5. Aus den Geschäftsbereichen der Verwaltung5.1 SenatskanzleiGeheimniskrämerei um den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland oder: Der gläserne OrdensempfängerJeder kann einen Vorschlag machen, wem der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland - insbesondere das Bundesverdienstkreuz - vom Bundespräsidenten verliehen werden sollte. Diese Vorschläge werden in Berlin von der Senatskanzlei als zuständiger Ordensbehörde gesammelt und überprüft. Vor einer Weiterleitung der Vorschläge werden umfangreiche Ermittlungen über die vorgeschlagenen Personen angestellt, insbesondere werden unbeschränkte Auskünfte beim Bundeszentralregister über etwaige Vorstrafen, Auskünfte beim Polizeipräsidenten über laufende Ermittlungsverfahren, die im Informationssystem Verbrechensbekämpfung gespeichert sind, sowie Auskünfte beim Bundesarchiv über mögliche belastende Informationen im ehemaligen Berlin Document Center aus der Zeit des Nationalsozialismus eingeholt. Diese Ermittlungen werden ohne Wissen und ohne Einwilligung des Vorgeschlagenen angestellt. Die Senatskanzlei, die bisher in dieser Weise verfahren war, bekam Zweifel an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit dieser Vorgehensweise und wandte sich an uns mit der Bitte um Rat. Dabei wies sie zusätzlich darauf hin, daß auch überlegt werde, ob bei der Vorprüfung von Ordensvorschlägen Auskünfte beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, bei den Verfassungsschutzämtern des Landes und des Bundes, beim Militärischen Abschirmdienst und beim Bundesnachrichtendienst eingeholt werden könnten. Das Bundesgesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen enthält selbst keinerlei Bestimmungen über die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. Bei der Durchführung von Bundesgesetzen durch die Berliner Landesverwaltung sind in derartigen Fällen die einschlägigen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes zur Lückenschließung heranzuziehen. Grundsätzlich sind personenbezogene Daten danach beim Betroffenen zu erheben. Ausnahmen von diesem Grundsatz läßt das Bundesdatenschutzgesetz nur zu, wenn entweder eine Rechtsvorschrift die Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen zwingend voraussetzt oder die zu erfüllende Verwaltungsaufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen erforderlich macht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden.
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Das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen sieht weder die
Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen ausdrücklich vor,
noch setzt es sie zwingend voraus. Man kann sich zwar auf den Standpunkt
stellen, daß die zu erfüllende Verwaltungsaufgabe (Vorbereitung
einer Ordensverleihung) ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen
erforderlich macht, weil der vorgeschlagene Bürger sich möglicherweise
in einem zu positivem Licht darstellt. Sehr zweifelhaft ist aber, ob nicht
überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen durch diese
Form der Datenerhebung beeinträchtigt werden. Diese Frage läßt
sich nicht pauschal, sondern nur bezogen auf die Art der Informationen
beantworten, die die Ordensbehörde bei dritten Stellen erhebt. Genauer
gesagt: Es hängt im Einzelfall davon ab, welche Daten im
Bundeszentralregister oder beim Polizeipräsidenten über den
vorgeschlagenen Bürger gespeichert sind, ob durch die Übermittlung
dieser Daten an die Ordensbehörde schutzwürdige Belange des Betroffenen
beeinträchtigt werden. Letztlich kann nur der Betroffene selbst entscheiden,
ob seine Daten der Ordensbehörde zur Verfügung gestellt werden
sollen, nachdem er von diesen Daten Kenntnis erhalten hat. Die Senatskanzlei
ist damit nicht berechtigt, hinter seinem Rücken Informationen zur
Vorbereitung eines Ordensvorschlages zu erheben.
