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1.2 Datenschutz in Berlin

Informationsfreiheit und Datenschutz in der Diskussion über die Reform der Berliner Verfassung

Bereits frühzeitig hatten wir der Enquete-Kommission "Verfassungs- und Parlamentsreform" des Berliner Abgeordnetenhauses detaillierte Vorschläge zur Präzisierung des Grundrechts auf Datenschutz, zur Aufnahme eines allgemeinen Akteneinsichtsrechts und zur Verankerung des Berliner Datenschutzbeauftragten in der Verfassung von Berlin gemacht, die von der Kommission nur zum Teil aufgegriffen worden sind.

Kurz vor der Vereinigung Berlins im Jahre 1990 hat das Abgeordnetenhaus die Grundrechtsqualität des Datenschutzes durch die Aufnahme einer sehr knappen Grundrechtsgarantie im neuen Artikel 21 b der Verfassung von Berlin anerkannt, der zudem noch einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt unterliegt. Zuvor hatte bereits die Stadtverordnetenversammlung im ehemaligen Ostteil Berlins eine detaillierte Garantie des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung in die von ihr im Juli 1990 verabschiedete Verfassung aufgenommen, die Grundlage für die Überarbeitung der geltenden Verfassung werden sollte. Auch die Verfassung des Landes Brandenburg knüpft mit ihrem Grundrecht auf Datenschutz an die von der Berliner Stadtverordnetenversammlung beschlossene Formulierung an und enthält zusätzliche Klarstellungen. Unserem entsprechenden Vorschlag hat sich die Mehrheit der Enquete-Kommission nicht angeschlossen 34.

Im Berichtszeitraum erhielten wir insbesondere Gelegenheit, der Kommission unseren Vorschlag für ein allgemeines Akteneinsichtsrecht anhand einer rechtsvergleichenden Analyse im einzelnen zu erläutern. Eine (einfache) Mehrheit in der Kommission fand allerdings lediglich der hinter unseren Empfehlungen zurückbleibende Vorschlag für ein beschränktes Zugangsrecht zu Daten der Verwaltung über die Umwelt und die natürlichen Lebensgrundlagen, verbunden mit der allgemeinen Verpflichtung, das Verwaltungshandeln nach Maßgabe gesetzlicher Regelung durch Auskunfts- und Einsichtsrechte transparent zu machen 35. Eine Annahme dieses Vorschlages wäre immerhin ein - wenn auch kleiner - Schritt in die richtige Richtung.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach die Bedeutung einer unabhängigen Kontrollinstanz zur Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes und im Interesse eines vorgezogenen Rechtsschutzes des Bürgers betont. Dementsprechend sehen auch alle neueren Landesverfassungen die Verankerung der Institution des Datenschutzbeauftragten vor. Insoweit ist es zu begrüßen, daß die Enquete-Kommission einstimmig die Aufnahme eines Artikels in die Verfassung von Berlin befürwortet hat, wonach das Abgeordnetenhaus "zur Wahrung des Grundrechts auf Datenschutz und als Hilfsorgan" einen Datenschutzbeauftragten wählt 36. Unserem weitergehenden Vorschlag, Aufgaben und Befugnisse des Datenschutzbeauftragten in der Verfassung etwas genauer festzulegen, ist die Kommission allerdings nicht gefolgt.

Seitenanfang Mit der Wahl des Datenschutzbeauftragten "als Hilfsorgan" des Abgeordnetenhauses soll er in die Nähe des Parlamentes gerückt werden und dessen Aufgabe unterstützen, damit die erste Gewalt gestärkt und die Verantwortung der Abgeordneten erhöht werden, "ihre Aufgaben ernst zu nehmen" 37.

Diese Zielsetzung ist zu begrüßen, da das Parlament gerade in Zeiten des zunehmenden Vordringens der Informations- und Kommunikationstechnik immer weniger in der Lage sein wird, eine effektive Kontrolle der Regierung sowie seine Einflußnahme auf die gesellschaftliche Entwicklung mit den herkömmlichen parlamentarischen Mitteln zu gewährleisten 38.

Die vorgeschlagenen Formulierungen erfüllen diese Zielsetzung gleichwohl nicht in hinreichender Weise.

Die Wahrnehmung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten setzt regelmäßig nicht nur intensiven Kontakt mit allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, sondern auch die Möglichkeit voraus, jederzeit diejenigen Unterlagen und Daten der öffentlichen Stellen einzusehen, die er für die Wahrnehmung seiner umfassend definierten Aufgaben für erforderlich hält. Seinen Aufgaben zur Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung kann er nur entsprechen, wenn er - insbesondere angesichts der ihm eingeräumten äußerst geringen Ressourcen - unabhängig über Themen und Art und Weise des Vorgehens bestimmen kann. Beide Aspekte lassen sich nicht mit den Rechten vereinbaren, die nach der staatsrechtlichen Lehrmeinung dem Parlament selbst zukommen. So bleibt die im Schlußbericht der Enquete-Kommission und im Entwurf für ein 28. Gesetz zur Änderung der Berliner Verfassung vorgesehene Erweiterung der Rechte des einzelnen Abgeordneten (Art. 29 Absätze 2 und 3) hinter den Zugangs- und Einsichtsrechten des Daten- schutzbeauftragten zurück, die diesem nach geltendem Gesetzesrecht und aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zustehen müssen.

