SZ, 20.1996
Seelsorge im Internet
Der Cyber-Pfarrer ist vorerst noch eine Zukunftsvision
Bonn (KNA) Technik kann ein Segen sein. Ob der Segen
allerdings auch durch Technik übermittelt werden kann, löst
innerhalb der katholischen Kirche derzeit Diskussionen aus. Der
päpstliche Segen "Urbi et Orbi" und Gottesdienste
im Fernsehen, Beichte per Telephon oder jetzt sogar via Internet
der Wunsch nach der Nutzung moderner Medien kennt offenbar keine
Grenzen mehr. Erst recht, seit der vom Vatikan amtsenthobene französische
Bischof Jacques Gaillot das ihm zugewiesene Titularbistum Parthenia
als "virtuelle Diözese" im Internat verankern will.
Doch ob die von Wien aus ins Gespräch gebrachte "online"
Beichte kirchenrechtlich gebilligt und seelsorgerisch sinnvoll
ist, darüber streiten jetzt Theologen.
Der Versuchsballon zerplatzte schnell: Der österreichische
Jesuit Martin Voill, seit Jahresbeginn als erster katholischer
Priester aus dem deutschsprachigen Raum im weltweiten Computernetz
"Internet" präsent, nahm seine Ankündigung,
per Internet auch die Beichte abzunehmen, nach wenigen Tagen wieder
zurück. Grundsätzlich könne er sich die "online-Beichte"
zwar vorstellen, so der 31jährige nach einer intensiven öffentlichen
Diskussion, an der sich auch Computer-Freaks beteiligten. Die
sakramentale Vergebung der Sünden müsse jedoch die Ausnahme
bleiben und bedürfe kirchlicher Regelungen.
Die Beichte als persönliche Begegnung
Ganz ähnlich äußert sich der Sekretär
der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Michael
Figura. Die Bischöfe hätten sich bislang noch nicht
mit dem Thema befaßt, würden aber zu gegebener Zeit
Stellung nehmen, erklärt er. Figura wörtlich: "Die
Vergebung der Sünden ist eine kirchliche Feier, die auch
in einer Kirche oder Kapelle stattfinden sollte." Die Beichte
lebe nach seiner Auffassung von der persönlichen Begegnung
des Geistlichen mit dem Gläubigen und auch von Gesten der
Versöhnung.
Seelsorge auf der Datenautobahn Ja; Sakramentenspendung per
Computer Nein. Zu diesem Schluß kommen auch die Münsteraner
Theologen Klaus Lüdikke und Udo Schmälzle. "Weinen,
Aufregung oder Schweigen das alles würde bei der Bildschirmbeichte
unter den Teppich fallen", so Schmälzle. Kommunikation
per Computer reduziere sich auf Text. Und Lüdicke ergänzt,
die Absolution als "zugesprochene Vergebung" setze die
persönliche Begegnung voraus.
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