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Ausschnitt aus:

Ärtzliche Meldepflichten in der DDR

Frank Tellkamp; Walter Hellmund;

VEB VERLAG VOLK UND GESUNDHEIT BERLIN 1996

Seite 17-19;


1. Verbrechen oder Vergehen

1.1. Anzeigepflichtig

besteht bei:

glaubwürdiger Kenntnis über Vorhaben, Vorbereitung oder Ausführung folgender Verbrechen oder Vergehen (vor deren Beendigung)

Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit

Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik

Verbrechen gegen das Leben

Verbrechen gegen Freiheit und Würde des Menschen

Verbrechen oder Vergehen gegen die allgemeine Sicherheit oder gegen die staatliche Ordnung

Verbrechen oder Vergehen des Mißbrauchs von Waffen oder Sprengmitteln

Verbrechen gegen die Rechtspflege, Militärstraftaten

1.2 Begriffsbestimmung

Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit

Planung und Durchführung von Agressionskriegen(§ 85 StGB)

Vorbereitung und Durchführung von Aggressionsakten(§ 86 StGB)

Anwerbung für imperialistische Kriegsdienste(§ 87 StGB)

Teilnahme an Unterdrückungshandlungen(§ 88 StGB)

Seitenanfang Kriegshetze und -propaganda(§ 89 StGB)

Verbrechen gegen die Menschlichkeit(Teilnahme an der Vernichtung nationaler, ethnischer, rassicher, oder religiöser Gruppen)(§ 91 StGB)

Verbreitung faschisticher Propaganda, Völker- und Rassenhetze(§ 92 StGB)

Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik

Hochverrat(§ 96 StGB)

Spionage(§§ 97, 98 StGB)

landesverräterische Nachrichtenübermittlung(§ 99 StGB)

landesverräterische Agententätigkeit(§ 100 StGB)

Terror(§ 101, 102 StGB)

Diversion(§ 103 StGB)

Sabotage(§ 104 StGB)
staatsfeindlicher Menschenhandel(§ 105 StGB)

staatsfeindliche Hetze, planmäßig oder im Zusammenwirken mit Organisationen, Einrichtungen oder Personen, deren Tätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik(§ 106 Abs. 2 StGB)

verfassungsfeindlicher Zusammenschluß(§ 107 StGB)

Gefährdung der internationalen Beziehungen(§ 109 StGB)

In Verwirklichung der Prinzipien des sozialistischen Internationalismus sind gemäß § 108 StGB Staatsverbrechen, die gegen ein mit der DDR verbündetes Land gerichtet sind, Staatsverbrechen gegen die DDR gleichgestellt und anzeigepflichtig

Verbrechen gegen das Leben

Gegen das Leben gerichtete Verbrechen sind die beiden Formen der vorsätzlichen Tötung: Mord (§ 112 StGB) und Totschlag (§ 113 StGB). Als Totschlag gilt ein Tötungsverbrechen, das vorsätzlich, aber im Zustand hochgradiger Erregung (Affekt) begangen wurde oder wenn besondere Tatumstände vorliegen, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit mindern. Als Totschlag zählt auch die Tötung eines Kindes in oder gleich nach der Geburt durch die Mutter (Kindestötung).

Ein Tötungsverbrechen kann sowohl im Tun als auch im Unterlassen bestehen(Verletzung einer Erfolgsabwendungspflicht).

Verbrechen gegen Freiheit und Würde des Menschen

Verbrechen des schweren Raubes (§ 128 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB).

Verbrechen oder Vergehen gegen die allgemein Sicherheit oder gegen die staatliche Ordnung

Brandstiftung (§ 185 StGB)

Verursachung einer Katastrophengefahr (§ 190 StGB)

Angriffe auf das Verkehrswesen (§ 198 STGB)

schwere Fälle ungesetzlichen Grenzübertritts (§ 213 Abs. 3 STGB) Entführung von Luftfahrzeugen.

Verbrechen oder Vergehen des Mißbrauchs von Waffen und Sprengmitteln

Hierzu gehören unbefugter Waffen- und Sprengmittelbesitz (§ 206 StGB) sowie die Vernichtung oder das Beiseiteschaffen von Waffen und Sprengmitteln (§ 207 STGB). Anzeigepflicht besteht auch bei Kenntnis eines Waffenverstecks (§ 225 Abs. 2 STGB).

Verbrechen gegen die Rechtspflege

Verbrechen der Gefangenenbefreiung (§ 235 Abs. 2 STGB).

