30. August 1999:
Der "Elektronische Geschäftsverkehr" (Electronic Commerce) zählt
zu den Wirtschaftszweigen, denen für die nähere Zukunft hohe
Zuwachsraten prognostiziert werden. Bereits jetzt werden viele Bestellungen
im Bereich des Buchhandels, des Musikvertriebes sowie bei Informationsangeboten
und der Software-Distribution elektronisch abgewickelt. Das sich abzeichnende
Zusammenwachsen der bisher getrennten Bereiche Telekommunikation, Computertechnologie
und Rundfunk wird zur Entwicklung und Einführung neuer elektronischer
Dienste führen. Mit diesen Entwicklungen können für die
Nutzer der neuen elektronischen Dienste allerdings gravierende Nachteile
verbunden sein, weil Datenspuren in bisher nicht gekanntem Umfang über
ihr Konsumverhalten entstehen. Die bisherigen Konzepte der Datenschutzkontrolle,
die auf eine Kontrolle der Datenflüsse durch nationale Gesetzgebung
setzen, werden durch die Globalisierung des Angebots in Frage gestellt.
Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wie auch unter
den Bedingungen der neuen Dienste und der Globalisierung des Angebots ein
Mindestmaß an Schutz der Persönlichkeitsrechte der Bürger
sichergestellt werden kann. Es gibt derzeit eine intensive Diskussion darüber,
wie nationale und internationale Regulierungen beschaffen sein müssen,
die einen wirksamen Datenschutz auch für das nächste Jahrtausend
gewährleisten, und welche Rolle datenschutzfreundliche Technologien
dabei spielen können. Zu diesem Thema findet heute seit 10.00 Uhr
im Internationalen Congress Centrum Berlin (Saal 6) ein öffentliches
Symposium des Berliner Datenschutzbeauftragten statt.
Bei dieser Veranstaltung erörtern Wissenschaftler und Experten
aus dem In- und Ausland die Konsequenzen, die für den Datenschutz
aus der Entwicklung des "Global Electronic Commerce" zu ziehen sind. An
dem Symposium nehmen auch deutsche Datenschutzbeauftragte sowie die Mitglieder
des Internationalen Arbeitskreises "Datenschutz in der Telekommunikation"
teil, dessen Herbsttagung unter dem Vorsitz des Berliner Datenschutzbeauftragten,
Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, am 31. August 1999 in Berlin stattfindet.
Duncan MacDonald, Berater in Datenschutzfragen für die US-Industrie
und -Regierung, schilderte die Entwicklungen in den USA bei der Regulierung
und Selbstregulierung in globalen elektronischen Märkten. Obwohl Umfragen
ergeben haben, dass die meisten Konsumenten in den USA Bedenken wegen der
Verletzung ihrer Privatsphäre bei der Nutzung elektronischer Dienste
haben, werden in den USA für das Jahr 1999 zweistellige Wachstumsraten
prognostiziert. MacDonald hält es dennoch für unwahrscheinlich,
dass die US-Regierung in nächster Zeit allgemeine gesetzliche Datenschutzregelungen
für Unternehmen erlassen wird. Allenfalls für bestimmte Branchen
(z.B. Finanzdienstleistungen) könne mit solchen Regelungen gerechnet
werden. MacDonald betonte jedoch, dass die anhaltende Diskussion, wie das
von der Europäischen Richtlinie geforderte angemessene Datenschutzniveau
in den USA gewährleistet werden
kann, die Datenschutzdiskussion in den USA beeinflusst und zu zahlreichen
Initiativen sowohl seitens der US-Regierung als auch der Wirtschaft geführt
hat.