Die derzeitige Konstruktion des Berliner Datenschutzbeauftragten als Oberste Landesbehörde, die auf dem Weg der Dienstaufsicht der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Abgeordnetenhauses einerseits, jederzeitiger Berichtspflichten und Rederechte andererseits in die erste Gewalt eingebunden ist, ist eine bewährte, auch in der allgemeinen Datenschutzdiskussion anerkannte Lösung. Sie verbindet einen von parlamentsrechtlichen Vorbehalten losgelösten Befugnisraum einerseits mit der Möglichkeit des Parlaments andererseits, jederzeit zu eigenen Kontrollzwecken auf das Instrumentarium des Datenschutzbeauftragten zuzugreifen bzw. von diesem jederzeit Hinweise auf das Erfordernis eigener Aktivitäten zu erhalten.

Schließlich entspräche es in besonderem Maße der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn die dort für unabdingbar erklärte Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten in der geschriebenen Verfassung zum Ausdruck käme.

Die weißen Flecken auf der Landkarte des Datenschutzes werden kleiner

Der Landesgesetzgeber hat auch in Berlin im vergangenen Jahr in einer Reihe von fachspezifischen Gesetzen weitere Datenschutzregelungen getroffen. Dies entspricht der Vorgabe im Berliner Datenschutzgesetz, das seinerseits besondere Befugnisse zur Verarbeitung personenbezogener Daten voraussetzt, sie aber nicht ersetzen soll. In dem Maße, wie der Datenschutz bereichsspezifisch geregelt wird, treten die Vorschriften des allgemeinen Berliner Datenschutzgesetzes in den Hintergrund. Sie behalten aber die Funktion, einen datenschutzrechtlichen Mindeststandard zu beschreiben, der von den speziellen gesetzlichen Vorschriften nicht unterschritten werden darf.

Das neue Berliner Schiedsamtsgesetz 39 enthält seit dem 1. Juli 1994 eine - wenngleich recht allgemein gehaltene - Befugnis der Gerichte und Behörden zur Übermittlung von personenbezogenen Informationen im Zusammenhang mit der Wahl, Bestätigung, Ablehnung oder Amtsenthebung einer Schiedsperson.

Mit dem am 16. Juli 1994 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes 40 wurde die landesrechtliche Voraussetzung dafür geschaffen, daß auch im Land Berlin im Rahmen des BASIS-Verfahrens der im geänderten Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Datenabgleich zwischen den Sozialämtern durchgeführt werden kann, sobald die Rechtsverordnung nach § 117 BSHG erlassen ist. Dieses ist allerdings noch nicht geschehen.

Das Berliner Architekten- und Baukammergesetz 41 vom Juli 1994 enthält erstmals detaillierte Befugnisse zur Verarbeitung personenbezogener Daten, die seit Anfang 1993 auch im Berliner Kammergesetz (betreffend die Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker) enthalten sind.

Bereits im April 1993 war durch das 22. Gesetz zur Änderung des Landesbeamtenrechts 42 eine Regelung in das Landesbeamtengesetz eingefügt worden, nach der die Dienstbehörde nur bei konkreten Zweifeln am festgestellten Ergebnis einer amtsärztlichen Untersuchung des Beamten berechtigt ist, von dem untersuchenden Arzt die maßgebenden Untersuchungsbefunde anzufordern, soweit deren Kenntnis für die Dienstbehörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die von ihr zu treffende Entscheidung (insb. vorzeitige Pensionierung) erforderlich ist. In allen anderen Fällen darf der Amtsarzt der Dienstbehörde nur mitteilen, ob der Beamte ganz oder teilweise dienstunfähig ist. Wir hatten in der Vergangenheit mehrfach bemängelt, daß von diesem Grundsatz auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung abgewichen wurde.

Im Bereich des öffentlichen Dienstrechts stehen in Berlin allerdings bundesrechtlich vorgeschriebene datenschutzrechtliche Spezialregelungen nach wie vor aus: So fehlt neben einem Sicherheitsüberprüfungsgesetz auch die seit Anfang 1993 durch das 9. Dienstrechtsänderungsgesetz des Bundes vorgeschriebene datenschutzgerechte Regelung des Personalaktenrechts. Die Senatsverwaltung für Inneres hat die Verzögerungen im Unterausschuß "Datenschutz" damit begründet, daß weitere Änderungen des Landesbeamtengesetzes aufgrund des Beamtenrechtsrahmengesetzes mit der Novelle zum Personalaktenrecht verbunden werden sollten 43. Mittlerweile ist das 23. Gesetz zur Änderung des Landesbeamtenrechts in Kraft getreten 44, das nur eine einzige Vorschrift enthält, die die Erstattung von Reise- und Umzugskosten auf die 2. Klasse bei Bahnfahrten begrenzen soll. Das Beispiel verdeutlicht, daß schnelle Änderungen des Beamtenrechts durchaus möglich sind, wenn der politische Wille dafür gegeben ist. Dies scheint bei der notwendigen Anpassung des Landesbeamtenrechts an die Vorgaben des Bundesrechts im Bereich des Datenschutzes nicht der Fall zu sein.

