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4.6 Inneres

4.6.1 Polizei

Neues zum Polizeirecht

Am 1. November 1994 trat das Gesetz zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz - BGSNeuRegG) vom 19. Oktober 1994 in Kraft 127. Danach kommt bei der Unterstützung eines Landes durch den Bundesgrenzschutz grundsätzlich das für das Land geltende Recht zur Anwendung. Wird der Bundesgrenzschutz daher zur Unterstützung der Berliner Polizei bei der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung tätig, gelten die Bestimmungen des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes.

Datenschutzrechtlich problematisch ist die Befugnis zur Nutzung personenbezogener Daten aufgrund von Anfragen der Verfassungsschutzbehörden, des MAD und des BND über grenzpolizeiliche Angelegenheiten 128. Nach dem Wortlaut des Gesetzes könnte der Bundesgrenzschutz die personenbezogenen Daten für einen anderen Zweck als den, für den die Daten erlangt worden sind, nutzen, soweit er die Daten für diesen Zweck erheben durfte.

Damit wäre eine Zweckentfremdung der aufgrund von Ersuchen der Nachrichtendienste gespeicherten Daten für eigene Zwecke des Bundesgrenzschutzes möglich. Durch die nicht eingeschränkte Befugnis zum Datenabgleich 129 könnte desweiteren ein Informationsverbund zwischen Datenspeicherungen beim Bundesgrenzschutz und den Verfassungsschutzbehörden entstehen. Um der Gefahr einer Aufhebung der informationellen Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden entgegenzuwirken, müssen diese Bestimmungen insoweit restriktiv ausgelegt werden. Datenabgleiche im Zusammenhang mit der Beantwortung von Ersuchen der Nachrichtendienste dürfen ebenfalls nicht erfolgen.

Der Bundesminister des Innern hat einen Referentenentwurf eines Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten den Ländern vorgelegt. Der Gesetzentwurf räumt dem Bundeskriminalamt (BKA) zusätzliche Befugnisse ein, die auch Länderkompetenzen berühren.

So soll das BKA die Möglichkeit erhalten, den Anfangsverdacht (zureichende tatsächliche Anhaltspunkte) einer in § 110 a Strafprozeßordnung (StPO) bezeichneten Straftat festzustellen. Im Unterschied zu den entsprechenden Regelungen in den Landespolizeigesetzen erhält das BKA damit die Befugnis zu ermitteln, ohne daß tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß Straftaten begangen werden sollen.

Seitenanfang Die Kompetenzen des BKA zu einer länderübergreifenden, internationalen Kriminalitätsbekämpfung sollen ergänzt werden um die Bekämpfung der Kriminalität "von erheblicher Bedeutung". Die Definition dieses Begriffes ist unklar und wird auch durch die Begründung zum Gesetzentwurf nicht in ausreichendem Maße erläutert. Dem BKA soll ferner die Befugnis zum aktiven Sammeln von Informationen eingeräumt werden, auch wenn die Sache selbst noch keine länderübergreifende, internationale oder erhebliche Bedeutung hat. Damit erhält das BKA eine eigene, allein auf seine Zentralstellenfunktion gestützte Ermittlungskompetenz.

Der Entwurf läßt allgemein eine deutliche Differenzierung zwischen den vom Bundeskriminalamt als Zentralstelle geführten Datensammlungen (Zentraldateien, Dateien der Zentralstelle) und dem INPOL-Verbundsystem vermissen. Durch eine Generalklausel soll das BKA vielmehr pauschal zu jeglicher Art von Datenverarbeitung ermächtigt werden. Eine Zweckbindung ist nicht vorgesehen. Das Bundeskriminalamt soll Daten bei den Länderpolizeien erheben können, ohne daß daran weitere Voraussetzungen geknüpft sind.

Grunddaten von Beschuldigten soll das BKA ohne weitere Voraussetzungen speichern dürfen. Anders als im ASOG 130 soll keine "Negativ-Prognose" über künftige Straftaten gefordert werden.

