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3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin
gegen die Verfügung, soweit sie Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen
sowie Ton- und Filmaufnahmen untersagt. Sie hat gleichzeitig den
Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Nach ihrem
Antrag soll der Vorsitzende Richter der 27. Strafkammer angewiesen
werden, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit ihr während
der Verhandlung in dem Sitzungssaal des Gerichts, hilfsweise während
der Verlesung der Anklageschrift, des Plädoyers der Staatsanwaltschaft,
der Plädoyers der Verteidiger und der Urteilsverkündung,
weiter hilfsweise während einzelner dieser Verhandlungsabschnitte,
das Filmen gestattet wird, ggf. unter der Auflage, jedem anderen
zugelassenen Fernsehveranstalter in entsprechender Anwendung der
Bestimmungen zum Kurzberichterstattungsrecht auf Wunsch unmittelbar
und gegen Ersatz der angemessenen Aufwendungen das Sendesignal
zur Verfügung zu stellen.
Sie macht einen Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit aus Art.
5 Abs. 1 Satz 2 GG geltend. Die beabsichtigten Aufnahmen seien
nach dem Wortlaut des § 169 Satz 2 GVG zwar unzulässig.
Es sei jedoch zweifelhaft, ob es sich dabei nicht um ein speziell
gegen den Rundfunk gerichtetes Gesetz handele. Jedenfalls schränke
die angegriffene Verfügung die Rundfunkfreiheit im vorliegenden
Fall übermäßig ein.
Zweck des § 169 Satz 2 GVG sei zum einen der Schutz der Persönlichkeitsrechte
der Angeklagten bzw. der Parteien, zum anderen der Schutz der
äußeren Ordnung des Strafverfahrens im Interesse der
Wahrheitsfindung. Der Persönlichkeitsschutz von Personen
der Zeitgeschichte könne selbst im Strafprozeß kein
völliges Filmverbot rechtfertigen. Auch die Besonderheiten
der Fernsehberichterstattung führten nicht zu einer grundsätzlich
abweichenden Beurteilung. Das Verfahren vor dem Berliner Landgericht
sei ein zeitgeschichtliches Ereignis. Die Angeklagten seien, soweit
sie nicht absolute Personen des Zeitgeschehens seien, jedenfalls
als relative Personen des Zeitgeschehens anzusehen. Die öffentliche
Gerichtsverhandlung betreffe nicht ihre Privat- oder Intimsphäre,
sondern die Sozialsphäre. Auch andere am Strafverfahren beteiligte
Personen würden durch ihre maßgebliche Beteiligung
an einem Strafverfahren von zeitgeschichtlicher Bedeutung zu relativen
Personen der Zeitgeschichte. Für Richter und Staatsanwälte
gelte ohnehin ein nur eingeschränkter Bildnisschutz. Zeugen,
Angehörige oder sonstige Dritte seien von ihrem Begehren
nicht betroffen. Den Persönlichkeitsrechten stehe die Gewährleistung
der Gerichtsöffentlichkeit gegenüber, die der öffentlichen
Kontrolle der Rechtsprechung diene. Gerichtsöffentlichkeit
bedeute auch Medienöffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund
überwiege der Persönlichkeitsschutz nicht.
Auch mit Blick auf den Schutz der Ordnung des Strafverfahrens
verletze die angegriffene Verfügung das Übermaßverbot.
Die Antragstellerin habe eine Reihe von Angeboten gemacht, die
gewährleisteten, daß der äußere Verfahrensablauf
durch die Aufnahmen nicht gestört werde. Soweit angenommen
werde, daß die ständige Anwesenheit eines Fernsehteams
die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten beeinflussen könnte,
sei zu beachten, daß ein Strafprozeß ein öffentliches
Verfahren sei. Schon durch die grundsätzlich gegebene Möglichkeit
einer Protokollierung jeder richterlichen Anordnung und jeder
Aussage könnten diese der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden. Bei einer Zeitungsveröffentlichung geschehe
dies möglicherweise dauerhafter als bei einem flüchtigen
Fernsehbild. Sinn und Zweck des Grundsatzes der Gerichtsöffentlichkeit
sei es nicht, der Öffentlichkeit nur mittelbare Berichte
zukommen zu lassen, sondern ein höchstmögliches Maß
an Objektivität zu bieten. Es könne jedenfalls nicht
pauschal festgestellt werden, daß in keinem Verfahrensabschnitt
eine Fernsehberichterstattung zulässig sei. Die von ihr in
den Hilfsanträgen benannten Abschnitte seien am ehesten für
eine Berichterstattung geeignet und zeichneten sich gleichzeitig
durch einen relativ geringen Beeinflussungsgrad aus.
