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5. Telekommunikation und Medien

5.1 Telekommunikation in Deutschland und Europa

Postreform II - Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation

Der Bundestag hat im September 1994 das Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) 176 beschlossen, das neben den Weichenstellungen für die Umwandlung der Deutschen Bundespost in drei Aktiengesellschaften auch zahlreiche Änderungen des materiellen Datenschutzrechts im Bereich der Telekommunikation enthält. Das Gesetz ist am 1.1.1995 in Kraft getreten. Zu den aus Datenschutzsicht wichtigsten Änderungen zählen insbesondere folgende:

Nach Art. 13 § 1 Nr. 3 PTNeuOG tritt das Postverfassungsgesetz zum 1.1.1995 außer Kraft. Damit entfällt insbesondere die Verordnungsermächtigung aus § 30 Abs. 2 Postverfassungsgesetz, aufgrund deren die TELEKOM-Datenschutzverordnung (TDSV) und die Teledienstunternehmen - Datenschutzverordnung (UDSV), die gegenwärtig den Datenschutz in diesem Bereich regeln, erlassen worden sind. Gleichzeitig ermächtigt das Gesetz über die Regulierung der Telekommunikation des Postwesens (PTRegG, Art. 7 PTNeuOG) in § 10 die Bundesregierung, eine entsprechende Rechtsverordnung zum Schutz personenbezogener Daten der am Fernmeldeverkehr oder am Postverkehr Beteiligten zu erlassen, welche die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung dieser Daten regelt. Eine solche Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Regulierungsrates und damit auch der Bundesländer bedarf, steht noch aus.

Für die Übergangszeit gelten die Regelungen von TDSV und UDSV mit den im Fangschaltungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts 177 getroffenen Einschränkungen fort.

Der Gesetzgeber hat in § 10 PTRegG gleichzeitig versucht, die Konsequenzen aus dem Fangschaltungsbeschluß zu ziehen und Vorgaben für den Inhalt der zu erlassenen Rechtsverordnung im Gesetz formuliert.

Es ist leider nicht gelungen, im Rahmen der Postreform II eine wesentliche Verbesserung des Datenschutzes in der Telekommunikation zu erreichen. Teilweise bewirkt das Postneuordnungsgesetz sogar eine Verschlechterung der Positionen der Betroffenen.

Seitenanfang So ist die dringend notwendige Erstreckung des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG auf die Rechtsnachfolger der Deutschen Bundespost nicht erfolgt. Das Post- und Fernmeldegeheimnis schützt den Bürger bisher ausschließlich vor Eingriffen des Staates und der Deutschen Bundespost. Die Geltung des Fernmeldegeheimnisses ist lediglich einfachgesetzlich (durch § 10 Fernmeldeanlagengesetz - FAG -) auf private Betreiber einer für den öffentlichen Verkehr bestimmten Fernmeldeanlage erstreckt worden. Durch die vollständige Privatisierung der bisher in Behördenform geführten Unternehmen der Deutschen Bundespost fällt ein Hauptadressat des ausschließlich staatsgerichteten Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 GG weg. Die gesetzliche Erstreckung des Fernmeldegeheimnisses auf alle Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, wird außerdem befristet, denn das gesamte Fernmeldeanlagengesetz tritt mit Ablauf des 31.12.1997 außer Kraft (§ 23 PTRegG). Wie der Grundrechtsschutz des Bürgers nach dem Wegfall des Monopols der Deutschen Telekom AG gesichert wird, ist gegenwärtig völlig offen.

Bereits in früheren Jahresberichten hatten wir darauf hingewiesen, daß § 12 FAG, der eine Auskunftserteilung über Verbindungsdaten für jedes beliebige Strafverfahren zuläßt, dringend änderungsbedürftig ist 178. Auch diese Änderung ist im Rahmen der Postreform II unterblieben.