Die Voraussetzungen für die Speicherung von personenbezogenen Daten von potentiellen Zeugen, Gefährdeten, Kontakt- und Begleitpersonen werden in bedenklicher Weise vermischt. Die Möglichkeiten zur Speicherung erkennungsdienstlicher Unterlagen sollen erheblich erweitert werden. Bedenklich ist hier insbesondere, daß ed-Unterlagen zu allen denkbaren Zwecken der Gefahrenabwehr erhoben, in Dateien gespeichert, verändert oder genutzt werden dürfen. Die weitere Speicherung inaktueller Haftdaten soll legitimiert werden. Die Erforderlichkeit dieser Datenspeicherungen, insbesondere nach Wegfall der Haftanordnung, wird nicht begründet. Die Übermittlung von Daten, die von Landespolizeibehörden angeliefert werden, soll dem BKA erlaubt werden, ohne daß deren Zustimmung eingeholt werden muß.

Die konkrete gesetzliche Ausgestaltung des INPOL-Systems bleibt völlig unklar. Statt dessen werden das Bundesministerium des Innern sowie die Innenministerien und -senatoren der Länder ermächtigt, die Architektur des Systems zu gestalten; angesichts der Bedeutung dieses Systems für die Freiheitsrechte wäre hier der Gesetzgeber gefragt!

Die Europapolizei kommt

Die zukünftige informationelle Zusammenarbeit verschiedener europäischer Behörden, insbesondere der Polizei, ist im Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) vom 19. Juni 1990 geregelt. Dem Abkommen sind bisher Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland beigetreten. Ein Teil des SDÜ befaßt sich mit dem Aufbau und der Einrichtung des Schengener Informationssystems (SIS). Als von den genannten Staaten gemeinsam geführte Fahndungsdatei soll das SIS die Folgen, die mit dem Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen verbunden sind, ausgleichen. Ein abschließender Katalog der personenbezogenen Daten, die zum Zweck der Ausschreibung von Personen und Sachen zur Fahndung im SIS gespeichert werden dürfen, ist in Art. 94 Abs. 3 SDÜ enthalten. Danach dürfen die zur Identifikation erforderlichen Daten, Hinweise auf Bewaffnung oder Gewalttätigkeit, der Ausschreibungsgrund und die zu ergreifenden Maßnahmen - im Regelfall für einen Zeitraum von drei Jahren (vgl. Art. 112 SDÜ) - gespeichert werden.

Als Ausschreibungsgründe kommen in Betracht: die Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung; eine Einreiseverweigerung gegenüber Drittausländer/innen; die Aufenthaltsermittlung von Zeugen, Vermißten oder angeklagten Personen; die verdeckte Registrierung von Personen und Fahrzeugen, soweit konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß z.B. außergewöhnlich schwere Straftaten geplant werden; Gegenstände, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in einem Strafverfahren benötigt werden.

Vorläufige Schätzungen gehen davon aus, daß Deutschland ca. 600.000 Datensätze über Personen in den gemeinsamen Fahndungsdatenbestand eingeben wird. Darüber hinaus werden sog. fahndungsbegleitende Daten zwischen den jeweiligen nationalen Zentralstellen ("SIRENEN") ausgetauscht. Die deutsche SIRENE ist beim Bundeskriminalamt angesiedelt.

Als Korrektiv zur umfangreichen Verarbeitung von personenbezogenen Daten im SIS und bei den SIRENEN wurden in das SDÜ datenschutzrechtliche Bestimmungen aufgenommen. So sind zum Beispiel Ansprüche der Betroffenen auf Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Schadensersatz geregelt. Darüber hinaus kann ein Betroffener seine Rechte in jedem Vertragsstaat seiner Wahl geltendmachen. Die weiteren datenschutzrechtlichen Bestimmungen über die Verantwortung, die Richtigkeit und Aktualtität der im SIS gespeicherten Daten, Zweckbindung, Protokollierung der Abrufe und Datensicherung sind grundsätzlich den in der Bundesrepublik geltenden Vorschriften vergleichbar.

Die Anlieferung und die Weiterverwendung der Angaben durch die Beitrittsstaaten unterliegen dem jeweiligen nationalen Recht. Das hat zur Folge, daß die in Deutschland geltenden, strengen Weiterverarbeitungsregelungen bei einer Abgabe der Daten in das Ausland teilweise leerlaufen, da noch nicht alle Beitrittsstaaten einen vergleichbaren hohen Standard hinsichtlich der nationalen datenschutzrechtlichen Bestimmungen aufweisen.