Zusätzlich zur - fehlenden - Erhebungsbefugnis der Ordensbehörde müßte außerdem immer auch eine korrespondierende Übermittlungsbefugnis der datenverarbeitenden Stelle vorliegen, bei der die Ordensbehörde Auskünfte einholen will. Die Ausführungsbestimmungen zum Statut des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sehen vor, daß nur eine Verurteilung wegen eines Verbrechens eine Auszeichnung mit dem Verdienstorden generell ausschließt, eine Verurteilung wegen eines Vergehens jedoch lediglich unter bestimmten Voraussetzungen. Diesen Bestimmungen ist nicht zu entnehmen, daß andere gerichtliche Entscheidungen und Entscheidungen von Verwaltungsbehörden (z.B. Ausweisungen, Paßversagungen und -entziehungen), die ebenfalls im Bundeszentralregister eingetragen sind, Einfluß auf die Auszeichnung haben können. Die bisher übliche Einholung einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister ist deshalb unverhältnismäßig. Sie sollte - auch mit Einwilligung des Vorgeschlagenen - in Zukunft auf Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen beschränkt werden. Auch die Polizei hat keine gesetzliche Befungnis, ohne Einwilligung des Betroffenen über laufende Ermittlungsverfahren der Ordensbehörde Auskünfte zu erteilen. Über Informationen, die nach den Ausführungsbestimmungen zum Statut des Verdienstordens einer Auszeichnung entgegenstehen könnten, verfügt die Polizei nicht. Eine Information über laufende Ermittlungsverfahren gegen eine für die Auszeichnung vorgeschlagene Person ist auch nicht zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich. Eine Einholung von Auskünften bei der Polizei über etwaige laufende Ermittlungsverfahren gegen Personen, die für eine Auszeichnung vorgeschlagen worden sind, verstieße auch gegen die Unschuldsvermutung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es ist zwar nicht zu bestreiten, daß die Öffentlichkeit mit Unverständnis reagieren könnte, wenn rechtskräftige Verurteilungen eines mit dem Verdienstorden ausgezeichneten Bürgers später in der Öffentlichkeit bekannt würden. Diese Gefahr besteht jedoch auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Ordensverleihung nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist oder der Betroffene erst später straffällig wird. Auch das Bundesarchivgesetz, das auf die früher unter amerikanischer Hoheit stehenden Unterlagen des Berlin Document Center anzuwenden ist, läßt Auskünfte zur Prüfung der Ordenswürdigkeit nur in engen Grenzen zu. Insgesamt ist die Anwendung des Bundesarchivgesetzes auf Auskünfte aus dem Document Center nicht befriedigend, weil dieses Gesetz nur die Verwendung von Unterlagen für Forschungszwecke, nicht aber für Zwecke des Verwaltungsvollzuges regeln soll. Wir haben deshalb angeregt, auf Bundesebene die Ergänzung des Bundesarchivgesetzes um eine spezielle Vorschrift zur Nutzung der Unterlagen des Document Center für Verwaltungszwecke vorzuschlagen. Schließlich enthalten weder das Stasi-Unterlagen-Gesetz noch die gesetzlichen Grundlagen für die Verfassungsschutzämter des Bundes und des Landes Berlin, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes Befugnisse zur Auskunftserteilung an Ordensbehörden. Die Senatskanzlei hat zunächst - unserem Vorschlag entsprechend - die Einwilligung von Bürgern, die für den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen wurden, in eine Überprüfung durch Einholung von Auskünften bei dem Landeseinwohneramt, dem Bundeszentralregister und dem Polizeipräsidenten in Berlin eingeholt. Wer diese Einwilligung verweigerte, kam für einen Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters zur Verleihung des Verdienstordens nicht in Betracht. Hierauf wurde er ausdrücklich hingewiesen. Dieses Verfahren ist datenschutzgerecht. Nach etwa einem halben Jahr teilte uns die Senatskanzlei allerdings mit, sie sehe sich durch Stellungnahmen des Bundespräsidialamtes und des Bundesministeriums des Innern, die mit dem Bundesministerium der Justiz abgestimmt worden sei, daran gehindert, weiterhin die Einwilligung des vorgeschlagenen Bürgers einzuholen, und werde