Tätigkeitsbericht 1991
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Jahresbericht 1991
des Berliner Datenschutzbeauftragten

Zum vorherigen Kapitel 1.2 Entwicklung der Informationstechnik


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2.  

DATENSCHUTZ IN BERLIN

(...)

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2.2

Erbe der DDR

Mit dem Zusammentritt des neuen Abgeordnetenhauses zu Beginn des Jahres begann auch für die Berliner Verwaltung eine neue Epoche. Aus den bis her nach der deutschen Vereinigung noch getrennten Verwaltungseinheiten im West- und im Ostteil Berlins wurde eine einheitliche Organisation. Dies bedeutete, daß die im Ostteil der Stadt vorhandenen Datensammlungen eingebracht werden mußten in Abläufe, die sich an der Grundentscheidung des Einigungsvertrages orientieren, auch in den östlichen Bezirken im wesentlichen die bundesrechtlichcn Strukturen einzuführen. Die rechtliche Grundlage wurde hierfür durch die beiden Mantelgesetze gelegt, durch die nahezu das gesamte Recht des Westens auf den Osten erstreckt wurde.

Auch ist die Vereinigung der zentralen behördlichen Datenverarbeitungsinstitutionen der beiden Stadthälften bemerkenswert reibungslos verlaufen. Das vom früheren Landesamt für elektronische Datenverarbeitung übernommene Magistratsrechenzentrum wurde "abgewickelt". Diese informationstechnische Vereinigung der Stadt dokumentiert sich auch durch die Namensänderung des LED in "Landesamt für Informationstechnik". Alte DDR-Informationstechnik findet sich im Großrechnerbereich nicht mehr, hier und da findet man noch Personalcomputer der Fa. Robotron, deren Ersatz aber bevorsteht.

Daß hierbei Schwierigkeiten auftreten würden, lag angesichts der fundamentalen Unterschiede der Staatsauffassungen auf der Hand. Eine flächendeckende Überprüfung war nicht möglich und nicht nötig: Allerorten war das Bemühen spürbar, trotz der vielfach unzureichenden Möglichkeiten angemessene Lösungen zu finden, auch wenn das Verständnis für die Grundgedanken des Datenschutzes mitunter Mühe bereitete. Einige Beispiele sollen die Schwierigkeiten beleuchten.

Unsere Prüfpraxis ging davon aus, daß denjenigen, die den Aufbau der neuen Verwaltungsstrukturen zu bewerkstelligen hatten, eine faire Chance eingeräumt werden muß, ordnungsgemäße Abläufe herzustellen. Intensive oder gar überraschende Überprüfungen in derartigen Aufbausituationen sind zwar mitunter erforderlich, müssen aber behutsam eingesetzt werden.

Datensammlungen der Polizei

Großes Augenmerk war naturgemäß auf die Frage zu richten, auf welche Weise die Datenbestände der Polizei übernommen wurden, die sich auf Einwohner des Ostteils der Stadt bezogen.

Es handelte sich dabei in erster Linie um die Daten des " D ialogorientierten Recherche- und Auskunftssystems" des Zentralen Kriminalamts der ehemaligen DDR (DORA), das auch von den Bezirkskriminalämtern und den Kreiskriminalämtern benutzt wurde. In DORA konnten bei geringfügigen Straftaten, Straftaten ohne überregionale Bedeutung und bei Ersttätern Meldedaten, der Urteilsspruch, Angaben aus dem Strafvollzug, Hinweise auf erkennungsdienstliche Maßnahmen und Straftaten gespeichert werden. Bei Straftaten von erheblicher Bedeutung kamen weitere Daten hinzu, wie z. B. Daten zur Personenbeschreibung, zum Tathergang und zur polizeilichen Beobachtung, Angaben über Arbeitsstellen und Daten über Fahrerlaubnisse. Darüber hinaus konnten Daten von Personen gespeichert werden, die der Republikflucht verdächtigt wurden.

Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurde das Zentrale Kriminalamt als Gemeinsames Landeskriminalamt (GLKA) der neuen Bundesländer weitergeführt35. Dies gilt nach dem Einigungsvertrag solange und soweit die neuen Bundesländer keine Landeskriminalämter eingerichtet haben. In Berlin nimmt diese Aufgabe der Polizeipräsident wahr. Im Gegensatz zu den anderen Ländern hat Berlin sich von vornherein nicht am GLKA beteiligt.

Der Polizeipräsident in Berlin hat vielmehr die DORA-Datenbestände, für die er zuständig ist, sofort übernommen. Vor der Übernahme fand eine Teilbereinigung statt. Gelöscht waren Daten über Personen, die wegen Sachverhalten gespeichert waren, die nach dem bundesdeutschen Recht kein strafbares Verhalten darstellen. So waren Datenspeicherungen wegen "Republikflucht" oder ähnlicher Straftaten zum Zeitpunkt der Übernahme bereits gelöscht. Nach Übernahme der DORA-Daten durch die Berliner Polizei wurden auch diese Datenbestände im laufenden DORA-Verfahren gelöscht. Die Ost-Berliner Datenbestände sind jedoch weiterhin im GLKA auf Datenträgern archiviert.

Dies ist problematisch. Für die Verarbeitung übernommener polizeilicher Datenbestände ist ausschließlich der Polizeipräsident in Berlin zuständig. Er hat zu entscheiden, welche Daten nach den bereits genannten Grundsätzen übernommen werden und auch, inwieweit eine bundesweite Speicherung einzelner Datenbestände im INPOL-System erforderlich ist. Damit sind auch die Archivbestände zu übernehmen - was angesichts der anstehenden Auflösung des GLKA ohnehin ansteht.

Neben DORA verfügte die ehemalige Volkspolizei auch über regionale Sammlungen, deren Berliner Bestände ebenfalls vom Polizeipräsidenten übernommen

auch beim Polizeipräsidenten gerührt werden (z. B. Kriminalakten, Bezirksspeicher Daktyloskopie, Täterlichtbildkartei, Personenfahndungskartei) auch recht eigenwillige Bestände, wie z. B. eine Spitznamenkartei, eine Kartei "Faschos, Skinheads und Sympathisanten" oder gar eine Ohrenabdruckspuren-Sammlung. Diese Datensammlungen wurden, soweit sie für die Arbeit der Polizei weiterhin erforderlich sind, in die bestehenden Bestände integriert. Im übrigen war darüber zu entscheiden, ob sie weiterhin aufbewahrt oder vernichtet werden sollten.