Als Termin für das Inkraftsetzen des SDÜ ist für die Erstunterzeichnerstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande sowie für die Beitrittsstaaten Spanien und Portugal der 26. März 1995 vorgesehen. Zu diesem Termin soll auch das SIS für die abfrageberechtigten Behörden geöffnet und für betriebsbereit erklärt werden.

Die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (EUROPOL) ist in einem Entwurf für ein Übereinkommen der EU-Staaten vorgesehen, dessen datenschutzrechtliche Aspekte im vergangenen Jahr beraten wurden.

In dem Entwurf werden EUROPOL Aufgaben, Befugnisse und Kompetenzen zugewiesen, die erhebliche Auswirkungen auf die Datenverarbeitung der Bundes- und Länderpolizeien haben werden.

EUROPOL soll die Befugnis erhalten,

- unabhängig von den Mitgliedstaaten Daten im Informationssystem zu speichern und hieraus abzurufen;

- in großem Umfang weitere Dateien zu führen, zu denen die Mitgliedstaaten keinen Zugang haben; diese wären jedoch verpflichtet, auf Ersuchen von EUROPOL Daten anzuliefern, die dann in den EUROPOL-Dateien gespeichert werden;

- regelmäßige Datenübermittlungen an Dritte nach eigenem Ermessen vorzunehmen; die vorherige Beteiligung der Mitgliedstaaten und ihrer Polizeibehörden ist in dem Entwurf nur in Ausnahmefällen vorgesehen;

- allein Auskünfte an Betroffene zu erteilen;

- Daten, die in den Mitgliedstaaten bereits gelöscht sind, weiter zu speichern.

Durch diese Regelungen erhält EUROPOL gegenüber den Mitgliedstaaten eine selbständige Position. Sie ist stärker als die, die das BKA gegenüber den Länderpolizeien selbst nach der weitesten Auslegung der Zentralstellenkompetenz beansprucht. Der zentralistische Ansatz des Entwurfs kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, daß die Zusammenarbeit zwischen den nach innerstaatlichem Recht zuständigen Polizeibehörden - in der Bundesrepublik Deutschland sind dies insbesondere die Länderpolizeien - und EUROPOL bei der nationalen Zentralstelle monopolisiert werden soll. Die Datenübermittlung zwischen den einzelnen Länderpolizeien und der nationalen Zentralstelle - für die Bundesrepublik Deutschland also dem BKA - wird ausschließlich im Interesse dieser Zentralstelle geschehen. Das BKA als nationale Zentralstelle wird durch das Übereinkommen verpflichtet, die für EUROPOL erforderlichen Informationen anzuliefern. Durch diese Verpflichtung erhält das BKA indirekt eine Befugnis gegenüber den Länderpolizeien zur Datenübermittlung. Ausschließlich das BKA darf gegenüber EUROPOL als berechtigter Teilnehmer des EUROPOL-Informationssystems fungieren.

Durch diese Bestimmungen werden wesentliche Bereiche der Polizeihoheit der Bundesländer tangiert. Maßgebliche Regelungen der Landespolizeigesetze, die die polizeiliche Datenverarbeitung betreffen, werden durch das EUROPOL-Übereinkommen ersetzt. Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß eigene Befugnisse des BKA durch die von EUROPOL überlagert werden und das BKA dadurch nur noch eine unselbständige Funktion als Informationsschnittstelle zwischen den Länderpolizeien und EUROPOL hat.

Nach § 44 Abs. 3 ASOG ist die Berliner Polizei befugt, personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen zu übermitteln, soweit dies zur Erfüllung einer polizeilichen Aufgaben oder zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für oder durch dem Empfänger erforderlich ist. Dabei liegt die Verantwortlichkeit für die Daten bei der übermittelnden Polizeibehörde, also dem Polizeipräsidenten in Berlin. Nur dieser kann aufgrund der in Berlin vorliegenden Erkenntnisse und Unterlagen darüber entscheiden, ob die gespeicherten Informationen vollständig und richtig sind, eine Löschung der gespeicherten Daten zu erfolgen hat oder ob eine Datenübermittlung erforderlich ist. Diese Verantwortlichkeit ist durch die Bestimmungen des Entwurfs für ein EUROPOL-Übereinkommen in Frage gestellt. Mit der Weitergabe der Daten an EUROPOL entwickeln diese ein Eigenleben, das von den Begehrlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten der abfragenden Stellen bestimmt ist. Dadurch wird die Verantwortlichkeit der Polizeibehörde, die die Daten ursprünglich zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung erhoben hat, unterlaufen.

