(3) Das Landesarchiv Berlin kann Archivgut auch privater Institutionen
und natürlicher Personen mit deren Einvernehmen archivieren
oder sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben unterstützen.
Soweit ein öffentliches Interesse daran besteht, archiviert
das Landesarchiv Berlin auf vertraglicher Grundlage Archivgut
auch privater Institutionen und Personen oder unterstützt
die privaten Institutionen und Personen hierbei. Das Landesarchiv
Berlin ergänzt seine Bestände durch alles sonstige archivwürdige
Material, an dessen Verwahrung und Erschließung ein öffentliches
Interesse besteht.
(4) Das Landesarchiv Berlin berät die Behörden, Gerichte
und sonstigen Stellen des Landes Berlin bei der Verwaltung und
Sicherung ihrer Unterlagen im Hinblick auf die spätere Archivierung.
(5) Durch Editionen, sonstige Publikationen, Ausstellungen, Führungen
und andere geeignete Veranstaltungen fördert das Landesarchiv
Berlin das Verständnis für die Geschichte Berlins. Das
Landesarchiv Berlin führt die Stadtchronik Berlins.
(6) Das Landesarchiv ist berechtigt, zum Zwecke der Erfüllung
seiner Aufgaben personenbezogene Daten zu verarbeiten. Die Vorschriften
des Berliner Datenschutzgesetzes in der Fassung vom 17. Dezember
1990 (GVBl. 1991 S. 16, 54) zuletzt geändert durch Gesetz
vom 8. Juli 1993 (GVBl. S. 313), bleiben unberührt.
§ 3 Archivgut.
(1) Archivgut sind alle archivwürdigen Unterlagen wie Urkunden,
Akten, Einzelschriftstücke, Film, Bild und Tonmaterial, Karten,
Pläne, Karteien, Dateien oder Teile davon, maschinenlesbare
Datenträger, auf diesen gespeicherte Informationen und Programme
zu ihrer Ausweitung sowie sonstiges Informationsmaterial und Hilfsmittel
zu ihrer Nutzung.
(2) Archivwürdig sind Unterlagen, die für die wissenschaftliche
Forschung, die Aufklärung und das Verständnis von Geschichte
und Gegenwart bleibenden Wert haben, sowie solche, deren Aufbewahrung
zur Sicherung berechtigter Belange oder zur Bereitstellung von
Informationen für die Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltung
unerläßlich ist oder die auf Grund von Rechtsvorschriften
dauernd aufbewahrt werden müssen.
(3) Ober die Archivwürdigkeit entscheidet das Landesarchiv
Berlin im Benehmen mit der anbietenden Stelle. Für die Archivierung
von Film, Bild und Tonmaterialien in der Landesbildstelle gelten
die Sonderregelungen des § 10.
§ 4 Aussonderung und Anbietung von Archivgut.
(1) Alle Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes
Berlin sind verpflichtet, sämtliche Unterlagen, die zur Erfüllung
ihrer Aufgaben nicht mehr benötigt werden, in der Regel spätestens
30 Jahre nach ihrer Entstehung auszusondern und unverändert
anzubieten, soweit nicht Rechtsvorschriften andere Fristen bestimmen.
Diese Verpflichtung bezieht sich auch auf Unterlagen mit personenbezogenen
Daten. § 17 Abs. 4 des Berliner Datenschutzgesetzes bleibt
unberührt.
(2) Soweit gleichförmige Unterlagen, die in großer
Zahl anfallen, archivwürdig sind, sind Art und Umfang der
dem Landesarchiv Berlin zu übergebenden Unterlagen durch
Vereinbarung der anbietenden Stelle mit dem Landesarchiv Berlin
im Grundsatz festzulegen.
(3) Anzubieten sind auch Abbildungen von in Dateien gespeicherten
Informationen sowie deren Änderungen und Ergänzungen.
Umfang und Auswahl sind durch Vereinbarungen zwischen der anbietenden
Stelle und dem Landesarchiv Berlin im Benehmen mit dem Berliner
Datenschutzbeauftragten festzulegen.
§ 5 Daten von ehemaligen Einrichtungen der DDR.
