Informationsmaterial zum Datenschutz
Homepage

Wir über Uns
Berlin
National
Europäische Union
International
Recht
T.O Maßnahmen
Aktuelles
Kontrolle
Materialien
Service
Themen

Symposium
Datenschutz - Brücke zwischen Privatheit und Weltmarkt
bei der
Internationalen Funkausstellung Berlin
30. August 1999

Die Entwicklung des Internet aus der Sicht der Medienwirtschaft

Bernd Schiphorst, President & CEO Bertelsmann New Media


Sie, meine Damen und Herren, diskutieren hier und heute über ein Thema mit hohem Stellenwert. Datenschutz-Themen – nach meiner Wahrnehmung – stehen im Fokus der Öffentlichkeit, sie sind im Bewußtsein der Menschen. Sie haben das Ohr der Leute. Datenschutz hilft unseren Kunden, also hilft er am Ende auch uns. Er kann die Angst vor neuen Technologien abbauen. Das ist ein großes Thema bei uns. Wir sind uns also so fern nicht.

Ich sagte: bin kein Datenschutz-Experte – von Hause aus bin ich Journalist. 1962 wurde ich Redaktionsvolontär bei meiner Heimatzeitung. In der Redaktion gab es ein einziges Fernsehgerät – und zwar bei den Kollegen vom Sport. Bei Fußballübertragungen saß die ganze Redaktion in dem winzigen Büro des Sportchefs. Bis raus auf den Flur. Der Verleger, wurde er der Lage gewahr, zog den Stecker aus der Leitung: Wir sollten gefälligst arbeiten.

In der Nachrichtenredaktion sahen sie überhaupt nicht fern. Nicht mal die Tagesschau. Fernsehen wäre der Tod der Zeitung, sagten damals viele Verleger. Eine Fehlprognose, wie wir heute wissen. Das ist jetzt 37 Jahre her. In Internet- Jahren mehr als ein Jahrhundert. Und nun sind wir mittendrin in der Revolution.

Die Revolution kommt aus dem Internet. Die Zahl der Nutzer explodiert, das Internet inspiriert, es bringt täglich neue Ideen, neue Player hervor. Die jungen, smarten Dynamiker ziehen jetzt in die Chefetagen ein, ohne Schlips, aber mit Power, und die Altgedienten, so einer wie ich, haben sich noch gar nicht um die eigene Achse gedreht, da sind die Jungen schon an ihnen vorbeigeprescht.

Was das Internet verändern wird, ist umfassend: die Art, wie wir kommunizieren, wie wir uns informieren, wie wir uns unterhalten, die Art, wie wir kaufen und verkaufen, den Gang zum Bankschalter, zum Einwohnermeldeamt, zur Apotheke, usw.

Das Internet vereint viele Vorteile klassischer Medien in einem: es ist Text, es ist Grafik, es ist Bild, Ton, Video – also Bewegtbild - mit der jederzeitigen Verfügbarkeit, mit der Individualisierbarkeit, mit der Adressierbarkeit. Medienkonsum nach dem Postbotenprinzip: jeder bekommt nur das, was für ihn bestimmt ist.

Es ist die Aufweichung, man könnte sogar sagen, die Abkehr vom Prinzip der Massenmedien, was den Charme dieser neuen Entwicklung ausmacht. Ich kann mich nicht erinnern, daß jemals zuvor eine Entwicklung so tief in die Strukturen der Medienindustrie eingegriffen hat. Sie verlangt Kompetenzen und Ressourcen, die ein Verlag oder Fernsehsender alleine nicht hat.

Einige wenige Zahlen, ich will Sie damit nicht lange strapazieren. Wovon gehen wir heute als Basismengengerüst aus.

  1. Das Internet hat weltweit etwa 180-200 Mio Nutzer. Das ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 55 %. In Deutschland über 10 Mio Nutzer.
  2. Das jährliche Wachstum beträgt 100% im E-Commerce, im elektrischen Handel: laut Forrester Research wird der Wert der zwischen US-Unternehmen über das Internet gehandelten Waren und Dienstleistungen im Jahre 2003 $1,3 Billionen erreichen. Der größte E-Commerce Markt in Europa ist Deutschland: bei uns liegt der Online-Umsatz jetzt schon bei rund 1 Mrd. DM.
  3. Sofern die Rahmenbedingungen stimmen, können in der deutschen Multi- media-Industrie 280.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist eine Schätzung von einem dieser vielen Institute, die jetzt furchtbar viel Geld mit diesen Prognosen verdienen.