Das Postneuordnungsgesetz stellt auch nicht die einheitliche Kontrolle der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen bei allen Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost sicher. Artikel 12 Abs. 16 PTNeuOG beschränkt die Kontrollkompetenz des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vielmehr auf die "aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost durch Gesetz hervorgegangenen Unternehmen . . .". Dies hat bereits jetzt zur Folge, daß nicht durch Gesetz entstandene Tochterunternehmen der Deutschen Bundespost TELEKOM, wie z.B. die DeTeMobil und die DeTeMedien zum 1.1.1995 nicht mehr in die Kontrollkompetenz des Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfD), sondern in die der lokal zuständigen Aufsichtsbehörde fallen. Darüber hinaus fällt die Kontrollbefugnis des BfD mit dem Wegfall der Monopole ebenfalls der jeweiligen Aufsichtsbehörden zu, wenn im Zuge der jetzt bevorstehenden Postreform III keine anderen Entscheidungen getroffen werden. Damit bleibt eine wesentliche Forderung der 46. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder unberücksichtigt, die die Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Kontrolle gefordert hatten 179. Im Rahmen der Beratungen im Bundestagsausschuß für Post und Telekommunikation bestand jedoch Einigkeit darüber, ". . . daß für die Zeit, wenn DBP TELEKOM und DBP Postdienst über keine Monopole mehr verfügen und daher § 2 Abs. 1 BDSG für die Zuständigkeit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bei den Unternehmen seine Wirkung verlieren wird, in Absprache mit den Bundesländern eine zentrale Kontrollstelle für den Datenschutz bestimmt werden soll." 180

Auch die von uns bereits mehrfach kritisierte Regelung zur Anzeige der Rufnummer des Anrufers bei telefonischen Beratungsstellen sowie der Aufnahme der Rufnummern dieser Stellen in Einzelentgeltnachweise 181 ist eher noch zu Lasten des Bürgers verändert worden. Die im Gesetz bezüglich der telefonischen Beratungsstellen getroffenen Festlegungen sind jedenfalls nach wie vor unzureichend. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat demgegenüber in ihrer Entschließung 182 das "Holländische Modell" favorisiert, bei dem jeder Kunde selbst darüber entscheiden kann, ob seine Rufnummer in Einzelentgeltnachweise von Anrufern aufgenommen wird oder nicht.

Bisherige Dauer der Speicherung von Verbindungsdaten bei der TELEKOM rechtswidrig?

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat 183 die TELEKOM verpflichtet, Rufnummern von angerufenen Teilnehmern aus dem digitalen Telekommunikationsnetz ISDN nur höchstens vier Tage in voller Länge zu speichern. Danach müssen die letzten drei Ziffern des angerufenen Anschlusses gelöscht werden. Die Kläger hatten die sofortige Löschung der Telefondaten aus dem digitalen Telefonnetz ISDN gefordert und angeführt, für eine weitergehende Speicherung und den damit verbundenen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bestehe gegenwärtig keine gesetzliche Grundlage. Nach Auffassung des Gerichts ist zur Aufrechterhaltung des Telefonverkehrs eine kurzfristige Speicherung jedoch weiterhin zulässig.

Die TELEKOM hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sollte diese Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht Bestand haben, so wäre die entsprechende Regelung der TDSV, die eine Speicherung der Zielnummern von bis zu 80 Tagen vorsieht und ohnehin ersetzt werden muß, rechtswidrig.

Daten der Telefonauskunft auf CD-ROM

Bereits mehrfach haben wir in vergangenen Jahresberichten über das Angebot von Teilnehmerverzeichnissen der TELEKOM auf elektronisch lesbaren Datenträgern berichtet 184. Dabei hatten wir kritisiert, daß der Benutzer der Eintragung seiner Daten in das Telefonbuch (§ 10 Abs. 3 TDSV) nicht so differenziert widersprechen kann, daß lediglich eine Eintragung auf elektronischen Datenträgern ausgeschlossen wird 185. Die Einführung eines solchen differenzierten Widerspruchsrechts ist um so dringlicher, als die DeTeMedien (ehem. Deutsche Postreklame GmbH) künftig neben der bereits bestehenden Möglichkeit, eine zu einem Namen gehörige Telefonnummer aufzufinden, weitere Suchmöglichkeiten plant, wie z.B. die "invertierte Suche", bei der der Name des Benutzers zu einer eingegebenen Telefonnummer aufgefunden wird. Damit werden die bereits bisher bestehenden erheblichen Auswertungsmöglichkeiten elektronischer Telefonbücher nochmals erweitert. Die TELEKOM hat es auch in den neuen Telefonbüchern 1994/95 unterlassen, die Kunden über die Folgen einer Weitergabe ihrer Daten auf elektronischen Datenträgern umfassend aufzuklären.