An den Aufbau eines gemeinsamen Informationssystems im EUROPOL-Übereinkommen sind daher folgende Anforderungen zu stellen:

- Eine Speicherung von personenbezogenen Daten im Informationssystem von EUROPOL darf nur durch diejenige Stelle veranlaßt werden, die materiell für die dafür zugrundeliegende Aufgaben der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr zuständig ist.

- Die Verantwortlichkeit für die Eingabe in das Informationssystem von EUROPOL muß sich auch auf die daran anschließenden weiteren Verarbeitungsschritte - insbesondere die Berichtigung und Löschung der Daten - erstrecken. Kommt die für die Eingabe in das Informationssystem zuständige Behörde zu dem Ergebnis, daß eine Berichtigung oder Löschung der Daten erforderlich ist, muß sie diese auch direkt vornehmen können.

- EUROPOL darf keine Datenbestände aufbauen, die nicht im Zusammenhang mit Aufgaben der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr stehen.

- Die Auskunftserteilung über Daten im Informationssystem von EUROPOL hat sich nach dem Recht des Mitgliedstaates zu richten, in dem der Auskunftsantrag gestellt wird. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten der Mitgliedstaaten ist zu gewährleisten.

Die Datenschutzbeauftragten der Länder gehen gemeinsam mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten davon aus, daß bei den Verhandlungen die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung in Bund und Ländern beachtet wird. Die Zuständigkeit und die Befugnisse des BKA als nationaler Stelle für den Informationsverkehr mit EUROPOL sollen unberührt bleiben. Weiterhin haben die Datenschutzbeauftragten darauf hingewiesen, daß die Regelungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten präzise sein und der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen. Die vorgesehenen Befugnisse zur europaweiten Speicherung von Daten unbeteiligter Personen entsprechen diesen Voraussetzungen nicht.

Die Datenschutzbeauftragten erwarten, daß die deutsche Seite eine Klarstellung über die Verantwortung der Länder trifft, z.B. durch eine Protokollerklärung zum EUROPOL-Übereinkommen 131.

Datenübermittlung der Polizei an die Medien

Die Polizei gibt in Pressemeldungen oft sehr sensible Daten, z.B. über Verdächtige oder Opfer von Straftaten, an die Öffentlichkeit weiter. Dies ist datenschutzrechtlich als Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereiches zu qualifizieren. Nach § 13 BlnDSG ist eine derartige Datenübermittlung nur dann zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift diese Übermittlung erlaubt oder der Betroffene darin eingewilligt hat.

§ 45 Abs. 1 ASOG kann bei rein informativen Pressemeldungen für die Übermittlung nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da diese nicht zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben, zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer Person erforderlich sind.

Anders verhält es sich bei Fahndungen nach bekannten oder unbekannten Tatverdächtigen, bei der Suche nach Zeugen oder Vermißten oder der Identifizierung von unbekannten Toten. Zwar ist auch hierzu in der Strafprozeßordnung keine normenklare Rechtsgrundlage vorhanden. Die bestehende Gesetzeslücke kann jedoch mit Hilfe der Bestimmungen des ASOG geschlossen werden. Eine Übermittlung von personenbezogenen Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereiches ist so nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 ASOG i.V.m. § 163 StPO zulässig, wenn dies zur Erfüllung von polizeilichen Aufgaben in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erforderlich ist. Hierzu gehört die Mithilfe von Publikationsorganen bei Fahndungsmaßnahmen.

