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5.5 Inneres

5.5.1 Polizei

Bundeskriminalamt

Noch immer entbehrt die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch das Bundeskriminalamt (BKA) einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage, die dem rechtstaatlichen Gebot der Normenklarheit genügt. In einem Fall, in dem ein Kläger die Löschung der zu seiner Person beim BKA gespeicherten Daten begehrte, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung mittlerweile bestätigt [107]. Die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 BKA-G [108]genügen nach Auffassung des Gerichtes den Anforderungen an eine bereichsspezifische Regelung nicht. Sie stellen lediglich eine Aufgabenzuweisung an das Bundeskriminalamt dar. Die Voraussetzungen für die Befugnis zur Datenspeicherung bzw. für die Verpflichtung zur Datenlöschung personenbezogener Daten sind darin nicht geregelt. Auch auf den sogenannten Übergangsbonus könne die Datenverarbeitung beim BKA nicht mehr gestützt werden, da seit dem Volkszählungsurteil im Jahr 1983 bereits 12 Jahre vergangen sind, ohne daß der Gesetzgeber die erforderlichen bereichsspezifischen Regelungen erlassen hat. Dies hat zur Folge, daß die Betroffenen Eingriffe in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung seit 12 Jahren hinnehmen müssen, ohne daß dafür eine Ermächtigungsgrundlage existiert. Die dem Gesetzgeber zustehende Übergangszeit soll diesem ausreichend Zeit für Beratung und Erlaß der entsprechenden Regelungen geben. Sie dient - so führt das Gericht aus - nicht dem Zweck, eine rechtswidrige Praxis zu legitimieren. Der Entwurf eines BKA-Gesetzes [109] wird zur Zeit im Bundestag beraten. Wann mit einer Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes zu rechnen ist, ist derzeit noch nicht absehbar.

Am 17. November 1995 hat das BKA die Errichtungsanordnung für eine Arbeitsdatei PIOS-Osteuropäer (APOE) erlassen und die Innenressorts der Länder gebeten, die nach Nr. 10 Abs. 2 Dateienrichtlinie erforderliche Zustimmung für die Einrichtung der Verbunddatei zu erteilen.

Gegen die Einrichtung der APOE haben wir Bedenken geäußert und dabei insbesondere auf die Unbestimmtheit des Dateizweckes hingewiesen. Im Gegensatz zu den bereits eingerichteten PIOS-Dateien wird mit der APOE nicht die Verfolgung oder Vorbeugung von Straftaten in konkret bestimmten Kriminalitätsbereichen bezweckt. Als Abgrenzungskriterium wird vielmehr allein auf die geographische Herkunft der Täter (Osteuropa) abgestellt. Darüber hinaus ist bereits die Erforderlichkeit zu bezweifeln. Zur Bekämpfung der Bereiche "organisierte Kriminalität" und "Drogenkriminalität" existieren bereits die PIOS-Dateien APOK und APR, auf die auch im Zusammenhang mit der Bekämpfung osteuropäischer Tätergruppen zurückgegriffen werden kann. Demgegenüber hat die Senatsverwaltung für Inneres der Einrichtung von APOE durch Verstreichenlassen der Einwendungsfrist zugestimmt und dazu ausgeführt, es sei aus kriminalpolizeilicher Sicht unverzichtbar, "jedes Mittel zu nutzen, das zu einer besseren Bekämpfung der Kriminalität osteuropäischer Tätergruppierungen beitragen kann".

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Probleme mit dem ASOG

Auf Antrag eines Bürgers wurde ein Sonderparkplatz für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung vor seinem zukünftigen Wohnhaus eingerichtet. Im Nachhinein wurden der Polizei Umstände bekannt, die darauf hinwiesen, daß die im Antrag benannten Wohnräume als Gewerberäume genutzt werden. Daraufhin befragte die Polizei den Vermieter, der der Polizei Einzelheiten aus dem Mietvertrag mitteilte.

Die Polizei stützte die Datenerhebung beim Vermieter auf § 18 Abs. 3 ASOG und erklärte, daß die Befragung Dritter schon dann möglich sei, wenn Tatsachen vorliegen, daß diese sachdienliche Angaben machen können, die für die Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Das ist unzutreffend. § 18 Abs. 3 ASOG enthält lediglich die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Befragung. Die Befragung Dritter ohne Kenntnis des Betroffenen wird vielmehr durch § 18 Abs. 4 ASOG eingeschränkt. Darin sind abschließend deren Voraussetzungen geregelt, wenn die Befragung der betroffenen Person

  • nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist,
  • einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde und schutzwürdige Belange der betroffenen Person nicht entgegenstehen,
  • die Erfüllung der Aufgaben gefährden würde.

Keine der drei Tatbestandsalternativen waren im vorliegenden Fall gegeben. Hier hätte beim Betroffenen selbst zum Inhalt des Mietvertrages nachgefragt werden müssen.