Wie weltweit tätige Unternehmen den Schutz der Privatsphäre
ihrer Kunden auch unter den Bedingungen globalisierter Märkte sicherstellen
wollen, erläuterte am Beispiel der DaimlerChrysler AG deren Konzerndatenschutzbeauftragter
Prof. Dr. Alfred Büllesbach. Das Unternehmen erstellt hierzu gegenwärtig
einen Verhaltenskodex ("Code of Conduct"), mit dem auf der Basis der jeweiligen
Datenschutzgesetze ein einheitliches Niveau für den Schutz von Kundendaten
in weltweit tätigen Unternehmen sichergestellt werden soll.
Anne Carblanc von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) berichtete über die Aktivitäten der OECD
zum Datenschutz in globalen Netzwerken im Zusammenhang mit dem elektronischen
Geschäftsverkehr. Die OECD, der gegenwärtig 29 Staaten aus Europa,
Nordamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum angehören, beschäftigt
sich bereits seit den 70er Jahren mit Fragen des Datenschutzes. Bereits
1980 wurden Empfehlungen über Leitlinien für den Schutz des Persönlichkeitsbereichs
und den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten verabschiedet;
im Jahre 1997 beschloß der Rat der OECD Richtlinien zur Kryptographiepolitik.
Die gegenwärtigen Aktivitäten der OECD werden von der im Oktober
1998 in Ottawa verabschiedeten Ministererklärung zum Datenschutz in
globalen Netzen geprägt. Gegenwärtig erarbeitet die OECD einen
Bericht über Verträge beim grenzüberschreitenden Datenverkehr.
Darüber hinaus erprobt die OECD elektronische Werkzeuge zur Erstellung
und Veröffentlichung von Regelungen zum Datenschutz.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht
auf Akteneinsicht Brandenburg, Dr. Alexander Dix, erläuterte deutsche
und europäische Datenschutzregulierungen bei neuen elektronischen
Diensten. Dix schilderte neue Regelungsansätze im Bereich des elektronischen
Handels und des Online-Direktmarketing. Auch in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt
müssen bestimmte Mindeststandards für den Datenschutz auch durch
gesetzliche Bestimmungen gewährleistet werden. Den aktuellen Deregulierungsbestrebungen
sind insoweit Grenzen gesetzt.
Am Nachmittag referiert Bernd Schiphorst (President & CEO Bertelsmann
New Media und Mitglied des Vorstandes Bertelsmann Multimedia) über
die Entwicklung des Internet aus der Sicht der Medienwirtschaft.
Dr. Seshu Bhagavathula (Leiter des Daimler-Benz Research Center India
Private Limited, Bangalore) hält einen Vortrag zur Bedeutung der Kryptographie
für die Entwicklung der Informationsgesellschaft. Verschlüsselungstechniken
sind unerlässlich für die Gewährleistung von Datenschutz
und Datensicherheit in elektronischen Netzen. Für deren Wirksamkeit
sind neben der Art der eingesetzten Verschlüsselungsverfahren und
der Schlüssellänge auch andere Faktoren von Bedeutung, zu denen
z.B. die fehlerfreie Implementierung des Verschlüsselungsverfahrens
sowie bestimmte andere Eigenschaften von Hard- und Software zählen.
Dr. Bhagavathula wird darüber hinaus einen Ausblick auf zukünftige
Entwicklungen im Bereich der Kryptographie geben.
Schließlich hält Dr. Kai Rannenberg (Institut für Informatik
und Gesellschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) für den
kurzfristig verhinderten Prof. Dr. Günter Müller einen Vortrag
zu mehrseitiger Sicherheit als technischem Konzept für den Datenschutz
in der globalen Informationsgesellschaft. Dr. Rannenberg wird unter anderem
technische Konzepte erläutern, wie Informationen über den Aufenthalt
der Gesprächspartner bei der mobilen Kommunikation wirksam geschützt
werden können.
Abschließend diskutieren die Referenten unter der Moderation des
Medienjournalisten und Internet-Beraters Ossi Urchs in einem Podiumgespräch
die Frage, inwieweit Datenschutz im elektronischen Geschäftsverkehr
als Brücke zwischen Privatheit und Weltmarkt wirken kann.
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