deshalb zum bisherigen Verfahren der Überprüfung ohne Beteiligung der vorgeschlagenen Person zurückkehren. Das Bundesministerium des Innern war der Auffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz entgegengetreten, der eine bereichsspezifische Ergänzung des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen empfohlen hatte, um das bisherige Überprüfungsverfahren auf eine datenschutzgerechte Grundlage zu stellen. Dabei vertrat das Bundesministerium des Innern die erstaunliche Auffassung, die Ordensverleihung sei eine Aufgabe, die ihrer Art nach Vertraulichkeit auch bereits hinsichtlich der Einleitung des Verfahrens auf Prüfung der Ordenswürdigkeit erfordere. Würde man den Betroffenen vor Prüfung seiner Ordenswürdigkeit über den Vorgang informieren und seine Einwilligung einholen, hätte dies zur Folge, daß die notwendige Vertraulichkeit nicht mehr gewahrt würde und beim Betroffenen "eine konkrete Erwartungshaltung geweckt würde". Die vorgeschlagene Person müsse insoweit Einschränkungen ihres informationellen Selbstbestimmungsrechtes im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. In die erforderliche Abwägung sei auch einzubeziehen, zu welchen Zwecken Angaben verlangt werden und welche Verknüpfungs- und Verwendungsmöglichkeiten bestehen. Die Vergabe von Orden erfolge als Anerkennung besonderer Verdienste für das Gemeinwohl. Die Datenerhebung diene also ausschließlich der "Vorbereitung eines Gunsterweises". Daher bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. Das Bundesinnenministerium ging noch einen Schritt weiter und äußerte sich auch zu der Frage, ob der vorgeschlagene Bürger einen Auskunftsanspruch gegen das Bundespräsidialamt über die zu seiner Person gespeicherten Daten habe. Es lehnte diesen Auskunftsanspruch mit der schwer nachzuvollziehenden Begründung ab, die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Ordnungsbehörden würde durch die Auskunftserteilung gefährdet. Nur wenn darauf vertraut werden könne, daß Angaben in Ordensangelegenheiten vertraulich behandelt und nicht offenbart würden, seien offene und umfassende Auskünfte über den Vorgeschlagenen zu erwarten, ohne die die Ordenswürdigkeit nicht beurteilt werden kann. Wir haben der Senatskanzlei mitgeteilt, daß das Bundesinnenministerium bei seiner Bewertung völlig übersehen hat, daß bei der Vorprüfung in Ordensangelegenheiten höchst sensible Informationen über den Betroffenen zusammengezogen werden, die möglicherweise fehlerhaft oder veraltet sind. Allein dieser Umstand führt zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange des Betroffenen, unabhängig davon, ob es später zu einem Vorschlag oder sogar zu einer Ordensverleihung kommt. Völlig unvertretbar ist insbesondere die Auffassung des Bundesinnenministeriums, der Betroffene habe noch nicht einmal ein Auskunftsrecht gegenüber dem Bundespräsidialamt über die zu seiner Person dort gespeicherten Daten. Daß durch eine Auskunftserteilung an den Betroffenen die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Ordensbehörden gefährdet werden sollen, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Wir verkennen nicht, daß Ordensverleihungen wesentlich darauf beruhen, daß Vorschläge von Dritten gemacht und glaubwürdige Beurteilungen des Betroffenen bei Dritten eingeholt werden können. Diese Überlegung rechtfertigt es jedoch nicht, zum Zwecke der Ordensverleihung geheime Dossiers über den Betroffenen zu erstellen, von deren Inhalt dieser auch auf Verlangen keine Kenntnis erhält. Statt eines "Gunsterweises" wird das Verfahren der Ordensverleihung dadurch insgesamt zu einer massiven Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts derjenigen Personen, deren Vorschlagswürdigkeit die Senatskanzlei überprüft. Die Senatskanzlei hat sich unseren Rechtsstandpunkt zu eigen gemacht und ihn dem Bundesministerium des Innern und dem Bundespräsidialamt mitgeteilt. Inzwischen teilt auch das Bundesministerium der Justiz die Auffassung der Datenschutzbeauftragten, daß die gegenwärtige Rechtslage unzureichend ist. Gegenwärtig wird versucht, eine datenschutzgerechte Lösung