Telekommunikation in Europa

Im Rahmen der Europäischen Union sind im Berichtszeitraum zahlreiche Initiativen im Bereich der Telekommunikations- und Medienpolitik ergriffen worden. Verbindliche Regelungen zum Schutz der Daten von Telekommunikationskunden und Mediennutzern stehen allerdings nach wie vor aus. Die Konferenz der Europäischen Datenschutzbeauftragten hat bei ihrer Sitzung in Madrid 186 darauf hingewiesen, daß die zahlreichen Initiativen der Europäischen Kommission zur schnellen Einführung neuer Telekommunikationsdienste und transeuropäischer Telekommunikationsnetze den Datenschutz bisher nur unzureichend berücksichtigen und sehr viel weiter gediehen sind, als die Beratungen über die allgemeine Datenschutzrichtlinie und die ISDN-Richtlinie. Insofern besteht ein erheblicher Harmonisierungsbedarf zwischen Maßnahmen zur Öffnung der Märkte und der europäischen Datenschutzgesetzgebung. Die Datenschutzbeauftragten sehen die konkrete Gefahr, daß die beiden Datenschutzrichtlinien, wenn sie verabschiedet werden, möglicherweise bereits von den zahlreichen umgesetzten Maßnahmen zur Einführung neuer Dienste und Netze überholt sein könnten. Sie haben deshalb die Europäische Union aufgefordert, schon jetzt spezielle Datenschutzvorschriften in diejenigen Rechtsakte aufzunehmen, die im Telekommunikationsbereich vor Verabschiedung der Datenschutzrichtlinien beschlossen werden.

Fast vier Jahre nachdem die Europäische Kommission einen ersten Vorschlag für eine ISDN-Richtlinie gemacht hatte, hat die Kommission im Juni 1994 einen geänderten Vorschlag für diese Richtlinie vorgelegt 187, nachdem zeitweise die Gefahr bestanden hatte, daß die Kommission ihr ursprüngliches Vorhaben völlig aufgeben würde. Die Änderungen werden von der Kommission in erster Linie mit dem Hinweis auf das vom Europäischen Rat in Edinburgh als Maßstab für die Unionsgesetzgebung festgelegte Subsidiaritätsprinzip und mit einer Beschränkung des Richtlinieninhalts auf telekommunikations- spezifische Fragen begründet, während allgemeine datenschutzrechtliche Fragen von der bereits weiter fortgeschrittenen Datenschutzrichtlinie beantwortet werden sollen.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat in einer Entschließung 188 die Bundesregierung aufgefordert, noch unter der deutschen Ratspräsidentsschaft diesen geänderten Vorschlag vordringlich zu behandeln, damit er möglichst bald vom Rat und vom Europäischen Parlament beschlossen werden kann. Dies ist deshalb nicht gelungen, weil sich die Beratungen über die allgemeine Datenschutzrichtlinie im Rat bis Ende 1994 hingezogen haben. Auch inhaltlich haben sowohl die deutschen als auch die europäischen Datenschutzbeauftragten 189 Verbesserungsvorschläge zum geänderten Richtlinienentwurf der Kommission gemacht.

Die "Gruppe von Persönlichkeiten zur Informationsgesellschaft" hat unter dem Vorsitz von Kommissionsmitglied Bangemann in ihren Empfehlungen für den Europäischen Rat "Europa und die globale Informationsgesellschaft" 190 zwar die rasche Verabschiedung des Richtlinienvorschlags der Kommission über allgemeine Prinzipien des Datenschutzes durch die Mitgliedstaaten als erforderlich bezeichnet, weil ohne die rechtliche Sicherheit eines unionsweiten Konzepts für den Datenschutz der Vertrauensmangel auf seiten des Verbrauchers einer raschen Entwicklung der Informationsgesellschaft im Wege stehe. Bedauerlicherweise wird der Vorschlag für eine ISDN-Richtlinie aber nicht erwähnt. Demgegenüber hat die Kommission in ihrem Dokument "Europas Weg in die Informationsgesellschaft - ein Aktionsplan" 191 deutlich gemacht, daß im einzelnen durch unionsweite Regelungen festzulegen ist, wie die allgemeinen Datenschutzgrundsätze auf spezifische Situationen anzuwenden sind, die sich aus der Einführung neuer Technologien ergeben. Gerade diesem Zweck dient der Entwurf für eine erste bereichsspezifische Richtlinie über den Datenschutz im ISDN.