Auch das seit längerem beratene Gesetz über die Rechtsstellung der bezirklichen Gleichstellungs-/Frauenbeauftragten, das auch deren Befugnisse zur Verarbeitung personenbezogener Daten regeln soll, steht noch immer aus.

Dagegen sind inzwischen alle Rechtsverordnungen, die zur Ergänzung des Gesetzes über die Schaffung bereichsspezifischer Regelungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten (Artikelgesetz) 45 notwendig waren, erlassen worden. Sie betreffen folgende Bereiche:

- die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht (WASt) 46,

- die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), die Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und die Berliner Wasserbetriebe (BWB) 47,

- den öffentlichen Gesundheitsdienst 48,

- die Schulen 49,

- das Emissionskataster nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz 50 und

- die Bewährungshilfe für Jugendliche und Heranwachsende 51.

Auch das Gesetz über die Datenverarbeitung für Zwecke der räumlichen Stadtentwicklung, Stadt- und Regionalplanung und bodenwirtschaftliche Aufgaben (Stadtplanungsdatenverarbeitungsgesetz) 52 trat am 12. November 1994 in Kraft und ersetzte die bereits Ende 1993 außer Kraft getretenen Bestimmungen im Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch.

Lediglich die im Kita-Kostenbeteiligungsgesetz vorgesehene Rechtsverordnung über Art und Umfang der Verarbeitung personenbezogener Daten ist noch immer nicht erlassen worden, obwohl die vom Gesetzgeber hierfür vorgesehene Frist bereits am 31. Dezember 1993 verstrichen ist. Der Erlaß einer solchen Rechtsverordnung ist - abgesehen davon, daß der Gesetzgeber sie vorgeschrieben hat - notwendig, weil die Eltern zur Ermittlung eines ermäßigten Kostenbeitrags für die Kindertagesstätten umfangreiche Angaben über ihre Einkommensverhältnisse zu machen haben, die von den Jugendämtern zur Ermittlung der Höhe der Kostenbeteiligung verarbeitet werden müssen. Die nach der Landeshaushaltsordnung erlassene Verordnung über die Verarbeitung personenbezogener Daten des Haushaltswesens enthält dafür keine Rechtsgrundlage.

Die bereichsspezifischen Regelungen des Artikelgesetzes zur Verarbeitung von Bürgerdaten bilden zusammen mit den inzwischen erlassenen Rechtsverordnungen und dem ergänzend heranzuziehenden Berliner Datenschutzgesetz für große Teile der Berliner Verwaltung jetzt eine klare Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Der Vorrang, den das Berliner Datenschutzgesetz den bereichsspezifischen Regelungen entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeräumt hat, ist damit im Berliner Landesrecht weitgehend umgesetzt worden.

Zwar wurde im Berichtszeitraum ein Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD im Abgeordnetenhaus eingebracht, der auf eine Änderung des Berliner Datenschutzgesetzes abzielte, die die geleistete Arbeit des Gesetzgebers zur Schaffung normenklarer Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung weitgehend überflüssig gemacht hätte 53. Dieser Antrag wurde im Berichtszeitraum allerdings nicht mehr in den Parlamentsausschüssen beraten.

Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg

Berlin und Brandenburg sind - unabhängig davon, ob es letztlich zu einer Vereinigung kommt oder nicht - zunehmend aufeinander angewiesen. Das zeigt die steigende Zahl von Staatsverträgen, die zwischen beiden Ländern ausgehandelt und abgeschlossen werden. So ist am 1. Januar 1994 der Staatsvertrag über die Errichtung der Zentralen Adoptionsstelle Berlin-Brandenburg (ZABB) 54 in Kraft getreten. Vom Parlament beschlossen worden ist auch das Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung einer "Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg" 55, dessen Inkrafttreten allerdings noch aussteht. Beide Staatsverträge enthalten keine besonderen Regelungen über die länderübergreifende Datenverarbeitung. Sie fallen deshalb erheblich hinter den Standard des Berlin-Brandenburgischen Rundfunkstaatsvertrages 56 zurück, der sowohl Regelungen zum materiellen Datenschutzrecht als auch zur Datenschutzkontrolle enthält. Es wäre zu wünschen, daß bei zukünftigen Staatsverträgen, die bis zu einer möglichen Vereinigung abgeschlossen werden, die beiden Länder sich am Modell des Rundfunkstaatsvertrages orientieren würden.

Zuletzt geändert:
am 08.02.97

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