zu finden. Jetzt schon gilt: Zu einem republikanischen Staatswesen darf das Verfahren zur Ordensverleihung nicht länger geheim betrieben werden. Begnadigung von StraftäternEine Boulevardzeitung berichtete darüber, daß der Senat nach kontroverser Diskussion es abgelehnt habe, einen zu lebenslänglicher Haft verurteilten Straftäter zu begnadigen. In dem Artikel wurden Einzelheiten über den betroffenen Strafgefangenen und die Opfer seiner 20 Jahre zurückliegenden Straftat in teilweise personenbezogener Form genannt. Wir haben den Vorfall zum Anlaß genommen, das Verfahren in Gnadensachen datenschutzrechtlich zu überprüfen. Nach der Verfassung von Berlin übt der Senat das Recht der Begnadigung aus (Art. 81). Er hat in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen den vom Abgeordnetenhaus gewählten Ausschuß für Gnadensachen zu hören. Bei Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung liegt die Gnadenentscheidung stets beim Senat, im übrigen ist sie auf die Senatorin für Justiz übertragen. Will diese bei ihrer Entscheidung von der Stellungnahme des Gnadenausschusses abweichen, so ist wiederum die Entscheidung des Senats herbeizuführen. Senatsvorlagen in Gnadensachen werden vertraulich außerhalb der Tagesordnung behandelt. Die Vorlagen betreffend Gnadensachen wurden bisher in personenbezogener Form den einzelnen Senatsmitgliedern im verschlossenen Umschlag und in der Senatskanzlei zusammen mit dem übrigen Sitzungsmaterial allen an der Vorbereitung einer Senatssitzung beteiligten Stellen zugeleitet. Nach der Entscheidung im Senat wurde der entsprechende Beschluß in das förmliche Protokoll über die Senatssitzung aufgenommen. Es konnte nicht festgestellt werden, auf welche Weise in dem beschriebenen Fall Informationen an die Presse gelangt waren. Auf Vorschlag der Senatorin für Justiz hat der Senat allerdings aus diesem Anlaß beschlossen, das Verfahren in Gnadensachen in Zukunft so zu ändern, daß Vorlagen der Senatsverwaltung für Justiz künftig nur noch anonymisiert, d. h. ohne Nennung des Namens und des Geburtsdatums des Betroffenen, in dem Senat einzubringen sind. Nur der Regierende Bürgermeister wird auf seinen Wunsch ein Exemplar der Senatsvorlage mit vollständigen Personalangaben verschlossen erhalten. Ferner soll die Anzahl der Exemplare verringert werden. Schließlich wird von der Aufnahme des Wortlauts der Senatsentscheidung in das Senatsprotokoll zukünftig abgesehen; statt dessen wird lediglich ein (nachrichtlicher) Hinweis in das Protokoll aufgenommen, daß der Senat über die Gnadensache "Aktenzeichen..." entschieden hat. Der Regierende Bürgermeister hat zudem öffentlich erklären lassen, er lege Wert darauf, daß auch weiter die Behandlung der Gnadensachen nicht durch Indiskretionen aus dem Senat und reißerische Darstellungen in der Öffentlichkeit gestört wird. Auch wenn die praktische Verfahrensweise in Gnadensachen im Anschluß an diesen Vorfall aus Sicht des Datenschutzes deutlich verbessert worden ist, bleibt festzustellen, daß die vorhandenen Regelungen über Gnadenentscheidungen ( Gesetz über den Ausschuß für Gnadensachen vom 19. Dezember 1968 [75], die Anordnung des Senats vom 29. September 1987 über die Ausübung des Begnadigungsrechts [76] und die von der Senatorin für Justiz erlassene Gnadenordnung vom 23. Juli 1990 [77] in datenschutzrechtlicher Hinsicht unzureichend sind. Sicherheitsüberprüfungen - Rechtsgrundlage fehlt noch immerDas Fehlen hinreichender Rechtsvorschriften für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung ist derzeit der bedeutendste Mangel der Berliner Gesetzgebung [78]. Es war deshalb zu begrüßen, daß gegen Ende der Legislaturperiode endlich der Entwurf eines "Gesetzes über den Geheim- und personellen Sabotageschutz im Land Berlin - Geheimschutzgesetz -" vorlag. Allerdings wies der Gesetzentwurf erhebliche datenschutzrechtliche Defizite auf, wobei die weitgehende Anlehnung an das Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes (SÜG-Bund) datenschutzfreundlichere Detailregelungen auf Landesebene nicht ausschließt. So wird der von Sicherheitsüberprüfungen