Im gegebenen Fall sei eine einstweilige Anordnung geboten. Andernfalls
wäre die Möglichkeit einer bildlichen Dokumentation
des Verfahrensverlaufs bis zur Hauptsacheentscheidung unwiederbringlich
versperrt.
4. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Verfassungsbeschwerde
offensichtlich unbegründet. Die angegriffene Anordnung beruhe
auf § 169 Satz 2 GVG. Jedenfalls für die hier in Rede
stehende Hauptverhandlung im Strafprozeß sei das Gesetz
offenkundig nicht verfassungswidrig. Es richte sich nicht speziell
gegen Rundfunkanstalten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
werde nicht verletzt. Das ausnahmslose Verbot von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen
in der Hauptverhandlung schütze Rechtsgüter, die die
Beschränkung der Freiheit der Berichterstattung durch den
Rundfunk rechtfertigten. Eine möglichst wenig belastende
Situation für Angeklagte, Zeugen und Sachverständige
während ihrer Aussage im Gerichtssaal trage zur Wahrheitsfindung
bei. Die meisten Angeklagten befänden sich in der Hauptverhandlung
bereits ohne Fernsehöffentlichkeit in einer Ausnahmesituation.
Sie hätten ein berechtigtes Interesse daran, sich auf ihre
Verteidigung konzentrieren zu können. Auch für Richter,
Schöffen, Staatsanwälte und Verteidiger bestehe die
Gefahr, daß ihr Verhalten durch die Anwesenheit von Hörfunk
oder Fernsehen beeinflußt würde. Die Rundfunkberichterstattung
über eine Hauptverhandlung bedeute regelmäßig
einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitssphäre
der Angeklagten, aber auch der Zeugen und der Opfer einer Straftat.
Die Gefährdungen, die den Gesetzgeber 1964 zu der Einfügung
der Regelung veranlaßt hätten, hätten sich mit
der Weiterentwicklung des Rundfunks verstärkt.
Eine Regelung, die die Entscheidung über die Zulassung des
Rundfunks in der Verhandlung dem Vorsitzenden überließe,
wäre nicht geeignet, den Schutzzweck der derzeit geltenden
Regelung zu erfüllen. Zu Beginn der Verhandlung, aber auch
zu Beginn eines einzelnen Verhandlungsabschnitts lasse sich in
der Regel nicht absehen, ob durch die Zulassung der Rundfunkberichterstattung
Situationen einträten, die die Wahrheitsfindung beeinträchtigten
oder ein besonderes Schutzbedürfnis für die Beteiligten
auslösten.
§ 169 Satz 2 GVG entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
im engeren Sinne. Die geordnete Rechtspflege sei für den
Rechtsstaat von zentraler Bedeutung. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht
aller Betroffenen sei von überragend wichtiger Bedeutung.
Das Gesetz bewahre diese Verfassungsgüter vor erheblichen
Gefahren. Demgegenüber sei der Eingriff in die Rundfunkfreiheit
von geringerer Bedeutung. Die Rundfunkanstalten seien nicht daran
gehindert, über Strafverfahren im allgemeinen und über
die Hauptverhandlung im besonderen umfassend zu berichten. Bild-
und Tonaufnahmen vor und nach der Verhandlung seien nach Maßgabe
des § 176 GVG zulässig.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung sei jedenfalls
aufgrund der Folgenabwägung unbegründet. Dem Interesse
an der weiteren Anwendbarkeit des § 169 Satz 2 GVG sei der
Vorrang einzuräumen. Anderenfalls könne es zu irreparablen
Folgen für die Wahrheitsfindung und die Persönlichkeitsrechte
der Beteiligten kommen.