(1) Wurden personenbezogene Daten aus ehemaligen Einrichtungen
der DDR vor dem 3. Oktober 1990 nach ihrer Zweckbestimmung überwiegend
für Verwaltungsaufgaben verarbeitet, die nach dem Grundgesetz
von öffentlichen Stellen des Landes wahrzunehmen sind, so
stehen sie derjenigen Stelle zu, die für die Verwaltungsaufgabe
zuständig ist.
(2) Befinden sich die Unterlagen im gewahrsam nichtöffentlicher
Stellen, sind sie an die zuständige Stelle herauszugeben.
Hiervon ist der Berliner Datenschutzbeauftragte zu unterrichten.
Liegen hinreichende Anhaltspunkte für eine Verletzung der
Pflicht nach Satz 1 oder 2 vor, stehen zum Zwecke der Kontrolle
dieser Vorschrift dem Berliner Datenschutzbeauftragten auch gegenüber
nichtöffentlichen Stellen die Befugnisse nach § 28 Berliner
Datenschutzgesetz zu.
(3) Sind die in Absatz 1 und 2 genannten Daten für den Verwaltungsvollzug
nicht mehr erforderlich, ist zu prüfen, ob schutzwürdige
Belange von Betroffenen die weitere Aufbewahrung bei der zuständigen
Stelle erfordern. Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen
dem Landesarchiv zu übergeben. Soweit das Landesarchiv die
Übernahme ablehnt, sind die Unterlagen zu vernichten. §
17 Abs. 3 Satz 3 und 4 Berliner Datenschutzgesetz gelten insoweit
nicht.
§ 6 Übernahme des Archivgutes.
(1) Das Landesarchiv Berlin übernimmt die archivwürdigen
Unterlagen. Entscheidet es nicht innerhalb von zwölf Monaten
über die Übernahme angebotener Unterlagen, so ist die
anbietende Stelle zu deren weiterer Aufbewahrung nicht verpflichtet.
(2) Das Landesarchiv Berlin kann in Ausnahmefällen im Auftrag
staatlicher Stellen Unterlagen aufbewahren. Speichernde Stelle
für diese Unterlagen bleibt die abgebende Stelle. Die Regelungen
zur Anbietungspflicht und zur Entscheidung über die Archivwürdigkeit
und Übernahme der Unterlagen bleiben unberührt.
(3) Den Vertretern des Landesarchivs Berlin ist zur Erfüllung
ihrer Aufgaben Zutritt zu den Registraturen der Behörden
und sonstigen Stellen Berlins und Einsicht in die angebotenen
Unterlagen und die diesbezüglichen Findmittel der Registraturen
zu gewähren.
(4) Das Landesarchiv Berlin darf die ihm gemäß §
2 Abs. 3 des Bundesarchivgesetzes vom 6. Januar 1988 (BGBI. 1
S. 62), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. März 1993
(BGBI. 1 S. 506), von Behörden und sonstigen Stellen des
Bundes, bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und
Stiftungen angebotenen archivwürdigen Unterlagen übernehmen.
§ 7 Sicherung des Archivgutes.
(1) Das Landesarchiv Berlin hat die erforderlichen technischen
und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um die ordnungsgemäße
und sachgemäße dauernde Aufbewahrung und Benutzbarkeit
des übernommenen Archivgutes sowie seinen Schutz vor unbefugter
Benutzung oder vor Vernichtung sicherzustellen. Gleiches gilt
für die im Auftrag verwahrten Unterlagen. Bei der Aufbewahrung
der Unterlagen sind auch die Regelungen zur Sicherung geheimhaltungsbedürftiger
Unterlagen zu beachten. Die Verknüpfung personenbezogener
Daten durch das Archiv ist innerhalb der in § 8 genannten
Schutzfristen nur zulässig, wenn schutzwürdige Belange
betroffener Personen oder Dritter nicht beeinträchtigt werden.
(2) Die staatlichen Archive des Landes Berlin können untereinander
sowie mit Archiven des Bundes und bundesunmittelbarer juristischer
Personen des öffentlichen Rechts und anderer Bundesländer
Archivgut austauschen, wenn es im öffentlichen Interesse
liegt und archivwissenschaftlichen Grundsätzen entspricht
und schutzwürdige Belange Betroffener und Dritter nicht beeinträchtigt
werden. In anderen Fällen ist übernommenes Archivgut,
das im Eigentum des Landes Berlin steht, unveräußerlich.