betroffene Personenkreis sehr weit gefaßt. Angesichts der sichernden Verfahrensregelungen beim Umgang mit Verschlußsachen sollten hiervon nicht Personen erfaßt werden, bei denen nur die Möglichkeit besteht, daß sie sich Zugang zu Verschlußsachen verschaffen können. Soweit Sicherheitsüberprüfungen zum Schutz von "lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen" vorgesehen sind, dürfen sie nur Personen betreffen, die dort an "sicherheitsempfindlichen Stellen" tätig sind. Die Datenschutzkonferenz hat hierzu gefordert, daß Sicherheitsüberprüfungen auf die Bereiche beschränkt bleiben müssen, in denen einer erheblichen Bedrohung für das Leben zahlreicher Menschen vorgebeugt werden muß [79]. Es muß konkreter gefaßt werden, was "lebens- und verteidigungswichtige Einrichtungen" sind, und die betroffenen öffentlichen oder privaten Einrichtungen sollten in einer Rechtsverordnung bestimmt werden [80]. Nur so ist für die betroffenen Mitarbeiter erkennbar, unter welchen Voraussetzungen sie von diesen erheblich in ihr Persönlichkeitsrecht eingreifenden Maßnahmen betroffen werden können. Es ist für den Betroffenen nicht hinreichend erkennbar, mit welcher Verarbeitung welcher Daten er im Zusammenhang mit der Sicherheitsüberprüfung konkret zu rechnen hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfes wäre nicht ausgeschlossen, daß medizinische Daten, die Vermögensverhältnisse, sexuelles Verhalten und andere sensible Angaben aus seiner Privat- und Intimsphäre erfaßt werden. Es muß sichergestellt werden, daß die Erkenntnisgewinnung für die Sicherheitsüberprüfung nicht in die Kernbereiche des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Zu begrüßen ist, daß Informationen über persönliche, dienstliche und arbeitsrechtliche Verhältnisse der Betroffenen zur Sicherheitsakte nur zu nehmen sind, soweit sie für die sicherheitsmäßige Beurteilung erforderlich sind. Im Hinblick auf die Erfahrungen anderer Datenschutzbeauftragter, die eine "große Sammelwut der Landesämter für Verfassungsschutz" festgestellt haben, ist der Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes bei der Speicherung personenbezogener Daten besondere Bedeutung beizumessen. Es sollte klargestellt werden, welcher Art die tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko beim Ehegatten oder Lebenspartner sein müssen. Wie ursprünglich im Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes vorgesehen, sollte das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos bei diesen Personen auf besondere Gefährdungen wegen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen fremder Nachrichtendienste beschränkt werden. Der Ehegatte, Lebenspartner oder Referenzpersonen sind vor Erteilung ihrer Einwilligung darüber aufzuklären, daß auch bei einfachen Sicherheitsüberprüfungen Datenabfragen zu ihrer Person bei anderen Landesämtern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz erfolgen. Auch weitere Überprüfungsmaßnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners dürfen nur mit ihrer Zustimmung erfolgen und wenn sich aus der Sicherheitserklärung oder aufgrund der Abfrage im nachrichtendienstlichen Informationssystem NADIS sicherheitserhebliche Erkenntnisse ergeben [81]. Die Befragung Dritter soll bereits möglich sein, wenn "die Erhebung beim Betroffenen nicht ausreicht". Durch diese großzügige Möglichkeit der Ausdehnung der Befragungen können die Grenzen zwischen den einzelnen Stufen der Sicherheitsüberprüfung zerfließen und die Dreiteiligkeit der Prüfungsstufen, mit der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden soll, ins Leere laufen. Die im Vorentwurf noch vorgesehene Zustimmung des Betroffenen zur der Befragung Dritter ist leider wieder entfallen. Damit büßt die Sicherheitsüberprüfung, die schließlich nur mit Kenntnis und Einwilligung des Betroffenen in alle zu ergreifenden Maßnahmen erfolgen soll, erheblich an Transparenz ein [82]. Für den Betroffenen bleibt unklar, welche Befragungen konkret bei "geeigneten Personen und Stellen" vorgenommen werden dürfen. Kriterien, nach denen diese Personen oder Stellen auszuwählen