5. Die Senatsverwaltung für Justiz Berlin hat den Beschluß
der 66. Konferenz der Justizministerinnen und -minister übersandt.
Darin haben sich diese mit Nachdruck für eine Beibehaltung
der derzeitigen gesetzlichen Regelung ausgesprochen.
6. Auf die Stellungnahmen hat die Beschwerdeführerin erwidert:
Die Verfassungsbeschwerde könne nicht nur dann Erfolg haben,
wenn sich § 169 Satz 2 GVG als verfassungswidrig erweise,
sondern auch dann, wenn die Norm im Lichte der Rundfunkfreiheit
gesehen und entsprechend differenziert interpretiert werde. Sie
habe im Hinblick darauf, daß ihr der Verlauf des Verfahrens
im einzelnen nicht bekannt sei, mehrfach gestufte Hilfsanträge
gestellt, damit die von der Norm erfaßten Gefährdungen
anderer Rechtsgüter ausgeschlossen werden könnten. Im
übrigen sei es in bestimmter Hinsicht sogar das Ziel des
Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren, das
Verhalten der Verfahrensbeteiligten zu beeinflussen. Diese sollten
durch die ständige Präsenz der Öffentlichkeit entsprechend
ihrer Rolle in Deweils unterschiedlicher Form kontrolliert werden.
Eine damit möglicherweise einhergehende Befangenheit werde
als grundsätzlich unvermeidlich hingenommen. Im vorliegenden
Fall komme hinzu, daß die Angeklagten Personen der Zeitgeschichte
seien und wegen möglicher Straftaten, die sie in Ausübung
ihres öffentlichen Amtes begangen haben sollen, vor Gericht
stünden. Die Rundfunkfreiheit sei von gleichem verfassungsrechtlichen
Rang wie der Schutz der Persönlichkeitsrechte. Der Verweis
auf andere Berichterstattungsmöglichkeiten schließe
einen bestimmten Bereich des verfassungsrechtlich garantierten
Kanons von Freiheiten aus.
II.
1. Der mit zwei Hilfsanträgen abgestuft gestellte Antrag
ist zulässig, aber sowohl in der uneingeschränkten als
auch in der auf bestimmte oder auf einzelne Verfahrensabschnitte
bezogenen Fassung unbegründet. Die erforderliche Folgenabwägung
fällt zuungunsten der Beschwerdeführerin aus.
2. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht
im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig
regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung
drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen
Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen
des § 32 Abs. 1 BVerfGG vorliegen, sind die Erfolgsaussichten
der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nur insoweit relevant,
als diese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich
unbegründet erweist. Ist der Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens
offen, haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit
der angegriffenen Entscheidung angeführt werden, grundsätzlich
außer Betracht zu bleiben. Das Bundesverfassungsgericht
muß die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige
Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg
hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden,
wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde,
der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre
(BVerfGE 71, 158 [161]; 77, 121 [124]; 80, 360 [363 f.]; 85, 94
[95 f.]; stRspr).
3. Die Verfassungsbeschwerde ist im vorliegenden Fall weder unzulässig
noch offensichtlich unbegründet. Die Verfassungsmäßigkeit
des vollständigen Ausschlusses von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen
zum Zwecke der Veröffentlichung und Verbreitung und der gesetzlichen
Regelung des § 169 Satz 2 GVG werden derzeit erneut und kontrovers
diskutiert (vgl. Gerhardt, Störenfried oder demokratischer
Wächter? ZRP 1993, S. 377; Eberle, Gesetzwidrige Medienöffentlichkeit
beim BVerfG? NJW 1994, S. 1637; Wolf, Gerichtsberichterstattung
- künftig "live" im Fernsehen? ZRP 1994, S. 187;
Schwarz, Fernsehöffentlichkeit im Gerichtsverfahren, AfP
1995, S. 353; Hamm, Hauptverhandlungen in Strafsachen vor Fernsehkameras
- auch bei uns? NJW 1995, S. 760; Zuck, Court TV: Das will ich
sehen! NJW 1995, S. 2082).