Bei der Vernichtung der Daten war zu berücksichtigen, daß nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BlnDSG vor der Löschung personenbezogener Daten die Betroffenen zu hören sind. Allerdings hatte der Polizeipräsident eine Reihe der übernommenen Karteien und einzelne Teile der Aktensammlungen offenbar bald nach deren Auffinden vernichtet. Auf unsere Intervention nach Inkrafttreten des neuen Berliner Datenschutzgcsetzes wurden weitere Vernichtungen gestoppt.

Die Senatsverwaltung für Inneres hat in Abstimmung mit uns den Polizeipräsidenten gebeten, die Akten und Datensammlungen bis zum 31. Dezember 1996 gesichert aufzubewahren und sicherzustellen, daß sie nur für Auskünfte an Betroffene und mit Einverständnis der Betroffenen zu deren Rehabilitation genutzt werden.

Etwaige Betroffene sollen durch wiederholte öffentliche Bekanntmachung darüber informiert werden, welche Datensammlungen im einzelnen übernommen wurden und wann die Vernichtung erfolgen soll, damit sie Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer schutzwürdigen Belange erhalten.

Gesamtberliner Meldewesen

Bereits im Vorjahr wurde die zentrale Speicherung der Einwohnerdaten der DDR in einer Personendatenbank - nach der Wende in Zentrales Einwohnerregister (ZER) umbenannt - beschrieben36. Die Überführung dieser Daten in ein einheitliches Melderegister war eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau der Verwaltung.

Eine Projektgruppe im Landeseinwohneramt, bestehend aus Angehörigen der Senatsverwaltung für Inneres, des (damals noch existierenden) Ministeriums des Innern der DDR, der ehemaligen Magistratsverwaltung für Inneres, der Volkspolizei und des Landeseinwohneramtes (LEA) wurde Mitte 1990 ins Leben gerufen, um Konzepte zur Übernahme der für ein einheitliches Meldewesen notwendigen Daten aus dem Zentralen Einwohnerregister (ZER) zu erarbeiten. Geplant wurde, bis zum April 1991 diese Übernahme zu vollziehen und in der Folgezeit die Vereinheitlichung des Berliner Meldewesens zu realisieren. Dieses anspruchsvolle Vorhaben soll bis zum Ende des Jahres 1992 abgeschlossen sein.

Ursprünglich war angedacht, die Daten der Bürger aus dem Ostteil der Stadt mit bereits vorhandenen DV-Programmen eines Dialogverfahrens zu übernehmen, um eine korrekte Fortschreibung des Datenbestandes zu gewährleisten. Dieser Weg erwies sich jedoch als nicht gangbar. So wurde aus dem im ZER gehaltenen, nach der Wende bereinigten und den Vorschriften des Melderechtsrahmengesetzes angepaßten Datenbestand ein Auszug auf Magnetband erstellt,

der die Daten aller Personen beinhaltete, die auf irgendeine Weise mit Berlin zu tun haben bzw. hatten. Diese Auszugsdatei wurde danach in eine Datei überführt, deren Aufbau dem ADV-Verfahren für das Einwohnerwesen des LEA (EWW) entsprach. Mit Hilfe dieser Datei wurde zunächst eine Datenbank eingerichtet, die ausschließlich Daten von Bürgern aus dem Ostteil der Stadt enthielt. Dieser Datenbestand wurde auch gesondert behandelt, da z. B. die Lohnsteuermerkmale über die Bezirkseinwohnerämter zu ergänzen waren und die Änderungen, die sich aus dem normalen Meldestellenbetrieb ergeben, in einer "Zentralen Änderungsstelle" des LEA bearbeitet und in die Datenbank eingegeben werden mußten. Bis Ende 1991 sollte diese Sonderbehandlung beendet sein und die Bestände beider Datenbanken zusammengeführt werden.

Bei einer Überprüfung, die im vergangenen Jahr nicht abgeschlossen werden konnte, wurden einige Mängel im Zusammenhang mit der Überführung der Bestände festgestellt.

Nach der Übernahme der Daten gibt es im vom ZER genutzten Rechenzentrum immer noch denselben als " inaktiv" deklarierten Datenbestand. Diese Dop-pelspeicherung von personenbezogenen Daten ist für die Aufgabenerfüllung nicht erforderlich, eine künftig notwendige Rechtsgrundlage auch für die Speicherung von Daten aus "verarbeitungstechnischen Gründen" liegt ohnehin nicht vor. Sie widerspricht zudem der Aussage des Senats in seiner Stellungnahme zu unserem Jahresbericht 1990.

In den Meldestellen der östlichen Bezirke wird noch mit den alten Meldekarteikarten gearbeitet. Auf diesen Karten sind nach den jetzt geltenden Rechtsnormen unzulässige Daten eingetragen. Über diese Datei und über Verknüpfungen zu ändern noch bestehenden Karteien oder Dateien (z. B. mit Hilfe der verfassungswidrigen Personenkennzahl) sind rechtswidrige Nutzungen möglich. Diese Karteien sind in einigen Meldestellen noch bis 1993 erforderlich, da die Einrichtung der notwendigen EDV-Geräte vorher nicht möglich ist. Die unzulässigen Eintragungen sind daher unkenntlich zu machen.

Das LEA hat vom ZER Daten von allen Personen übernommen, die jemals in Berlin wohnhaft waren oder eine Arbeitstätte hier hatten. Vom LEA wird dies mit Auskunftsersuchen von Betroffenen zu Rentenzeilcn oder ähnlichem begründet. Für diese Datenerhebung gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage. Grundsätzlich gilt, daß in der aktuellen Einwohnerdatei nur die z. Z. in Berlin lebenden Personen erfaßt werden dürfen (§§ l und 2 MeldeG).

Hausbücher

Von verschiedenen Seiten sind wir auf den Verbleib der in der ehemaligen DDR gerührten Hausbücher angesprochen worden. Diese Datensammlungcn, in denen akribisch der Ein- und Auszug der Bewohner und die Besucher der Mieter festgehalten wurden, haben die jeweiligen Hausbuchbeauftragten geführt.

