1. Einleitung
Die Sozialleistungsträger sind diejenigen Behörden,
bei denen die meisten und gleich zeitig auch die sensibelsten
Daten über die Bürger erhoben und verarbeitet werden.
So fallen z. B. bei den Krankenkassen und allen mit der medizinischen
Versorgung befaßten Stellen große Mengen an Gesundheitsdaten
an; bei den Rentenversicherern werden detaillierte Daten über
das gesamte Erwerbsleben gespeichert; die Jugendämter sammeln
in ihren Akten und Dateien weit in die Persönlichkeitssphäre
hineinreichende Daten über familiäre Verhältnisse;
die Empfänger von Sozialhilfe müssen nicht nur bis zum
letzten Pfennig ihre persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse
darlegen, diese Daten werden auch über die Angehörigen
erhoben. Ähnliches gilt für die vielen anderen Zweige
der Sozialverwaltung, über die selbst der Fachmann nur schwer
die Übersicht behalten kann.
Diese datenschutzrechtlich ohnehin problematische Situation verschärfte
sich in den vergangenen Jahren auf Grund zweier miteinander in
Verbindung stehender Entwicklungen:
--Sozialbehörden gehörten von Anfang an zu denjenigen
Behörden, die die Instrumente der automatischen Datenverarbeitung
intensiv nutzten. Nach wie vor gehören sie zu den ersten,
die neu auf den Markt gekommene Techniken in großem Umfang
für ihre Zwecke nutzen. Die flächendeckende Ersetzung
des klassischen Krankenscheins durch eine Chipkarte spätestens
zum 1. Januar 1995 ist hierfür ein typisches Beispiel. Die
mit der Kostenexplosion einerseits, mit knapper werdenden finanziellen
Ressourcen andererseits verbundenen Sparzwänge verstärken
den Trend zur Einführung von Informationstechnik.
--Ebenfalls auf dem Hintergrund knapper öffentlichen Haushaltsmittel
wurde die Eindämmung des angeblich umfangreich bestehenden
Sozialleistungsmßbrauchs als Quelle erheblicher Einsparungen
entdeckt. Um Mißbrauchsfälle aufdecken zu können,
wurden die Rechtsgrundlagen für einen intensiven Datenabgleich
zwischen regional und funktional verschiedenen Leistungsträgern,
aber auch zwischen diesen und Behörden außerhalb des
Sozialbereichs geschaffen.
All diese Entwicklungen führen dazu, daß aus der Sicht
des Datenschutzes die Sozialverwaltung heute der heikelste Verwaltungsbereich
ist.
Der schwierigen organisatorischen Situation entspricht eine äußerst
komplizierte rechtliche Ausgestaltung. Zwar versucht der Gesetzgeber
seit 20 Jahren, das zuvor völlig chaotisch ausgelegte Sozialrecht
in einem einheitlichen Sozialgesetzbuch (SGB) zusammenzuführen
und zu strukturieren. Obwohl wesentliche Teilbereiche inzwischen
neu gefaßt und in das SGB aufgenommen worden sind (Krankenversicherung
- Buch V -, Rentenversicherung - Buch VI -, Kinder- und Jugendhilfe
- Buch VIII -, Pflegeversicherung - Buch XI -), sind nach wie
vor wesentliche Sozialleistungen außerhalb des Sozialgesetzbuches
geregelt: Diese betrifft vor allem die Sozialhilfe, die Arbeitsförderung,
das Versorgungsrecht sowie Wohn- und Kindergeld. Hinzu kommt,
daß die einzelnen Bücher des Sozialgesetzbuches ihrerseits
hochkomplizierte Materien darstellen, deren Verhältnis untereinander
keineswegs in jedem Fall klar ist.
Angesichts dieser Lage ist es ein schwieriges Unterfangen, diejenigen
Regelungen zusammenzustellen, die für den Schutz der Sozialdaten
ausschlaggebend sind. Gleich wohl wird dieser Versuch mit dem
vorliegenden Teil unseres Informationsgesetzbuches unternommen.
Mit Hilfe dieser Vorschriften wird sich sicherlich nicht jedes
Problem lösen lassen, wir hoffen jedoch, daß das Heft
für die meisten Situationen eine erste Einschätzung
der Rechtslage ermöglicht.
Neben der eher programmatischen Bestimmung über das Sozialgeheimnis
in §35 SGB I und den (weitgehenden) Mitwirkungspflichten
des Leistungsempfängers in §§60 ff. SGB I finden
sich die grundlegenden Bestimmungen zum Sozialdatenschutz im 2.
Kapitel des SGB X, das Mitte 1994 an das neue Bundesdatenschutzgesetz
angepaßt wurde. Besondere Bedeutung kommt hier §69
zu, der eine weitreichende Ermächtigung zum Datenaustausch
der Sozialleistungsträger untereinander, aber auch an Dritte
enthält, wenn dies für die Zwecke der Sozialverwaltung
erforderlich ist.
Nach diesen Bestimmungen sind die spezialrechtlichen Datenschutzregelungen
zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie zur Kinder-
und Jugendhilfe abgedruckt. Aus Platzgründen beschränkt
sich der Abdruck datenschutzrechtlich relevanter Bestimmungen
außerhalb des Sozialgesetzbuches auf die §§117
Bundessozialhilfegesetz und das Berliner Ausführungsgesetz
hierzu sowie 37 b Wohngeldgesetz.
Wir hoffen, daß trotz der Komplexität und Unvollkommenheit
das Heft eine nützliche Arbeitshilfe in den Händen der
Mitarbeiter der Verwaltung sowie eine hilfreiche Informationsquelle
für den Bürger darstellen wird.
Hansjürgen Garstka
Berliner Datenschutzbeauftragter
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