Anzeigepflicht besteht, wenn die Tat unter Androhung oder Anwendung von Gewalt begangen wird.

Militärstraftaten

Verbrechen oder Vergehen der Fahnenflucht (§ 254 STGB).

1.3. Wer erstattet Anzeige?

Jeder, der glaubwürdig Kenntnis erhält.

1.4. Anzeige wohin?

An zuständige Sicherheitsorgane

(Ministerium für Staatssicherheit, Volkspolizei, Staatsanwalt). Notfalls kann die Anzeige auch an ein anderes staatliches Organ gerichtet werden (Rat des Kreises, Rat der Gemeinde).

1.5 Anzeige wann?

Unverzüglich nach Bekanntwerden des anzeigepflichtigen Umstandes.

1.6 Meldetechnik

Formlos - geeignete Form je nach Umständen (Telefon, persönliche Vorsprache).

Beachte

Entscheidend für die Anzeigepflicht ist der Zeitpunkt der glaubwürdigen Kenntnisnahme des Vorhabens, der Vorbereitung oder der Ausführung einer Straftat. Anzeigepflicht besteht nur bei Kenntnisnahme vor Beendigung der Straftat. Die Verpflichtung zur Anzeige selbst ist zeitlich nicht begrenzt und wird durch die Beendigung einer Straftat nicht aufgehoben, das heißt, wenn vorher davon glaubwürdig Kenntnis erlangt wurde.

Durch die Aussagepflicht werden die ärztliche Schweigepflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber den zur Entgegennahme der Anzeige berechtigten Organen aufgehoben (§ 136 StGB).

Die Meldepflicht der Ärzte bei Verdacht auf Straftaten gegen Leben und Gesundheit sowie bei Verdacht auf nichtnatürlichen Tod im Zusammenhang mit der ärztlichen Leichenschau besteht unabhängig von der Anzeigepflicht gemäß Punkt 1.1. Gegen vorsätzliche falsche Anschuldigung eines Bürgers schützt § 228 StGB.

1.7. Strafbestimmungen

Unterlassung der Anzeigepflicht ist eine Straftat und wird mit Freiheitsstrafe oder mit Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder öffentlichem Tadel bestraft.

1.8. Gesetzliche Grundlagen

Strafgesetzbuch der DDR - StGB - vom 12. Januar 1968 (GBI. 1 1968, Nr. 1, S. 1) i. d. F. vom 19. Dezember 1974 (GBI. 1 1975, Nr. 3, S. 13) i. d. F. vom 7. April 1977 (GBl. 1 1977. Nr. 10. S. 100) i. d. F. vom 8. Juni 1979 - GBI. 1 1979. Nr. 17. S. 139

Gesetz über die Luftfahrt - Luftfahrtgesetz - vom 27. Oktober 1983 GBI. 1 1983, Nr. 29, S. 77.


Berliner Zeitung

Donnerstag, 20. April 1995

Anklage gegen Arzt wegen Weitergabe von Akten ans MfS

Erfurt. dpa Ein Arzt aus Thüringen muß sich demnächst wegen der Weitergabe von Patientenunterlagen an das Ministerium für Staatssicherheit vor Gericht verantworten.

Der damalige ärztliche Direktor des Fachkrankenhauses Bleicherode, Wolfgang Böhmert, soll 1978 als "Inoffizieller Mitarbeiter Feindkontakt" der Stasi Originalunterlagen über eine Patientin übergeben haben, teilte gestern die Staatsanwaltschaft Erfurt mit. Das Verfahren werde voraussichtlich im Sommer vor dem Amtsgericht Nordhausen eröffnet.

Eine frühere Anklage gegen Böhmert wegen Freiheitsberaubung war im vergangenen Jahr vom Landgericht Erfurt abgewiesen werden. Er hatte für 12 000 Mark und berufliche Förderung eine fluchtwillige vierköpfige Familie an die DDR-Staatssicherheit verraten. Die 2. Große Strafkammer hatte entschieden, daß der Mediziner lediglich seiner Anzeigepflicht nachgekommen sei und sich dabei auf DDR-Gesetze berufen konnte. Das Ehepaar war nach dem gescheiterten Fluchtversuch zu anderthalb bzw. zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, die Kinder kamen in ein Heim.

In dem neuen Verfahren galt das Interesse des MfS einer Frau, deren Söhne aus der DDR in den Westen geflüchtet waren. Der beschuldigte Arzt arbeitet inzwischen im hessischen Bad Sooden-Allendorf als Orthopäde.

Zuletzt geändert:
am 09.02.97

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