4. Die Begründetheit des Antrags hängt demnach von der
Folgenbeurteilung und -abwägung ab. Dabei ist nicht nur die
Schwere des Eingriffs in die Rechtsposition der Beschwerdeführerin,
sondern auch das Interesse der Allgemeinheit zu berücksichtigen
(BVerfGE 12, 276 [280]; stRspr). Die im Falle der Ablehnung einer
einstweiligen Anordnung zu erwartenden Nachteile müssen erstens
als "schwere Nachteile" im Sinne des § 32 Abs.
1 BVerfGG einzustufen sein. Zweitens müssen sie gegenüber
den Nachteilen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung
erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde aber keinen Erfolg
hätte, überwiegen.
a) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und würde
sich die Verfassungsbeschwerde in vollem Umfang oder teilweise
als begründet erweisen, hätte die Beschwerdeführerin
die Verhandlung insgesamt oder in bestimmten bzw. einzelnen Verfahrensabschnitten
nicht zum Zwecke der Verbreitung im Fernsehen aufnehmen dürfen.
Dem Strafverfahren wird zu Recht historische Bedeutung beigemessen.
Vom Verfahrensgegenstand her besteht ein großes Interesse
der Öffentlichkeit an dem Verlauf der Verhandlung, an dem
Auftreten und der Argumentation der Angeklagten sowie an der Verhandlungsführung
durch das Gericht. Zugleich ist das Verfahren von Bedeutung für
die öffentliche Meinungsbildung, da es zahlreiche Aspekte
etwa im Hinblick auf das Verständnis der DDR oder auf die
Möglichkeiten einer rechtsstaatlichen Aufbereitung der DDR-Vergangenheit
einschließt. Eine den Verlauf dieses Verfahrens unmittelbar
erfassende und verbreitende Fernsehberichterstattung könnte
ohne Erlaß einer einstweiligen Anordnung weder mitlaufend
noch nachträglich erfolgen. Die Beschwerdeführerin hätte
auch keine Aufnahmen zur Verfügung, die sie archivieren und
in anderen Zusammenhängen dokumentieren oder sonstwie verwenden
könnte. Zugleich wäre das Informationsinteresse der
Öffentlichkeit betroffen. Sowohl die Nachteile für die
Berichterstattung als auch die Nachteile für die Information
der Öffentlichkeit und den Meinungsbildungsprozeß wären
irreparabel, soweit nicht eine Hauptsacheentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vor Abschluß des Strafverfahrens ergeht.
b) Erginge eine einstweilige Anordnung im - auch hilfsweise -
beantragten Umfang, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber
später als unbegründet, wären vor allem Beeinträchtigungen
des Persönlichkeitsschutzes der Verfahrensbeteiligten sowie
der Wahrheits- und Rechtsfindung im Verfahren zu erwarten.
Die Aufzeichnung und Verbreitung von Ton- und Filmaufnahmen beträfe
im Verfahren und darüber hinaus die Persönlichkeitsrechte
der Angeklagten, aber auch aller anderen Beteiligten. Deren Auftreten
würde in Wort und Bild festgehalten. Die Aufzeichnung könnte
durch Aufnahme-, Schnitt- oder Zusammenstellungstechniken in vielfältiger
Weise gestaltet sowie verändert und so mit unterschiedlichen
Informations- und Sinngehalten ausgestattet und nach ihrer Verbreitung
von einem unüberschaubaren Personenkreis in beliebigen Verwendungszusammenhängen
reproduziert und immer wieder neu gestaltet werden (zu diesem
Hintergrund des aus dem verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz
hergeleiteten "Recht am eigenen Bild und am gesprochenen
Wort" BVerfGE 34, 238 [246 ff.]).