Unterlagen, deren Archivwürdigkeit nicht mehr gegeben ist,
kann das Landesarchiv im Einvernehmen mit den Betroffenen und
der abgebenden Stelle vernichten.
§ 8 Nutzung des Archivgutes.
(1) Alle haben das Recht, das übernommene Archivgut nach
Maßgabe der Absätze 2 bis 9 für die in §
3 Abs. 1 genannten Zwecke zu nutzen. Die Nutzung bedarf der Einwilligung
des Landesarchivs Berlin.
(2) Das Archivgut darf grundsätzlich nicht vor Ablauf voll
30 Jahren nach Entstehung der Unterlagen durch Dritte genutzt
werden. Über Ausnahmen im Einzelfall entscheidet das Landesarchiv
Berlin in pflichtgemäßer Abwägung der beteiligten
Interessen. Unterlagen, die besonderen Rechtsvorschriften zur
Geheimhaltung unterliegen, dürfen frühestens sechzig
Jahre nach ihrer Entstehung zur Nutzung freigegeben werden, wenn
öffentliche Interessen an der Geheimhaltung nicht entgegenstehen.
(3) Archivgut, das sich nach seinem wesentlichen Inhalt auf eine
natürliche Person bezieht (personenbezogenes Archivgut),
darf unbeschadet des Absatzes 2 Dritten nur mit der Einwilligung
der Betroffenen zugänglich gemacht werden. Nach dem Tod der
Betroffenen bedarf die Nutzung des Archivgutes bis zum Ablauf
von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen. Das Zustimmungsrecht
wird ausgeübt vom überlebenden Ehegatten, falls ein
solcher nicht vorhanden ist, von den Abkömmlingen ersten
Grades und, falls weder Ehegatte noch Abkömmlinge ersten
Grades vorhanden sind, von den Eltern der Betroffenen. Ist der
Todestag der Betroffenen dem Archiv nicht bekannt, endet die Schutzfrist
90 Jahre nach der Geburt. Ist auch der Geburtstag dem Archiv nicht
bekannt, endet die Schutzfrist 70 Jahre nach der Entstehung der
Unterlagen. Die Schutzfrist gilt nicht für die Nutzung durch
die Betroffenen oder ihre Angehörigen.
(4) Die Schutzfristen können vom Landesarchiv Berlin verkürzt
werden, wenn und soweit dies im überwiegenden öffentlichen
Interesse liegt. Bei Archivgut, das sich auf eine natürliche
Person bezieht (personenbezogenes Archivgut), ist eine Verkürzung
auch ohne Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen
Interesses zulässig, wenn die Betroffenen oder im Falle ihres
Todes ihre Angehörigen im Sinne des Absatzes 3 eingewilligt
haben Kann die Einwilligung nicht eingeholt werden, ist eine Verkürzung
nur zulässig, wenn durch geeignete Maßnahmen gegenüber
der Nutzerin oder dein Nutzer sichergestellt ist, daß die
schutzwürdigen Belange der Betroffenen nicht beeinträchtigt
werden.
(5) Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der
Nutzung von Archivgut vor Ablauf der Schutzfrist ist in der Regel
dann gegeben, wenn die Person oder der historische Vorgang, auf
die in dem gesperrten Archivgut Bezug genommen wird, von besonderer
oder exemplarischer Bedeutung für die Erforschung der Geschichte
oder das Verständnis der Gegenwart ist.
(6) Die Schutzfristen nach Absatz 3 gelten nicht für solche
Unterlagen, die bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung
bestimmt waren. Absatz 3 gilt nicht für Archivgut, das sich
auf die Tätigkeit natürlicher Personen in Ausübung
öffentlicher Ämter bezieht.
(7) Die abliefernde Stelle sowie deren Rechts- und Funktionsnachfolger
sind befugt, Archivgut, das aus ihren Unterlagen ausgewählt
worden ist, zu nutzen, wenn sie es zur Erfüllung ihrer Aufgaben
wieder benötigen. Dies gilt nicht für personenbezogene
Daten, die, wenn sie nicht übernommen worden wären,
auf Grund einer Rechtsvorschrift hätten gesperrt oder gelöscht
werden müssen; in diesen Fällen besteht die Nutzungsbefugnis
nur nach Maßgabe der Absätze 3 und 4.
