4.7 Jugend und FamilieDas Zusammenwirken von Gesundheitsamt, Jugendamt und SozialamtIn einem Bezirksamt waren im Rahmen der Durchführung der ambulanten Hilfen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach § 27 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG - SGB VIII) die fachdienstlichen Stellungnahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Beratungsstelle gegenüber dem Jugendamt strittig. Die Stellungnahmen waren ursprünglich von der Tendenz getragen, möglichst umfassend und vollständig über die Gesundheitssituation an das Jugendamt zu berichten. Unbestritten war, daß das Jugendamt die Angaben für das Bewilligungsverfahren erhalten muß, soweit der Hilfebedürftige den Antrag aufrecht erhält. Nach §§ 60, 65 SGB I hat das Jugendamt einen Anspruch darauf, daß der Antragsteller im Rahmen der Mitwirkung die erforderlichen Tatsachen offenbart. Somit hat der Antragsteller u.U. auch dem Jugendamt Tatsachen mitzuteilen, die im Rahmen einer vertrauensärztlichen Untersuchung unter die ärztliche Schweigepflicht fallen. Hierbei ist jedoch auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip besonders zu achten, so daß nur die anspruchsbegründenden Tatsachen zu übermitteln sind. Das gesamte ärztliche Gutachten und weitergehende Befunde gehen weit darüber hinaus und sind im übrigen auch für die Jugendämter nicht hilfreich. Sinnvoll ist allein eine Plausibilitätsbegründung für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen. Eine ähnliche Problematik stellte sich in einem anderen Bezirk beim Eingliederungsprojektes "Betreutes Wohnen", wo ebenfalls Stellungnahmen des sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes an das Sozialamt abzugeben sind, um die Finanzierung des betreuten Wohnens sicherzustellen. Auch hier muß dem Erforderlichkeitsprinzip Rechnung getragen werden, so daß Informationen, die nicht der Bewilligung oder der Weiterbewilligung des Antrags dienen vom Sozialpsychiatrischen Dienst nicht übermittelt werden dürfen. Probleme der Verwaltungsreform |
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Vom Sprecherrat der Kinder- und Jugendgesundheitsdienste wurde uns das Problem der Rückverlagerung von Aufgaben nach dem KJHG aus dem Jugendgesundheitsdienst für Säuglinge und Kleinkinder auf die Abteilung Jugend und Sport vorgetragen. Dazu wurde ein Teil der Stellen des Gesundheitsamtes auf das Jugendamt übertragen. Nicht bedacht wurde dabei, daß die für die Arbeit grundlegenden Geburtsmeldungen durch Meldeämter bzw. Standesämter aufgrund der rechtlichen Festschreibung im Berliner Melderecht (Anlage 4 DVO-Meldegesetz) an das Gesundheitsamt zu gehen hatten, so daß dem Jugendamt die Arbeitsgrundlage für ein Tätigwerden fehlte, dem Gesundheitsamt die Meldungen zwar noch zugingen, dort man aber nicht tätig werden konnte, weil die erforderlichen Mitarbeiter abgezogen waren. Datenschutz hat auch etwas mit rationaler Behördenorganisation zu tun hat, so daß die richtige Information an die richtige Stelle kommt und dort effizient verwertet werden kann. So hatten wir in früherer Zeit die Meldungen an die Gesundheitsämter mit der Begründung befürwortet, daß gerade bei Neugeborenen die ärztliche Versorgung sicher gestellt werden muß und vor allem aus ärztlichem Bereich etwaige Defizite in der Sozialstruktur aufgedeckt und bewertet werden können, um im erforderlichen Falle Jugendämter für die weitere Familienbetreuung einzuschalten. 