Die Senatsverwaltung für Inneres hat in einem weiteren Fall ausgeführt, daß auch Befragungen Dritter erfolgen können, ohne daß die Bedingungen des § 18 Abs. 4 ASOG vorliegen müssen, wenn der Betroffene kurz und formlos über die Befragung unterrichtet wird. Diese Rechtsauffassung entspricht weder dem Sinn noch dem Zweck der Regelungen in § 18 Abs. 4 ASOG. Der Einzelne kann sein Recht, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten bestimmen zu dürfen [110] nur ausüben, wenn ihm die Behörde auch Gelegenheit dazu gibt. Dementsprechend verpflichtet § 18 Abs. 4 ASOG Ordnungsbehörden und die Polizei, Angaben über den Betroffenen grundsätzlich unmittelbar bei diesem einzuholen. Nur dadurch erhält der Betroffene die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche Informationen er über sich preisgibt und zu welchem Zweck sie verwendet werden sollen. Im Rahmen des § 18 Abs. 4 ASOG ist daher ausschließlich zwischen dem Grundsatz, Befragungen an den Betroffenen selbst zu richten, und der Ausnahme, unter besonderen Voraussetzungen auch Dritte befragen zu können, zu differenzieren. Eine weitergehende Auslegung des Wortlautes der Bestimmungen dahingehend, daß Befragungen mit Kenntnis des Betroffenen an Dritte gerichtet werden können, ohne daß die weiteren Voraussetzungen vorliegen müssen, entspricht dem nicht.

In unserem letzten Jahresbericht hatten wir kritisiert, daß die Polizei das Akteneinsichtsrecht des ASOG "nur als Möglichkeit zur Arbeitserleichterung" ansah [111]. Demgemäß erteilt die Polizei regelmäßig nur Auskunft aus den Akten statt dem Betroffenen Akteneinsicht zu gewähren. Das Akteneinsichtsrecht ist Ausfluß des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, und § 50 Abs. 6 ASOG ist im Lichte dieses Grundrechtes auszulegen, d.h., in jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob die Gewährung von Akteneinsicht möglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es für den Betroffenen ein fundamentaler Unterschied ist, ob ihm über den Inhalt der Akte Auskunft erteilt wird oder ob er die Gelegenheit hat, die Unterlagen einzusehen. Zwischenzeitlich hat der Polizeipräsident zwar klargestellt, daß bei jedem Akteneinsichtsantrag eine Einzelfallprüfung erfolge; sind wir davon ausgegangen, daß hierbei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen häufig hinreichend berücksichtigt wird. Dies ist offenbar aber nach wie vor nicht der Fall. Im Zusammenhang mit der Auskunftsanweisung des Landesamtes für Verfassungsschutz [112] hat die Polizei wiederum darauf hingewiesen, daß es nur in wenigen Einzelfällen zweckmäßig sein könne, von der vom Gesetzgeber im ASOG "aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eingeräumten Möglichkeit, Akteneinsicht zu gewähren" Gebrauch zu machen.. Die von der Polizei vorgenommene Auslegung der Norm stellt weiterhin einseitig die Interessen der Polizei in den Vordergrund und ist somit rechtswidrig.

Anhörung der Polizei bei Namensänderungsverfahren

Eine Bürgerin beantragte beim zuständigen Bezirksamt die Änderung ihres Vornamens. Sie war überrascht, als ihr im Rahmen der Antragsbearbeitung vorgehalten wurde, daß über sie wegen mehrerer Strafverfahren (z.B. wegen Körperverletzung und Beleidigung) Daten bei der Polizei gespeichert sind. Von den Datenspeicherungen hatte die Petentin selbst zuvor keine Kenntnis. Die Polizei hat nach unserer Prüfung die Daten der Bürgerin gelöscht.

Die Polizei übermittelt den Bezirksämtern auf deren Anfrage die Aktenzeichen und Verfahren, zu denen Antragsteller auf Namensänderung als Beschuldigte in kriminalpolizeilichen Datensammlungen gespeichert sind.

Eine Rechtsgrundlage hierfür fehlt. Insbesondere kann die Datenübermittlung nicht auf § 3 Abs. 2 Namensänderungsgesetz gestützt werden. Danach sind die für die Entscheidung über die Namensänderung erheblichen Umstände von Amts wegen festzustellen und die zuständige "Ortspolizei" zu hören. Eine Befugnis zur Übermittlung von Daten der Betroffenen durch die Polizei an die den Namensänderungsantrag bearbeitende Stelle ist darin nicht zu sehen.

Im Rahmen der Anhörung ist es nicht erforderlich mitzuteilen, ob über den Antragsteller Vorgänge bei der Polizei gespeichert sind. Keinesfalls ist die Übermittlung von konkreten Aktenzeichen für die Aufgabenerfüllung der den Namensänderungsantrag bearbeitenden Stelle erforderlich. Vielmehr ist für die vorgesehene Anhörung der Polizei die Mitteilung ausreichend, ob generell Bedenken gegen die Namensänderung bestehen.