sind, fehlen. Besonders bedenklich ist die Nutzung der im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung erlangten Daten für fast alle Aufgaben des Verfassungsschutzes. Damit würde das Landesamt für Verfassungsschutz durch seine mitwirkende Tätigkeit bei der Sicherheitsüberprüfung in den Besitz von Daten gelangen, die es nach dem Verfassungsschutzgesetz in der Regel nicht hätte erheben dürfen. Nicht nachvollziehbar ist auch, warum die Unterlagen über die Sicherheitsüberprüfung beim Landesamt für Verfassungsschutz doppelt so lange aufbewahrt werden sollen wie bei der Dienstbehörde. Beim Ausscheiden des Betroffenen aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bedeutet das eine Aufbewahrungsfrist von bis zu zehn Jahren beim Landesamt für Verfassungsschutz. Auskunfts- und die Akteneinsichtsrechte des Betroffenen werden zu weitgehend eingeschränkt. Die Regelungen des Berliner Datenschutzgesetzes sollten uneingeschränkt Anwendung finden. Wenn der Betroffene keine Auskunft erhält, muß zumindest ein uneingeschränktes Prüfungsrecht des Datenschutzbeauftragten bestehen. Wegen der für den Bürger bestehenden Undurchsichtigkeit der Speicherung und Verwendung seiner Daten unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung und auch im Interesse eines vorgezogenen Rechtsschutzes ist die Beteiligung unabhängiger Datenschutzbeauftragter von erheblicher Bedeutung für einen effektiven Schutz des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung [83]. Nicht akzeptabel sind die vorgesehenen Einschränkungen der Kontrollbefugnis des Berliner Datenschutzbeauftragten. Die Möglichkeit, nur eine persönliche Kontrolle zuzulassen, ist auch im Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes nicht für notwendig erachtet worden. Die weitere Einschränkung des Kontrollrechtes durch Widersprüche der Betroffenen sollte entfallen. Sie hat sich in der Anwendung als völlig unpraktikabel erwiesen und erschwert die datenschutzrechtlichen Querschnittsprüfungen nicht unerheblich. Bei Sicherheitsüberprüfungen von Mitarbeitern in Unternehmen oder anderen privaten Organisationen ist die Befugnis zur Speicherung personenbezogener Daten in automatisierten Dateien auf die Daten der Betroffenen zu beschränken (vgl. § 31 SÜG-Bund). Die für entsprechend anwendbar erklärten Aufbewahrungsfristen des öffentlichen Dienstes sind für Privatunternehmen zu lang. Es ist nicht ersichtlich, warum Unternehmen für Mitarbeiter, die dort lange nicht mehr tätig sind oder die keine sicherheitsrelevante Tätigkeit aufgenommen haben, die Sicherheitsakten aufbewahren sollen. Zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen, die bei Sicherheitsüberprüfungen in Unternehmen zu beachten sind, hat die Datenschutzkonferenz Mindestanforderungen formuliert [84]. Der Gesetzentwurf entspricht diesen Anforderungen in wesentlichen Punkten nicht. Verwaltungsvorschriften - nur wenig Verbesserungen für den DatenschutzFür die Auswertungsbereiche beim Landesamt für Verfassungsschutz wurde eine Arbeitsanweisung vorgelegt. Leider beschränkt sie sich darauf, die bestehende Praxis festzuschreiben, wonach Sachakten mit einer Fülle nicht erforderlicher personenbezogener Daten gefüllt werden [85]. Es wird nicht hinreichend berücksichtigt, daß es dem Wesen der Sachakte entspricht, daß der Anteil personenbezogener Daten möglichst gering gehalten wird. Sollen Informationen zu bestimmten Personen dennoch aufbewahrt werden, weil sie auch ohne Bezug zur Bestrebung eigene, verfassungsschutzrelevante Bedeutung haben, ist eine Akte zur Person anzulegen, die regelmäßig überprüft und insgesamt vernichtet werden kann, wenn sie nicht mehr erforderlich ist. In Sachakten dürfen nur personenbezogene Daten aufgenommen werden, die für die Bestrebung als solche relevant sind. Dies ist bei Personen der Fall, die das Beobachtungsobjekt nachhaltig unterstützen (z.B. Personen, die Führungs- und Funktionärsaufgaben wahrnehmen). Nur diese Verhaltensweisen sind nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Landesverfassungsschutzgesetz (LfVG) verfassungsschutzrelevant. Die Angaben müssen für die Beurteilung der Bestrebung erforderlich sein und dürfen nicht nur dazu dienen, die Persönlichkeit einzelner Verdächtiger zu umschreiben. Derartige Unterlagen stellen einen problematischen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen dar. Eine Arbeitsanweisung, die u.a. Datenübermittlungen an ausländische Nachrichtendienste regelt, wurde in Kraft gesetzt. Einige unserer Empfehlungen wurden aufgegriffen. Erhebliche Bedenken bestehen aber noch gegen die Übermittlung sogenannter "weicher Daten" (Verdächtigungen, Denunziationen u.