(8) Die Nutzung ist zu versagen oder einzuschränken, soweit
1 . Grund zu der Annahme besteht, daß das Wohl der Bundesrepublik
Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde
oder
2. Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige
Belange Dritter entgegenstehen oder
3. der Erhaltungszustand des Archivgutes gefährdet würde
oder
4. Vereinbarungen mit derzeitigen oder früheren Eigentümern
entgegenstehen oder
5. Berufs oder besondere Amtsgeheimnisse im Sinne des § 203
Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs oder andere Rechtsvorschriften
über Geheimhaltung verletzt würden oder
6. ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand entstehen würde.
Die Entscheidung über die Versagung oder Einschränkung
der Nutzung trifft das Landesarchiv Berlin. Die Entscheidung ist
zu begründen.
(9) Die für kulturelle Angelegenheiten zuständige Senatsverwaltung
ist ermächtigt, die Nutzung von Archivgut im Landesarchiv
durch Ausführungsvorschriften zu regeln.
§ 9 Recht auf Auskunft und Gegendarstellung.
(1) Betroffenen ist auf ihren Antrag Auskunft über die im
Übernommenen Archivgut zu ihrer Person enthaltenen Daten
zu erteilen, soweit diese nach archivfachlichen Kriterien verzeichnet
sind. Die Auskunfterteilung unterbleibt, soweit die Daten nach
einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten
Interessen eines Dritten geheimgehalten werden müssen. In
Zweifelsfällen ist vor Ablauf der Sperrfristen nach §
8 Abs. 2 das Benehmen mit der abgebenden Stelle herzustellen.
Neben der Auskunft ist vom Landesarchiv Berlin auf Verlangen Akteneinsicht
zu gewähren.
(2) Auf Verlangen von Betroffenen, die die Richtigkeit von Tatsachenangaben
in auf ihre Person bezogenem übernommenen Archivgut bestreiten,
hat das Archiv eine Gegendarstellung den Unterlagen hinzuzufügen;
§ 10 Abs. 2 und 3 des Berliner Pressegesetzes vom 15. Juni
1965 (GVBI. S. 744), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.
März 1988 (GVBI. S. 473), gilt entsprechend. Nach dem Tode
der Betroffenen steht ein solches Recht den Angehörigen zu;
§ 8 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Auf Grund besonderer Rechtsvorschriften zu berichtigende Unterlagen
sind um eine Richtigstellung zu ergänzen.
§ 10 Landesbildstelle.
(1) Die Landesbildstelle hat unter anderem die Aufgabe, Film,
Bild und Tonmaterial zur Geschichte Berlins zu archivieren.
(2) Soweit die Landesbildstelle Berlin Film, Bild und Tonmaterial
sammelt, die Archivgut im Sinne des § 3 sind, finden die
Bestimmungen dieses Gesetzes sinngemäße Anwendung.
(3) Die Nutzung von Film, Bild und Tonmaterial, das in der Landesbildstelle
gesammelt ist, unterliegt den Sperrfristen des § 8 nur, soweit
und solange daran Rechte Betroffener nach Maßgabe der §§
22 und 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der
bildenden Künste und der Photographie in der im Bundesgesetzblatt
Teil III, Gliederungsnummer 4403, veröffentlichten bereinigten
Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 1974
(BGBI. 1 S. 469), bestehen. Alles weitere regelt die Benutzerordnung.
§ 11 Sonstige öffentliche Archive.
Soweit nach Berliner Landesrecht verfaßte Stellen eigene
Archive unterhalten und für diese Stellen keine besonderen
Rechtsvorschriften gelten, sind die Bestimmungen dieses Gesetzes
sinngemäß anzuwenden.
§ 12 Änderung des Zweiten Gesetzes zum Abschluß
der Entnazifizierung.
In § 17 des zweiten Gesetzes zum Abschluß der Entnazifizierungsakten
vom 20. Dezember 1955 (GVBI. S. 1022, 1956 S. 124), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 11. Dezember 1987 (GVBI. S. 2734), wird ein sechster
Absatz mit folgendem Wortlaut angefügt:
"(6) Die Entnazifizierungsakten sind, sobald sie die Senatsverwaltung
für Inneres zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem
Gesetz nicht mehr benötigt, dem Landesarchiv Berlin zur Übernahme
anzubieten."
§ 13 Inkrafttreten.
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Gesetz
und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.
Verkündet am 8. 12. 1993.
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