Der Innenminster der DDR hatte im September 1990 angeordnet, daß sämtliche Hausbücher zu vernichten seien. Die Einziehung der Bücher sollte durch die zuständigen Meldestellen erfolgen. In Berlin hat sich ein ehemaliger Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee mit diesem Thema beschäftigt, der noch zu DDR-Zeiten die Meldestellen aus dem Polizeibereich löste und eine Struktur entsprechend dem Landcseinwohneramt mit den verschiedenen Meldestellen schuf. Weiterhin schrieb er die Hausbuchbeauftragten an und bat darum, die Hausbücher den Meldestellen zu übergeben.

Eine Überwachung der Rückgabe wurde jedoch nicht durchgeführt. Weil zwischenzeitlich - z. T. bereits vor dem 3. Oktober 1990 - in Teilbereichen die Kartei der Hausbuchbeauftragten und auch zurückgegebene Hausbücher vernichtet wurden, war eine Rücklaufkontrollc auch nachträglich nicht mehr möglich.

Das Landeseinwohncramt hat uns erklärt, daß ca. 86000 Hausbücher in Umlauf waren, von denen ca. 11000 bei den Meldestellen einschließlich Landeseinwohneramt lagerten. Der Verbleib der restlichen Unterlagen war nicht mehr zu klären.

Auch die abgegebenen Hausbücher sind zwischenzeitlich vernichtet worden. Eine Anhörung der Betroffenen vor der Vernichtung (§ 17 Abs. 3 BlnDSG) erschien nicht erforderlich, da die Eintragungen in den Hausbüchern allen Beteiligten bekannt waren und die Verletzung schutzwürdiger Belange ausschied.

Datenspeicher Wohnungspolitik

Durch die Vereinigung war dem Land Berlin der "Datenspeicher Wohnungspolitik" mit über 630 000 Datensätzen mit sehr detaillierten personenbezogenen Wohnungsdaten der Bevölkerung des Ostteils Berlins zugefallen. Die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen bat uns um datenschutzrechtliche Bewertung, inwieweit diese Datei noch genutzt werden könne. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Senatsbauverwaltung bereits einen Abzug des Datenbestandes zu Zwecken der Durchrührung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Gesetzes zum Abbau dcr Fehlbelegung im Wohnungswesen erstellt, sich dabei jedoch auf die Daten beschränkt, die ausschließlich für diese Aufgaben erforderlich waren. Neben dem Wunsch der Senatsbauverwaltung, die vorhandenen Daten für Zwecke der Stadtplanung zu nutzen, lagen darüber hinaus Anträge auch vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz vor. Ein privates Unternehmen bat um Nutzung der Daten für die Erstellung eines Energiekonzeptes für die Bezirke Pankow, Köpenick und Treptow, das sie im Auftrag des Bundes und des Berliner Senats zu erarbeiten hatte. In ihrem Antrag hatte sie darauf verwiesen, daß ihre Arbeit entscheidend von der Bereitstellung territorialer Ausgangsdaten abhänge. Der Datenspeicher Wohnungspolitik sei die Basis des Auftrags, weil er hausbezogene Daten enthalte, die unter Verwendung des territorialen Grundschlüssels angelegt und bis Mai 1990 geführt worden sei.

Dem Datenspeicher Wohnungspolitik lagen zwar in der ehemaligen DDR das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik sowie die Wohnraumlenkungsverordnung zugrunde, so daß die Daten bis zum 2. Oktober 1990 auch rechtmäßig gespeichert waren. Der Einigungsvertrag enthält allerdings keine besondere Bestimmung für fortgeltendes Recht der DDR - auch nicht als Landesrecht -, die den Bestand und die Nutzung des Datenspeichers Wohnungspolitik rechtfertigen würde. Damit hat der Datenspeicher insgesamt seit dem 3. Oktober 1990 keine Rechtsgrundlage mehr. Nach § 6 i. V. m. 10 und 11 BlnDSG wäre damit jede weitere Speicherung unzulässig und die Daten wären zu sperren bzw. zu löschen.

Ergänzend war zu prüfen, ob eine weitere Nutzung einzelner Datensätze durch fortgeltende Rechtsgrundlagen der früheren DDR abgedeckt sein könnten. Hier kommen über Art. 9 Einigungsvertrag die statistischen Daten des territorialen Grundschlüssels (TGS) über das Statistikgesetz der DDR vom 20. Juli 1990 in Betracht, soweit sie vergleichbar sind mit den Statistikdaten des Regionalen Bezugssystems. Jedoch müßten bei einer Weitergabe solcher Daten auf jeden Fall dieselben vertraglichen Absicherungen wie bei der Weitergabe der Daten aus dem Regionalen Bezugssystem vorgenommen werden.

Ob darüber hinaus auf spezialrechtlicher Grundlage oder gar auf dem Weg des Übergangsbonus nach § 34 Abs. l BlnDSG auch diejenigen Einzeldaten, die für die Erfüllung rechtmäßiger Aufgaben erforderlich sind, weiterhin gespeichert und verwendet werden können, wird noch geprüft. Dies setzt eine genaue Analyse voraus, welche der übernommenen Daten für welche gesetzlichen Aufgaben unerläßlich sind. Dabei ist selbstverständlich die Verwendung bestimmter Daten, wie der Personenkennzahl, ausgeschlossen.

Zum Beispiel scheinen die §§ 138 ff Baugesetzbuch (BauGB) für die festgesetzten Sanierungsgebiete als Rechtsgrundlage für eine weitere Verwendung einzelner Daten geeignet zu sein. Jedoch ist auch hier zu bedenken, daß die Daten ursprünglich hinter dem Rücken der Betroffenen und nicht bei den Betroffenen erhoben wurden. Dies könnte dadurch geheilt werden, daß die Betroffenen über die bisherige Speicherung informiert werden und unter Hinweis auf § 138 BauGB gleichzeitig nach der Richtigkeit derjenigen Informationen befragt werden, die auch nach dieser Vorschrift beim Betroffenen hätten erhoben werden dürfen. Diese Überlegung gilt auch bei anderen Gesetzen, die als Grundlage für die weitere Verwendung einzelner Daten .herangezogen werden sollen.