ä.). Sie sollten nicht an ausländische Stellen weitergegeben werden, da ihr Wahrheitsgehalt nicht nachprüfbar ist und dies zu erheblichen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen führen kann. Die Schranken für die Übermittlung personenbezogener Daten, die dem Landesamt für Verfassungsschutz aus einem Asylverfahren zur Kenntnis gelangen, sind enger zu fassen. Derartige Angaben dürfen weder direkt noch indirekt an Behörden, Sicherheitsdienststellen und sonstige ausländische Stellen weitergeleitet werden. Die Betroffenen offenbaren hier sehr sensible Daten in einer Schutz verdienenden Notlage. Dies gilt auch für Fälle, in denen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß einem Betroffenen im Ausland rechtsstaatswidrige Behandlung (z.B. Folter) widerfährt. Nur in dem Ausnahmefall, wenn dies im Einzelfall zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben anderer Personen erforderlich ist, kann eine Datenübermittlung in diesen Fällen akzeptiert werden. Wir hatten kritisiert, daß der Auskunftanweisung die Unterlagen, die von der Polizei an das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt worden sind, von der Akteneinsicht ausgenommen werden sollen [86]. Nachdem der Polizeipräsident nunmehr in Einzelfällen auch Akteneinsicht nach dem ASOG gewährt, wurde die von uns kritisierte Regelung in der Auskunftsanweisung gestrichen. Kontrollfreier RaumDie Einsichtnahme der G 10-Kommission in Abschriften von Kontrollaufträgen des MfS hatten wir zum Anlaß genommen, auf die bestehenden Kontrollücken beim Landesamt für Verfassungsschutz aufmerksam zu machen [87]. Die Kontrollücken bestehen auch bei der Speicherung, Nutzung und Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Maßnahmen beruhen, die von den Westalliierten vor der Wiedervereinigung Berlins vorgenommen wurden und bei der weiteren Verwendung der durch Telefonüberwachungen und Postkontrollen vom Landesamt für Verfassungsschutz selbst erlangten personenbezogenen Daten. Der Verfassungsschutzausschuß des Abgeordnetenhauses ist zwar unserer Empfehlung, besondere Kontrollkompetenzen für die G 10-Kommission vorzusehen, nicht gefolgt, hat aber für die Datenspeicherungen beim Landesamt für Verfassungsschutz aufgrund westalliierter Maßnahmen eine Nutzungssperre, die in einer Arbeitsanweisung festzulegen ist, gefordert. Eine Arbeitsanweisung über die Nutzung und Übermittlung von personenbezogenen Informationen, die erkennbar aus Maßnahmen der Telefonüberwachung oder Briefkontrolle vor dem 30. Oktober 1990 stammen, wurde inzwischen vom Landesamt für Verfassungsschutz erlassen. Die Nutzungsbeschränkungen orientieren sich an den Vorschriften des G10. Nicht geregelt wurde der Umgang mit den Daten, die aus anderen Maßnahmen der Alliierten stammen. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in diesem Zusammenhang mitgeteilt, daß eine Kontrollbefugnis auch des Berliner Datenschutzbeauftragten nicht in Betracht komme. Da weder eine Kontrolle des Umganges mit diesen Daten durch eine andere unabhängige Stelle erfolgt, noch Betroffene Auskunft über diese Datenspeicherungen beim Verfassungsschutz erhalten, bleibt als Konsequenz nur die umgehende Löschung dieser Daten. Denn eine Speicherung, Nutzung und Weitergabe dieser sehr sensiblen Daten durch den Verfassungsschutz kann nur hingenommen werden, wenn als Korrektiv eine Kontrolle hierüber möglich ist. Datenaustausch: Kein Hinderungsgrund für das Auskunftsrecht des Landesamtes für VerfassungsschutzEine Bürgerin hatte beim Landesamt für