4.8 JustizBundesrecht: DefiziteNach wie vor Klaffen im Bereich der Justiz erhebliche Lücken datenschutzrechtlicher Regelungen des Bundesrechts. In der Entschließung, die die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder anläßlich des zehnten Jahrestages des Volkszählungsurteils faßten 146, stellten sie fest, daß ausreichende gesetzliche Regelungen nach wie vor fehlen für die - Datenverarbeitung im Strafverfahren, insbesondere in automatisierten Dateien, - Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Strafvollzug, - Übermittlung von Daten aus den bei Gerichten geführten Registern (z.B. Grundbuch) und deren Nutzung durch die Empfänger, - Datenübermittlung von Amts wegen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften an Gerichte, Behörden und sonstige öffentliche Stellen (Justizmitteilungsgesetz), - Aufbewahrung von Akten, Karteien und sonstigen Unterlagen sowie die Dauer der Speicherung in automatisierten Verfahren. VerbrechensbekämpfungsgesetzDas am intensivste diskutierte Gesetz beinhaltet eher Rückschritte: Am 21.9.1994 hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) verabschiedet, nachdem sich Bundesrat und Bundestag im Vermittlungsausschuß über die strittigen Punkte geeinigt hatten. Es ist am 1.12.1994 in Kraft getreten 147. Bis zuletzt war über die Aufgabe der bisherigen Beschränkung der strategischen Telefonüberwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von sicherheitspolitischer Bedeutung sind, gestritten worden. Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll der BND künftig insbesondere auch die Einfuhr von Betäubungsmitteln, Aktivitäten des internationalen Terrorismus, die internationale Geldfälschung und die damit zusammenhängende Geldwäsche aufklären 148. Mit einigen Änderungen ist diese Regelung in dieser Form auch in Kraft getreten. Trotz der Kritik an der beginnenden Aufhebung des Trennungsgebotes hat sich der Vermittlungsausschuß auf eine nicht unbedenkliche Kompetenzerweiterung für den BND geeinigt. Gestrichen wurde zwar die Möglichkeit des BND, gezielt Suchbegriffe zu Personen zu verwenden, geblieben ist aber die Einschaltung des "elektronischen Staubsaugers" des BND, wenn bestimmte, für die Strafverfolgung interessante Stichworte fallen. Dann schaltet sich das Aufzeichnungsgerät ein. Aus dem BND wurde damit ein Zulieferer für die Strafverfolgung. Die vom Gesetz bisher verriegelte Tür zwischen Polizei und Geheimdienst ist aufgesperrt. Die Erweiterung der Befugnisse des BND führt faktisch zu einer Mitwirkung des BND bei der Verbrechensbekämpfung, obwohl dieser Bereich strikt von dem Einsatzbereich von Geheimdiensten zu trennen ist. Im Gegensatz zu den Geheimdiensten sind die Strafverfolgungsbehörden einer Vielzahl von rechtsstaatlichen Verfahrensregelungen unterworfen, die neben dem Recht des Beschuldigten auf Verteidigung auch in besondere Weise dessen informationelle Selbstbestimmung sichern. Durch die Ausdehnung des Anwendungsbereiches nachrichtendienstlicher Mittel ist diese Trennlinie verwischt worden. Darauf haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hingewiesen und die strikte Einhaltung des Trennungsgebotes bei der Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und Polizei gefordert 149. Mit dem Inkrafttreten des Verbrechensbekämpfungsgesetzes ist auch der Weg frei geworden für ein bundesweites staatsanwaltschaftliches Informationssystem (SISY). In dem Informationssystem sollen alle staatsanwaltschaftlichen Vorgänge ohne Differenzierung erfaßt werden. Der bundesweite Zugriff auf alle staatsanwaltschaftlichen Vorgänge, unabhängig von der Schwere und Bedeutung der Straftaten, ist im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bedenklich. Wir hatten in den Gesetzesberatungen deshalb empfohlen, das Informationssystem auf schwere und überregional bedeutsame Straftaten zu beschränken. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat darauf hingewiesen, daß bei Einstellungen mangels hinreichenden Tatverdachts und rechtskräftigem Freispruch in der Regel eine Registrierung nicht gerechtfertigt ist, es sei denn, tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat liegen auch noch nach Abschluß des Verfahrens vor. Weiterhin hat die Konferenz eine Abstimmung der Datei mit den bestehenden polizeilichen Informationssystemen und dem Bundeszentralregister, das ebenfalls Daten zu Zwecken der Strafverfolgung speichert, gefordert 150. Zu SISY liegt bereits der Entwurf einer Errichtungsanordnung vor. Hier finden sich insbesondere Regelungen über den Zweck der Datei, den betroffenen Personenkreis, die zu verarbeitenden Daten und Übermittlungsregelungen. Entgegen dem Wortlaut des § 474 Abs. 3 Satz 2 StPO sieht die Errichtungsanordnung auch sogenannte Spontanübermittlungen, d.h. solche Übermittlungen vor, die ohne ein vorheriges Ersuchen einer Staatsanwaltschaft erfolgen. Derartige Übermittlungen sind vom Gesetz nicht gedeckt. Nach § 474 Abs. 3 Satz 2 StPO dürfen aus dem Register nur Auskünfte erteilt werden für Zwecke eines Strafverfahrens. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, daß nur auf ein Ersuchen hin Daten übermittelt werden dürfen, da eine Auskunft grundsätzlich ein Ersuchen voraussetzt. Nicht von der gesetzlichen Grundlage gedeckt ist auch die Einbeziehung der von den Finanzbehörden geführten steuerstrafrechtlichen Verfahren. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers teilen nach § 474 Abs. 3 StPO nur die Staatsanwaltschaften die einzutragenden Daten mit. Das Gesetz ist an dieser Stelle hinreichend bestimmt, so daß wir eine andere Auslegung, die auch die Finanzbehörden mit einbezieht, nicht für möglich halten. Es gibt auch FortschritteAm 1.1.1995 traf das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe (PKHÄndG) 151 in Kraft. Das Gesetz enthält datenschutzrechtliche Verbesserungen. Die Erklärung einer Partei im Prozeßkostenhilfeantragsverfahren über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die entsprechenden Belege dürfen zukünftig dem Antragsgegner nur noch dann zugänglich gemacht werden, wenn die Partei dem vorher auch zugestimmt hat. Das Gericht darf den Prozeßgegner bei der Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag die Gründe der Entscheidung, wenn diese Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse enthalten, nur noch mit vorheriger Zustimmung der Antragspartei zugänglich machen. Ebenfalls am 1.1.1995 traf das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über das Schuldnerverzeichnis in Kraft, eine Regelung, die seit Bestehen der Datenschutzbeauftragten regelmäßig angemahnt worden war. Darin ist nun eine detaillierte Zweckbindung für die Verwendung von Daten aus dem Schuldnerverzeichnis enthalten. Um der Verwechslungsgefahr zwischen verschiedenen Schuldnern vorzubeugen, sollen soweit bekannt, auch die Geburtsdaten der Personen im Schuldnerverzeichnis eingetragen werden. Besonders hervorzuheben sind die neugefaßten Regelungen zur Löschung der Eintragung im Schuldnerverzeichnis, die jetzt auch eine vorzeitige Löschung von Amts wegen neben der weiterhin geltenden dreijährigen Löschungsfrist vorsehen, in den Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht vom Wegfall des Eintragungsgrundes erfährt. Ausdrücklich geregelt wurden die Voraussetzungen für die Erteilung von Abdrucken zum laufenden Bezug aus dem Schuldnerverzeichnis an im Gesetz benannte öffetnliche und private Stellen wie beispielsweise die Industrie- und Handelskammern oder die privaten Schuldnerverzeichnisse. Hierzu wurde eine Verpflichtung zur vertraulichen Behandlung der übermittelten Daten aufgenommen. Durch das Gesetz wird das Bundesministerium für Justiz ermächtigt, eine Rechtsverordnung zur Ausgestaltung der Regelungen des Schuldnerverzeichnisses zu erlassen. Die Verordnung über das Schuldnerverzeichnis (SchuVVO) ist ebenfalls am 1.1.1995 in Kraft getreten 152. Das Dauerthema des StrafverfahrensänderungsgesetzesNichts entscheidendes ist hinsichtlich der Novellierung der StPO geschehen. Die Länder Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen hatten dem Bundesrat den Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes 1994 (StVÄG 1994) zugeleitet. In unserem Jahresbericht 1993 153 hatten wir über diesen Entwurf berichtet. