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Jahresbericht 92, 4.3 Bundesrecht und Datenschutz

Im gesamten Zuständigkeitsbereich des Bundes fehlen noch immer bereichsspezifische Regelungen zum Datenschutz in der Justiz. Es ist schon bemerkenswert, daß ausgerechnet in diesem Ressort die nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts[117] erforderlichen Gesetzesnovellierungen am weitesten zurück sind.

Noch immer ist der Entwurf für ein Strafverfahrensänderungsgesetz (StVÄG)[118] nicht in den Bundestag eingebracht worden.

Vorab verabschiedet wurden allerdings Änderungen des Strafverfahrensrechts durch das "Gesetz zu der Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität" (OrgKG)[119]. Es ist am 15. September 1992 in Kraft getreten. Dieses Gesetz sieht eine erhebliche Ausweitung des Ermittlungsinstrumentariums für die Polizei und die Staatsanwaltschaft vor.

Losgelöst von der ursprünglichen Zielsetzung wurden schwerwiegende Ermittlungsmethoden wie Rasterfahndung, verdeckte Ermittler, Wanzen, Richtmikrofone und andere nicht konkret benannte technische Mittel in der StPO verankert. Diese Maßnahmen können nicht nur gegen Tatverdächtige eingesetzt werden, sondern auch gegen unverdächtige Personen. Das Ermittlungsverfahren, das bis dahin Eingriffe in Rechte Unverdächtiger nur in sehr begrenztem Umfang vorsah, hat damit eine grundsätzliche Änderung erfahren.

Die von Datenschutzbeauftragten gemachten Vorschläge[120] wurden im Gesetzgebungsverfahren nicht berücksichtigt. Die einzige gegenüber den vorangegangenen Vorschlägen des Bundesrats vorgenommenen datenschutzrechtliche Verbesserung in der Gesetzesvorlage vom April 1991 wurde in den Beratungen im Bundestag wieder gestrichen. Es handelte sich um die Klarstellung, bei welchen Straftaten bestimmte schwerwiegende Ermittlunggsmethoden eingesetzt werden dürfen. Der für die Rasterfahndung und den Einsatz verdeckter Ermittler vorgesehene Straftatenkalalog wurde in den Gesetzesberatungen wieder fallen gelassen. Statt dessen wurde erneut der schwammige Begriff "Straftat von erheblicher Bedeutung" verwandt.

Einzige Verbesserung des verabschiedeten Gesetzes ist, daß auf Initiative der F.D.P.-Fraktion im Bundestag die Regelungen über den Einsatz technischer Mittel zum Abhören in Wohnungen und zu heimlichen Bildaufzeichnungen in Wohnungen entfallen sind. Allerdings wurde diese Frage unmittelbar nach Verabschiedung des OrgKG wieder aufgegriffen[121].

Seitenanfang 117 BVerfGE 65, S. 1, 44

118 Jahresbericht 1991, 3.6

119 Jahresbericht 1991, a.a.O.; BGBI, 1 1992, S. 1302

120 Jahresbericht 1991, Anlage 2.4

121 siehe 4.2,1


Jahresbericht 1991, 3.6 Justiz

Datenschutz in der Strafprozeßordnung läßt weiter auf sich warten

Der Entwurf für ein Strafverfahrensänderungsgesetz (STVÄG) vom Juni 1989, der die Aufnahme der erforderlichen Datenschutzbestimmungen in die Strafprozeßordnung vorsieht, ist noch immer nicht im Bundestag eingebracht worden.

Stattdessen liegt dem Bundestag ein überarbeiteter Entwurf des Bundesrates zu einem "Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität" (OrgKG) vor, der sich in bedenklicher Weise auf einzelne Probleme des Strafverfahrensrechts beschränkt.

Nachdem ein erster Entwurf des Bundesrates zum OrgKG der Diskontinuität zum Opfer gefallen ist[84], hat der Bundesrat im April 1991 erneut einen Gesetzentwurf beschlossen [85].

Der neue Gesetzentwurf zum OrgKG weist zwar datenschutzrechtliche Verbesserungen auf, indem er den Einsatz bestimmter schwerwiegender Ermittlungsmethoden (Rasterfahndung, verdeckte Ermittler) an einen Straftatenkatalog knüpft. Andere erhebliche Eingriffe in die Privatsphäre sollen allerdings noch immer an den schwammigen Begriff der "Straftaten von erheblicher Bedeutung" gebunden werden.

Auch der neue Gesetzentwurf beschränkt sich anders als sein Name vermuten läßt keineswegs auf die sog. Organisierte Kriminalität, sondern geht weit darüber hinaus. Es sind auch weiterhin geheime und seit Jahren umstrittene Ermittlungsmethoden vorgesehen. Heimliche Foto und Videoaufnahmen sollen ohne besondere Beschränkungen zulässig sein. Unverdächtige Personen können nach wie vor von derartigen Maßnahmen bereits betroffen sein, wenn es der "Erforschung des Sachverhalts" oder der "Ermittlung des Aufenthaltsorts des Täters" dient. Nicht einmal vor Wanzen, Peilsendern und Richtmikrophonen sollen unverdächtige Personen verschont bleiben. Wird "eine Verbindung" mit dem Täter vermutet, können gegen jede Person eine Wanzen oder andere Abhörgeräte eingesetzt werden. Während die Informationseingriffe der Strafverfolgungsbehörden in zum Teil bedenklichem Umfang erweitert werden, fehlen im Gesetzentwurf maßgebliche Datenschutzrechte der Bürger. So sind nach wie vor Akteneinsichtsrechte für Betroffene und differenzierte Regelungen über die Verarbeitung der erlangten personenbezogenen Daten nicht vorgesehen. Auch die schon im vorigen Entwurf enthaltenen verfassungsrechtlich bedenklichen Einschränkungen richterlicher Kontrollen zugunsten polizeilicher Eilanordnungen beim Einsatz geheimer Abhörmethoden wurden beibehalten.

Der Datenschutz stellt sich Bemühungen nicht entgegen, bei besonders gefährlichen Formen der Kriminalität auch besondere Ermittlungsmethoden einzusetzen. Über dieses Ziel schießt der Bundesratsentwurf jedoch hinaus.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben gegen die Stimme Bayerns am 25. Juni 1991[86] in einer Entschließung erneut auf die datenschutzrechtlich bedenklichen Regelungen in dem Gesetzentwurf zum OrgKG hingewiesen und halten es für geboten, daß Bundestag und Bundesrat im weiteren Gesetzgebungsverfahren diese Probleme aufgreifen und die wiederholt geäußerten datenschutzrechtlichen Vorschläge berücksichtigen.

[84] Jahresbericht 1990, 3.6

[85] Bundesrat Drs. 219/91

[86] Anlage 2.3

Zuletzt geändert:
am 09.02.97

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