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3.3 Autobahngebührenerfassung

Im November 1995 wurde in der Presse bekannt, daß es keine elektronisch einzuziehende Autobahngebühren für Personenkraftwagen geben würde. Damit wurde der Schlußstrich unter ein datenschutzrechtlich, aber wohl auch in manch anderer Hinsicht höchst fragwürdiges Projekt gezogen.

Der Ergebnisbericht des TÜV Rheinland zum Feldversuch auf der Bundesautobahn A 555 zwischen Bonn und Köln machte deutlich, daß es Verfahren zur automatisierten Autobahngebührenerfassung (AGE) gab, die das Problem der automatischen Erhebung der Autobahngebühren zufriedenstellend lösen dürften, daß jedoch die automatische Kontrolle der ordnungsgemäßen Zahlung von keinem Ansatz hinreichend gelöst werden konnte. Der Bericht machte ferner deutlich, daß die in Zusammenarbeit mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder formulierten "Anforderungen des Datenschutzes" prinzipiell erfüllt werden können. Voraussetzung sei die Gebührenerhebung durch ein anonymes Zahlungsverfahren und die Sicherstellung, daß Zahlungswillige und Nicht-Zahlungspflichtige bei Kontrollen nicht registriert werden.

Der Schlußbericht kommt zum Ergebnis, daß die Einführung eines AGE-Systems nur für Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mindestens 12 t in Erwägung gezogen werden soll. Die Kontrolle soll dabei nach dem Muster herkömmlicher Kontrollen erfolgen.

Da frühzeitig Konsens darüber bestand, daß der Datenschutz und die Datensicherheit bei der Bewertung des Feldversuches eine entscheidende Rolle spielen würden, sind die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder unter Federführung des Bundesbeauftragten bereits frühzeitig in die Diskussion eingebunden worden. Zunächst wurden die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die AGE-Verfahren formuliert. Danach sollten die Verfahren gewährleisten, daß

- die Erhebung anonym erfolgt und damit anonyme Zahlungsverfahren verwendet werden. Dies hätte zur Konsequenz, daß die Gebühren im Voraus zu entrichten wären (Prepaid-Verfahren);

- eine Speicherung der Benutzerdaten für einen eventuellen Nachweis der ordnungsgemäßen Zahlung nur dezentral beim Benutzer erfolgen solle;

- die Kontrolle die Anonymität für diejenigen erhält, die ordnungsgemäß zahlen oder zahlen wollen oder von den Gebühren befreit sind;

- die Kontrolldichte so gering wie möglich gehalten wird;

- die Vertraulichkeit auftretender personenbezogener Daten durch fortschrittliche technische Maßnahmen (gegenseitige Authentifizierung aller miteinander kommunizierenden Komponenten, kryptographische Verschlüsselung, Zugriffscodes für den Zugang an Daten auf dezentralen Speichern (z.B: Chipkarten im Fahrzeug));

Seitenanfang - die Datenintegrität sichergestellt wird, d.h. die richtigen Daten nur den richtigen Benutzern zugeordnet und alle sicherheitsrelevanten Daten gegen Manipulation geschützt werden;

- das gesamte Verfahren für den Benutzer transparent gestaltet wird, das heißt, er muß stets nachvollziehen können, welche Entgelte wann wo abgebucht wurden, wann sein Guthaben erschöpft oder nicht mehr ausreichend ist und wann sein Fahrzeug im Falle einer Kontrollmaßnahme identifiziert worden ist. Abbuchungen, Funktionsstörungen und Manipulationsversuche müssen dem Benutzer angezeigt werden und dezentrale, z.B. auf einer Chipkarte im Fahrzeug, protokolliert werden können. Für die Protokolle müssen Druckmöglichkeiten, z.B. in Tankstellen, bereitgehalten werden.

Besonders bedeutsam ist die ergänzende Forderung nach Stabilität gegen die Rücknahme von Maßnahmen, die zur Erfüllung der obengenannten Forderungen getroffen werden. Sie dürfen nicht einseitig durch den Systembetreiber oder durch Dritte zurückgenommen werden können. Zum Beispiel bedeutet dies, daß eine generelle Videoüberwachung des fließenden Verkehrs ausgeschlossen sein muß, weil diese mit geringen Modifikationen auf eine Vollkontrolle umgestellt werden kann.

Im Januar 1995 fand in Berlin ein Workshop statt, bei dem alle zehn am Feldversuch beteiligten Unternehmen und Konsortien ihre Konzepte präsentierten und sich den Datenschutzbeauftragten zur Diskussion stellten. Grundlage war ein Fragenkatalog, der den Unternehmen zur Verfügung gestellt worden war.