Darüber hinaus vermittelt der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz,
jedenfalls das in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip
verankerte Recht auf ein faires Verfahren, den an einem Strafverfahren
beteiligten Grundrechtsträgern, insbesondere den Angeklagten,
auch Rechte im Verfahren, die sich auf den staatlichen Umgang
mit ihnen als Person in einer bestimmten Rolle und mit bestimmten
von dieser Rolle geprägten Rechten beziehen (vgl. etwa BVerfGE
57, 250 [274 ff.]; 66, 313 [318]). Die Zulassung von Fernsehaufnahmen
während der Verhandlung, die etwa die Angeklagten in ihrer
Rolle und bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozeß stören
könnten, beträfe demnach nicht nur das Recht am eigenen
Bild oder am gesprochenen Wort. Insoweit sind Nachteile für
die im Prozeß bestehenden und prozeßbezogenen Verhaltensmöglichkeiten
in Rechnung zu stellen, indem sich die beteiligten Grundrechtsträger
auf die Fernsehaufnahmen einstellen und ihr Verhalten daran orientieren
müßten. Die dabei zu befürchtenden Beeinträchtigungen
gehen über die Beeinträchtigungen, die durch das im
Saal anwesende Publikum hervorgerufen werden, hinaus. Dieses ist
einerseits selbst in den unmittelbaren Erlebniszusammenhang einbezogen
und kann andererseits von den Verfahrensbeteiligten wahrgenommen
und eingeschätzt werden, was bei den Zuschauern von Fernsehaufnahmen
nicht der Fall ist.
Des weiteren ist nicht auszuschließen, daß Fernsehaufnahmen
während der Verhandlung die Wahrheits- und Rechtsfindung
beeinträchtigen, der das Strafverfahren dient (vgl. dazu
BVerfGE 57, 250 <274 ff.>; 77, 65 <76>). Sie könnten
zu Störungen der Unbefangenheit aller Beteiligten bei der
Wahl des jeweiligen Verhaltens und zu einer Anpassung an die durch
die Ton- und Filmaufzeichnungen veränderten Bedingungen führen,
die über die Beeinträchtigungen durch die unmittelbare
Öffentlichkeit hinausgehen und als unerwünschte Nebeneffekte
die vom Öffentlichkeitsgrundsatz angestrebte Verhaltenssteuerung
überlagern.
Grundsätzlich könnten durch den Einsatz von Aufnahme-
und Übertragungsgeräten, insbesondere wegen der erforderlichen
technischen Vorkehrungen und dem dadurch bedingten Raum- und Zeitbedarf,
auch Störungen des äußeren Ablaufs der Sitzung
eintreten. Diese Nachteile werden allerdings durch die Bereitschaft
der Beschwerdeführerin, sich bestimmten Bedingungen zu unterwerfen,
und durch ihre Angebote, die beabsichtigten Aufnahmen in einer
bestimmten Weise durchzuführen, reduziert.
Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsrechte und der
Wahrheits- und Rechtsfindung sind in sämtlichen Abschnitten
des Verfahrens mit mehr oder minder großer Intensität
zu erwarten. Die Hauptverhandlung wird in Anwesenheit insbesondere
der Angeklagten durchgeführt, die somit in sämtlichen
Abschnitten aufgezeichnet werden könnten. Das Verfahren bildet
in seinen einzelnen Abschnitten einen Zusammenhang, bei dem auch
die zu erwartende Aufnahme eines nachfolgenden Teils das Verhalten
in einem vorangehenden Abschnitt nachteilig prägen könnte.
Die insgesamt zu erwartenden Beeinträchtigungen wären
bei Erlaß einer einstweiligen Anordnung irreparabel.
c) Beurteilt man die Folgen für die Beschwerdeführerin
im Falle der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung, ist die
Voraussetzung des Entstehens "schwerer Nachteile" im
Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG erfüllt. Zu den insoweit
relevanten Gesichtspunkten zählt zum einen das Ausmaß
der individuellen Belastung und der Beeinträchtigung von
Allgemeinwohlbelangen. Zum anderen sind Bedeutung und Funktion
der verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung zu berücksichtigen.
Diese ist äußerst zurückhaltend einzusetzen, da
auch eine nur vorläufige Regelung unter Umständen weittragende
Folgen hat und da die Erfolgsaussichten in der Hauptsache weitgehend
unberücksichtigt bleiben müssen. Daher ist bei der Prüfung,
ob die Voraussetzungen der Norm vorliegen, ein strenger Maßstab
anzulegen (BVerfGE 77, 121 [124]; 82, 310 [312]; stRspr). Vorliegend
sind wegen der historischen Bedeutung des Prozesses und der Irreparabilität
der Beeinträchtigungen für die Berichterstattung, für
die Information der Öffentlichkeit und für die Meinungsbildung
insgesamt "schwere Nachteile" zu bejahen.
d) Wägt man die Folgen ab, wiegen die Nachteile, die der
Beschwerdeführerin im Falle der Ablehnung einer einstweiligen
Anordnung drohen, jedoch weniger schwer als die Nachteile im Falle
eines Erlasses.