Ich habe am Freitag bei der Eröffnung der IFA vom Bundeswirtschaftsminister gelernt, es fehlen im Augenblick 70.000 Fachkräfte bei uns in der Branche, die einfach nicht besetzt werden können.

Nun noch ein bißchen was über AOL, unser Joint Venture mit America Online. AOL, das ist Communication, das ist Community, das ist Content - das sage ich wegen der drei Cs.

Wir haben inzwischen weltweit über 18 Millionen Mitglieder bei AOL und 2 Millionen bei CompuServe, macht also 20 Millionen. Den letzten Sprung von 17 auf 18 Millionen haben wir innerhalb von 125 Tagen erzielt.

Davon in Europa rund 2,8 Millionen AOL + CSi Mitglieder: unser großer nationaler Konkurrent T-Online hat inzwischen über 3 Millionen Mitglieder.

Zur Kommunikation:

Täglich verschicken diese vielen Mitglieder 65 Millionen emails an über 140 Mio Empfänger. Wir senden untereinander täglich über 470 Mio sogenannte Instant Messages - also Telegramme - und jeden Tag werden parallel 19.000 Chaträume geöffnet. In den USA ist die gleichzeitige Nutzung von AOL inzwischen so, daß sie die bekanntesten Kabelfernsehkanäle übertrifft. In der Hauptnutzungszeit, der sogenannten Primetime, sind bei AOL 1,2 Millionen Menschen gleichzeitig online. Das ist weit mehr als beispielsweise CNN oder CNBC um diese Zeit an Einschaltquoten haben und nimmt inzwischen einen sehr starken Teil der Freizeit ein.

AOL hat vor zwei Jahren einen weiteren Dienst erworben. Der heißt ICQ. Auch ein Instant Message Dienst, der über 40 Millionen Nutzer hat, von denen 60 % außerhalb der USA und 40 % in Amerika sind.

Es wird hier eine kaum vorstellbare Menge an Bits und Bytes durch den Cyberraum transportiert – von der Kommunikation bis zum E-Commerce, grenzüberschreitender Datenverkehr ohne technische, ohne politische Barrieren. Diese Datenmenge ist unzensiert, sie ist ungefiltert, es gibt keinen professionellen Inhaltemanager, der sie bearbeitet, kondensiert, gepackaged hat. Es ist eine wirkliche Massenbewegung.

Und was ist nun mit dem Verbraucher, der seine Daten ins Internet gibt? Hat der keine Akzeptanzschwellen, keine Barrieren?

Wir haben uns einmal ein Beispiel herausgegriffen: Nämlich die persönlichen Angaben im Internet , die man z. B. bei der Zahlung mit der Kreditkarte macht. International etabliert sich zwar die Zahlung per Kreditkarte, da sind wir ziemlich sicher. Bei Visa sollen heute mind. 2% aller Kreditzahlungen auf Internet- Transaktionen zurückzuführen sein.

Die Deutschen trauen dem Braten noch nicht. Wir haben hier eine Studie, die sagt, nur 23% der Deutschen wollen mit Keditkarte zahlen, bei den Franzosen sind es 33 %, in England 67%. Das sind also schon mal riesige Differenzen. Diese Zahl von 23 % spiegelt sich dann auch bei AOL selbst wieder. In Deutschland zahlen bei AOL 19% per Kreditkarte. Das ist ein Indiz dafür, daß die Situation keineswegs ideal ist, es besteht Handlungsbedarf, um die Akzeptanz und das Vertrauen der Kunden im Internet zu steigern oder erst einmal zu gewinnen.

Wie gehen wir bei unseren Internet-Geschäften heute mit der Datenschutz- problematik um, wenn wir von unseren Kunden persönliche Daten verlangen?

Datenschutz ist zunächst einmal für uns – und das ist kein Lippenbekenntnis - ein wichtiges Thema. Wir gehen damit grundsätzlich proaktiv um. Das heißt, wir versuchen die Dinge zu lösen, bevor irgendjemand kommt, der sagt: "Das dürft Ihr aber nicht."