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sind der Auffassung, daß der Entwurf einer grundlegenden Überarbeitung bedarf 154. Der Bundesrat hat dennoch beschlossen, den Gesetzentwurf ohne wesentliche Änderungen im Bundestag einzubringen. Der Gesetzesentwurf 155 trägt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur unzureichend Rechnung; er fällt weit hinter den Standard der allgemeinen Datenschutzgesetze und der Polizeigesetze der Länder zurück. Alle an einem Strafverfahren Beteiligten, Verdächtige, Verbrechensopfer, Tatzeugen, aber auch Unbeteiligte müssen nach dem Entwurf damit rechnen, daß Daten über ihre Person aus Strafakten nicht nur an andere Rechtspflegeorgane, sondern auch an viele andere Behörden weitergegeben werden können. Ein nicht näher definiertes "berechtigtes Interesse" soll private Personen und Unternehmen zur Auskunft aus oder zur Einsicht in Strafakten legitimieren. Damit wird die besondere Schutzwürdigkeit gerade des Inhaltes von Strafakten schwer mißachtet. Geändert worden ist inzwischen die ursprünglich vorgesehene Löschungsregelung, nach der Angaben in Justizdateien abweichend vom allgemeinen Datenschutzrecht nur noch dem Zufallsprinzip aus Anlaß einer Einzelfallbearbeitung gelöscht werden sollten. Jetzt ist eine Löschung vorgesehen, wenn die Speicherung der Daten unzulässig war oder aber ihre Kenntnis nicht mehr zur Aufgabenerfüllung der Strafverfolgungsbehörde erforderlich ist, allerdings ohne daß im Gesetz Löschungs- oder Prüfungsfristen genannt sind. Auch die Diskussion um den "Großen Lauschangriff" hält an. Bayern hat eine Bundesratsinitiative zur Ergänzung des Gesetzes gegen die organisierte Kriminalität (OrgKG) gestartet und dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG ErgG) zugeleitet 156. Mit diesem Gesetzesentwurf soll das heimliche Abhören von Gesprächen in Wohnungen und damit auch das heimliche Betreten der Wohnungen (Änderung des § 100 c StPO und der §§ 100 d, 101 StPO) zum Installieren der Abhörgeräte ermöglicht werden. Zugleich soll die Möglichkeit der Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen sowie der Einsatz sonstiger technischer Observationsmittel in Wohnungen geschaffen werden. Da der Lauschangriff in Wohnungen mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, das aus Art. 13 Grundgesetz (GG) folgt, nicht vereinbar wäre, soll auch Art. 13 Abs. 3 GG geändert werden 157. Das OrgKG ErgG sieht außer dem Lauschangriff in Wohnungen die Einbeziehung des Straftatbestandes der Geldwäsche in den Katalog des § 100 a StPO vor, der die Straftatbestände nennt, bei deren Verdacht die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs angeordnet werden darf. Ungeklärt ist, ob dann nicht schon jede Meldung einer Bank als ausreichend für die Anordnung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs angesehen werden könnte. Weiterhin sollen nach dem Entwurf verdeckte Ermittler in bestimmten Fällen selbst Straftaten begehen dürfen - nämlich dann, wenn "das Interesse an dem Einsatz des verdeckten Ermittlers das beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegt". Diese Gesetzesinitiativen sind unvereinbar mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat sich bereits 1992 gegen eine Ausweitung des Lauschangriffes auf Privatwohnungen für Zwecke der Strafverfolgung ausgesprochen mit dem Hinweis, "daß eine angemessene Abwägung zwischen der Verfolgung der organisierten Kriminalität und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Bürger geboten und möglich ist und es eine Wahrheitserforschung um jeden Preis nicht