Polizeipräsident beauftragte ein privates Projektbüro mit der Begleitung der Polizeistrukturreform Berlin. Zu diesem Zwecke wurden dem Büro Personaldaten (Name, Vorname, Dienstgrad und Dienststelle) von ca. 2000 Polizeibeamten übermittelt. Die Betroffenen wurden über diese Tatsache weder informiert noch um Zustimmung gebeten. Ferner sollten die betroffenen Beamten für einen Zeitraum von vier Wochen Erhebungsbögen führen, die ihre gesamten dienstlichen Tätigkeiten erfassen. Jedem Teilnehmer wurde durch das Projektbüro neben dem Erfassungsbogen ein sogenannter Identitätsbogen zugesandt, der eine Deanonymisierung zuließ.

Nach § 56 d Abs. 2 LBG dürfen Auskünfte an Dritte nur mit Einwilligung des Beamten erteilt werden, es sei denn, daß die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen des Dritten die Auskunftserteilung zwingend erfordert. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Zur Erfüllung der von dem Projektbüro vertraglich zugesicherten Aufgaben bzw. zur Durchführung der externen Organisationsuntersuchung hätte ein anonymisierter Datensatz ausgereicht. Bei der Fragebogenaktion hätten Name und Nummer in der Personalabteilung geführt werden können, um in Einzel-/Ausnahmefällen, z. B. bei unvollständigen Angaben oder fehlender Plausibilität, eine Klärung herbeiführen zu können.

Der Personalrat einer Außenstelle des Landesschulamts beschwerte sich über einen Schulaufsichtsbeamten, der von den Schulleitern die Führung einer Liste verlangte, in der der Grund der Abwesenheit von Lehrkräften detailliert erfaßt werden sollte.

Der Schulaufsichtsbeamte begründete sein Vorgehen damit, solche Aufzeichnungen seien notwendig für die tägliche Erstellung von Vertretungsplänen und als Nachweis für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages, den Unterrichtsausfall auf ein Minimum zu beschränken. Teil der Schulaufsicht sei auch die Fachaufsicht über die Schulen und die Dienstkräfte und dies schließe das Informationsrecht über alle dienstlichen Angelegenheiten ein. Ferner sei die Übersendung der Listen notwendig für tarif- und beamtenrechtlichen Entscheidungen sowie für Freistellungen für Fortbildungen.

Zugang zu Personaldaten dürfen nur Beschäftigte haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist. (§ 56 Abs. 3 LBG).

Aus der allgemeinen Dienstaufsicht durch die Schulaufsicht kann kein umfassendes Vorlagerecht aller dienstlich relevanten Daten von Lehrern gefolgert werden. Denn für die Erstellung z. B. von Vertretungsplänen oder anderen organisatorischen Maßnahmen ist die Schulleitung vor Ort und nicht die Schulaufsicht zuständig. Die übrigen von dem Schulaufsichtsbeamten aufgeführten Beispiele betrafen vornehmlich den Zuständigkeitsbereich der personalaktenführenden Stelle und berührten nur in Ausnahmefällen die Zuständigkeit der Schulaufsicht.

Personaldaten zur "Auflockerung"?

Ein Bewerber für den mittleren Dienst bei der Berliner Schutzpolizei wandte sich mit folgendem Sachverhalt an uns: Anläßlich eines Einstellungstests wurden von einem Mitglied der Personalkommission im Beisein sämtlicher Mitbewerber die im Vorfeld erhobenen Personaldaten zum Teil sehr detailliert hinterfragt. Zwar konnte der jeweils Befragte danach den Raum verlassen, so daß sich die Zahl der "Mithörer" stetig reduzierte, jedoch konnte somit der letzte in der Bewerberrunde den beruflichen Werdegang der übrigen Mitbewerber erfahren.

Das Landespolizeiverwaltungsamt bestätigte diesen Vortrag und begründete die Vorgehensweise mit dem Bemühen der Prüfungskommission, möglichst jedem Bewerber vor den eigentlichen Prüfungsfragen die Prüfungsangst zu nehmen. So würden vor Beginn der Prüfung die einzelnen Kommissionsmitglieder vorgestellt und der Prüfungsablauf erläutert. Anschließend werde jedem Bewerber die Möglichkeit gegeben, sich der Kommission und den anderen Prüfungsteilnehmern persönlich vorzustellen. Diese Vorstellung sei freiwillig und habe keinen Einfluß auf das Prüfungsergebnis, beschränke sich auf Angaben über Namen, Schulzeit, ggf. den beruflichen Werdegang und etwaige Hobbys des Bewerbers. Ferner werde den Bewerbern stets mitgeteilt, daß die Beantwortung von Fragen zu ihrem Lebenslauf freigestellt sei und sie darauf nicht antworten müßten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die persönliche Vorstellung der Prüflinge vor der Auswahlkommission zur Auflockerung und Verbesserung der Prüfungsatmosphäre führt, da die Prüflinge jedenfalls nicht zu einer Offenlegung ihres beruflichen Werdegangs und privaten Hobbys vor den übrigen Prüflingen gezwungen werden dürfen. Der Hinweis auf die Freiwilligkeit dieser Angaben ändert daran nichts, da kein Prüfling vor einer über seine berufliche Zukunft entscheidenden Auswahlkommission auf seinem Recht auf Selbstbestimmung bestehen wird. Selbstbestimmung setzt Entscheidungsfreiheit voraus. Der Betroffene muß, ohne einen Nachteil befürchten zu müssen, die Einwilligung auch verweigern dürfen.

Wir haben empfohlen, das Verfahren zu ändern und künftig die angestrebte Prüfungsatmosphäre im Rahmen von Einzelgesprächen herzustellen.

Akteneinsicht

Vom Personalamt einer Senatsverwaltung erhielten wir den Hinweis, es bestehe Unklarheit darüber, in welchem Verhältnis das Informationsrecht der Schwerbehindertenvertretung einerseits und die datenschutzrechtlich gebotene vertrauliche Behandlung schutzwürdiger Personaldaten andererseits zueinander stehen.

Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist es, die Eingliederung der Schwerbehinderten zu fördern, die Interessen der Schwerbehinderten zu vertreten und ihnen helfend und beratend zur Seite zu stehen. Das Schwerbehindertengesetz stattet die Schwerbehindertenvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben gegenüber dem Arbeitgeber mit einem umfassenden Informationsrecht aus (§ 25 Abs. 2 Schwerbehindertengesetz - SchwBG -). Die Schwerbehindertenvertretung ist vom Arbeitgeber in allen Angelegenheiten, die einen Schwerbehinderten oder die Schwerbehinderten als Gruppe berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören.

Zwar ist nach § 26 Abs. 6 SchwBG die Schwerbehindertenvertretung verpflichtet, über die ihr bekanntwerdenden persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten von Beschäftigten Stillschweigen zu bewahren. Gleichwohl kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, schwerbehinderte Dienstkräfte sind stets damit einverstanden, daß die Schwerbehindertenvertretung auch Informationen über Angelegenheiten erhält, die höchst private Sachverhalte einschließen können.

Aus dem Kontext des Gesetzes, insbesondere aus dem ersten Satz des ersten Absatzes des § 25 SchwerBG, aber auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift folgt, daß bei der Formulierung "in allen Angelegenheiten" nur die Umstände gemeint sind und gemeint sein können, die den Schwerbehinderten entweder bezüglich seines Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses oder seine Behinderung betreffen. So haben beispielsweise der Antrag auf Gewährung eines Vorschusses, die Gewährung von Sonderurlaub unter Fortfall der Vergütung oder die Gewährung oder der Wegfall von kinderbezogenen Anteilen im Ortszuschlag keinen ursächlichen Bezug zur Arbeit, lassen hingegen Rückschlüsse auf die finanzielle Situation des Schwerbehinderten bzw. dessen Kindes zu und gewähren unnötigerweise Einblicke in dessen Privatsphäre. Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung wäre daher nicht erforderlich und datenschutzrechtlich unzulässig.

Auskunft an Betroffenen

In der Senatsverwaltung für Justiz war es bislang unüblich, Teilnehmern an Eignungsprüfungen, die u. a. ein Diktat sowie einen Intelligenzstrukturtest beinhalten, die erreichte Punktzahl und Fehler in der Rechtschreibung mitzuteilen bzw. zu erläutern.

Die Vorgehensweise der Senatsverwaltung ist mit dem Recht des Betroffenen auf Auskunftserteilung nach § 16 BlnDSG nicht zu vereinbaren. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes ein Recht auf Auskunft und Benachrichtigung über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Sind personenbezogene Daten in Akten gespeichert, so kann der Betroffene bei der datenverarbeitenden Stelle Einsicht in die Akten verlangen (§ 16 Abs. 4 BlnDSG).

Zukünftig werden den Bewerbern auf Wunsch die jeweiligen Einzelergebnisse mitgeteilt sowie die Testunterlagen zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt.

Integriertes Personalverwaltungsverfahren - IPV

Die Personalverwaltung des Landes soll in Zukunft mit einem modernen IT-Verfahren, dem Integrierten Personalverwaltungsverfahren - IPV- durchgeführt werden. Die Planung und Entwicklung ist derzeit so weit fortgeschritten, daß in einem Bezirksamt (Köpenick) die Pilotanwendung begonnen hat.

Das Projekt IPV ist sowohl ein Organisationsprojekt als auch ein IuK-Projekt. Es bewirkt organisatorische Veränderungen im Personalwesen, die auch im Einklang mit den Zielen der Verwaltungsreform stehen. Sie führen zur Straffung von Abläufen, die durch IPV unterstützt werden und gehen einher mit notwendigen Regeländerungen, so vor allem die Zahlungsbestimmungen für die Bezügeverfahren.

IPV betrifft die dezentralen Bereiche des Personalwesens: Stellenbewirtschaftung, Personalaktenführung, Lohn- und Gehaltsstelle. Die Zahlungsverfahren (Personalbezügeverfahren) werden nach wie vor mit den bisherigen Systemen des Landesamtes für Informationstechnik (LIT) im Auftrag des Landesverwaltungsamtes (LVwA) durchgeführt. Da IPV für viele Bereiche eine Erstautomation darstellt, müssen Schnittstellen zwischen IPV und Personalbezügeverfahren im IPV-Projekt geplant werden.

Mit IPV werden die dezentralen Bereiche des Personalwesens mit lokalen Client-Server-Netzen mit UNIX-Servern und PC-Arbeitsplätzen ausgestattet. Diese lokalen Netze sollen über das MAN die Dienste des Service- und Administrationszentrums im LIT in Anspruch nehmen, sobald die dafür erforderlichen Sicherheitsfunktionen (Verschlüsselung) bereitstehen. Ferner sind zentrale Betreuungsinstitutionen vorgesehen, die ebenfalls über das MAN angeschlossen werden, jedoch auf keine personenbezogenen Daten zugreifen sollen. Der Datenaustausch mit den Personalbezügeverfahren erfolgt zunächst mit Datenträgern, später unter der Nutzung des MAN über Filetransfer.

Die Zusammenlegung von Funktionsbereichen ist datenschutzrechtlich relevant. So werden die personalaktenführenden Stellen und die Gehalts- und Lohnstellen zum "Personalservice" zusammengeführt. Dies bedeutet, daß weniger Personen mit den Personaldaten in einem Geschäftsvorfall in Berührung kommen müssen, diese benötigen jedoch mehr Daten für die Geschäftsvorfälle als zuvor.

Unsere wichtigsten ergänzenden Empfehlungen betrafen

  • den Zugang auf die Datenbank-Schnittstelle: Er muß dem normalen Anwender durch wirksame Maßnahmen der Zugriffskontrolle verwehrt sein, denn seine Auswertungen haben sich auf die vorgesehenen und rechtlich geprüften Auswertungen zu beschränken. Die Datenbank-Schnittstelle darf nur im Ausnahmefall für nicht von vornherein planbare, aber im Einzelfall erforderliche Auswertungen genutzt werden. Die Nutzung sollte revisionssicher dokumentiert werden, möglichst auch automatisch zu protokolliert. Um den Anforderungen der Rahmen-Dienstvereinbarung über die Personal-Datenverarbeitung zu genügen, sollte dabei die Beteiligung des Personalrats in Dienstvereinbarungen vorgesehen werden;
  • die spätere Nutzung des MAN für die Datenkommunikation: Sie darf erst erfolgen, wenn die vorgesehene Sicherheitsfunktionen des MAN zur Verfügung stehen oder wenn eine detaillierte Risikoanalyse die Unangreifbarkeit der Server gegen unbefugte Zugriffe von außen erwiesen hat. Dies gilt auch für die Datenübertragung für die Datensicherung im Sicherheitsrechenzentrum des LIT;
  • den datenschutzgerechten Einsatz des Client-Server-Systems: Es ist durch das Client-Server-System sicherzustellen, daß sensible personenbezogene Daten nicht auf ungeschützten Bereichen der Clients abgelegt werden können;
  • die Verantwortungsverteilung im sog. Betreiberkonzept: Die Verantwortungsverteilung zwischen Betreibern und datenschutzrechtlich verantwortlichen Stellen ist datenschutzrechtlich korrekt zu regeln. Betreiber dürfen keine Rechte erhalten, die der Verantwortung der datenverarbeitenden Stelle zuwiderlaufen.