Denkbar ist ferner, die Daten in anonymisierter und aggregierter Form entweder bei der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen fortzuführen oder dem Statistischen Landesamt für deren Zwecke zu überlassen..Dies würde allerdings zur Vermeidung einer Deanonymisierung eine hinreichende Aggregation voraussetzen.

Der Verdacht, daß der vom Magistratsrechenzentrum übernommene Datenspeicher auch Gegenstand rechtswidriger Datenübermittlungen war, wurde durch einen Hinweis der Senatsbauverwaltung genährt, daß ihr ein Verkaufsangebot einer privaten Firma vorliege, mit dem Daten aus Gebäudedateien des Gebietes der ehemaligen DDR zum Verkauf angeboten werden. Diese Firma hatte als ehemalige öffentlichc Stelle der DDR Daten im Auftrag des Magistrats von Ostberlin verarbeitet. Ein Ergebnis der von uns bei der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres angeregten Überprüfung steht noch aus.

Gesundheitswesen

Als besonders problematisch stellt sich der Umgang mit den personenbezogenen Daten sowohl der Patienten als auch des ehemaligen Personals bei der "Abwicklung" bzw. Privatisierung von Einrichtungen des Gesundheitswesens der ehemaligen DDR im Ostteil Berlins dar.

Es besteht der Eindruck, daß man sich des hohen Risikos, das bei der Auflösung vollständiger Gesundheitseinrichtungen hinsichtlich des angesammelten Datenmaterials besteht, nicht oder zumindest nur unvollkommen bewußt ist.

Beispielsweise sind allein im Bezirksamt Mitte noch ca. 500 000 Patientenakten und 2 400 Personalakten aufzuarbeiten. Der Schriftwechsel zwischen den Beteiligten ist rege, jedoch Aktionen, die einer Lösung dienen, fehlen aus unserer Sicht weitgehend. Hinzu kommt in einzelnen Fällen ein erhebliches Kompetenzgerangel.

Ein besonders gravierender Fall ist die "Abwicklung" des ehemaligen Regierungs- und Diplomatenkrankenhauses in der Scharnhorststraße. Ohne daß es zu einer abschließenden Klärung hinsichtlich der Abwicklungszuständigkeit zwischen den Bundes- und Landesbehörden einschließlich der neuen Länder gekommen war, beschloß die Gesamtberliner Landesregierung im Dezember 1990, die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung mit der "Abwicklung" des umstrittenen Krankenhauses zu betrauen. Man ging zu diesen Zeitpunkt davon aus, daß zum einen kein Bedarf zur Weiterführung des Krankenhausbetriebes mehr bestand und zum anderen die Gebäude und Einrichtungen der Charite zur weiteren Nutzung übergeben werden sollten. So rührten auch zwei von der Charite übernommene ehemalige Mitarbeiter nach der endgültigen Einstellung der Krankenhausaktivitäten im März 1991 die Registratur stundenweise weiter, um ehemalige Patienten mit Kopien aus ihren Akten zu versorgen, die für ihre weitere Behandlung bonötigt wurden.

Mittlerweile sind offenbar zumindest die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der Liegenschaft dergestalt geklärt, daß aus dem ehemaligen Reichsvermögen Bundesvermögen wurde. Da der Bund im Zuge des teilweisen Umzuges seiner Verwaltungen nach Berlin verständlicherweisc Eigenbedarf anmeldete, war an eine Übernahme des ehemaligen Krankenhauses durch die Charite natürlich nicht mehr zu denken. Was jedoch sollte aus dem sicher nicht unerheblichen Inventar und den besonders sensiblen Datensammlungen in den Archiven, Registraturen (die ja vermutlich Akten über die gesamte DDR-Prominenz enthalten) und der Personalverwaltung werden? Im September veranlaßte die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung eine Bestandsaufnahme hinsichtlich des Umfanges des in dem Krankenhausareal gelagerten Aktenmaterials. Von diesem Zeitpunkt an wurde wieder um die Zuordnung der Verantwortlichkeit für die Aufarbeitung der Unterlagen innerhalb des Senates gerungen. Daß inzwischen die mit der Schaffung von Baufreiheit in einem Teil des GcbäudekompIexes beauftragte OFD Berlin nicht inaktiv blieb und versuchte, die belegten Räume von den brisanten Akten zu befreien, kann eigentlich nicht verwundern - allerdings bedurfte es erst des energischen Eingreifens des Leitenden Amtsarztes des Bezirksamts Mitte, damit die Verlagerung der Bestände unter der fachlichen Aufsicht stattfand, die im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht geboten ist. Der Senat hat zwischenzeitlich beschlossen, die Zuständigkeit ganz in die Hände der Gesundheitsverwaltung zu legen.

Diese hat nun die gewaltige Aufgabe, gemeinsam mit den für die Gesundheitsaufsicht zuständigen Bezirken nach Lösungen für die endgültige Lagerung aller Akten zu suchen. Erforderlich ist dabei eine Lagerung, die die Nutzung für künftige Krankheitsfälle der Patienten ermöglicht.

Probleme bestehen im übrigen auch bei den fortgeführten Einrichtungen des Gesundheitswesens. Einige stichprobenartige Besichtigungen haben ergeben, daß teilweise katastrophale Zustände hinsichtlich der zu gewährleistenden Datensicherheit zu vermerken sind. So fehlt es am notwendigsten, wie verschließbare Aktenschränke, Ausstattung der Schränke mit Sicherheitsschlössern. In einem Fall ergab die Besichtigung einer ärztlichen Dienststelle, daß Patientenunterlagen in einem unabgeschlossenen Raum zum Treppenhaus gelagert wurden und dieser Raum zusätzlich noch als Durchgangsraum zu den anderen Diensträumen benutzt wurde.