Dem entsprechen auch die Bestimmungen der "Allgemeinen Verfügung über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung nach Personen bei der Strafverfolgung" der Senatsverwaltung für Justiz vom 11. November 1992. Nach Nr. I 2 Abs. 4 der Verfügung dürfen Publikationsorgane in der Regel allerdings nur dann in die Fahndung eingeschaltet werden, wenn andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Fahndungsmittel nicht genügend erfolgversprechend erscheinen und die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe nicht außer Verhältnis steht zu der Bedeutung der Sache und zu den zu erwartenden Rechtsfolgen der Tat. Gemäß Nr. I 3 der Verfügung entscheidet grundsätzlich der Staatsanwalt - in der Regel nach Anhörung der Polizei - über die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe durch Publikationsorgane. Die Zustimmung der Staatsanwaltschaft ist lediglich bei Gefahr im Verzug entbehrlich.

In der Presse machte der Mord an einem Taxifahrer Schlagzeilen. Ein zunächst unter dringendem Tatverdacht festgenommener Beschuldigter wurde nur wenig später, nachdem die Ermittlungen in wesentlichen Punkten zu seiner Entlastung geführt hatten, aus der Untersuchungshaft entlassen. In der Berichterstattung zu diesem Fall war der Beschuldigte in einigen Zeitungen unter Nennung des Vor- und Zunamens und Abdruck seines Lichtbildes als "Taxi-Mörder" bezeichnet worden. Die personenbezogenen Daten des Beschuldigten waren der Presse in einer Polizeilichen Tagesmeldung übermittelt worden.

Der Polizeipräsident hat die Übermittlung mit einer Fahndungsmaßnahme begründet. Die Datenübermittlung sei nach Inkenntnissetzung der Staatsanwaltschaft erfolgt, weil ein weiterer Beschuldigter gesucht worden sei und dieser als ein möglicher Beteiligter des inhaftierten Beschuldigten nur über dessen Portraitveröffentlichung und volle Namensnennung hätte ermittelt werden können.

Die Tagesmeldung war nicht erforderlich. Sie enthielt für den Empfänger keine erkennbaren Hinweise, daß es sich um eine Bitte der Polizeibehörden um Hilfeleistung in einem Mordfall anläßlich einer Öffentlichkeitsfahndung handelt. In dem Text wurden nicht - wie sonst üblich - konkrete Fragen (Wer hat was wann wo bemerkt?) an die Öffentlichkeit gerichtet. Er gab ausschließlich den Sachverhalt wieder. Danach war die Übermittlung nicht erforderlich und damit unzulässig.

Den geschilderten sowie andere Fälle haben wir zum Anlaß genommen, die Polizeilichen Tagesmeldungen einer besonderen Prüfung zu unterziehen.

Polizeiliche Tagesmeldungen werden nach einer Auswertung der wichtigsten Ereignisse der letzten 24 Stunden vom Dezernat Lagedienst - Dauerdienst - des Polizeipräsidenten erstellt. Sie dienen der Information der Polizeiführung, der Fachaufsicht der Senatsverwaltung für Inneres und der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin. Ein Exemplar der jeweiligen Tagesmeldung, das um einen nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Teil reduziert wird, erhält die Polizeipressestelle. In der Vergangenheit hat diese die Tagesmeldungen unverändert dem Polizeilichen Pressedienst beigefügt, der an alle interessieren Publikationsorgane versandt wird.

Nach einer Verfahrensänderung ist es nunmehr Praxis, daß die Pressestelle die Informationen aus den ihr übersandten Tagesmeldungen redaktionell überarbeitet und in einer eigenen Textfassung im Pressedienst an die Medien herausgibt. Dieses Verfahren realisiert ein gesteigertes Maß an redaktioneller Kontrolle bei der Weitergabe von Daten an Publikationsorgane.

Allerdings blieb es dabei, daß im Regelfall der Vorname, der Anfangsbuchstabe des Familiennamens, Alter und Wohnbezirk bzw. -straße des Beschuldigten/Tatverdächtigen oder Zeugen/Opfers, z.T. Berufsangaben sowie Angaben zu Hergang und Ort des Ereignisses im Polizeilichen Pressedienst veröffentlicht wurden.

Die Durchsicht von mehreren Ausgaben des Polizeilichen Pressedienstes hat ergeben, daß sich insbesondere durch die teilweise sehr ausführlichen Angaben über den Hergang und den Ort der Ereignisse im Zusammenhang mit den weiteren übermittelten Informationen Schlüsse auf die Identität der Betroffenen ziehen lassen.