4.4.2 Datenverarbeitung in der Medizin

Patientendaten im Internet?

Eine ärztliche Berufsorganisation fragte an, ob und in welcher Form das Internet im ärztlichen Bereich genutzt werden könnte.

Das Internet könnte sowohl als Übertragungsmedium für Patientendaten wie auch als bloßes Recherchemedium genutzt werden.

Es mag für manchen Arzt verlockend erscheinen, die Krankengeschichte, zu der er einen Kollegen telefonisch um Rat fragen möchte und die sowieso auf dem Computer vorhanden ist, diesem Kollegen auch gleich über das einfach zu erreichende Medium Internet direkt auf dessen Computer zu übertragen, damit der Kollege alle Daten selber auf dem Bildschirm verfügbar hat.

Wegen der potentiellen Unsicherheit des Internet dürfen aber Patientendaten, die ausnahmslos dem verschärften Schutz der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, stets nur in zuverlässig verschlüsselter Form mit elektronischer Post (E-Mail) über das Internet geschickt werden. Die bloße Absicherung eines Krankenhaus- oder Praxisnetzes gegen einen "Angriff" von außen durch Firewalls reicht nicht aus, da die elektronische Post den geschützten Bereich in jedem Fall verläßt. Eine globale Veröffentlichung von Patientendaten - nichts anderes wäre eine unverschlüsselte Versendung im Internet - hätte auch strafrechtliche Konsequenzen für den Absender.

Da die elektronische Post sich gegenwärtig ebenso durchzusetzen beginnt wie zuvor die Faxkommunikation und zu einem unbewußt und unkritisch genutzten Medium entwickelt, ist eine rasche Aufklärung des ärztlichen Benutzerpersonals über die Risiken dringend notwendig.

Wegen des technisch kaum zu beherrschenden Risikopotentials des Internet (ein Einsatz von gestaffelten Firewalls ist teuer und kompliziert) auch im Hinblick auf die Einschleppung von Computerviren durch unbedacht agierende Internetnutzer (insbesondere Makro-Viren in Dokumenten), ist außerdem jede Zugangsmöglichkeit zum Internet auf einzelne dedizierte (d.h. vom restlichen Krankenhaus- oder Praxisnetz getrennte) PCs zu beschränken. Auch für Zwecke der bloßen Recherche im Internet darf kein Rechner verwendet werden, auf dem patientenbezogene Informationen gespeichert sind oder von dem aus auf solche Informationen zugegriffen werden kann.

Neben den datenschutzrechtlichen Fragestellungen darf im Hinblick auf mögliche "Viren-Verseuchungen" auch die Frage einer möglichen Haftung eines Benutzers der Internetdienste (und evtl. des Netzwerkverantwortlichen) nicht unberücksichtigt gelassen werden, denn ein "Virus" könnte auch Patientendaten innerhalb einer Datenbank unbemerkt durcheinanderbringen. Die Folgen können für die betroffenen Patienten buchstäblich tödlich sein.

Von einer medizinischen Fakultät wurde angefragt, ob die in der studentischen Ausbildung verwendete Krankheitsgeschichte ("Paper-cases") im Internet der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden könnten. Die hierbei verwendeten Krankheitsgeschichten stimmen bis auf den geänderten Namen in allen medizinisch relevanten Daten mit dem realen Fall überein.

Da es sich bei einer Veröffentlichung im Internet nicht mehr um eine Verwendung der Krankheitsgeschichten zum Zwecke der medizinischen Behandlung handelt, liegt in der Veröffentlichung eine Zweckänderung der Daten. Zwar sehen sowohl das BDSG (§ 14 Abs. 3 S. 2) wie auch das BlnDSG (§ 11 Abs. 4 S. 3) und das Landeskrankenhausgesetz von Berlin (§ 26) eine Verarbeitung oder Nutzung von Patientendaten zu Ausbildungszwecken vor, jedoch dürfen dieser keine schutzwürdigen Interessen der Betroffenen entgegenstehen.

Nach Vorstellung der medizinischen Fakultät sollten zwar die Krankheitsgeschichten durch bloßes Verändern des Patientennamens anonymisiert werden. Eine hinreichende Anonymisierung setzt jedoch voraus, daß ein Patient nicht durch die Verwendung seiner Daten reidentifiziert werden kann. Eines der zur Veröffentlichung im Internet vorgesehene "Paper-cases" enthielt folgende Daten: Alter, Geschlecht, Beruf, Arbeitgeber nebst Arbeitserkrankung, Einlieferungszeit, Name der Klinik und Vorerkrankung nebst Diagnose durch die Hausärztin. Mit diesen Angaben könnte der Patient leicht herausgefunden werden. Eine bloße Namensänderung reicht für eine Anonymisierung nicht aus.

Auf der anderen Seite ist es fraglich, ob überhaupt eine vollständige Anonymisierung der Krankheitsgeschichte ohne Verfälschung des Ausbildungsmaterials möglich ist. Daraus folgt, daß die "Paper-cases" nur für die interne Ausbildung der medizinischen Fakultät Verwendung finden können und für eine globale Verbreitung nicht geeignet sind. Helfen könnte nur eine Einwilligung in die Veröffentlichung per Internet. Aber eine solche Einwilligung würde aus einer Zwangssituation heraus erfolgen, da der Patient vor seiner Behandlung bei Verweigerung der Einwilligung um den Erfolg derselbigen fürchten und nach erfolgter guten Behandlung sich in einer Phase der Dankbarkeit zu dieser Einwilligung genötigt sehen könnte.