Ein Beispiel: AOL. Wir haben ja durch AOL sehr viele, in Europa wie gesagt 2,8 Millionen Kundenbeziehungen, und das sind sehr enge Kundenbeziehungen. Ein Vertragsabschluß bei AOL beinhaltet die Akzeptanz der Nutzungsbedingungen durch den Kunden. AOL verlangt nur personenbezogene Daten, die für das Angebot des Dienstes, insbesondere den Zugang und die Abrechnung erforderlich sind (also die Identität, die Adresse, die Bankverbindung bzw. Kreditkarteninformation).

AOL informiert, daß die Datenübermittlung, -speicherung, -verarbeitung und -nutzung grenzüberschreitend ist . AOL bietet seinen Mitgliedern die Möglichkeit, die Daten jederzeit einzusehen und korrigieren zu können. AOL stellt Kontaktmöglichkeiten per Mail oder Telefon zu einem Datenschutzbeauftragten zur Verfügung und hat Lotsen zur jederzeitigen Hilfe.

Also bieten wir unseren Kunden

  1. Transparenz: Sammlungs- und Verarbeitungsabsichten werden offengelegt,
  2. Partizipationsmöglichkeiten: Zugang und Korrekturmöglichkeit der Daten,
  3. Beschränkung: Relevanz von Daten,
  4. Außenveröffentlichungsverbot: kein Vertrieb und Verkauf von eingesammelten Daten und die Sicherung der eingesammelten Daten.

Das ist unser originäres Interesse, denn Kundenbeziehungen sind das Asset der Zukunft - insbesondere im Internet - damit sollten wir vorsichtig umgehen, damit es ein "competitive advantage" bleibt.

Doch stimmen die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen?

Ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich zunächst einmal sage, daß wir von globalen Regelungen meilenweit entfernt sind.

Der Weltwirtschaftsgipfel sollte mehr Klarheit für den Datenschutz bringen. In Europa steht die EU-Richtlinie, die ja besagt, daß personenbezogene Daten nicht in Länder weitergegeben werden dürfen, die den Datenschutz nicht so streng handhaben wie europäische Länder. Das ist verbunden mit der verbindlichen Offenlegung von Firmen, wie sie mit den Daten umgehen. Diese Regelung steht in einem offenbaren Gegensatz zu denen in den USA oder auch Kanada bzw. Japan mit ihren fehlenden allgemeinen übergreifenden Gesetzgebungen.

Aber wie das halt mit Weltwirtschaftsgipfeln so ist, immer wenn es ein bißchen schwieriger wird, dann werden Entscheidungen vertagt. In diesem Fall auf Herbst d. J.. Also: Es ist bisher kein gemeinsamer Nenner für Datenschutz auf internationaler Ebene gefunden worden. Das ist die Situation, in der wir heute in Europa leben.

Wie sieht es auf nationalem Level hier in Deutschland aus?

Wir sind im täglichen Geschäft mit gesetzlichen Regelungen konfrontiert, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Ich nenne hier einmal beispielhaft das Teledienste- gesetz, das die "Inhalte" regelt. Das Telekommunikationsdienstegesetz, das die "Sprachtelefonie" regelt, und das Bundesdatenschutzgesetz im offline-Bereich.

Nicht abgestimmte Regelungen bestehen hier insbesondere bei der Form der Abgabe der Einverständniserklärung des Kunden bei der Speicherdauer. Und ein Beispiel aus unserer täglichen AOL Praxis: Ich habe Ihnen gesagt, wieviele emails ausgetauscht werden jeden Tag, und die Frage, die für uns offen ist, welche Regelung greift hier? Teledienst, Telekommunikationsdienst?

Insgesamt beklage ich die nicht sehr flexiblen Regulierungsansätze. Vor allen Dingen behindert ein buntes Patchwork aus nationalen Vorschriften die Entwicklung des Internet – insbesondere im E-Commerce. Zunehmend wird dem Gesetzgeber deutlich, daß der traditionelle, nationalstaatliche Ansatz mit seinem Regelwerk im Internet-Zeitalter überholt ist. Hierzu hat der Bundeswirtschaftsminister Müller hier auf der IFA am Freitag einen bemerkenswerten Vortrag gehalten. Dieser gipfelte in dem Satz: "Was dieses Multimediageschäft angeht, so gebe es in Deutschland teilweise unübersichtliche und teilweise unpraktikable gesetzliche Regelungen."