Verfassungsschutz Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten und Einsicht in die vorhandenen Unterlagen beantragt. Das Landesamt für Verfassungsschutz teilte mit, daß ihre Daten in Dateien gespeichert seien und sie im Verdacht stehe, der linksextremistischen Szene anzugehören. Weitergehende Auskunft und Akteneinsicht wurden wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen abgelehnt. Unsere Prüfung hat ergeben, daß der Petentin nicht nur weitergehende Auskunft und Aktensicht zu erteilen sind, sondern die gesammelten Daten auch zu löschen sind. Die Unterlagen enthalten keine aktuellen verfassungsschutzrelevanten Informationen mehr und sind deshalb für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich. Die Erkenntnisse stammen überwiegend aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Zeitungsartikeln. Geheimhaltungsinteressen, die einer Akteneinsicht entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist unserer Einschätzung schließlich gefolgt und hat zugesagt, die Daten zu löschen und der Petentin vor der Löschung Einsichtnahme in die Unterlagen zu gewähren und ihr auch die in der Akte befindlichen Presseartikel vorzulegen. Ein Problem waren die Daten, die von einer anderen Stelle übermittelt wurden. Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt mangels "Verfügungsberechtigung" hierüber grundsätzlich keine Auskunft. Unser Vorschlag, bei der übermittelnden Stelle um Zustimmung zur Auskunftserteilung nachzusuchen, wenn die Petentin mit dieser Verfahrensweise einverstanden ist (denn es können dann Daten bei der übermittelnden Stelle anfallen, die dort längst gelöscht wurden), lehnte das Landesamt für Verfassungsschutz als undurchführbar ab: Es liege eine Auskunftssperre vor, so daß die Betroffene nicht einmal in allgemeiner Form unterrichtet werden könne. Ein Einverständnis mit der Verfahrensweise könne sie aber nur erteilen, wenn sie zuvor konkret über Art und Herkunft der Daten informiert werde. Später stellte das Landesamt für Verfassungsschutz fest, daß die Datenspeicherungen über die Betroffene bei der anderen Stelle nicht mehr vorhanden sind und kündigte an, aufgrund dieser Tatsache die Unterlagen, die von dort stammen, umgehend zu vernichten. Dies haben wir zunächst verhindert. Bei dieser Vorgehensweise würde den Betroffenen jede Möglichkeit genommen werden, von derartigen Datenspeicherungen und -übermittlungen zu erfahren und sie ggf. überprüfen zu lassen. Dies widerspricht dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dessen unmittelbare Ausfluß das Auskunftsrecht ist. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 LfVG erstreckt sich die Auskunftsverpflichtung nicht auf Informationen, die nicht der alleinigen Verfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz unterliegen sowie die Herkunft von Informationen. Eine Auskunft durch das Landesamt für Verfassungsschutz wird hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Zweck dieser Norm ist es, das möglicherweise bestehende Geheimhaltungsinteresse der übermittelnden Stelle zu gewährleisten. Dem ist hinreichend Rechnung getragen, wenn bei der übermittelnden Stelle um Zustimmung zur Auskunftserteilung nachgesucht wird. Dies wurde - mit Zustimmung des Betroffenen - in einem anderen Fall so praktiziert. Wenn die Daten bei der übermittelnden Stelle bereits gelöscht, aber beim Landesamt für Verfassungsschutz noch vorhanden sind, kann das nicht dazu führen, daß das Auskunftsrecht des Betroffenen leerläuft, indem die Daten auch hier gelöscht werden. Es gibt in diesem Fall folgende Möglichkeiten:
oder
Das Landesamt für Verfassungsschutz hat schließlich die übermittelnde Stelle um Freigabe der Daten gebeten. Nachdem diese eine Auskunft und Akteneinsicht abgelehnt hat, haben wir die zuständige Datenschutzkontrollbehörde eingeschaltet. Diese wird die Ablehnung überprüfen. Wir gehen davon aus, daß künftig an dieser Verfahrensweise festgehalten wird und die Auskunftsrechte der Betroffenen auch bei übermittelten Daten gewährleistet werden.
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Zuletzt geändert:
am 08.02.97