Bei der Gewichtung der im Falle einer Anordnungsablehnung entstehenden
Nachteile ist zu berücksichtigen, daß die angegriffene
Verfügung der gegebenen Gesetzeslage und der seit Inkrafttreten
des Gesetzes einheitlich bestehenden Praxis entspricht. Bei einer
Ablehnung der Anordnung bliebe somit der bisherige Zustand - wenn
auch bei einem Prozeß von historischer Bedeutung - beibehalten;
die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin würde nicht
über das im Gesetz vorgesehene Maß hinaus beeinträchtigt.
Das Gewicht der Nachteile wird darüber hinaus dadurch relativiert,
daß auch für Rundfunk und Fernsehen in bestimmtem Umfang
Berichterstattungsmöglichkeiten bestehen. Neben der Möglichkeit,
an der Verhandlung teilzunehmen und im Anschluß daran darüber
zu berichten, ist insbesondere auch in dem durch die getroffenen
Verfügungen abgesteckten Rahmen jeweils vor Beginn der Hauptverhandlung
das Fotografieren und Filmen erlaubt.
Demgegenüber fallen die Nachteile, die im Falle des Erlasses
einer einstweiligen Anordnung im - auch hilfsweise - beantragten
Umfang im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten
sowie im Hinblick auf die Wahrheits- und Rechtsfindung im Verfahren
entstünden, entscheidend ins Gewicht. Erhebliche Bedeutung
kommt namentlich dem Persönlichkeitsschutz der Angeklagten
zu, der nicht nur deren Recht am eigenen Bild und am gesprochenen
Wort umfaßt, sondern sie auch als Personen schützt,
die in einem Strafverfahren angeklagt sind und ihre Rechte frei
von bestimmten Beeinträchtigungen wahrnehmen müssen.
Deshalb greift auch der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte
Einwand, die Angeklagten seien Personen der Zeitgeschichte und
in ihrer "Sozialsphäre" berührt, nur begrenzt.
Inhalt und Gewicht des Persönlichkeitsschutzes hängen
immer auch von dem Kontext ab, in dem der Grundrechtsträger
sich bewegt und zu schützen ist. Die Beeinträchtigungen
durch eine Berichterstattung über die laufende Verhandlung
sind daher anders zu beurteilen und zu gewichten als die Nachteile
bei Fernsehaufnahmen vor der Verhandlung und in den Sitzungspausen
(dazu BVerfGE 87, 334 [340]). Ebensowenig greift der Einwand durch,
die Angeklagten seien ohnehin der Öffentlichkeit ausgesetzt,
weil sich die durch das im Saal anwesende Publikum hergestellte
Öffentlichkeit von der durch das Fernsehen hergestellten
"Medienöffentlichkeit" unterscheidet.
Erhebliche Bedeutung kommt weiter den Nachteilen zu, die wegen
der Störungen der Unbefangenheit aller Beteiligten für
die Wahrheits- und Rechtsfindung zu befürchten wären.
Dem steht aus den eben genannten Gründen nicht entgegen,
daß die Verhandlung grundsätzlich öffentlich ist.
Auch das Argument der Beschwerdeführerin, daß der Öffentlichkeitsgrundsatz
eine Verhaltenssteuerung bezwecke, schließt die Berücksichtigung
nachteiliger Störüngen nicht aus, weil es sich um unerwünschte
Nebeneffekte handelte. Eine von Störungen möglichst
unbeeinträchtigte und dadurch möglichst gesicherte Wahrheits-
und Rechtsfindung ist Zweck des Strafverfahrens und dient dem
Allgemeininteresse.
Da auch die Aufzeichnung nur bestimmter oder einzelner Verfahrensabschnitte
diese ausschlaggebenden Nachteile - wenn auch in möglicherweise
verminderter Form oder vermindertem Umfang - hervorriefe, ändert
sich das Abwägungsergebnis bei den hilfsweise gestellten
Anträgen nicht.
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