Auf unsere Empfehlung hat nunmehr der Polizeipräsident angeordnet, daß Namenskürzel sowie nähere Angaben über die Wohnung der Betroffenen unterbleiben.

Polizei, Sport und Datenschutz

Im vergangenen Jahr haben wir bereits über die informationellen Maßnahmen der Polizei anläßlich der Olympiabewerbung Berlins berichtet 132. Im Laufe der weiteren Überprüfung stellten wir fest, daß Daten über 101 Personen auch in der "Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit" (APIS) im Rahmen von INPOL gespeichert und damit potentiell an alle Polizeibehörden des Bundes und der Länder übermittelt wurden.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 ASOG darf die Polizei zur Strafverfolgung erhobene personenbezogene Daten nur speichern, soweit dies hierfür erforderlich ist. Nach Abschluß des jeweiligen Ermittlungsverfahrens sind die Daten grundsätzlich zu löschen. Eine weitere Speicherung dieser Daten zur Gefahrenabwehr, einschließlich der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, ist nach § 42 Abs. 3 ASOG nur zulässig, soweit dies für diesen weitergehenden Zweck benötigt wird. Auch die Übermittlung der Daten an Polizeibehörden eines anderen Landes oder des Bundes ist nur zulässig, soweit dies zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich ist (§ 44 Abs. 1 Satz 2 ASOG).

Als Maßstab für die Erforderlichkeit der Verarbeitung von Daten in APIS können die "Richtlinien für den kriminalpolizeilichen Meldedienst in Staatsschutzsachen" (KPMD-S) von 1987 und die Errichtungsanordnung zu APIS von 1993 herangezogen werden. Danach dürfen Daten nur dann in APIS gespeichert werden, wenn die Straftat dem Katalog der Staatsschutzdelikte zugeordnet werden kann oder wenn bei anderen Straftaten wegen der Angriffsrichtung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation der Verdacht besteht, daß mit der Tat Ziele i.S.d. Nr. 1 der Richtlinien KPMD-S verfolgt werden. Dort werden Straftaten genannt, "die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben ..."

Ein großer Teil (39 Fälle) der in der APIS-Anwendung "Olympia 2000" gespeicherten personenbezogenen Daten stand im Zusammenhang mit politisch motivierter Kleinkriminalität. Den Beschuldigten wurden Sachbeschädigungen (z.B. Farbschmierereien, Abreißen oder Ankleben von Plakaten), Beleidigungen (z.B. das In-die-Höhe-Strecken des rechten Armes und des Mittelfingers gegen Polizeibeamte, wobei der Beschuldigte unter Einfluß von Alkohol (2,00 o/oo) stand), Diebstähle (z.B. von Fahnen oder Aufklebern) und Hausfriedensbruch vorgeworfen.

Bereits im Jahresbericht von 1987 133 haben wir darauf hingewiesen, daß die Erstreckung eines technischen Instrumentariums wie APIS, das speziell zur Bekämpfung des Terrorismus entwickelt worden ist, auf die politisch motivierte Kleinkriminalität problematisch ist.

Die Eingabe von personenbezogenen Daten in APIS ermöglicht deren Übermittlung an das Bundeskriminalamt und eine Vielzahl von anderen Landespolizeibehörden. Eine derartige Datenübermittlung ist nur im erforderlichen Umfang zulässig. Für Daten über Sachbeschädigungen wegen Farbschmiererei, Abreißen von Plakaten oder anderer vergleichbarer Kleinkriminalität ist dies nicht ersichtlich, da diese Straftaten in der Regel keine überörtliche, sondern nur eine regionale Bedeutung haben. Aufgrund der breitgestreuten Übermittlung der Daten an eine Vielzahl von Empfängern sowie der stigmatisierenden Wirkung, die mit einer Datenspeicherung in APIS verbunden ist - der Beschuldigte wird verdächtigt, ein Staatsfeind/Terrorist zu sein -, ist die Erstreckung von APIS auf den Bereich der Bagatelldelikte zudem als unverhältnismäßig anzusehen.