Die Verfahren unterschieden sich in der technischen Konzeption der verschiedenen Phasen Positionsbestimmung, Kontrolle und Abrechnung teilweise sehr wesentlich, so daß aus datenschutzrechtlicher Sicht zwangsläufig sehr unterschiedliche Bewertungen zu erwarten waren:

Die meisten Verfahren ermittelten die Position von Fahrzeugen mittels fester Einrichtungen (Baken, Brücken) am Rande der Autobahn. Beim Passieren der Einrichtungen wird festgestellt, daß ein Fahrzeug zahlungspflichtig wird. Durch Mustererkennungsverfahren oder durch Kommunikation mit dem im Fahrzeug befindlichen Gerät (On-Bord-Unit - OBU - ) wird die Fahrzeugklasse erkannt. Andere Verfahren verzichten auf solche Einrichtungen und verwenden das Global Positioning System (GPS), damit die OBU satellitengestützt die genaue Position des Fahrzeuges ermitteln kann. Durch Vergleich mit digital abgespeicherten Autobahnkarten kann dann festgestellt werden, ob sich das Fahrzeug auf einer kostenpflichtigen Autobahn befindet oder nicht.

Zur Abrechnung boten die meisten Verfahren wahlweise die Vorauszahlung (prepaid) oder die spätere Bezahlung nach Abrechnung (postpaid) an. Da beim Postpaid-Verfahren personenbezogene Daten über die Autobahnnutzung zur späteren Abrechnung gesammelt werden müssen, entsprachen diese Verfahren nicht den Anforderungen der Datenschutzbeauftragten, da die Anonymität der Straßennutzung nicht sichergestellt werden konnte. Die Wahl zwischen beiden Zahlungsarten stellt nicht sicher, daß die Rücknahme der datenschutzgerechten Maßnahme ausgeschlossen ist. Da die Einrichtungen zur Datenerhebung vorhanden waren, konnten sie auch so eingestellt werden, daß sie auch bei vorausbezahlenden Fahrern in Betrieb genommen werden konnten. Nur jene Verfahren konnten deshalb die ungeteilte Billigung der Datenschutzbeauftragten finden, die die vorauszahlende Abrechnungsweise (Abbuchung auf einer Prepaid-Chipkarte - vergleichbar mit der Telefonkarte - in der OBU) technisch erforderlich machten. Dies gilt z.B. für jene Verfahren, die auf straßenseitige Einrichtungen verzichten und daher keine fahrzeugbezogenen Daten während der Fahrt erfassen können.

Bei den Kontrollverfahren ging es um Methoden, Fahrzeuge zu erkennen, die nicht ordnungsgemäß bezahlt hatten. Dies erfolgte grundsätzlich durch Funkkommunikation zwischen der Kontrolleinrichtung und der OBU im Fahrzeug. Bei einigen Verfahren waren diese Kontrolleinrichtungen in die Baken bzw. Brücken zur Positionsbestimmung und Abbuchung eingebaut, bei einigen gab es spezielle Kontrolleinrichtungen, die ständig oder stichprobenweise eingesetzt werden konnten. Die ersteren eigneten sich für Vollkontrollen, das heißt, jedes vorbeifahrende Fahrzeug wird kontrolliert. Häufig wurden alle Fahrzeuge auch durch Videokameras zumindest kurzfristig erfaßt. Wenn die Kontrolle ergab, daß für ein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß bezahlt wurde, wurden Standfotos mit den Kennzeichen gespeichert und zur weiteren Verfolgung verwendet. Vollkontrollen wurden von den Datenschutzbeauftragten schon deshalb abgelehnt, weil keine Sicherheit dafür bestand, daß sie - zumindest fallweise - nicht für die totale Überwachung und Aufzeichnung des Autobahnverkehrs mißbraucht werden können. Akzeptabel waren daher nur solche Verfahren, die auf eine stichprobenhafte Kontrolle zurückgriffen.

Nachdem der Workshop die Bandbreite der erprobten Möglichkeiten aufzeigte, verabschiedete die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder eine Entschließung zur automatischen Erhebung von Straßennutzungsgebühren, in der die Anforderungen noch einmal schlaglichtartig zusammengefaßt wurden [26].

- Gewährleistung des Grundsatzes der "datenfreien Fahrt",

- technische und rechtliche Ausschließung flächendeckender Kontrollen,

- Anonymität bei korrektem Verhalten,

- Transparenz und Kontrollierbarkeit der Abläufe für den Fahrer,

- keine Rücknehmbarkeit der Datenschutzmaßnahmen,

- gesetzliche Regelung des Verfahrens und Sicherstellung der Datenschutzmaßnahmen.

Der Feldversuch hat gezeigt, daß es mit gutem Willen Verfahren geben kann, die diesen Anforderungen genügen.

Allerdings war die technische Reife der Verfahren nicht so weit gediehen, daß der Versuch zu einer Entscheidung für die Einführung der elektronischen Autobahnmaut für Personenkraftwagen führen konnte. So mußte der gute Wille keinem Test unterzogen werden !

Insgesamt läßt sich aus dieser Diskussion aber ein positives Fazit für den Datenschutz ziehen: Erstmals kam es rechtzeitig vor der Entscheidung über die Einführung eines Datenschutzverarbeitungsverfahrens zu einem Dialog zwischen den Datenschutzbeauftragten und den Herstellern, an dessen Ende die Erkenntnis stand: datenschutzgerechte Technik ist möglich. An den Anforderungen des Datenschutzes ist jedenfalls - entgegen den Änderungen mancher Verantwortlicher - das Projekt Automatische Gebührenerfassung nicht gescheitert.

Zuletzt geändert:
am 08.02.97

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