Daher steht eine Veröffentlichung von medizinischen "Paper-cases" im Internet auch auf Grund einer Einwilligung im Widerspruch zur ärztlichen Berufsordnung.

"Die virtuelle zerebrale hirnorganische Ausfallerscheinung"

Eine geistig sehr frische Persönlichkeit, in Berlin lebend und mit vielen anderen Berlinern das Schicksal eines gleichlautenden Vor- und Nachnamens teilend, erhielt im Sommer 1994 die Rechnung einer Berliner Krankenkasse über einen 3-tägigen stationären Aufenthalt in den Karl-Bonhöffer-Heilstätten vom Februar 1994.

Da diese Person jedoch niemals dort behandelt wurde, ließ sie die Angelegenheit mit der AOK Berlin telefonisch klären. Der Irrtum wurde durch die Krankenkasse (telefonisch) bestätigt. Im September 1995 wurde diese Person wegen eines versicherungsrechtlichen Anspruchs von einem Arzt des Medizinischen Dienstes aufgesucht, der ihr aus seinen mitgeführten Akten folgende Diagnose verlas: "... zerebrale hirnorganische Veränderungen ... - ... Ausfallerscheinungen, usw. usw."! Dem Einwand, daß es sich dabei um eine bereits richtiggestellte Verwechslung handle, nahm der Arzt zur Kenntnis, beharrte bei den nachfolgenden Untersuchungen jedoch auf der bestehenden Aktenlage und stellte dieser geistig völlig gesunden Persönlichkeit folgende Fragen: "Wieviel ist Hundert weniger Sieben - ... In welcher Jahreszeit ist es am wärmsten? ... usw. usw."

Zwei weitere Beschwerden blieben ohne jede Reaktion. Erst als der Hausarzt sich an die AOK wandte, erhielt dieser im November 1995 den Anruf eines Mitarbeiters der AOK, der wörtlich sagte: "...da hat sich wohl irgend jemand einen schlechten Scherz mit ihnen erlaubt - die Sache ist erledigt!". Nachdem noch immer keine schriftliche Bestätigung über das Löschen dieser Daten erfolgt war, wurde auf eine erneute telefonische Rückfrage einer Vertreterin der Versicherten durch Mitarbeiter der AOK erklärt, "... daß sie als zuständige Sachbearbeiterin keinen Anlaß sehe, etwas aufgrund der Einwände zu ändern oder zu reagieren", denn "...wenn jemand als hilflose Person irgendwo in Wedding aufgelesen werde, kann diese sich auch nicht mehr daran erinnern" ..., "demzufolge bestehe auch kein Handlungsbedarf bei Einwänden und auch kein Bedarf zu reagieren oder diese ernstzunehmen."

Dieser Vorfall, bei dem die Stigmatisierung nach Aktenlage selbst bei einem ärztlich ausgebildeten Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes stärker wirkte als der untersuchte Patient der vor ihm stand, ist besonders beklemmend. Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis diese falsche Information aus den Akten entfernt wurde. Ursache war in der Tat eine Gleichheit von Namen und Vornamen, wobei das unterschiedliche Geburtsdatum von den Mitarbeitern der AOK übersehen worden war. Die AOK hat versichert, daß derartige Namensverwechslungen durch Sicherungsmaßnahmen im EDV-Programm für die Zukunft ausgeschlossen worden seien. Fehlspeicherungen zu falschen Personen seien somit nicht mehr möglich.

Organisationsmängel bei der Datenverarbeitung

Auch bei der Organisation der Datenverarbeitung im Bereich Gesundheit gibt es Menschliches, ja allzu Menschliches zu berichten, wie die Entwendung eines Computers aus einem Berliner Krankenhaus, und zwar aus der Chirurgie mit allen dort gespeicherten Patientendaten, oder das Auffinden von Operationsberichten des Krankenhauses Neukölln auf einer Straße in Friedrichshain. Die Staatsanwaltschaft hat die Vorfälle nicht aufklären können. Jedenfalls liegt ein datenschutzrechtlicher Mangel bei der Organisation der Datenverarbeitung vor. Ein Krankenhaus ist verpflichtet, die Datenverarbeitung so zu organisieren, daß unabhängig von persönlichen Schuldfragen die Ursache derartiger Mängel aufgeklärt werden kann.

Auch im Gesundheitswesen besteht weiterhin der Trend, Verwaltungsfunktionen auszulagern, wobei auch Patientendaten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, betroffen sein können. Dies ist nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Wir haben es gebilligt, daß ein Krankenhaus einen privaten Unternehmer mit der endgültigen Archivierung der Krankengeschichten beauftragt hat. Es war sichergestellt, daß der Fremdunternehmer inhaltlich keinen Zugriff auf Patientendaten nehmen kann, die jeweils in Containern transportiert und gelagert werden. Bei Bedarf kann das Krankenhaus die Akte zurückholen und in die Behandlung einbringen. Auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen von Berlin hatte die Auslagerung des Schreibdienstes auf externe Schreibbüros erwogen. Hiervon haben wir jedoch abgeraten, da angesichts der Vielzahl einzelner Vorfälle mit erheblichen Transportrisiken zu rechnen ist. Stattdessen haben wir empfohlen, besser fremde Schreibkräfte bei Bedarfsspitzen in den Geschäftsbereich des Medizinischen Dienstes hereinzuholen und mit entsprechender Schweigeverpflichtung dort zeitweilig zum Abbau von Spitzenlasten einzusetzen.

Einkommensdaten in medizinischen Gutachten?

Ein Patient beschwerte sich darüber, daß in einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen unter dem Unterabschnitt "Sozialanamnese" detaillierte Einkommensdaten und Vermögensangaben enthalten waren, die er zwar im Gutachtergespräch offenbart hatte, sich jedoch nicht eine Vorstellung davon gemacht hätte, daß diese Daten später sein Gutachten zieren würden.

Dies ist selbstverständlich nicht erforderlich. Der Medizinische Dienst reagierte sehr positiv auf unsere Kritik und holte nicht nur in diesem konkreten Fall das Gutachten, das zum Teil an andere Stellen bereits versandt worden war, wieder zurück, sondern er veränderte es auch so, daß konkrete Angaben herausgestrichen wurden und nur noch das Ergebnis der Sozialanamnese erhalten blieb. Darüber hinaus erklärte er sich bereit, auch für künftige Fälle Formulierungsvorgaben zu liefern, die die konkrete Angabe von finanziellen Verhältnissen in einem ärztlichen Gutachten entbehrlich machen.

