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Senator Nagel: Neue Diskussion um Holocaust-Denkmal

ist ein beschämender Vorgang

Die Senatsverwaltung für Bau-und Wohnungswesen teilt mit:

Bausenator Wolfgang Nagel hält die Ablehnung der jetzt von den Auslobern des Holocaust-Denkmals zur Realisierung vorgeschlagenen Namenstafel für einen "Ausdruck der Unfähigkeit zum Trauern". Wörtlich erklärte der Senator:

"Es ist bestürzend, mit welcher Beliebigkeit die in öffentlichen und politischen Diskussionen üblichen Argumente auf eine Entscheidung ausgedehnt werden, deren historische und kulturelle Bedeutung ihresgleichen sucht. Da macht das wiedervereinigte Deutschland auf, nunmehr gemeinsam nach Jahrzehnten des Verdrängens und Schweigens im Westen, nach Jahren der verordneten kollektiven Verantwortungsverweigerung im Osten, endlich ein sichtbares Zeichen der Trauer und Scham zu setzen, da gelingt es einer Iniative mutiger und entschlossener Frauen und Männer endlich, die politisch Verantwortlichen im Bund und in Berlin nach jahrelangen Diskussionen für ein nationales Holocaust-Denkmal zu gewinnen, da arbeitet sich nach intensiver Wettbewerbsvorbereitung eine hochrangig besetzte Jury in mehreren Tagen durch 528 eingereichte Arbeiten, um jetzt von einigen zu hören, es mangele an öffentlicher Diskussion, es fehle der gesellschaftlichen Konsens - und im übrigen, das ganze sei überhaupt zu 'monumental'.

Ein beschämender Vorgang. - Rekapitulieren wir: Die Jury hat zwei erste Preise vergeben, beide füllen das zur Verfügung stehende Gelände voll aus. Insofern sind beide Entwürfe 'monumental' .Während jedoch die Arbeit von Simon Ungers die Monumentalität durch das gewählte Material und ihre im wahrsten Sinne des Wortes "bedrückende" Form - ein quadratisch angeordnetes Band von 6 m hohen Stahlträgern, die eine freie Fläche umziehen - erfährt, ist die Arbeit von Christine Jackob-Marks und ihren Mitarbeitern von einem grundsätzlich anderen Geist. Sie will nicht erschlagen, sondern erhält die tatsächliche "Monumentalität" durch das Anrufen der ermordeten Individuen, in ihrer Zahl unvorstellbar und daher in kleinerer Form kaum darstellbar, will man nicht den Grundgedanken aufgeben, den mit Nummern ausgestatteten Opfern ihre Namen und damit ihre Würde zurückzugeben.

Was beeindruckt uns an der Spiegelwand in Steglitz? Es ist die Nennung der Namen, der Persönlichkeiten, der Kinder, der Alten und der Frauen, die so gern unter uns weitergelebt hätten, so wie wir gern leben. Zu ihnen können wir einen Bezug herstellen, es könnten unsere Nachbarn, unsere Freunde, unsere Arbeitskollegen sein; wie sie es ja auch waren. Das rührt an, das wühlt auf und bringt eine andere Qualität der Betroffenheit mit sich. Ein Hinweis: Würde man nach dem Vorbild der Steglitzer Spiegelwand mit jetzt 2.000 Namen eine solche Wand mit 4,2 Millionen Namen errichten, so hätte diese eine Länge von 12,5 km.

Seitenanfang Dagegen ist Gedenken an anonymen Denkmälern, seien es abstrakte Darstellungen oder figurliche Symbole, verhältnismäßig oberflächlich; wir können uns der individuellen Betroffenheit leichter entziehen.

Insofern ist die Ablehnung des Grundgedankens, wie ihn die Künstler um Christine Jackob-Marks darstellen versucht haben, auch ein Ausdruck von Unfähigkeit zum Trauern.

Was den öffentlichen Konsens betrifft, so wird zu bedenken sein, daß es niemals einen Konsens mit denen geben wird, die ein solches Denkmal überhaupt ablehnen und dabei die vermeintlich falsche Entscheidung der Auslober vorschieben.

Im übrigen: Mir ist nicht erinnerlich, daß der Herr Bundeskanzler bei seiner umstrittenen Entscheidung für die Gestaltung von Schinkels Neuer Wache den breiten gesellschaftlichen Konsens gesucht hätte.

Als für den Wettbewerb verantwortlicher Senator werde ich unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause eine Senatsvorlage einbringen, um auch den Senat und das Parlament in die Entscheidung verantwortlich einzubeziehen."

Zuletzt geändert:
am 09.02.97

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