Flächendeckende Beanstandungen sind in diesem Fall nicht angebracht: Ein Vorwurf kann angesichts der Mangellage auch in personeller und finanzieller Hinsicht kaum erhoben werden, zumal von einer mitunter beeindruckenden Lernbereitschaft und Veränderungswilligkeit der Mitarbeiter ausgegangen werden kann. Gleichzeitig fehlt es jedoch noch an Wissen über die rechtlichen Rahmenbedingungcn und über die technisch-organisatorischen Möglichkeiten, wie diese Zustände auch mit unkonventionellen Möglichkeiten schnellstmöglich verbessert werden können. Deswegen hat der Schwerpunkt unserer Tätigkeit bei der datenschutzrechtlichen Beratung gelegen.

Das Krebsregister der ehemaligen DDR soll nunmehr bis zum Inkrafttreten des Krebsregister-Sicherungsgesetzes (längstens bis zum 31. Dezember 1992) vom Bundesgesundheitsamt im Wege der Organleihe als Organ der neuen Bundesländer und Berlins verwaltet werden. Zu diesem Zweck ist ein Verwaltungsabkommen am I.Januar 1992 zwischen den beteiligten Ländern und dem Bund in Kraft getreten.

Entgegen den Forderungen der Datenschutzbeauftragten verwaltet das Bundesgesundheitsamt nicht nur treuhänderisch den personenbezogenen Teil des Krebsregisters, der von den übrigen - für die wissenschaftliche Nutzung ausschließlich interessanten - Daten zu trennen ist, sondern alle Unterlagen des "Nationalen Krebsregisters" der ehemaligen DDR, die personenbezogcne Daten enthalten. Das Bundesgesundheitsamt hat lediglich die Aufgabe, diese Unterlagen zu verwahren und sie gegen unbefugten Zugriff zu sichern. Dies gilt auch für die ab dem 1.Januar 1992 auf freiwilliger Grundlage erstatteten ärztlichen Meldungen.

Das Verwaltungsabkommen sieht außerdem vor, daß für diese Datensammlung das Datenschutzrecht des Landes gilt, aus dem die jeweilige Meldung stammt. Daraus folgt, daß das Bundesgesundheitsamt den vorhandenen Datenbestand nach Herkunftsländern getrennt verwahren muß, zumal die Datenschutzgcsetze der Länder, aus denen die Meldungen stammen, zum Teil stark voneinander abweichen. Für eine wissenschaftliche Nutzung des Krebsregisters enthält das Verwaltungsabkommen ohnehin nicht die erforderliche gesetzliche Grundlage. Es ist dringend erforderlich, daß dieses datenschutzrechtlich völlig unzureichende Provisorium alsbald abgelöst wird durch eine gesetzliche Regelung, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Krebskranken im östlichen Teil Berlins und in den neuen Bundesländern respektiert.

Riskante Telefonnebenstellenanlagen

Die Telefonnebenstellenanlagen in den öffentlichen Stellen der östlichen Bezirke Berlins entsprechen in aller Regel nicht dem technischen Stand, der im Westen Berlins trotz der auch dort zögerlichen Modernisierung Standard ist. Darüber hinaus gab es besondere Probleme:

 

Aufgeschreckt durch die Enthüllungen über die weitreichende Abhörtätigkeit der Staatssicherheit, wandte sich der Personalrat eines Bezirksamtes mit einem Problem an uns, das sicher auch andere Stellen im östlichen Berlin betrifft:

Schon das Abnehmen des Telefonhörers genügte, um ungewollt Teilhaber eines telefonischen Dialoges zu sein. Auch während des Wählens einer Rufnummer stellte sich der gleiche Effekt ein, obwohl der Wahlvorgang noch gar nicht abgeschlossen war. Diese Umstände führten zu der Schlußfolgerung, daß es den Mitgliedern des Personalrates umgekehrt ähnlich widerfahren könnte, wenn sie ihrerseits miteinander telefonierten, zumal nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, ob es sich bei den Telefonaten, zu deren unfreiwilligem Mithörer man werden konnte, um Gespräche innerhalb des Hausnetzes handelte, oder ob die Fehlschaltungcn auf das allgemeine Telefonnetz der damaligen Deutschen Post zurückzuführen seien.

Nachfragen bei der für die Wartung der Telefonanlage des Bezirksamtes zuständigen Stelle ergaben, daß die Anlage nach der Installation mit Fehlern übergeben und abgenommen wurde. Die "Unzulänglichkeiten" sollten im Laufe der Zeit beseitigt werden, was sich jedoch als kaum realisierbar herausstellte.

In einem Gespräch mit dem Bezirksbürgermeister stellte sich heraus, daß auch ihm diese Probleme nicht unbekannt waren und auch bereits Aktivitäten zur Behebung des unbefriedigenden Zustandes eingeleitet worden waren, was wiederum dem Pcrsonalrat offensichtlich nicht bekannt war. Trotz der erheblichen finanziellen Hürden wurde letztlich doch noch eine Möglichkeit gefunden, die unzuverlässige Telefonanlage auszutauschen.

Stasi beim Fernsehen

Die menschenrechtswidrigen Datenerhebungen des Staatssicherheitsdienstes sind Legion und auf Grund der aktuellen Debatten auch bekannt. Einem besonders niederträchtigen Datenzugriff beim inzwischen "abgewickelten" Deutschen Fernsehfunk (DFF) kamen wir mit Hilfe eines Dokuments auf die Spur, das uns ein aufmerksamer Bürger zur Verfügung gestellt hatte.

Im Programm des Fernsehens der DDR, der Vorläuferin des DFF, zählte die Sendung PRISMA zu den populärsten Fernsehsendungen vor der Wende. Die Redaktion verstand sich als Sammelstelle für Bürgereingaben, die bisher fruchtlos geblieben waren. Eine Vielzahl von Bürgern versuchte sich hier in einer Weise kritisch zu äußern, wie dies über andere Medien kaum möglich war. Gerade zu den Unterlagen dieser Sendung, die nach außen ein Bollwerk gegen die Allmacht des Systems schien, verschärfte sich die Stasi einen (wie in diesem bürokratischen Staat üblich) formell geregelten Zugang - und zwar offensichtlich nicht nur zu den entstandenen Dokumenten, sondern auch zu der Informationstechnik, die der Eingabenstelle seit einigen Jahren zur Verfügung stand. Wir versuchten, diesem Zugang auf die Spur zu kommen.