4.4.3 Sozialdaten

Im vergangenen Jahr war das Verfahren zur Vergabe von Sozialleistungen Gegenstand vielfältiger Diskussionen. Einige spektakuläre Fälle der betrügerischen Erschleichung von Sozialhilfe haben Forderungen nach einer schärferen Kontrolle bewirkt, die bis zur generellen erkennungsdienstlichen Behandlung von Antragstellern reichen (vgl. oben 1.1, 3.1). Vor diesem Hintergrund ist verwunderlich, daß das Bundesministerium für Gesundheit bis heute die Rechtsverordnung nicht vorgelegt hat, die einen Datenabgleich zwischen verschiedenen Sozialämtern ermöglicht (§ 117 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz - BSHG-).

Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat den Senat im November 1996 aufgefordert, "geeignete Maßnahmen gegen Leistungsmißbrauch zu ergreifen. Insbesondere ist für die Vernetzung der Sozialämter der Bezirke inklusive einer "Kopfstelle" zu sorgen." Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales meint, die Vernetzung der bezirklichen Sozialämter und die Bildung einer Kopfstelle sei schon vor Erlaß einer Rechtsverordnung durch das Bundesgesundheitsministerium zulässig. Diese Rechtsauffassung ist jedoch unzutreffend. Der Berliner Gesetzgeber hat im Jahre 1994 durch eine Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes ausdrücklich klargestellt, daß die Vorschrift des Bundessozialhilfegesetzes, die einen Datenabgleich zwischen verschiedenen Sozialhilfeträgern zuläßt, zusammen mit der dazu zu erlassenden Rechtsverordnung auch auf den Datenabgleich zwischen den bezirklichen Sozialämtern in Berlin anzuwenden ist (§ 3 Ausführungsgesetz zum BSHG). Wenn der Bundesgesetzgeber das zuständige Bundesministerium ermächtigt hat, das Nähere über das Verfahren für einen solchen Datenabgleich durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln, dann sollte Berlin schon im Interesse eines möglichst bundeseinheitlichen Verfahrens (auf das der Senat in anderen Bereichen immer großen Wert legt) hier keinen Alleingang unternehmen.

Pauschale Einholung von Bankauskünften

Zu einer Änderung der generalklauselartigen Pauschaleinwilligung in Bankauskünfte, die im Antragsbogen A für die Sozialhilfe enthalten ist, zwingt eine wichtige Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschluß vom 7.2.1995 (- 9 TG 3113/94 -)). Die Pauschalität der Erklärung erzeugt weder eine rechtliche Verbindlichkeit noch einen wirksamen Druck, wahrheitsgemäßige Angaben zu machen. Stattdessen muß der Bürger von Anfang an über die rechtlich geregelten und tatsächlich durchgeführten Kontrollen und Datenabgleiche informiert werden. "Ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte ist das Verlangen, der Einholung von Bankauskünften zuzustimmen, eine überflüssige Ermittlungstätigkeit des Sozialhilfeträgers und somit nicht "erforderlich" im Sinne von § 60 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch I. Buch (SGB I.)" Ein pauschaler Allgemeinverdacht gegenüber den von einem Hilfesuchenden abgegebenen Erklärungen und Angaben sei nicht ausreichend, dem Hilfesuchenden eine besondere Beweisführung aufzugeben. Auch die Befugnis des Sozialhilfeträgers, im Rahmen des ihm nach § 20 SGB X eingeräumten Ermessens über das Ausmaß der Ermittlungen zu entscheiden, bedeutete nicht, daß die Behörde davon ausgehen darf, die von dem Hilfesuchenden abgegebene Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse könne unwahr sein, um sich auf diese Weise in betrügerischer Absicht Sozialhilfe zu erschleichen. Der Umfang der Ermittlungspflicht sei nicht in das Belieben der Behörde gestellt.

Der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Schreiben v. 18.10.96, GeschZ.: VII A 28) hat zwar neue Grundsätze für das Verfahren bei der Erteilung von Auskünften über Bankkonten von Sozialhilfeempfängern verfügt, die einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der bisherigen Praxis darstellen. Wir vermissen jedoch noch immer, daß die Antragsteller über die in Frage kommenden Kontrollen (z. B. nach §§ 21 Abs. IV SGB X, 71 SGB X, 117 BSHG) regelmäßig informiert werden. Ein solcher Hinweis sollte generell erfolgen, weil jeder Antragsteller wissen sollte, welchen Überwachungsmöglichkeiten er sich bei der Stellung eines Leistungsantrages aussetzt, und vor allem unter welcher Voraussetzung von diesen weitreichenden Befugnissen in seinem Fall Gebrauch gemacht werden kann.

Zusammenlegung der Sozialen Dienste

Im Rahmen der Verwaltungsreform wurden die ehemaligen Abteilungen für Soziales und Gesundheit wie auch die Abteilungen für Jugend, Sport und Gesundheit in zahlreichen Bezirken Berlins unterschiedlich zusammengelegt. Einige haben die Abteilung für Gesundheit mit der Abteilung für Sozialwesen vereinigt, andere haben die Abteilungen für Jugend mit der Abteilung für Gesundheit verbunden. Einige Bezirke haben die alte Organisationsform in ihrer wesentlichen Struktur erhalten; teilweise wird die Zusammenlegung als unzulässig qualifiziert.

Kennzeichnend für alle Strukturveränderungen war, daß die im Gesundheitsamt bisher tätigen Mitarbeiter aus der Zuständigkeit des Amtsarztes herausgenommen, in die Abteilungen für Soziales oder für Jugend eingegliedert und der Leitung des dortigen leitenden Fachbeamten unterstellt wurden. Dies hat dazu geführt, daß diese Mitarbeiter keinen Zugang mehr zu den vom Amtsarzt geführten ärztlichen Aufzeichnungen haben dürfen.

