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Anlage 2.11

Entschließung der 50. Konferenz am 09./10. November 1995 zur Weiterentwicklung des Datenschutzes in der Europäischen Union

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten der Europäischen Union hat am 8.9.1995 in Kopenhagen in einer Resolution im Hinblick auf die für 1996 geplante Regierungskonferenz dafür plädiert, anläßlich der Überarbeitung der Unions- und Gemeinschaftsverträge in einen verbindlichen Grundrechtskatalog ein einklagbares europäisches Grundrecht auf Datenschutz aufzunehmen. Die Schaffung rechtsverbindlicher Datenschutzregelungen für die Organe und Einrichtungen der Union sowie die Schaffung einer unabhängigen und effektiven Datenschutzkontrollinstanz der EU werden angemahnt. Dieser Resolution schließt sich die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder an. Sie hält angesichts der fortschreitenden Integration und des zunehmenden Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien in der EU eine Weiterentwicklung des Datenschutzes im Rahmen der EU für geboten.

Sie fordert die zuständigen Politiker und insbesondere die Bundesregierung auf, dafür einzutreten, daß im EU-Vertragsrecht ein Grundrecht auf Datenschutz aufgenommen wird, die materiellen Datenschutzregelungen in der EU verbessert werden, das Amt eines Europäischen Datenschutzbeauftragten geschaffen wird sowie eine parlamentarische und richterliche Kontrolle der Datenverarbeitung der im EU-Vertrag vorgesehen Instanzen sichergestellt wird.

Grundrecht auf Datenschutz

Bei einer Weiterentwicklung der Europäischen Union ist es unabdingbar, daß dem Grundrechtsschutz eine angemessene Bedeutung beigemessen wird. Dies sollte dadurch geschehen, daß die Verträge zur Europäischen Union mit einem Grundrechtskatalog ergänzt werden. Mit einer Entschließung vom 10.Februar1994 hat das Europäische Parlament einen Entwurf zur Verfassung der Europäischen Union zur Erörterung gestellt, der u.a. folgende Aussagen enthält: "Jeder hat das Recht auf Achtung und Schutz seiner Identität. Die Achtung der Privatsphäre und des Familienlebens, des Ansehens (...) wird gewährleistet".

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten ist mit ihrer Entschließung vom 28.4.1992 dafür eingetreten, daß in das Grundgesetz nach dem Vorbild anderer europäischer Verfassungen ein Grundrecht auf Datenschutz aufgenommen wird. Sie hat hierfür einen Formulierungsvorschlag gemacht. Auf ihren Konferenzen am 16./17.2.1993 und 9./10.3.1994 bekräftigten die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ihre Position. Diese Forderung wurde aber wegen des Nichterreichens der notwendigen qualifizierten Mehrheit durch den Gesetzgeber nicht umgesetzt.

Seitenanfang In Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft der Staaten der EU erhält der Dienstleistungs- und Informationssektor eine zunehmende Bedeutung. Dies hat zur Folge, daß mit hochentwickelten Informationstechnologien von privaten wie von öffentlichen Stellen verstärkt personenbezogene Daten verarbeitet und auch grenzüberschreitend ausgetauscht werden. Diese Entwicklung wird gefördert durch die Privatisierung und den rasanten Ausbau transeuropäischer elektronischer Telekommunikations-Netze. Dadurch gerät das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in besonderem Maße auf der überstaatlichen Ebene in Gefahr. Dieser Gefahr kann dadurch entgegengetreten werden, daß in einen in den überarbeiteten EU-Vertrag aufzunehmenden Grundrechtskatalog das Grundrecht auf Datenschutz und zu dessen Konkretisierung ein Recht auf unbeobachtete Telekommunikation aufgenommen werden. Dies hätte folgende positive Auswirkungen:
  • Anhand einer ausdrücklichen gemeinsamen Rechtsnorm kann sich eine einheitliche Rechtsprechung zum Datenschutz entwickeln, an die sowohl die EU-Organe wie auch die nationalen Stellen gebunden werden.
  • Ein solches Grundrecht wäre die Basis für eine Vereinheitlichung des derzeit noch sehr unterschiedlichen nationalen Datenschutzrechts auf einem hohen Niveau.
  • Den Bürgerinnen und Bürgern wird deutlich erkennbar, daß ihnen in einklagbarer Form der Datenschutz in gleicher Weise garantiert wird wie die traditionellen Grundrechte.
  • Das grundlegende rechtsstaatliche Prinzip des Datenschutzes wird dauerhaft, auch bei Erweiterung der EU, gesichert.
  • Mit der rechtlichen Konkretisierung eines Rechts auf unbeobachtete Telekommunikation würde der zunehmenden Registrierung des Verhaltens der Bürgerinnen und Bürger in der multimedialen Informationsgesellschaft entgegengewirkt und der Schutz des Fernmeldegeheimnisses auch nach dem Abbau der staatlichen Monopole im Sprachtelefondienst sichergestellt.