Die Europäische Kommission hat ein Grünbuch über ein gemeinsames Konzept für Mobilkommunikation und Personal Communications in der Europäischen Union 192 vorgelegt, das eine europäische Gesetzgebung vorbereiten soll. In diesem Grünbuch wird erstmals umfassend beschrieben, in welche Richtung sich die Telekommunikation in Europa und auch weltweit in den nächsten Jahren bewegen wird: Es wird in absehbarer Zeit keine Unterschiede mehr zwischen dem herkömmlichen Festnetz und den Mobilfunknetzen geben, jeder Teilnehmer kann in beiden Netzen erreicht werden und seinerseits anrufen, wenn er eine entsprechende Chipkarte in ein beliebiges (stationäres oder mobiles) Telefon steckt. Damit wird die Mobilität und Erreichbarkeit erhöht. Die Telekommunikation gleicht sich immer mehr der persönlichen, unmittelbaren Kommunikation an, auch wenn die Unterschiede noch auf absehbare Zeit überwiegen werden.

Gleichzeitig entstehen qualitativ neue Gefahren für die Privatsphäre. Im "persönlichen Kommunikationsnetz" der Zukunft werden nämlich nicht mehr Telefone, sondern Personen direkt angewählt, unabhängig davon, ob sie zuhause sind oder mit einem Mobilfunkgerät unterwegs sind. Damit erhält die Telefonnummer den Charakter eines Personenkennzeichens. Das Recht jedes Nutzers, unbeobachtet zu kommunizieren, könnte entscheidend verkürzt werden. Das vor kurzem gegründete Europäische Amt für Numerierung in Kopenhagen hat zwar gegenwärtig nur die Aufgabe, nationale und europäische Numerierungspläne für die Telekom-Gesellschaften zu koordinieren und neu zu konzipieren. Sobald diese oder eine andere Institution aber beginnt, sich mit der Numerierung von Menschen zu befassen, ist dies keine Frage der Verteilung knapper Ressourcen mehr, sondern in erster Linie eine Frage der grundrechtlich geschützten Privatsphäre. Dies haben die europäischen Datenschutzbeauftragten in ihrer von uns initiierten Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission 193 deutlich gemacht. Auch in einem zukünftigen universellen Telekommunikationsnetz muß zumindest die Möglichkeit für den einzelnen Teilnehmer erhalten bleiben, mit anderen zu kommunizieren, ohne sich selbst identifizieren zu müssen.

Die Europäische Kommission hat unsere Stellungnahme aufgegriffen und in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat 194 betont, daß das Konzept der Anrufe von Person zu Person, der einheitlichen Nummernvergabe an Individuen und der personalisierten Karten unter dem Aspekt des Schutzes der Privatsphäre untersucht werden muß. Die Kommission hat erklärt, sie werde noch vor dem 1.1.1996 einen Bericht darüber vorbereiten, ob weitere Maßnahmen bezüglich eines Schutzes personenbezogener Daten notwendig sind.

Für den Telekommunikationssektor und insbesondere für das immer weiter verbreitete Teleshopping von Bedeutung ist der geänderte Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz 195. Dieser Vorschlag ist - im Gegensatz zur ISDN-Richtlinie - bereits Gegenstand der Beratung im Rat. Wir haben im Rahmen der Europäischen Datenschutzkonferenz gemeinsam mit der französischen Datenschutzkommission und dem britischen Datenschutzbeauftragten eine Stellungnahme zu diesem Entwurf aus datenschutzrechtlicher Sicht formuliert, die dem Rat zugeleitet wurde. Auch wenn der Schwerpunkt dieser Richtlinie beim Verbraucherschutz liegt, so hat es doch zugleich Auswirkungen auf den Schutz der Privatsphäre, ob etwa das Telefon oder die elektronische Post zum Abschluß von Kaufverträgen im Fernabsatz ohne vorherige Zustimmung des Käufers benutzt werden darf. Der Richtlinienvorschlag enthält auch eine Regelung über kartengestützte Zahlungsverfahren im Fernabsatz.

In diesem Zusammenhang ist auch das von der Kommission im April 1994 vorgelegte Grünbuch zu strategischen Optionen für die Stärkung der Programmindustrie im Rahmen der audiovisuellen Politik der Europäischen Union zu erwähnen. Zwar nennt das Grünbuch die Wahrung des Datenschutzes und der Privatsphäre als ein Ziel der europäischen Strategie; dennoch spielen Datenschutzaspekte bei der Entwicklung neuer audiovisueller Dienste bisher offenbar nur eine untergeordnete Rolle.