Die Aufgaben des Amtsarztes ergeben sich aus dem Gesundheitsdienstgesetz (GDG). Insbesondere ist die sozialmedizinische Betreuung aufgeführt, die vom Amtsarzt auch mit Sozialarbeitern als ärztliche Aufgabe zu leisten ist (§ 22 Abs. 6 GDG). Für die Qualifikation der Tätigkeitsbereiche kommt es auf die ärztlichen Zielsetzungen und nicht auf die fachliche Qualifikation die ihm zugeteilten Mitarbeiter an. Deshalb unterliegen auch die sozialmedizinischen Aufgaben uneingeschränkt der ärztlichen Schweigepflicht. Hier eingesetzte Sozialarbeiter können sich also auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen (§§ 53 Abs. 1 Ziff. 3, 53 a StPO).

Demgegenüber ist die Verpflichtung der Sozialarbeiter selbst auf Geheimhaltung ihnen anvertrauter Tatsachen nur im Ausnahmefall des Drogenberaters gerichtsfest (§ 53 Abs. 1 Ziff. 3 b StPO). Damit sind vertrauliche Unterlagen der Sozialarbeiter nicht vor einer gerichtlichen Beschlagnahme sicher. Das Sozialgesetzbuch X enthält in den §§ 68, 72 und 73 weitgehende Offenbarungsbefugnisse, die für den ärztlichen Bereich nicht gelten.

Die beschriebene organisatorischen Umstrukturierung widerspricht dem vom Gesundheitsdienstgesetz unterstellten Organisationsmodell und führt dazu, daß das vom Gesetzgeber gewollte sozialmedizinische Konzept nicht mehr in seiner bisherigen Form verwirklicht werden kann. Von Ärzten und von Sozialarbeitern der Gesundheitsämter sind wir darauf hingewiesen worden, daß insbesondere der Schutz für die am meisten gefährdeten Mitglieder der Gesellschaft, nämlich Säuglinge und Kleinkinder, erheblich geschwächt wird, weil die bisherige enge Verzahnung von medizinischer und sozialer Beratung für krisenanfällige Sozialmilieus von besonderem Vorteil war.

Die Umstrukturierung der Gesundheitsämter erschwert die sozialmedizinisch erforderlichen Datenflüsse zwischen Ärzten und ihren ehemals als Sozialarbeiter tätigen Erfüllungsgehilfen erheblich. Es bedarf eines zusätzlichen, oft die Akzeptanz verhindernden Einwilligungsverfahrens.

Sozialamt stört den Hausfrieden

Eine Frau beschwerte sich bei uns: Sie hatte bei ihrem Sozialamt Hilfe wegen der Kosten für den vom Vermieter installierten Kabelanschluß beantragt, jedoch einen ablehnenden Bescheid erhalten. Sie legte ihrer Sachbearbeiterin dar, daß bei einer Nachbarin (die von dem gleichen Sozialamt betreut wurde) diese Kosten übernommen worden seien und bat um Gleichstellung. Dabei sprach sie ausdrücklich nur von "einer Nachbarin" ohne deren Namen zu nennen. Wenige Tage später wurde sie von ihrer Nachbarin angesprochen, die ihr wutentbrannt vorwarf, sie hätte sie bei der Sachbearbeiterin angeschwärzt und müsse deswegen nun die Kabelanschlußgebühr zurückzahlen. Die weitere Aussprache der Damen ergab, daß die Sachbearbeiterin im Sozialamt gesagt hatte: "Sie können sich bei Frau Müller bedanken, daß sie das Geld zurück bezahlen müssen".

Selbstverständlich war hier ein Mangel festzustellen, weil das Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I i. V. m. § 67 ff. SGB X) nicht gestattet, daß der Leistungsträger Daten eines Hilfeempfängers an dessen Bekannte in der Annahme vermittelt, daß beide ohnehin alles voneinander wüßten. Das zunächst schwer gestörte Verhältnis zwischen den Nachbarinnen konnte nur mühsam wiederhergestellt werden.

Kindertagesstätten - "null Bock" auf Rechtsnormen

Die Regelungen des Kindertagesstättenbetreuungsgesetzes und die Fragebögen zur Feststellung des Betreuungsbedarfs führten zu erheblicher öffentlicher Erregung. Wir hatten auf die datenschutzrechtlichen Mängel des Verfahrens hingewiesen, insbesondere hatten wir auf die fehlende Rechtsgrundlage aufmerksam gemacht und gefordert, die nach dem Gesetz vorgeschriebene Rechtsverordnung zu erlassen (JB 1995, 5.6). Trotz mehrfacher Mahnungen ist dies nicht geschehen. Eine allgemeine Dienstvorschrift, mit der sich die Bezirksämter zu Beginn des Berichtsjahres behelfen mußten, stellt keine ausreichende rechtliche Grundlage dar. Auch die gesetzliche Verpflichtung zur Regelung der Datenverarbeitung bei der Berechnung der Kostenbeteiligung der Eltern an der Betreuung ihrer Kinder in städtischen Kindertagesstätten und in Tagespflege mißachtet die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport mittlerweile im vierten Jahr beharrlich (JB 1995, 5.6).

4.4.4 Bauen und Wohnen

Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum

Hat ein Gewerbetreibender sein Gewerbe nach der Gewerbeordnung pflichtgemäß angezeigt, wurde dies regelmäßig von den Wirtschaftsämtern an die für die Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum zuständige Stelle - in der Regel die Wohnungsämter in den Bezirken - gemeldet.

Diese regelmäßige Datenübermittlung war unzulässig. In § 2 a Abs. 2 Satz 2 Zweckentfremdungsbeseitigungsgesetz (ZwBesG) ist geregelt, daß eine Übermittlung von Daten aus den Anzeigen Gewerbetreibender nach der Gewerbeordnung nur zu Klärung eines Sachverhaltes zulässig ist. Damit ist klargestellt, daß eine Übermittlung der Daten aller Gewerbeanzeigen davon nicht abgedeckt ist. Die Übermittlung aller Gewerbeanzeigen ist für die Erfüllung der Aufgaben nach dem ZwBesG auch nicht erforderlich. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe hat dies bestätigt (Rundschreiben Nr. 3/1996 vom 6. März 1996 unter Punkt 2.) und die Wohnungsämter aus der Liste der regelmäßigen Datenempfänger gestrichen.

