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Anlage 3.2

Stellungnahme der Europäischen Datenschutzbeauftragten zum Grünbuch über ein gemeinsames Konzept für Mobilkommunikation und Personal Communications in der Europäischen Union

(von der Kommission vorgelegt)

KOM (94) 145 endg.

Es ist zu begrüßen, daß die Kommission in diesem Grünbuch die Bedeutung eines effektiven Schutzes der Privatsphäre und personenbezogener Daten in der Telekommunikation sehr viel stärker betont, als sie es in zwei vorangegangenen Grünbüchern (KOM (87) 290, 30.6.87; KOM (90) 490, 20.11.90) getan hat. Die Europäischen Datenschutzbeauftragten unterstützen ausdrücklich die Feststellung der Kommission, daß ohne einen wirksamen Schutz der Privatsphäre die öffentliche Akzeptanz unionsweiter Netze und Dienste nicht sichergestellt werden kann. Das Grünbuch zur Mobilkommunikation enthält die klare Botschaft für Netzbetreiber, Diensteanbieter, Hersteller und Standardisierungsgremien, daß Datenschutz ein Problem von hoher Priorität ist.

I.

Ein wirksamer Schutz der Privatsphäre ist umso wichtiger, als dieses Grünbuch eine qualitative Veränderung in der Entwicklung der Telekommunikationsnetze und dienste einleitet: In einem zukünftigen Personal Communications System werden einzelne Menschen anstelle von Endgeräten adressiert. Gleichzeitig verschwimmt die Trennungslinie zwischen Fest und Mobilnetzen. Dieser Wechsel zur Adressierung von Personen anstelle von Endgeräten wirft

grundlegend neue Fragen des Persönlichkeitsschutzes auf. In einem zukünftigen nahtlosen Telekommunikationsnetz kann das Recht jedes Nutzers, unbeobachtet zu kommunizieren, entscheidend verkürzt werden. Personen, die eine persönliche Nummer benutzen, sollten über die Wirkung einer derartigen Nummer als Personenkennzeichen aufgeklärt werden.

Die Numerierung von Endgeräten ist schon gegenwärtig nicht nur ein Problem der Verteilung knapper Ressourcen und der Begrenzung von Kosten der Programmanpassung (vgl. Grünbuch IV. 2 VI Numerierung), sondern sie wirft auch datenschutzrechtliche Fragen auf. Dies wird eine der wesentlichen Aufgaben des entstehenden Europäischen Amtes für Nummerierung (ENO) sein, das in Kopenhagen eingerichtet werden soll. Mit der Einführung von Personal Communications wird man jedoch Menschen, und nicht nur Endgeräte, numerieren müssen. Die Numerierung von Menschen ist keine Frage der Verteilung knapper Ressourcen, sondern in erster Linie eine Frage des Grundrechtsschutzes und insbesondere des Schutzes der Privatsphäre.

Aus der Sicht des Persönlichkeitsschutzes ist es deshalb entscheidend, daß bei der Entwicklung neuer weltweiter Telekommunikationsnormen wie z.B. für das Universelle Mobile Telekommunikationssystem (UMTS) zumindest die alternative Option erhalten bleibt, ohne Zwang zur Identifizierung kommunizieren zu können. Diese alternative Option kann nicht den Marktkräften überlassen bleiben, sondern muß vom europäischen Gesetzgeber gesichert werden. Sie sollte ohne zusätzliche Kosten für den Benutzer angeboten werden.

Seitenanfang II.

Was die Frage freiwilliger Verhaltenskodizes für Diensteanbieter (vgl. Grünbuch, IV. 2 II Bereitstellung von Diensten, Randziffer 4) betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß in einigen Mitgliedsstaaten spezielle nationale Rechtsvorschriften (nicht nur freiwillige Verhaltenskodizes) zum Datenschutz gelten, die unter anderem auf Diensteanbieter Anwendung finden. Falls das Gemeinschaftsrecht wie es das Grünbuch vorschlägt unterscheiden sollte zwischen zwingenden grundlegenden Anforderungen für Netzbetreiber auf der einen Seite und freiwilligen

Verhaltenskodizes für Diensteanbieter auf der anderen Seite, könnte nationales Recht, das Diensteanbieter verpflichtet, möglicherweise gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Bei dem Konsultationstreffen am 16./17. Juni 1994 in Brüssel wurde von Seiten der Generaldirektion XIII betont, daß dies nicht der Fall sei, und daß das Grünbuch sich lediglich zu zusätzlichen Anforderungen für Diensteanbieter äußere. Die bestehenden rechtlichen Anforderungen sollten unverändert fortgelten, aber zusätzliche Anforderungen sollten nur in freiwillige Verhaltenskodizes aufgenommen werden. Dies sollte zumindest in der zukünftigen Gemeinschaftsgesetzgebung klargestellt werden.