Auch die anderen Datensätze konnten nicht dem Bereich der Schwerkriminalität zugeordnet werden. Bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz handelt es sich um Handlungen, wie sie bei einer Vielzahl von Demonstrationen zu beobachten sind (Verstoß gegen das Vermummungsgebot, Mitführen von als gefährlich eingestuften Gegenständen wie z.B. nietenbesetzte Armbänder oder Schienbeinschützer). Vorwürfe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte standen im Zusammenhang mit dem Widerstand der Betroffenen anläßlich ihrer Festnahme durch Polizeibeamte im Rahmen ungenehmigter Demonstrationen gegen "Olympia 2000". Ebensowenig konnten die Tatvorwürfe dem Katalog der Staatsschutzdelikte (vgl. Nr. 2.1.1 bis Nr. 2.1.9 der Richtlinien KPMD-S) zugeordnet werden. Anhaltspunkte dafür, daß sich die den Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, lagen nicht vor.

Insgesamt betrachtet war die Nutzung von APIS in diesem Bereich nicht zulässig.

Über die US-Botschaft war das FBI an deutsche Behörden mit dem Ersuchen herangetreten, den USA zur Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft 1994 personenbezogene Erkenntnisse über Fußballrowdys zu übermitteln.

Die Informationen sollten in standardisierter Form übermittelt werden. Für jede Person sollte ein eigenes Blatt angelegt werden, und die Personen sollten einer der folgenden Kategorien zugeordnet werden:

- Personen, die dafür bekannt sind, zu anlaßbezogenen Gewaltdelikten anzustiften und/oder Delikte der allgemeinen Kriminalität zu begehen (Hooligans);

- Personen, die im Verdacht stehen, anlaßbezogene Straftaten zu begehen;

- Einzelpersonen, Gruppen oder Cliquen, die dafür bekannt sind, daß sie bei der Begehung anlaßbezogener Gewaltdelikte oder bei der Begehung von Delikten der allgemeinen Kriminalität zusammenwirken oder diese heimlich planen und ausführen;

- andere Personen von Interesse für die Sicherheitsbehörden.

Darüber hinaus sollten ein aktuelles Foto, sämtliche Namen - auch Alias -, Geburtsdatum, Anschrift, Telefonnummer, Rasse, Größe, Gewicht, Haarfarbe, Augenfarbe, besondere Merkmale (Narben oder Tätowierungen), Paßnummer(ausstellendes Land, ausstellende Behörde), allgemeine polizeiliche Erkenntnisse bzw. Verurteilungen, Steckbriefe und Vollstreckungsbefehle, anlaßbezogen Erkenntnisse zur Person, Ansprechpartner ausländischer Polizeibehörden, zusätzliche Informationen (z.B. Mittäter, benutzt Fahrzeuge), personengebundene Hinweise ("Bewaffnet" und "Gefährlich") übermittelt werden.

Die Übermittlung von personenbezogenen Daten an ausländische öffentliche Stellen ist nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 und 2 ASOG zulässig, wenn dies zur Erfüllung einer Aufgabe der Berliner Polizei oder zur Abwehr einer erheblichen und konkreten Gefahr für oder durch den Empfänger der Daten erforderlich ist.

Die vom FBI erbetene Übermittlung von Daten über Fußballrowdys erfüllt die genannten Tatbetstandsvoraussetzungen nicht. Die Datenübermittlung war nicht zur Erfüllung einer der Berliner Polizei zugewiesenen Aufgabe erforderlich. Sie war auch nicht erforderlich, um in den USA eine erhebliche und konkrete Gefahr abzuwenden, sie sollte vielmehr der allgemeinen Gefahrenvorsorge dienen. Konkrete Erkenntnisse oder Anhaltspunkte über geplante Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft wurden von den US-Behörden nicht vorgetragen.

Eine Berechtigung oder Verpflichtung der Berliner Polizei, die vom FBI erbetenen Daten zu übermitteln, konnte auch nicht aus einer über- oder zwischenstaatlichen Vereinbarung zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet werden.

Die erbetene Übermittlung der Daten durch die Berliner Polizei wäre danach unzulässig gewesen. Das Ersuchen wurde abschlägig beschieden.

Zuletzt geändert:
am 08.02.97

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