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4.3 Entwicklung des Telekommunikationsrechts

Postreform III - Schlußstein der Liberalisierung im Telekommunikationsbereich

Obwohl die Arbeiten zur Umsetzung der Postreform II in einzelnen Bereichen noch nicht abgeschlossen sind [54], sind die Vorbereitungen für die nächste und letzte Stufe der Liberalisierung im Telekommunikationsbereich ("Postreform III") bereits in vollem Gange. Kern diese Reformabschnitts ist die Liberalisierung des Sprachtelefondienstes im Festnetz zum 1. Januar 1998, der bisher als letzter Monopoldienst ausschließlich der Deutschen Telekom AG vorbehalten ist. Gleichzeitig soll die Möglichkeit geschaffen werden, eine gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Basistelekommunikationsdiensten zu angemessenen Preisen durch die Verpflichtung aller oder bestimmter Wettbewerber zum Angebot eines "Universaldienstes" sicherzustellen.

Bereits im März 1995 hat das Bundesministerium für Post- und Telekommunikation sogenannte "Eckpunkte eines künftigen Regulierungsrahmens im Telekommunikationsbereich" [55] vorgelegt. Danach sollten sich die im Rahmen der Postreform III zu treffenden Regelungen zu Fernmeldegeheimnis und Datenschutz "... an den einschlägigen europarechtlichen Regelungen und darin festgelegten Mindestanforderungen orientieren." In meiner Stellungnahme als Vorsitzender des Arbeitskreises Telekommunikation und Medien der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder habe ich gegenüber dem Bundespostministerium darauf hingewiesen, daß das Datenschutzniveau für die Bürger bei der Liberalisierung des Telefondienstes auf keinen Fall weiter abgesenkt werden darf.

Schon in zurückliegenden Berichtsjahren hatten wir auf die Notwendigkeit der Erhaltung einer einheitlichen unabhängigen Datenschutzkontrolle für den Telekommunikationsbereich hingewiesen. Zwar sieht der Entwurf für ein Telekommunikationsgesetz die Übertragung der Kontrollkompetenz für den Bereich der Telekommunikation auf eine neu zu schaffende Regulierungsbehörde vor. Aufgrund ihrer voraussichtlichen organisatorischen Gestaltung kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß diese Stelle eine dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz vergleichbare Unabhängigkeit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben besitzt. Darüber hinaus sind aufgrund einiger der zahlreichen weiteren Aufgaben, die dieser Stelle übertragen werden sollen (z.B. im Zusammenhang mit der technischen Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen), Interessenkonflikte zu befürchten. Daher haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder auf ihrer 50. Konferenz in einer Entschließung gefordert, die zentrale Funktion des Bundesbeauftragten für den Datenschutz für die Kontrolle im Telekommunikationsbereich zu erhalten. Gleichzeitig bedürfen die Aufgaben, die die Landesbeauftragten für den Datenschutz und Aufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu erfüllen haben (etwa bei lokalen (Stadt-)Netzen und Nebenstellenanlagen), einer klaren gesetzlichen Regelung.

Seitenanfang Bereits jetzt werden auch Überlegungen zur Ausgestaltung des Universaldienstes angestellt. Hierzu hat das Bundesministerium für Post und Telekommunikation den Entwurf einer Universaldienstleistungsverordnung vorgelegt. Dieser Entwurf enthält keinerlei Bestimmungen zum Datenschutz. Wir halten es allerdings für erforderlich, die entsprechenden Dienstleistungsunternehmen im Rahmen des Universaldienstes auch zum kostengünstigen Angebot entsprechender datenschutzfreundlicher Leistungsmerkmale zu verpflichten. Es darf nicht soweit kommen, daß die Betroffenen wegen zu hoher Kosten auf die Inanspruchnahme von Leistungsmerkmalen zum Schutz ihres informationellen Selbstbestimmungsrechts verzichten.

Telekommunikationsdienstunternehmen - Datenschutzverordnung

Bereits im letzten Jahresbericht hatten wir über die Postreform II [56] berichtet. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) [57] war unter anderem der Erlaß einer Datenschutzverordnung erforderlich geworden, die die bisherige TELEKOM-Datenschutzverordnung (TDSV) und die Teledienstunternehmen-Datenschutzverordnung (UDSV) in einer einzigen Rechtsvorschrift zusammenfassen und ersetzen soll. Ein entsprechender Entwurf einer Verordnung über den Datenschutz für Unternehmen, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen (Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung - TDSV) liegt nunmehr vor [57a]. Die Verordnung soll den Schutz personenbezogener Daten der am Fernmeldeverkehr beteiligten Bürger unabhängig von der Rechtsform des Dienstleistungsunternehmens einheitlich regeln.