Die vorgefundenen schriftlichen Programm- bzw. Verfahrensdokumentationen erwiesen sich zwar für einen Nachvollzug als unzureichend. Einige noch vorhandene Dateien zeigten jedoch, daß versucht wurde, mit einem auf einer Programmdiskette entdeckten Datenbank-Verfahren, als dessen Hersteller der Rat des Bezirkes Erfurt firmiert, die "Eingaben der Bürger" (so der Name des ADV-Verfahrens) automatisiert zu verarbeiten. Das Hauptmenü enthielt neben weiteren sieben Funktionen auch drei paßwortgeschütztc Menüpunkte: Wahlfreie Recherche, Terminkontrolle und Statistik. Bei Versuchen, den Paßwortschutz zu umgehen, stießen wir auf ein Softwareprodukt einer (West-)Berliner Firma zur Verschlüsselung (Kryptographie) von Dateien.

Da bei der Einrichtung der Schlüsselwort-Dateien die Quelldateien nicht gelöscht worden waren, hatten wir die Möglichkeit, das gültige Paßwort für diese konkrete Anwendung beim DFF zu finden und die eigentlich zu schützenden Funktionen des Verfahrens zu testen. So war es möglich, alle unter einem Namen gespeicherten Eingaben aufzulisten. Auch der Beschwerdegrund konnte als Suchbegriff eingesetzt werden. Man kann sich vorstellen, daß dieses Datenbanksystem für die Eingabenbearbeitung hilfreich gewesen sein muß. Dies galt aber nicht nur Für diesen eigentlichen Zweck. Auch für diejenigen, die mehr Interesse an Informationen zu bestimmten Personen hatten, bot sich auf diese Weise ein schneller Zugriff auf dieses Datenmaterial.

Da ähnliche Informationsspeicher über Bürgereingaben bei anderen Dienststellen (Eingabenstcllen des Staatsratcs, des Ministerrates, des Ministeriums Für Handel und Versorgung, der Rate der Kreise bzw. in Berlin der Räte der Stadtbezirke) existierten, versuchten wir Querverbindungen und Analogien zur PRISMA-Eingabenstelle zu finden. Wir stießen bei entsprechenden Befragungen tatsächlich auf das gleiche Erfurter Datenbankverfahren, das offensichtlich in unterschiedlichem Maße über die damalige Magistratsverwaltung bei den ehemaligen Räten der Stadtbezirke eingeführt wurde.

Sowohl aus den letztgenannten Auskünften als auch aus den in der PRISMA-Redaktion erzielten Prüfungscrgcbnissen läßt sich kein eindeutiger Schluß auf die Art und Weise des Stasi-Zugriffs auf die von den DDR-Bürgern vertrauensvoll übergebenen personenbezogenen Informationen ziehen. Es ist mithin nicht gesichert, ob die Datenübermittlung entsprechend den konkreten Begehrlichkeiten des MfS durch persönliche Einsichtnahme vor Ort erfolgte oder ob regelmäßig Kopien der Datenbank auf Disketten übergeben wurden bzw. sich eine derartige Übergabe erst im Stadium der Vorbereitung befand. Vielleicht ergibt sich ja aus der nun möglichen Einsichtnahme von Betroffenen in die über sie von der Staatssicherheit gesammelten Akten eine endgültige Aufklärung dieses Sachverhalts.

Prüfung der Verfassungstreue oder Zwang zur Selbstbezichtigung?

Die Übernahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Dienststellen der DDR in den öffentlichen Dienst bereitet eine Vielzahl von Schwierigkeiten;

hierzu gehört vor allem auch die Überprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern daraufhin, ob ihre Übernahme aufgrund ihrer früheren Tätigkeiten zumutbar ist - und zwar nicht nur wegen der Zuarbeit zur Staatssicherheit, sondern auch wegen anderweitiger Verstrickungen in menschenvcrachtende Verhaltensweisen. Über die hierzu vom Land Berlin eingeleiteten Befragungen haben wir im vergangenen Jahr ausführlich berichtet37

Überprüfungen bei einigen Verwaltungen haben ergeben, daß in den überwiegenden Fällen nach den Richtlinien der Scnatsverwaltung für Inneres verfahren wird, mit denen unsere wesentlichen Forderungen zum Verfahren und zur Verwendung der Daten -aus den Fragebögen erfüllt worden waren.

Gleichwohl sind aber noch eine ganze Reihe gewichtiger Probleme offen, der Vollzug im einzelnen warf vielerlei Fragen auf.

Bereits seit längerem hatten die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder auf das Erfordernis hingewiesen, die Überprüfung bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Zwar enthält der Einigungsvcrtrag einen außerordentlichen Kündigungsgrund in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer gegen die Grundsatze der Menschlichkeit oder Rcchtsstaatlichkcit verstoßen hat oder für die Staatssicherheit tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbcitsvcrhältnis unzumutbar erscheint. Eine ausdrückliche Befugnis zur Erhebung entsprechender pcrsoncnbezogencr Daten oder Regeln für die weitere Verwendung dieser Daten enthalt der Einiyungsvcrtmg jedoch nicht. Rundschreiben und Vcrwaltungsvorschriftcn können allenfalls ubergangswefse als Basis iur die Befragung dienen. Selbst wenn die erforderliche gesetzliche Regelung nicht kurzfristig geschaffen werden kann, muß zumindest sichergestellt werden, daß den Betroffenen keine Fragen gestellt werden, die sie zu einer verfassungswidrigen Selbstbezichtigung zwingen. Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn sich die Innenminister und -Senatoren angesichts der sehr unterschiedlichen Fragepraxis zumindest auf eine Vereinheitlichung der Fragebögen verständigt hatten. Nichts von dem ist geschehen.

Dessen ungeachtet hat die Scnatsinncnvcrwaltung nicht nur das Verfahren Für übernommene Mitarbeiter der ehemaligen DDR-Verwaltung auf alle zukünftigen Bewerber Für den öffentlichen Dienst ausgeweitet, sondern den Fragcnkata-log wieder entscheidend erweitert und den Zwang zur verfassungswidrigen Selbstbezichtigung erneut eingerührt.