Die zugrundeliegende Unterscheidung des Grünbuchs zwischen Netzbetreibern, die rechtlichen Verpflichtungen und Lizenzvereinbarungen unterliegen sollen, und Diensteanbietern, die lediglich an freiwillige Verhaltenskodizes gebunden sein sollen, überzeugt allerdings nicht völlig. Es mag durchaus sein, daß Netzbetreiber größere Datenbestände verarbeiten, aber Diensteanbieter verarbeiten ebenfalls personenbezogene Daten, insbesondere wenn sie Dienste wie Abrechnung, Mailboxen etc. anbieten. Es erscheint deshalb erforderlich, daß das Gemeinschaftsrecht entweder die gleichen rechtlichen Verpflichtungen für Diensteanbieter und Netzbetreiber vorsieht, soweit es die grundlegende Anforderung "Datenschutz" betrifft, oder zumindest einzelstaatliche Gesetzgebung dieses Inhalts zuläßt. Die Tatsache, daß Netzbetreiber quantitativ mehr personenbezogene Daten verarbeiten als Diensteanbieter, rechtfertigt keine Privilegien für Diensteanbieter. Dies erscheint als Deregulierung vom falschen Ende her, die nicht gerechtfertigt ist durch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität.

III.

Mit der bevorstehenden Überarbeitung der Ratsrichtlinie zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provison ONP90/387/EWG) und der übrigen ONPRichtlinien sollte die restriktive Bestimmung zum Datenschutz als einer grundlegenden Anforderung, "wo dies angebracht ist" (Art. 3 Abs. 2 ONPRahmenrichtlinie), geändert werden. Der Datenschutz, wie er im entstehenden Gemeinschaftsrecht (z.B. in der vorgeschlagenen

Rahmenrichtlinie zum Datenschutz und in der ISDNRichtlinie) vorgesehen ist, ist nicht nur eine grundlegende Anforderung, "wo dies angebracht ist", sondern unter allen Umständen, die das Gemeinschaftsrecht (ebenso wie einzelstaatliches Recht in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht) vorsieht. Die ONPRahmenrichtlinie enthält keine vergleichbaren Einschränkungen anderer grundlegender Anforderungen wie etwa der Sicherheit des Netzbetriebes oder der Aufrechterhaltung der Netzintegrität. Der Datenschutz hat keine geringere Bedeutung und sollte nicht hinten angestellt werden dürfen, wenn Netzbetreiber oder Diensteanbieter dies für angemessen halten.

IV.

Die Frage der gegenseitigen Anerkennung von Lizenzen erhebt sich in Bezug auf Netzbetreiber und Diensteanbieter, wie man dem geänderten Vorschlag für eine Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Lizenzen und anderen nationalen Genehmigungen für Telekommunikationsdienste (KOM (94) 41 endg.) entnehmen kann. Weder die gegenseitige Anerkennung von Lizenzen noch in Zukunft ein europäisches Lizenzierungssystem sollte zu einer Absenkung der bestehenden Standards für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre führen, wie sie durch nationale Gesetzgebung und Lizenzbedingungen festgelegt sind. Das muß auch gelten, wenn die vorgeschlagenen Datenschutzrichtlinien in Kraft treten; die Umsetzung des darin vorgesehenen Datenschutzstandards sollte weder durch die gegenseitige Anerkennung von Lizenzen, noch durch ein europäisches Lizenzierungssystem beeinträchtigt werden.

V.

Satellitenkommunikation unter Einsatz von niedrigfliegenden Satelliten (Low earth orbitsatellites/LEOs) wird eine immer wichtigere Rolle im System der weltweiten Personal Communications spielen (vgl. Grünbuch, IV. 2 VII Randziffer 7).

Einerseits kann die Satellitenkommunikation das Risiko der Aufzeichnung präziser Bewegungsprofile begrenzen, soweit ein satellitengestüztes Netz nicht auf kleinen Zellen wie die terrestrischen Mobilfunknetze beruht. Der angerufene Teilnehmer empfängt Signale innerhalb der verhältnismäßig großen

Ausleuchtzone des Satelliten und kann deshalb nicht in derselben Weise lokalisiert werden, wie er in terrestrischen Zellularsystemen lokalisiert werden könnte. Auf der anderen Seite birgt die Satellitenkommunikation eine größere Gefahr für die Vetraulichkeit, weil Daten von leistungsstarken Erdfunkstationen zum Raumsegment (uplink) übermittelt werden und dann zurückübermittelt werden zu anderen Erdfunkstationen (downlink). Effektive Verschlüsselungstechniken müssen deshalb schon innerhalb der Erdfunkstation angewandt werden, bevor Daten zum Raumsegment übertragen werden, um das Abhören der Verbindung in der Nähe der Erdfunkstation zu verhindern.

VI.

Diese Stellungnahme kann nicht auf alle Details des Grünbuchs eingehen. Die Europäischen Datenschutzbeauftragten bitten jedoch die Kommission darum, möglichst frühzeitig Gelegenheit zu weiteren Stellungnahmen zu Vorschlägen für eine Gemeinschaftsgesetzgebung oder Normentwicklung zu erhalten, die sich aus diesem Grünbuch und dem anschließenden Konsultationsprozess ergeben kann.

Zuletzt geändert:
am 08.02.97

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