Was tun wir also von Industrieseite, um Lösungen u.a. für die Datenschutz- problematik zu finden?

Wir sitzen nicht im Schmollwinkel, wir sind aktiv. Dabei bemühen wir uns um Selbstregulierung. Und das wichtigste Beispiel für mich als Vertreter von Bertelsmann ist der Global Business Dialogue on E-Commerce, in dem Hunderte von Unternehmen und Verbänden zusammenarbeiten und bei dem der Bertelsmann Vorstandsvorsitzende Dr. Thomas Middelhoff den Vorsitz hat. Ziel des GBDe ist es, die durch das Internet entstehenden Rechtsfragen gemeinsam zu klären und somit e-commerce weltweit zu einem Durchbruch zu verhelfen. Durch effektive Selbstregulierung – in Form von Verhaltenskodizes oder technischen Lösungen – wollen wir staatlicher Regulierung, man kann auch sagen Überregulierung zuvorkommen, soweit dies möglich ist. Leute wie Jerry Levin von Time Warner, Jean- Marie Messier von Vivendi oder Michio Naruto von Fujitsu haben den GBD on e-commerce zur Chefsache gemacht. Mit 9 Arbeitsgruppen, eine davon natürlich auch zum Thema Datenschutz. Hier hat die Toshiba Leitung. Und am 13. September werden den Regierungen und internationalen Organisationen in Paris die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen dieses Global Business Dialogue präsentiert.

Lassen Sie mich das zusammenfassen:

Vor nationalen gesetzgeberischen Alleingängen im Bereich des Internet und Elektronischen Handels kann ich nur warnen. Wir brauchen jetzt keine Insellösungen, sondern ein harmonisiertes Vorgehen. Ohne internationale, möglichst weltweite Standardisierungen wird Europa angesichts der rasanten Entwicklung des Internet Boden verlieren.

Viele europäische Länder und insbesondere auch Deutschland haben in den letzten zwei Jahren wirklich große Fortschritte in der Nutzung der neuen Chancen des Internet gemacht.

Mein Unternehmen, die Bertelsmann AG, hat ihren Multimedia-Umsatz im soeben abgelaufenen Geschäftsjahr, das war der 30.6., erneut verdoppelt. Wir bewegen uns auf ein Geschäftsvolumen von immerhin 2 Mrd. Mark zu. Europa gewinnt also zunehmend Anschluß, das dürfen wir jetzt nicht aufs Spiel setzen. Traditionelle, nationalstaatliche Regelungen sind in diesen Märkten nach meiner Überzeugung überholt.

Bertelsmann wird im Vertrauen auf die zunehmende Planungssicherheit im Internet in diesem Herbst eine ganze Reihe unternehmerischer Initiativen starten.

Alles innerhalb ganz weniger Tage und Wochen. Ich zähle es einfach nur auf. Wir haben eine Preisoffensive bei AOL angekündigt für alle europäischen Länder. Wir werden in Großbritannien einen freien Internetzugangsprovider unter dem Namen Netscape Online in den Markt geben.

Der Elektronische Handel unter der Marke BOL wird ausgebaut. Wir wollen Ende des Jahres über TV-Kabel erstmals interaktive Services in Köln und wenig später auch in Berlin, Hamburg, im Ruhrgebiet und weiteren Städten anbieten. Wir haben gerade einen interaktiven Spielekanal, den Bertelsmann zusammen mit Viag Interkom betreibt, im Testbetrieb abgeschlossen und beginnen jetzt mit der nationalen Markteinführung. Und wir haben gerade ein Auktionshaus im Internet gestartet.

Hier entstehen Hunderte von Arbeitsplätzen, und dafür brauchen wir Rechts- sicherheit und klare Planungsvorgaben. Angestrebt werden eine harmonisierte Gesetzgebung, internationale Vereinbarungen und eine effektive Selbstregulierung der Wirtschaft. Politik und Wirtschaft müssen hier eng zusammenarbeiten. Das sieht auch der Bundeswirtschaftsminister so.

Es kann nicht in Ihrem und nicht in unserem Interesse sein, daß Datenschutz- richtlinien als Handelsbarrieren in einer vernetzten Welt mißbraucht werden.

Seitenanfang

Zuletzt geändert:
am 05.10.99

mail to webmaster