Leider ist festzustellen, daß der Entwurf das Datenschutzniveau für die Betroffenen keinesfalls verbessert; in einigen Punkten bleiben die Regelungen der neuen Verordnung sogar hinter denen von TDSV und UDSV zurück:

Im Bereich des Sprachtelefondienstes soll nach dem Entwurf die Speicherung der um die letzten drei Stellen gekürzten Rufnummer des angerufenen Teilnehmers bis zu achtzig Tagen nach Rechnungsversand zur Regel werden. Bislang war dies nur vorgesehen, wenn der Anrufer einen Einzelverbindungsnachweis beantragt hatte. Für die Erteilung eines Einzelverbindungsnachweises reicht nunmehr die schriftliche Erklärung des Kunden aus, daß er alle zum Haushalt gehörenden Mitbenutzer des Anschlusses über die Bekanntgabe der Verbindungsdaten an ihn zur Erteilung des Nachweises informiert hat. Die Regelungen der TDSV/UDSV setzten dem gegenüber eine ausdrückliche Einverständniserklärung der zum Haushalt gehörenden Mitbenutzer des Anschlusses voraus.

Abweichend von der gegenwärtigen Praxis der Deutschen Telekom AG läßt der Verordnungsentwurf die Erstellung von Einzelverbindungsnachweisen mit vollständigen Zielnummern ohne Einflußmöglichkeit der angerufenen Kunden zu. Die Datenschutzbeauftragten haben bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, daß dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Angerufenen am besten entsprechen würde, wenn jeder inländische Anschlußinhaber selbst entscheiden könnte, ob und gegebenenfalls wie seine Rufnummer auf Einzelverbindungsnachweisen erscheinen soll. Obwohl ein entsprechendes Verfahren in den Niederlanden bereits erfolgreich praktiziert wird, hat der Bundesminister für Post und Telekommunikation diesen Vorschlag wiederum nicht aufgegriffen.

Über die Problematik der Aufnahme von Anrufen bei telefonischen Beratungsstellen in Einzelverbindungsnachweise hatten wir schon früher berichtet [58]. Während solche Anrufe nach den Regelungen der TDSV/UDSV weder im Fest- noch im Mobilfunknetz auf Einzelentgeltnachweisen ausgewiesen werden dürfen, sieht die neue Datenschutzverordnung eine Ausnahme für Mobilfunknetze vor. Die Netzbetreiber brauchen hier ihre Kunden lediglich auf die fehlende Anonymität bei Anrufen bei Beratungsstellen hinzuweisen. Sollte diese Regelung so in Kraft treten, wäre das Beratungsgeheimnis bei der Nutzung von Mobiltelefonen nicht mehr gegeben.

Bereits früher haben die Datenschutzbeauftragten gefordert, daß datenschutzfreundliche Leistungsmerkmale, die eine datenschutzgerechte Nutzung der digitalisierten Telefonnetze zu ermöglichen, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden dürfen. Solche Merkmale müssen vielmehr kostenfrei angeboten werden. Auch diese Anregung ist bezüglich der Unterdrückung der Rufnummernanzeige des Anrufers beim Angerufenen in der TDSV nicht aufgegriffen worden. Bereits jetzt erhebt die Telekom Gebühren für die Rufnummernunterdrückung im Einzelfall.

Der Charakter der Telefonauskunft soll völlig verändert werden. War bisher nur die Auskunft über die Rufnummer zu einem bekannten Namen möglich, so soll jetzt über den gesamten in den Teilnehmerverzeichnissen enthaltenen Datensatz (also z.B. auch die Adresse) Auskunft gegeben werden. Abweichend von den Regelungen der TDSV/UDSV, die dies nur nach Einwilligung des Betroffenen ermöglichten, räumt die neue TDSV den Betroffenen lediglich ein Widerspruchsrecht ein.

In einem wichtigen Punkt verbessert die neue Datenschutz-Verordnung allerdings die Rechte des Telefonkunden: Seit billige elektronische Telefonverzeichnisse reißenden Absatz finden, die qualitativ weitergehende Verarbeitungsmöglichkeiten bieten (z.B. CD-ROM oder Abruf aus Online-Diensten mit Adreß-Selektion, bundesweiter Recherchemöglichkeit und umgekehrter Rufnummernsuche), kann niemand, dessen Adresse zusammen mit der Rufnummer im herkömmlichen Telefonbuch steht und der eine Zeitungsannonce ausschließlich mit seiner Rufnummer aufgegeben hat, darauf vertrauen, daß er von Interessenten nur angerufen wird. Er muß vielmehr damit rechnen, daß sie plötzlich vor seiner Wohnungstür stehen, weil sie anhand seiner Telefonnummer mit Hilfe einer Telefon-CD-ROM seine Adresse durch Knopfdruck ermittelt haben.

Ein elfjähriges italienisches Mädchen gab im Rahmen eines Telefonkontaktes auf einer "chat line" (eine Art Konferenzschaltung zum Schwatzen) zwar weder ihr richtiges Alter noch ihre richtige Adresse, wohl aber ihre richtige Telefonnummer an. Ein Mitschwätzer fand auf Grund der Telefonnummer die Adresse heraus, besuchte die Kleine - und vergewaltigte sie [59].