Zu diesen neuen Diensten zählen vor allem Pay-per-View, Video-on-Demand und Shopping-Channels, mit denen Angebote immer stärker individualisiert werden. In dem Maße, wie der herkömmliche Rundfunk vom Massenmedium zum individuellen Bestell- und Konsummedium wird, bei dem über einen Rückkanal Daten der Nutzer an den Anbieter übermittelt werden, entstehen neue Gefährdungen für die Privatsphäre. Die Anbieter solcher Dienste haben ein starkes wirtschaftliches Interesse daran, Informationen über das Konsum- und Nutzungsverhalten der Kunden zu erhalten und individuelle Nutzungsprofile zu erstellen.

Demgegenüber haben wir die Kommission darauf hingewiesen, daß bereits bei der Konzeption audiovisueller interaktiver Dienste die Verarbeitung personenbezogener Daten auf ein möglichst geringes Maß reduziert werden muß (Grundsatz der Datensparsamkeit). Eine Speicherung von (zwingend erforderlichen) Daten sollte soweit wie möglich dezentral und unter der Kontrolle des Benutzers erfolgen. Gebühren sollten von Guthabenkarten (prepaid cards) abgebucht werden können. Die Datenverarbeitung muß für den Benutzer transparent sein. Schließlich sind diejenigen Daten, die Systembetreiber und Diensteanbieter erhalten müssen, einer strikten Zweckbindung zu unterwerfen.

Die verschiedenen Richtlinien über den offenen Netzzugang, die bereits seit mehreren Jahren in Kraft sind, sollen im Laufe des Jahres 1995 aktualisiert werden. Zu diesem Zweck erstellt die Europäische Kommission einen Bericht, für den wir eine Stellungnahme der Europäischen Datenschutzkonferenz koordiniert haben 196. Die Datenschutzbeauftragten dringen in diesem Zusammenhang darauf, daß dem Datenschutz ein höherer Stellenwert beigemessen wird als dies in der ursprünglichen Rahmenrichtlinie über den offenen Netzzugang der Fall war. Nachdem der Entwurf einer Richtlinie über den offenen Netzzugang im Sprachtelefondienst zunächst am Widerstand des Europäischen Parlaments gescheitert ist, besteht außerdem die Möglichkeit, diese Richtlinie von vornherein datenschutzgerechter zu gestalten, als es der ursprüngliche Kommissionsvorschlag vorsah. Dieser Richtlinienvorschlag muß auch besser als bisher mit dem Vorschlag für eine ISDN-Richtlinie abgestimmt werden.

Das Programm des offenen Netzzugangs, das von der Kommission bereits verfolgt wurde, bevor spezielle Datenschutzrichtlinien vorgeschlagen wurden, sieht die Schaffung eines allgemeinen Basistelekommunikationsdienstes in allen Mitgliedstaaten vor, der jedem Unionsbürger den Zugang zu bestimmten unionsweiten Dienstemerkmalen ermöglichen soll. Der Entwurf für eine Ratsentschließung über diesen Basisdienst 197 erwähnt das Problem des Persönlichkeitsschutzes mit keinem Wort und nimmt noch nicht einmal Bezug auf die grundlegenden Anforderungen der Rahmenrichtlinie über den offenen Netzzugang, zu denen - wenn auch in schwacher Form - der Datenschutz zählt. Die europäischen Datenschutzbeauftragten haben es in ihrer Stellungnahme als entscheidend bezeichnet, daß Datenschutzmaßnahmen Teil jedes allgemeinen Basisdienstes werden, der in der Europäischen Union angeboten wird.

Die Liberalisierung auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt wird in naher Zukunft weitergehen, nachdem zunächst im Bereich des Mobilfunks das Netzmonopol abgeschafft wurde. Als nächstes wird das Monopol für den Sprachtelefondienst auch im Festnetz zum Ende des Jahres 1997 fallen und spätestens zu diesem Zeitpunkt wird es in der Europäischen Union auch kein Netzmonopol der Telekommunikationsorganisationen mehr geben. Dann werden auch andere Unternehmen, die über "alternative Netze" verfügen (z.B. Energieversorgungsunternehmen), Telekommunikationsnetze betreiben; der Unterschied zwischen Diensteanbietern und Netzbetreibern wird weitgehend bedeutungslos werden. Die damit verbundenen Auswirkungen für den Persönlichkeitsschutz der Bürger sind noch nicht im einzelnen absehbar. Es wird entscheidend darauf ankommen, daß der einzelne Unionsbürger sowohl im Verhältnis zu den Netzbetreibern als auch zu den Diensteanbietern nicht schlechter gestellt ist, als er gegenwärtig im Verhältnis zu den herkömmlichen Telekommunikationsorganisationen steht.

Zuletzt geändert:
am 08.02.97

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