geben darf." Datenschutz macht nicht vor Strafvollzug HaltEin Untersuchungshäftling aus der Justizvollzugsanstalt Moabit beschwerte sich darüber, daß die Gefangenen zur Vorstellung beim Arzt für jedermann laut hörbar ausgerufen werden. Derselbe Untersuchungshäftling mußte feststellen, daß auch seine Post an den Berliner Datenschutzbeauftragten der Postkontrolle unterzogen wurde. Durch ein Ausrufen des Gefangenen zur Vorstellung bei der Arztgeschäftsstelle oder beim Arzt werden Informationen über den Betroffenen unbefugt an andere Mitgefangene offenbart. Dies stellt einen Verstoß gegen § 8 und § 13 BlnDSG dar, der nicht damit zu rechtfertigen ist, daß möglicherweise Verzögerungen entstehen könnten, wenn der Gefangene nicht in seinem Haftraum oder auf seiner Arbeitsstelle ist. Dies gilt besonders für so sensible Daten wie den Arztbesuch, der schließlich auch in den strafbewährten Schutzbereich des § 203 StGB fällt. Bei der Überwachung des Postverkehrs der Gefangenen in der Untersuchungshaft ist eine verfassungskonforme Auslegung des Nr. 30 Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) für die Beschränkung des Schriftverkehrs eines Gefangenen an den Datenschutzbeauftragten geboten. Nr. 30 UVollzO, der die Schreiben des Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Vertreter und Schreiben an die Europäische Kommission für Menschenrechte von der Überwachung durch den Richter ausnimmt, ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß auch die Schreiben an die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder von der Überwachung des Schriftverkehrs ausgenommen sind. Bei Schreiben an den Datenschutzbeauftragten können daher auch nur die durch Nr. 30 UVollzO vorgesehenen Beschränkungen durch den Richter gebilligt werden. Die Senatsverwaltung für Justiz verweist darauf, daß die Ausnahme der Post vom und an den Datenschutzbeauftragten von der Postkontrolle in ein künftiges Untersuchungshaftvollzugsgesetz aufgenommen werden soll. Da für die Entscheidungen zum Vollzug der Untersuchungshaft auch Strafverfolgungsbehörden anderer Länder zuständig sein könnten, wird von der Senatsverwaltung für Justiz eine landesspezifische Regelung abgelehnt. Mitteilungen in Zivilsachen - MiZi -Die Gerichte sind verpflichtet, Behörden in bestimmten Fällen Mitteilungen über Urteile zu machen. Wann dies der Fall ist und was mitzuteilen ist, regeln die Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi). Dort ist beispielsweise geregelt, daß Urteile in Kindschaftssachen, sofern sie eine Eintragung im Personenstandsbuch erforderlich machen, dem zuständigen Standesbeamten mitzuteilen sind. Eine Mitarbeiterin eines Gerichtes fragte sich, ob für die Eintragung in das Personenstandsbuch die Übersendung des gesamten Urteils in Kindschaftssachen erforderlich sei, denn ein solches Urteil enthält sehr intime Informationen zu den betroffenen Personen. Nach § 29 Abs. 2 Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (AGGVG) sind Mitteilungen nach den MiZi bis zum Inkrafttreten eines bundeseinheitlichen Justizmitteilungsgesetzes zulässig. Der in § 9 Abs. 1 BlnDSG hervorgehobene Verfassungsgrundsatz der Erforderlichkeit ist damit bei der Datenverarbeitung in der Berliner Justiz ausgeschlossen. Er ist jedoch auch bei der Anwendung der MiZi zu beachten 158 und es ist nur das zu übermitteln, was zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung durch das Standesamt benötigt wird. Die Senatsverwaltung für Justiz vertritt dagegen die Auffassung, daß eine besondere Erforderlichkeitsprüfung im Rahmen der MiZi nicht angezeigt sei. Diese Auffassung hat der Senat bereits in seiner Stellungnahme zu unserem Jahresbericht 1992 159, in dem wir das Problem schon einmal aufgegriffen hatten, vertreten. Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Inneres als Aufsichtsbehörde für die Standesämter dürfte in der überwiegenden Zahl der mitzuteilenden Entscheidungen eine Ausfertigung des Urteils ohne vollständigen Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe in Verbindung mit den Angaben im jeweiligen Mitteilungsvordruck für den Standesbeamten zur Erfüllung seiner Aufgaben ausreichend sein. Damit verstößt die angesprochene Praxis trotz der anderweitigen Ansicht der Justizverwaltung gegen geltendes Datenschutzrecht. 4.9 Kulturelle AngelegenheitenZögerliche Aufbereitung von Datenbeständen der DDRMit dem Berliner Archivgesetz wurde, wie im Jahresbericht 1993 erörtet, eine abschließende Regelung für den Umgang mit Datenbeständen ehemaliger Einrichtungen der DDR geschaffen. Danach sind personenbezogene Daten derartiger Einrichtungen, wenn sie zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben nicht mehr erforderlich sind, zunächst dem Landesarchiv anzubieten. Verzichtet das Landesarchiv auf eine Archivierung, so sind diese Daten zu löschen oder zu vernichten. Diese Regelung führte im Jahr 1994 erst in Einzelfällen zu Angeboten. Lediglich in drei Fällen wurden archivarisch bedeutende Datenbestände übernommen. Im Juni 1994 wandte sich der Berliner Datenschutzbeauftragte mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit. Wir haben darauf hingewiesen, daß alle Privatpersonen und nicht-öffentlichen Stellen, die noch im Besitz von Unterlagen ehemaliger Einrichtungen der DDR sind, nach dem Landesarchivgesetz verpflichtet wurden, diese an die zuständigen öffentlichen Stellen herauszugeben. Insbesondere wurde darauf verwiesen, daß noch nicht alle Unterlagen der 162 ehemaligen Schiedskommissionen, die einfache zivilrechtliche Streitigkeiten und geringfügige Strafsachen zu DDR-Zeiten verhandelten, bei den Amtsgerichten abgeliefert worden waren. Des weiteren bemühten wir uns um Aufklärung, inwieweit in den Depots der Treuhandanstalt, die Unterlagen der ehemaligen volkseigenen Betriebe der DDR aufbewahren, auch Unterlagen der ehemaligen Konfliktkommissionen, die einfache Arbeitsrechtsstreitigkeiten und auch geringfügige Strafsachen verhandelten, Eingang fanden. Die Treuhandanstalt teilte daraufhin mit, daß Unterlagen der Schieds- und Konfliktkommissionen in ihrer Niederlassung in Depots Dresden, Magdeburg und Schwerin eingelagert sind. Betroffenen Bürgern wird grundsätzlich Auskunft aus den archivierten Unterlagen erteilt. Einzelanfragen können auch direkt an das jeweilige Depot gerichtet werden. Im Jahresbericht 1992 machten wir auf das Problem des Umgangs mit Studentenaltakten aufmerksam. Im Jahr 1994 wurde durch die im Ostteil liegenden Hochschulen begonnen, die Altaktenbestände zu sichten und nach den im Archivgesetz festgelegten Grundsätzen dem Landesarchiv anzubieten, bzw. im Hochschularchiv zu verwahren oder zu vernichten. Auch an den Schulen im Ostteil Berlins hat auf Grundlage eines - vor Erlaß des Landesarchivgesetzes - von der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport herausgegebenen Rundschreibens die Bereinigung der aus DDR-Zeiten stammenden Archivbestände eingesetzt. Das zentrale Totenscheinarchiv der ehemaligen DDR wurde zum 1.1.1994 entsprechend dem Gebietsstand der neuen Bundesländer aufgeteilt und diesen übergeben. Dieses Archiv umfaßt alle Totenscheine des Zeitraums von 1969 bis 1990, wobei ab 1979 die Sortierung nach dem Sterbeort erfolgte. Dies hat zur Folge, daß die übernehmenden Bundesländer zwangsläufig Daten von Verstorbenen mit ehemaligen Wohnsitzen haben, die heute zu anderen neuen Bundesländern bzw. zu Berlin gehört. In Berlin hat diesen Datenbestand das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben - Landesversorgungsamt - übernommen. Als Aufbewahrungsfrist wird von einem Zeitraum von 30 Jahren ausgegangen. Diese Ausführungen machen