Die Datenschutzbeauftragten hatten seit dem ersten Erscheinen derartiger elektronischer Kundenverzeichnisse gefordert, daß jeder Telefonkunde das Recht haben sollte, sich zwar für einen Eintrag im herkömmlichen Telefonbuch, aber gegen eine Übernahme in elektronische Teilnehmerverzeichnisse zu entscheiden [60]. Die bisherige Rechtslage war insofern nicht ganz eindeutig, und die Telekom hatte es bis jetzt abgelehnt, von sich aus den Kunden ein solches differenziertes Widerspruchsrecht einzuräumen. Zur Begründung verwies sie auch auf die technische Möglichkeit für jeden, mit Hilfe der Scannertechnologie herkömmliche Telefonbücher in elektronische Datenbanken umzuwandeln und zu vermarkten. Auch die datenschutzrechtliche Zulässigkeit dieses Verfahrens wurde bisher unterschiedlich beurteilt.

Der Entwurf für eine neue Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung sieht jetzt vor, daß jeder Telefonkunde der Aufnahme seiner Daten in elektronische Verzeichnisse auch dann widersprechen kann, wenn er ihre Aufnahme in das herkömmliche Telefonbuch wünscht. In diesem Fall ist sein Eintrag in das Telefonbuch entsprechend zu kennzeichnen. Damit wird zugleich dokumentiert, daß der Kunde es als Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange betrachtet, wenn Dritte seine Daten aus dem Telefonbuch in elektronische Verzeichnisse einlesen.

Allerdings würde diese Neuregelung dem Kunden die Initiative aufbürden, der Aufnahme seiner Daten auf elektronische Datenträger ausdrücklich zu widersprechen. Schweigt er, weil er die Information des Netzbetreibers nicht versteht, für Werbung hält, oder einfach weil er im Urlaub ist und sie erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist verfindet, so wird dies als Zustimmung gewertet. Das ist weder datenschutzgerecht noch kundenfreundlich. Das wirtschaftliche Interesse der Netzbetreiber an einer elektronischen Vermarktung der Kundendaten darf nicht höher bewertet werden als das Persönlichkeitsrecht der Telefonkunden. Die Aufnahme seiner Daten in elektronische Kundenverzeichnisse sollte nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Kunden zulässig sein.

Daneben erlauben die Regelungen der neuen Datenschutzverordnung auch die regelmäßige Herausfilterung von Daten solcher Verbindungen, für die tatsächlich Anhaltspunkte den Verdacht eines strafbaren Mißbrauchs von Fernmeldeanlagen oder der mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Telekommunikationsdienstleistungen begründen. Dies kommt einer präventiven Rasterfahndung der dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Verbindungsdaten gleich, in die bereits im Vorfeld eines konkreten Verdachts sämtliche Teilnehmer einbezogen werden. Darüberhinaus wird den Dienstleistungsunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen auch die Verarbeitung von Nachrichteninhalten gestattet.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat in ihrer Entschließung zur zweiten TDSV [61] die mit diesen Regelungen verbundene Absenkung des Datenschutzstandards im Bereich der Telekommunikation kritisiert. In der Entschließung wird insbesondere die Aufweichung des Zweckbindungsgrundsatzes für die Verarbeitung von Kundendaten kritisiert. Diese muß auch in Zukunft ausdrücklich auf Telekommunikationszwecke beschränkt bleiben.

Fernmeldeverkehr-Überwachungs-Verordnung (FÜV)

Häufig waren in der Vergangenheit der Presse Berichte zu entnehmen, nachdenen die Abhörbarkeit insbesondere der Mobilfunknetze durch die Sicherheitsbehörden nicht in vollem Umfang sichergestellt ist. Die Bundesregierung hat dies zum Anlaß genommen, in einer Rechtsverordnung die technische Umsetzung bereits jetzt materiell rechtlich zulässiger Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen zu regeln [61a]. Diese Verordnung verpflichtet die Betreiber für den öffentlichen Verkehr bestimmter Fernmeldeanlagen - also nicht nur die Betreiber von Mobilfunknetzen -, den dazu berechtigten Stellen ("Bedarfsträgern", d. h. Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten) neben den übermittelten Nachrichteninhalten auch zahlreiche Verbindungsdaten in einem definierten Verfahren zur Verfügung zu stellen. Dazu zählt auch die Verpflichtung, Nachrichten, die mit vom Betreiber zur Verfügung gestellten Verschlüsselungsmöglichkeiten geschützt sind, im Klartext zur Verfügung zu stellen. Die Betreiber sind verpflichtet, ein entsprechendes Konzept über die Umsetzung der Verpflichtung beim Bundesamt für Post- und Telekommunikation vorzulegen.

Besonders kritisch erscheint aus Datenschutzsicht in diesem Zusammenhang die explizite Verpflichtung der Betreiber, über die Gesprächsinhalte hinaus einen umfangreichen Katalog an Verbindungsdaten (z.B. über die "Funkzelle", in der sich der Mobilfunkteilnehmer gerade aufhält) zur Verfügung zu stellen. Dies könnte die Einführung datenschutzfreundlicher Techniken behindern, die ohne die Erhebung der genannten Daten auskämen.

Zuletzt geändert:
am 08.02.97

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