Auch der Umfang der Daten, die im Zusammenhang mit den ZwBesG erhoben und verarbeitet werden, war Gegenstand von Überprüfungen. Das Wohnungsamt darf die in § 2 a ZwBesG genannten Daten erheben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist. Der Datenkatalog ist abschließend. Er kann nicht durch eine Einwilligung der Betroffenen erweitert werden. Die Daten sind grundsätzlich bei dem Betroffenen selbst und mit dessen Kenntnis zu erheben (§ 18 Abs. 4 ASOG). Nur unter engen Voraussetzungen ist eine Erhebung der Daten bei Dritten zulässig. Anfragen zu Daten aus dem Melderegister sind vor diesem Hintergrund ausschließlich an das Landeseinwohneramt Berlin (§ 25 i.V. m. § 1 Abs. 2 MeldeG) und nicht an das Bezirkseinwohneramt zu richten. Das Wohnungsamt kann die personenbezogenen Daten speichern, soweit dies zur Erfüllung der Aufgabe, zweckfremd genutzten Wohnraum wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen, zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Mit Erlaß eines entsprechenden Bescheides und Ablauf der Rechtsmittelfristen oder einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ist der Einzelvorgang abgeschlossen. Eine weitere Speicherung der Daten bzw. Aufbewahrung der Unterlagen ist nur für eine zeitlich befristete Dokumentation des ordnungsbehördlichen Verwaltungsverfahrens zulässig. Zur Begrenzung der Aufbewahrungsfrist ist zwischen der Erforderlichkeit für Dokumentationszwecke (z.B. Amtshaftungsansprüche, Nachfragen der Betroffenen, Überprüfung des Verfahrens) und dem mit der weiteren Speicherung verbundenen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen abzuwägen. Dazu erscheint - mit Ausnahme einer weiteren Speicherung unter haushaltsrechtlichen Aspekten - eine Aufbewahrungsfrist der abgeschlossenen Vorgänge von einem Jahr ausreichend.

Auf unsere Hinweise reagierte das betroffene Wohnungsamt wie folgt:

"Die in Ihrem Schreiben (...) gestellten Forderungen, nur Daten zu erheben, die durch die derzeit noch gültige Regelung des § 2 a Zweckentfremdungs-Beseitigungsgesetz gedeckt sind bzw. für die der Verfahrensbeteiligte ausdrücklich schriftlich sein Einverständnis erklärt hat (Anm.: mithin unserer Forderung gesetzmäßig vorzugehen), können und werden wir nicht erfüllen."

"Eine Auskunftsbefugnis ausschließlich des LEA zur Übermittlung melderechtlicher Daten (so verbindlich in § 25 MeldeG i.V.m. § 1 Abs. 2 MeldeG geregelt) stellt sich (...) als völlig unakzeptabel (...) dar. (...) Wir werden uns (...) weiter an unser bezirkliches Einwohneramt wenden."

"Die Aufbewahrung sämtlicher Vorgänge ist für die Bearbeitung der zweckentfremdungsrechtlichen Verfahren von großer Bedeutung. (...) Eine Vernichtung - gleich welchen Umfangs - stellt eine Behinderung der Aufgabenerfüllung dar."

Angesichts der angespannten Lage in bestimmten Bereichen des Wohnungsmarktes ist der Bekämpfung von zweckfremd genutztem Wohnraum große Bedeutung beizumessen. Dies kann jedoch nicht rechtfertigen, daß bestehende Gesetze als hinderlich für die Aufgabenerfüllung umgangen werden.

Inzwischen liegt ein Entwurf zur Änderung von § 2 a ZwBesG vor. In dem Entwurf wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den die Ordnungsbehörden gemäß § 11 ASOG zu beachten haben, nicht ausreichend Rechnung getragen. Sowohl der von der Datenverarbeitung betroffene Personenkreis als auch der Katalog der personenbezogenen Daten werden - im Vergleich zur bestehenden Regelung des § 2 a Abs. 1 ZwBesG - unverhältnismäßig erweitert.

Die Datenverarbeitungsbefugnisse des Entwurfes berühren in erheblichem Umfang fast alle Lebensbereiche und sehen massive Eingriffe in das Recht der informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen vor. Nach dem Entwurf dürfen zur Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum künftig Daten zu den

  • Lebensumständen (z.B. Daten des gesamten - evtl. früheren Mietvertrages, einschließlich besonderer Vereinbarungen, Miethöhe, Kundendaten der BEWAG, GASAG),
  • persönlichen und sozialen Beziehungen (z.B. Daten zu Ehegatten, Kindern, Lebensgefährten),
  • Kommunikationsbeziehungen (z.B. Kundendaten der Post, Telekom),
  • wirtschaftlichen Verhältnissen (z.B. Daten aus Gewerbeanzeigen, Handelsregister, Sozialamt)

der Betroffenen erhoben und gespeichert werden.

Die Daten lassen sich bei der für die Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum zuständigen Stelle problemlos zu einem Persönlichkeitsbild verbinden bzw. zusammenführen. Derartig umfangreiche Datenverarbeitungsbefugnisse sind sonst nur Sicherheitsbehörden unter restriktiven Voraussetzungen zugewiesen. Für die Bekämpfung von zweckfremd genutztem Wohnraum ist eine derartig umfangreiche Datenverarbeitung unverhältnismäßig.

Wohngeldantrag, Formular zu ergänzenden Angaben über Lebensunterhalt

Eine Bürgerin beschwerte sich über den Umfang der Datenerhebung eines Wohnungsamtes im Verfahren zur Beantragung von Wohngeld. Mit dem Fragebogen "Ergänzende Erklärung zum Antrag auf Wohngeld" sollte die Antragstellerin Angaben zu den Aufwendungen u.a. für die Ernährung (Frühstück, Mittag- und Abendessen, Genußmittel), die Neuanschaffung, Reinigung und Ausbesserung von Bekleidung und Wäsche, Putz- und Reinigungsmittel, Körperpflege, Kosmetik, Medizin, Unterhaltung, Kultur (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Kino, Theater, Rundfunk, Fernsehen usw.), Versicherungsbeiträge machen.

Das Wohnungsamt begründete den umfangreichen Fragenkatalog damit, daß bei der Bewilligung von Wohngeld als Sozialleistung in Einzelfällen differenzierte Nachfragen zum Einkommen erforderlich sind. Das betrifft vor allem Wohngeldantragsteller, deren ermitteltes Einkommen - auch bei Berücksichtigung eines zu gewährenden Wohngeldes - noch unterhalb des sozialhilferechtlichen Bedarfes liegt. In diesen selten auftretenden Fällen sind die Angaben des Antragstellers besonders sorgfältig auf Glaubwürdigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Dazu wird der genannte Vordruck verwendet. Er dient als Entscheidungsgrundlage dafür, mit welcher Einkommenshöhe die Wohngeldberechnung erfolgen kann (Regelsatz der Sozialhilfe, Schätzung o.ä.).