Zwar ist eine Vereinheitlichung des Bewerbeverfahrens und somit auch eine Gleichbehandlung aller zukünftigen Mitarbeiter der Berliner Verwaltung begrüßenswert. Gerade wegen der Erhebung höchst sensitiver Daten kann dies aber ebenfalls nur auf einer bcrcichsspczifischcn Rechtsgrundlage geschehen. Der Verweis des Berliner Datenschutzgcsctzcs auf das Bundcsgcsetz, das die Erfor-derlichkcit "im Rahmen der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisscs" ausreichen läßt. kann die geplanten Befragungen jedenfnik nicht rprhtfertißen-

Der im Dezember 1990 vorgesehene Fragenkatalog beschränkte sich noch auf Fragen nach einer Funktion in der SED, einer anderen Blockpartei, nach eventuellen Tätigkeiten Für das frühere Ministerium Für Staatssicherheit, dessen Untcrgliederungen oder vergleichbare Institutionen und auf die Frage, ob gegen den Befragten der "Vorwurf oder der Verdacht erhoben worden ist, gegen Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen zu haben". Dies entsprach dem Erfor-derlichkeitsprinzip. Die jetzt vorgesehenen Fragen überschreiten den zulässigen Rahmen aber erheblich. So soll erneut gefragt werden, ob der Betroffene "innerhalb seiner beruflichen oder gesellschaftlichen Tätigkeit solche Aufgaben zu erfüllen hatte, die gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaat-lichkeit verstoßen haben". Diese Frage stellt eine unerlaubte Aufforderung zur Selbstbezichtigung dar. Ebenso problematisch ist die Frage nach der Zugehörigkeit zum Nomenklaturkader, die Für eine objektive Beurteilung ungeeignet und ebenfalls unzulässig ist.

Beim Vollzug des bisherigen Verfahrens sind ebenfalls noch Fragen offen:

So ist weiterhin ungeregelt die Frage der Dauer der Aufbewahrung der Fragebögen (sowie weiterer Protokolle oder Notizen hierzu). Auch wenn diese Unterlagen in geeigneter Weise verschlossen werden, kann die Aufbewahrungsdauer nicht identisch sein mit der der Aufbewahrungsdauer der Personalakte selbst. Bei den Angehörigen der ehemaligen Volkspolizei wurde die Aufbewahrungsdauer auf zehn Jahce begrenzt. Wir halten dies auch allgemein für einen ausreichenden Zeitraum, da sich nach Ablauf dieser Frist die Notwendigkeit erneuter Überprüfungen erübrigt haben dürfte. Vor allem auch im Hinblick auf die möglicherweise in den Antworten enthaltenen Daten über Dritte halten wir eher eine noch kürzere Aufbcwahrungsdaucr Für angemessen.

Es ist nicht hinnehmbar, daß Arbeitnehmer in abgewickelten Einrichtungen, die den Personalbogen ausgefüllt haben, aber nicht erneut beim Land Berlin beschäftigt werden, den Fragebogen nur auf Wunsch ausgehändigt bekommen sollen. Dies würde dazu führen, daß Fragebögen solcher Bewerber, die nicht von sich aus die Aushändigung wünschen, auf Dauer aufbewahrt werden, obwohl sie noch nicht einmal Bedienstete des Landes Berlin sind.

Bei unseren Überprüfungen vor Ort haben sich einige zusätzliche Aspekte herausgestellt:

Die Zusatzfragen und in diesem Zusammenhang stehende Vorgänge werden in einem verschlossenen und versiegelten Umschlag (in einer Beiakte) zur Personalakte genommen und mit der Aufschrift "Personalvorgänge aus Anlaß der Weiterbeschäftigung nach der Vereinigung. Nur vom Leiter der Personalabteilung oder dem ausdrücklich Bevollmächtigten zu Öffnen" verschen. Unklar ist, woran erkennbar ist, wann und zu welchem Zweck der Umschlag geöffnet wurde. Es müßte daher auf dem Originalumschlag ein Aufdruck angebracht werden, der entsprechende Minweise aufnehmen kann; der Umschlag müßte nach der Einsicht wieder versiegelt werden. Zur Kontrolle wäre eine von der Personalakte unabhängige Aufbewahrung der Umschläge günstiger.

Die Verfügungen zur Weiterbeschäftigung werden direkt in die Personalakte aufgenommen. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, daß jederzeit nachvollziehbar ist, ob eine Anhörung stattgefunden hat (was ja auch Rückschlüsse auf Inhalte des verschlossenen Umschlags zuläßt). Es würde ausreichen, die jeweiligen Verfügungen ebenfalls in den verschlossenen Umfang zu nehmen, weil bereits der Arbeitsvertrag (der in die Personalakte zu nehmen ist) erkennen läßt, daß die Grundlagen Für eine Weiterbeschäftigung vorlagen.

Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts38 (Erstreckung des Landcsbeamtenrechts) trat die Senatsvcrwaltung für Inneres mit der Frage an uns heran, ob die Fragebögen im Rahmen der Vcrfassungstreue-Überprufung nach § 9 Abs. l Nr. 2 Landesbeamtengesetz (LBG) vor Übernahme von Beschäftigten in das Beamtenverhältnis verwendet werden dürfen. Dies muß verneint werden.

Die Daten sind ausschließlich auf der Grundlage des Einigungsvertrages und der dort festgelegten Zweckbindung erhoben und ausgewertet worden. Zwar ist im Einigungsvertrag geregelt, daß außerordentliche Kündigungsgründe in den Fällen vorliegen, in denen Arbeitnehmer gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben oder für das frühere MfS tätig waren und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint.

Dies rechtfertigt aber nicht die Verwendung zu einer Verfassungstreueprüfung, die aufgrund einer völlig anderen Rechtsvorschrift erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn die Fragebögen von allen Bewerbern ausgerüllt werden sollen.

Ein bczirkliches Schulamt hatte angeordnet, daß Bewerber um ein Lehramt mit dem üblichen Pcrsonalfragcbogcn auch den neuen Zusatzfragcbogcn ausgerüllt und unterschrieben der Leitung der Schule vorzulegen haben, bei der die Einstellung vorgesehen ist.