deutlich, daß noch nicht von einer den Regelungen des Archivgesetzes entsprechenden Aufbereitung personenbezogener Datenbestände aus DDR-Zeiten ausgegangen werden kann. Gerade im Interesse der zeitgeschichtlichen Forschung müssen diese Unterlagen - soweit sie als archivwürdig eingestuft werden - in den Archiven Berlins gesichert werden. Automation in den Berliner BibliothekenDie Automation in den Berliner Bibliotheken befindet sich derzeit in einem Umbruch, um die Medienversorgung der Berliner Bürger effizienter und schneller sicherzustellen. Mit erheblicher Verspätung sind wir über den geplanten Verbund der Öffentlichen Bibliotheken des Landes mit prüffähigen Unterlagen unterrichtet worden, so daß eine fundierte datenschutzrechtliche Stellungnahme noch nicht abgegeben werden konnte. Immerhin liegt mit § 4 des Gesetzes über Datenverarbeitung im Bereich der Kulturverwaltung seit 1993 eine bereichsspezifische gesetzliche Regelung für die Verarbeitung personenbezogener Daten in Bibliotheken vor, so daß der automatisierten Datenverarbeitung keine grundsätzlichen rechtlichen Einwände mehr entgegenstehen. Ob das geplante Projekt vollständig von dieser Regelung abgedeckt wird, wird noch zu ermitteln sein. Schwerpunkt datenschutzrechtlicher Betrachtungen ist dabei nicht der bibliographische Verbund, der allen Benutzern dazu dienen kann, festzustellen, wo ein von ihm gewünschtes Werk für ihn verfügbar ist und von ihm entliehen werden kann. Vielmehr muß das Augenmerk auf die Speicherung und Übermittlung von benutzerbezogenen Daten aus der Ausleihverbuchung gerichtet werden, denn diese Daten können bei längerer Aufbewahrung zur Beobachtung der Lesegewohnheiten geeignet sein; solche Persönlichkeitsprofile gehören zu den schutzbedürftigsten Daten, die zu einer Person existieren können. Sicherheitsbedenken können auftreten, wenn das MAN 160 für den externen Zugang an den bibliographischen Verbund benutzt werden soll. Es ist zu prüfen, ob das IT-Sicherheitskonzept für das MAN stark genug ist, um die sicherheitsempfindlichen Verfahren, die über das MAN vernetzt werden sollen, auch dann ausreichend zu schützen, wenn es auch für den öffentlichen Zugang an Informationsangebote der öffentlichen Verwaltung genutzt werden soll. Für die Automation in der Senatsbibliothek hat eine Unternehmensberatung ein Konzept erstellt und vorgeschlagen, dieses im Rahmen von Outsourcing 161 umzusetzen. Die Klärung der für das Projekt wichtigen datenschutzrechtlichen Aspekte war Gegenstand des Gutachtens. Neben einer Reihe von Nachlässigkeiten im Umgang mit dem Berliner Datenschutzgesetz wurden grobe Fehler festgestellt: Die Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten waren falsch und unvollständig dargestellt. Das Berliner Datenschutzgesetz wurde selbst als Rechtsgrundlage herangezogen. Es verlangt aber gerade in § 6 Abs. 1, daß eine besondere Rechtsvorschrift die Verarbeitung erlauben muß, wenn eine Einwilligung nicht vorliegt. Das Erforderlichkeitsprinzip in § 9 BlnDSG ergänzt die gesetzlichen Anforderungen, ersetzt sie aber nicht. Rechtsgrundlage ist vielmehr § 4 des Gesetzes über die Datenverarbeitung im Bereich der Kulturverwaltung. Diese spezialgesetzliche Vorschrift wurde von den Gutachtern unberücksichtigt gelassen. Dies bedeutet, daß alle Ausführungen des Gutachtens neu zu betrachten sind, insbesondere jene, die die längerfristige Speicherung von Ausleihdaten nach Rückgabe von Medien betrafen. Die aus § 3 Abs. 4 BlnDSG folgenden Konsequenzen für die Gestaltung des Outsourcing-Vertrages in dem beigelegten Vertragsentwurf für das Outsourcing sind unberücksichtigt geblieben (Unterwerfung unter das Berliner Datenschutzgesetz und die Kontrolle des Berliner Datenschutzbeauftragten).
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Zuletzt geändert:
am 08.02.97