Die Rechtsauffassung des Wohnungsamtes ist grundsätzlich zutreffend. Zweifelhaft ist jedoch, ob die umfangreiche Datenerhebung mit dem Vordruck erforderlich ist. Einzelne Fragestellungen können zu Datengruppen bzw. Oberpunkten zusammengefaßt werden. Das Formular sollte zudem um die nach § 67 a Abs. 3 SGB X erforderlichen Hinweise (Erhebungszweck, Freiwilligkeit bzw. Rechtsvorschrift auf die die Erhebung gestützt wird, Folgen der Verweigerung von Angaben) ergänzt werden. Das Wohnungsamt ist unserer Empfehlung gefolgt, hat den Fragebogen entsprechend redaktionell überarbeitet und dabei die Hinweise nach § 67 a Abs. 3 SGB X mit einbezogen.

Mieterinformation bei Beantragung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung

Im Jahresbericht 1993 (JB 93 4.2) haben wir darauf hingewiesen, daß die Information von Mietern über die Antragstellung des Hauseigentümers auf eine sog. Abgeschlossenheitsbescheinigung durch die Wohnungsämter nur auf Grund einer Rechtsvorschrift bzw. der Einwilligung des Betroffenen zulässig ist. Eine derartige Rechtsvorschrift ist nicht vorhanden; von einer Einwilligung des Antragstellers auf Abgeschlossenheitsbescheinigung ist nur im Ausnahmefall auszugehen. Im Interesse einer mieterfreundlichen Regelung hatten wir deshalb gesetzgeberische Aktivitäten angeregt.

Ein entsprechendes Gesetz zur Sicherung der Information der Mieter bei der Umwandlung in Wohneigentum (Informationssicherungsgesetz) (Drs. 13/317) wurde von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in das Abgeordnetenhaus von Berlin eingebracht und mit der Mehrheit der Stimmen von CDU und SPD abgelehnt. Ausschlaggebend für die Ablehnung war die Auffassung, daß es dem Land Berlin an der Gesetzgebungskompetenz fehle. Der Bundesgesetzgeber habe - mit Schaffung des § 570 b BGB - von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 72 Abs. 1 Grundgesetz Gebrauch gemacht. Für ergänzende Regelungen sei kein Raum. Diese Auffassung teilen wir nicht. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist lediglich die Informationspflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter vorgesehen. Das bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber Unterrichtungen durch öffentliche Stellen ausschließen wollte. Ungeachtet dessen sollte sich das Land Berlin nicht auf diesen formalen Standpunkt zurückziehen und - im Interesse der betroffenen Mieter sowie einer datenschutzgerechten Verfahrensweise - eine Regelung auf Bundesebene anstreben.

Auskünfte aus dem Liegenschaftskataster über eine Vielzahl von Grundstücken

Ein Bezirksamt bat, datenschutzrechtlich zu prüfen, ob einer Immobilienfirma Auskunft aus dem Liegenschaftskataster - einschließlich der darin enthaltenen Eigentümerangaben - zu ca. 400 einzeln benannten Grundstücken im Bezirk gewährt werden kann.

Schriftliche Auskünfte und Auszüge aus dem Liegenschaftskataster dürfen nach § 17 Abs. 4 Vermessungsgesetz (VermG) grundsätzlich auch über eine Mehrzahl von einzeln bestimmten Liegenschaften erteilt werden, soweit der Auskunftsbegehrende ein berechtigtes Interesse an den Angaben glaubhaft macht. Auch wirtschaftliche Bedürfnisse können ein berechtigtes Interesse darstellen. Dabei sind folgende Erwägungen zu berücksichtigen:

Neben den Grundstücks- und Gebäudedaten erhält der Auskunftsbegehrende auch Angaben über Namen, Geburtsnamen und Geburtsdaten der Grundstückseigentümer, Erbbau- und Nutzungsberechtigten (§ 16 Abs. 1 VermG) aus dem Liegenschaftskataster. Dadurch wird nicht unerheblich in die Persönlichkeitsrechte - insbesondere bei Massenauskünften - einer Vielzahl von Betroffenen eingegriffen. Insofern sind an die Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses im Rahmen von § 17 Abs. 4 VermG gesteigerte Anforderungen zu stellen.

Zunächst ist dem Auskunftsbegehrenden - in einem abgestuften Verfahren - nur Auskunft über die Grundstücksdaten zu gewähren. Erst nachdem er sein berechtigtes Interesse konkretisiert hat, ist die Auskunft auf die o.g. personenbezogenen Daten der Eigentümer, Erbbau- und Nutzungsberechtigten zu erweitern. Zur Konkretisierung hat der Antragsteller die Anzahl, Lage und Art (z.B. Einfamilienhaus) der Liegenschaften zu bezeichnen und sein berechtigtes Interesse durch weitere Angaben - differenziert nach den betroffenen einzelnen Liegenschaften - (z.B. durch bestehende Kundenaufträge und die Absicht, an alle Eigentümer herantreten zu wollen) glaubhaft darzulegen. Wird dem Antragsteller danach Auskunft über eine Vielzahl von Liegenschaften gewährt, ist er darauf hinzuweisen, daß die Daten im Rahmen der von ihm gemachten Angaben einer Zweckbindung (§ 28 BDSG) unterliegen.

Eine Massenauskunft ist in jedem Fall dann unzulässig, wenn zu befürchten ist, daß durch die Vielzahl der betroffenen Grundstücke innerhalb eines begrenzten Regionalbereiches die Gefahr besteht, daß - parallel zum öffentlichen Liegenschaftskataster - ein nicht-öffentliches Register entsteht. Ein derartiges nicht-öffentliches Register widerspricht dem Schutzinteresse der Allgemeinheit (§ 17 Abs. 5 VermG) und steht im Widerspruch zu § 17 Abs. 8 VermG, wonach die Angaben aus dem Liegenschaftskataster nur für den Aufbau und die Aktualisierung von Informationssystemen öffentlicher Stellen zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Zuletzt geändert:
am 10.04.97

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