Materielle Datenschutzregelungen

Mit der kürzlich verabschiedeten EU-Datenschutzrichtlinie wird ein großer Fortschritt für den Datenschutz auf europäischer Ebene erreicht. Dies darf aber nicht den Blick dafür verstellen, daß in einzelnen Bereichen spezifische, dringend nötige Datenschutzregelungen fehlen. Insbesondere sind folgende Bereiche regelungsbedürftig:

  • Es bedarf eines für die EU-Institutionen verbindlichen eigenen Datenschutzrechts. Die datenschutzrechtliche Verantwortung der Mitgliedstaaten einschließlich ihrer Datenschutzkontrolle der Übermittlung von Daten an EU-Institutionen bleibt dabei unberührt.
  • Die geplante ISDN-Datenschutzrichtlinie darf weder einer völlig falsch verstandenen Subsidiarität zum Opfer fallen noch in unzureichender Form verabschiedet werden.
  • Die im Bereich der Statistik bestehenden datenschutzrechtlichen Defizite sind abzubauen.
  • Es soll eine Technikfolgenabschätzung bei der Förderung und Einführung neuer Informationstechniken mit Personenbezug durch die EU obligatorisch eingeführt werden.
  • In den Bereichen Inneres und Justiz sind aufeinander abgestimmte verbindliche Regelungen mit hohem Datenschutzstandard, die die Datenverarbeitung in Akten und die Sicherung der Datenschutzkontrolle mit umfassen, zu schaffen.
  • Es bedarf der Harmonisierung des Arbeitnehmerdatenschutzes auf hohem Niveau in den Staaten der EU.
  • Für das Personal der EU-Organe ist der Arbeitnehmerdatenschutz sicherzustellen, was z.B. bei der Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen insbesondere unter Beteiligung von Behörden der Heimatstaaten von großer Bedeutung ist.

Es ist zu prüfen, inwieweit Informationszugangsrechte in weiteren Bereichen eingeführt werden sollen.

Europäischer Datenschutzbeauftragter

Die Konferenz der EU-Datenschutzkontrollinstanzen (25./26.Mai 1994, 8. September1995) und die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (25. August 1994) haben darauf hingewiesen, daß es an einer unabhängigen und effektiven Datenschutzkontrollinstanz fehlt, an die sich jeder wenden kann, wenn er der Ansicht ist, bei der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch Stellen der EU in seinen Rechten verletzt zu sein. Aufgabe eines Europäischen Datenschutzbeauftragten sollte die Behandlung aller Datenschutzbelange der EU sein. Dazu gehört nicht nur die Bearbeitung von Betroffeneneingaben, sondern auch die datenschutzrechtliche Beratung der EU-Organe und -Einrichtungen sowie deren anlaßunabhängige Kontrolle, die Begleitung informationstechnischer EU-Projekte und der entsprechenden EU-Normsetzung sowie die Zusammenarbeit mit den nationalen Kontrollinstanzen. Wegen der teilweise anders gelagerten Aufgaben sollen die Funktionen des Europäischen Datenschutzbeauftragten und des Bürgerbeauftragten nach den EG-Verträgen nicht vermengt werden. Die Bundesregierung sollte im Rahmen der Vorbereitung der Regierungskonferenz 1996 darauf hinwirken, daß ein unabhängiger Europäischer Datenschutzbeauftragter in den Verträgen über die Europäische Union institutionell abgesichert wird.

Parlamentarische und richterliche Kontrolle

Bei der Zusammenarbeit der EU-Staaten in den Bereichen Justiz und Inneres muß mit Besorgnis festgestellt werden, daß eine ausreichende parlamentarische und richterliche Kontrolle im EUV derzeit nicht gewährleistet ist. Die geplante Europol-Konvention ist hierfür ein Beispiel. Mit unbestimmten Formulierungen werden einem fast völlig freischwebenden Europäischen Polizeiamt informationelle Befugnisse eingeräumt, einem Amt, das keiner parlamentarischen Verantwortlichkeit und nur einer unzureichenden (teils nur nationalen) Rechtskontrolle unterworfen wird. Zur Wahrung des Datenschutzes bei der Umsetzung gemeinsamer Maßnahmen in den Bereichen Justiz und Inneres muß daher - unbeschadet der Kon-trolle durch die nationalen Datenschutzbehörden - auch eine im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten lückenlose Kontrolle durch die nationalen Parlamente und Gerichte sowie durch das Europäische Parlament und den Europäischen Gerichtshof sichergestellt werden.

Zuletzt geändert:
am 09.02.97

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