Datenübermittlungen an die Jugendgerichtshilfe

Die Polizei unterrichtet in jedem Strafermittlungsverfahren, das gegen Jugendliche oder Heranwachsende geführt wird, bereits vor Abgabe des Verfahrens an die Staats- bzw. Amtsanwaltschaft die zuständige Jugendgerichtshilfe. Als Rechtsgrundlage für das Verfahren verweist die Polizei auf § 38 Abs. 3 Jugendgerichtsgesetz (JGG) und führt dazu aus, daß anders die Verpflichtung der Strafverfolgungsorgane, die Jugendgerichtshilfe im gesamten Verfahren heranzuziehen, nicht erfüllt werden könnte.

Zutreffend ist, daß § 38 Abs. 3 JGG grundsätzlich zur Datenübermittlung an die Jugendgerichtshilfe berechtigt bzw. sogar verpflichtet. Nicht geregelt ist jedoch in § 38 Abs. 3 JGG, welche Stelle die Jugengerichtshilfe zu unterrichten hat. Herr des Ermittlungsverfahrens ist die Staatsanwaltschaft. Nur sie - und nicht die Polizei, die für die Staatsanwaltschaft als Hilfsbeamte tätig wird - hat über die Einschaltung der Jugendgerichtshilfe zu entscheiden.

Die Beteiligung der Jugendgerichtshilfe am gesamten Strafverfahren soll in erster Linie Schutz und Hilfe für den Jugendlichen bieten. Dies darf nicht in sein Gegenteil verkehrt werden. Bei einer pauschalen undifferenzierten Mitteilung über geführte Ermittlungsverfahren an die Jugendgerichtshilfe besteht die Gefahr unnötiger Bloßstellung oder Stigmatisierung des Betroffenen. Dies widerspricht dem Erziehungsgedanken des Jugendgerichtsgesetzes. Dem entspricht auch, daß die Arbeit für den Ermittlungsbericht durch die Jugendgerichtshilfe grundsätzlich erst nach Eingang der Anklageschrift bzw. des Antrages auf Erlaß eines Haftbefehles einzusetzen hat, da die Jugendgerichtshilfe selbst nicht über die Begründung des Verdachtes über einen bloßen Anfangsverdacht hinaus entscheiden kann.

Nach § 70 Satz 1 JGG wird die Jugendgerichtshilfe von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Entsprechend der Regelung in Nr. 6 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) ist davon auszugehen, daß nach dieser spezialgesetzlichen Übermittlungsbefugnis nur Verfahren mitgeteilt werden dürfen, bei denen ein begründeter Tatverdacht gegeben ist. Ob dies der Fall ist, ist von der Staatsanwaltschaft zu prüfen. Dementsprechend hat auch die Mitteilung nach § 70 Satz 1 JGG - ebenso wie die Mitteilung nach Nr. 6 MiStra - durch die Staatsanwaltschaft zu erfolgen. Über die bloße Mitteilung hinausgehende Daten dürfen aus den genannten Gründen erst dann an die Jugendgerichtshilfe übermittelt werden, wenn die Anklageschrift bzw. der Antrag auf Erlaß eines Haftbefehles vorliegen. Dies hat insbesondere den Sinn, unschuldig in Verdacht geratene Jugendliche bzw. Heranwachsende vor voreiligen Eingriffen in ihre Privatsphäre zu schützen.

Unsere Fortsetzungsgeschichte: Prostituiertenkartei

Nachdem Ende 1994 vom Berliner Datenschutzbeauftragten und dem Polizeivizepräsidenten ein gemeinsames Positionspapier zu der Kartei erarbeitet worden war, gingen wir davon aus, daß die Kartei künftig in datenschutzgerechter Weise geführt wird. In dem Positionspapier wird hervorgehoben, daß künftig Kontrollen auf dem Straßenstrich oder in bordellähnlichen Betrieben nur noch gezielt nach Vorgabe der Fachdienststellen durchgeführt werden und die Vorgabe dokumentiert wird. Weiterhin soll auf absehbare Zeit eine inhaltliche, nicht auf Fristen beschränkte Durchsicht der Kartei im Hinblick auf die Erforderlichkeit für die Bekämpfung des Menschenhandels und der ausbeuterischen Zuhälterei erfolgen.

Eine inhaltliche Gesamtdurchsicht der Kartei ist nach wie vor nicht erfolgt. Inhaltliche Prüfungen beschränken sich auf die Einzelfallbearbeitung. Die (ohnehin übliche) jährliche Gesamtdurchsicht erfolgte nur im Hinblick auf die Aufbewahrungsfristen. Es wurden keine Maßnahmen ergriffen, die sicherstellen, daß die Gründe für die Erfassung einer Person in der Datei nachvollziehbar dokumentiert werden. Die Verwendung andersfarbiger Karteikarten, aus welchen textlich der Erfassungsgrund (z.B. "angetroffen als Prostituierte") hervorgeht, reicht hierfür nicht aus. Daß das "Antreffen als Prostituierte" nach wie vor als Erfassungsgrund genannt wird, ist befremdlich, da schon vor Jahren der Konsens erzielt wurde, daß diese Tatsache allein für eine Speicherung nicht ausreichend ist[113].

Zuletzt geändert:
am 08.02.97

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