Diese Regelung ist unzulässig, da Schulleitungen weder Teil der personalak-tenführenden Stelle noch einstellende Dienstbehörde sind. Wegen der besonderen Zweckbindung von Personaldaten sind zugrifTsberechtigt nur die Stellen, die selbständig dienst- oder arbcitsrcchtlichc Verhältnisse begründen, verändern und .mHöscn dürfen (Dicnsivorgcsctztc). Für einen Fachvorgcsctztcn ergibt sich dagegen ein unmittelbares Recht auf Einsicht in Pcrsonaldatcn nicht, da dieser regelmäßig nicht mit dicnstrcchtlichen Aufgaben betraut ist39.

Antragsteller von ABM-Projekten, Für die die Koordinierungs- und Abwicklungsstcllc der ehemaligen Akademie der Wissenschaften (KAI/AdW) als Träger füngierte, wurden aufgefordert, bereits bei Antragstellung die Personalfragebögen Für mögliche spätere ABM-Kräfte mit den Zusatzfragen einzureichen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststand, ob das Projekt überhaupt genehmigt würde. Auch dies war unzulässig: Es bestand kein Erfordernis, die Bewerber bereits zu einem Zeitpunkt zu überprüfen, zu dem die Schaffung der ABM-Stelle noch unsicher war, die Voraussetzungen Für ein Beschäftigungsvcr-hältnis also überhaupt noch nicht gegeben waren.

In mehreren überführten Hochschulen wurden zusätzlich zu dem allgemeinen Übcrprüfungsverfahren Ehrenausschüsse mit der Aufgabe eingesetzt, interne Erkenntnisse über frühere Verhaltensweisen von Hochschulmitarbeitcrn in den Beurteilungsprozeß einzubringen. Dabei war nicht klargestellt, inwieweit ein Austausch von Personaldaten zwischen des Ehrenausschüssen und den Pcr-sonalstcllcn erfolgen bullte. In einigen Fallen sollten Mitarbeiter (auch) ihr Einverständnis erklären, daß über sie Auskünfte beim Sonderbeauftragten der Bundesregierung Für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staats-Sicherheitsdienstes eingeholt werden.

Trotz der besonderen Bedeutung der persönlichen Integrität im Bereich von Wissenschaft und Lehre können die Befugnisse derartiger Gremien nicht über das gesetzlich vorgegebene Maß hinausgehen. Die Ermächtigung, Daten im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu erheben und zu verarbeiten, berechtigt nur die für die Personalentscheidungen zuständige Stelle; eine Kenntnisnahme durch Dritte - hier durch Mitglieder der Ehrenausschüsse - ist mangels Erforderlichkeit für die Vertragsabwicklung davon nicht gedeckt. Insoweit muß daFür Sorge getragen werden, daß die Ausschüsse gegenüber den Bediensteten keine Befugnis Für sich reklamieren, Daten sammeln zu dürfen.

Deshalb darf auch der von den Ausschüssen ausgegebene Antrag auf Überprüfung beim Sonderbeauftragten der Bundesregierung von diesem Gremium nicht einmal entgegengenommen werden. Die Behörde hat vielmehr ein eigenes Antragsrecht und muß den Betroffenen nur informieren. Lediglich bei Neueinstellungen ist die Zustimmung Betroffener zur Auskunftserteilung einzuholen. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb die Bediensteten durch eine solche Aufforderung unnötig unter Druck gesetzt werden. Es könnten allein aus einer solchen Weigerung keine dienstrechtlichen Konsequenzen abgeleitet werden.

Mangels gesetzlicher Befugnis sind die Ehrenausschüsse auch nicht berechtigt, Erklärungen über eventuelle Mitarbeit beim MfS entgegenzunehmen.

Trotz dieser Rechtslage wollen einzelne Hochschulen weiterhin Ehrenausschüsse zur Beratung heranziehen. Dies ist nur unter folgenden Bedingungen möglich:

— Mitgliedern der Ausschüsse bzw. Vertrauensleuten im Rahmen ihrer Mitarbeit werden keine Namen oder sonstigen pcrsoncnbczogcncn Daten mitgeteilt; .

—- sofern Ehrenausschüssen bereits pcrsonenbczogcne Daten vorliegen, sind diese unverzüglich den pcrsonalcntscheidendcn Stellen auszuhändigen, da bereits deren Erhebung durch die Ehrenausschüsse unzulässig war;

— sämtliche an die oder über die Ehrenausschüsse eingegangenen Informationen (z. B. Auskünfte der Gauck-Behörde) sind in das ordnungsgemäße Verfahren einzubeziehen;

— die Weigerung Betroffener, sich gegenüber den Ehrenausschüssen zu erklären oder diesen den Antrag auf Überprüfung bei der Gauck-Behörde abzugeben, darf zu keinen nachteiligen Konsequenzen für die Betroffenen Führen;

— es dürfen keine personenbezogenen Informationen aus den Überprüfungsverfahren (so auch keine aufgrund von Erkenntnissen der Ehrenausschüsse erlangten Daten) veröffentlicht werden.

Die Bczirksvcrordncten und Bczirksstadträtc eines Bezirks wurden von einem Ausschuß der Bezirksverordnetenversammlung zur Abgabe einer "Eidesstattlichen Erklärung" aufgefordert, daß sie weder hauptamtlicher noch informeller Mitarbeiter des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR oder anderer Sicherheitsorgane waren. Diese Erklärung solitc durch Anfrage beim Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen überprüft werden.

Die Form dieser "Eidesstattlichen Erklärung" konnte bei juristischen Laien zu der irrigen Vorstellung rühren, wer fälschlich eine solche Erklärung abgebe, mache sich strafbar. Weder die Bezirksverordnetenversammlung noch einer ihrer Ausschüsse sind jedoch eine zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständige Behörde im Sinne des Strafrechts. Wir haben die Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung darauf hingewiesen, daß die Form der Eidesstattlichen Erklärung objektiv ungeeignet war, der Wahrheitsfindung zu dienen, sondern lediglich den unwissenden Bezirksverordncten unter einen gewissen Druck gesetzt hat.

 

35.) Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands Anlage 1 B Kap.II, Abschnitt II Ziff.2

36.) Jahresbericht 1990, 2.1

37.) Jahresbericht 1990, 3.5

38.) GVBl. 1991, S.294 ff.

39.) vgl. Jahresbericht 1986, S.21

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