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A. Auszug aus dem Jahresbericht 1993 des Berliner Datenschutzbeauftragten

1. Geschäftsbereich: Telekommunikation und Medien

Bei der Behandlung von Datenschutzfragen bei Telekommunikation und Medien, die auch im vergangenen Jahr wieder einen Schwerpunkt unserer Tätigkeit bildeten, erweist sich, daß datenschutzgerechte Lösungen heute nicht mehr regional oder national, sondern nur auf europäischer und internationaler Ebene erreicht werden können. Umgekehrt werden europäische Initiativen zur Liberalisierung und Harmonisierung der bestehenden Netze in naher Zukunft starke Auswirkungen im nationalen Bereich haben. Im Auftrag der entsprechenden Koordinierungsgremien haben wir uns deshalb auch im Berichtszeitraum intensiv um eine Abstimmung zwischen den Datenschutzbeauftragten auf der Ebene der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und auf europäische und internationaler Ebene bemüht. Nur durch eine solche Abstimmung besteht eine gewisse Gewähr dafür, daß Gefahren für die Persönlichkeitsphäre frühzeitig erkannt und Konzepte entwickelt werden, um ihnen zu begegnen.

1.1 Berlin

Telekommunikation in öffentlichen Krankenhäusern

In einer Rehabilitationswohngemeinschaft für Jugendliche, die unter einer psychischen Erkrankung leiden, riefen Betreuer nach Telefonaten ihrer Schützlinge deren Gesprächspartner erneut an, um sich nach deren Identität und den Gesprächsinhalten zu erkundigen.

Was den Mißbrauch der Zielnummernspeicherung aus der Telefondatenerfassung einer digitalen Nebenstellenanlage vermuten ließ, war in Wirklichkeit ein Beispiel für die datenschutzrechtliche Relevanz der Wahlwiederholfunktion bei noch analogen Nebenstellenanlagen. Dabei wird die zuletzt gewählte Telefonnummer gespeichert. Nach dem Drücken der Wahlwiederholtaste wird diese automatisch angewählt. Genau diese Funktion wurde im beschriebenen Fall zu Kontrollanrufen genutzt.

Eine Umfrage bei den öffentlichen Krankenhäusern zur Technik der Telefonnebenstellenanlagen und dabei insbesondere zur Praxis der Gebührenabrechnung für Patiententelefone hat ergeben, daß auch in den Krankenhäusern eine schnelle Ablösung der alten analogen Nebenstellen durch moderne ISDN-fähige digitale Nebenstellenanlagen erfolgt. Mit dieser Umstellung wird die Chance genutzt, die beim Einsatz solcher Anlagen anfallenden Gesprächsdaten für eine detaillierte Abrechnung mit den Patienten zu verwenden.

Seitenanfang Während bei den alten Anlagen meist Gesprächseinheitenzähler verwendet werden, die zwar die Gebühreneinheiten patientenbezogen zählen, aber Rückschlüsse auf die Gesprächspartner nicht ermöglichen, wird mit der Umstellung auf digitale Nebenstellenanlagen einer Reihe von Krankenhäusern - aber keineswegs allen - angestrebt, die Zielnummer der Patientengespräche zu erfassen, um einen detaillierten und von den Patienten besser überprüfbaren Einzelgebührennachweis liefern zu können.

In rechtlicher Hinsicht stellt die Situation im Vergleich zur Problematik des Einzelgebührennachweises der TELEKOM an ihre Kunden und zur Gesprächsdatenerfassung zur Abrechnung privater Gespräche von Dienstanschlüssen einen Sonderfall dar, denn die dafür geltenden Vorschriften 1 sind nicht unmittelbar auf die von Krankenhäusern an Patienten vermieteten Anschlüsse anwendbar. Krankenhäuser erbringen mit ihren Nebenstellenanlagen keine "Telekommunikationsdienstleistungen für andere" im Sinne des Fernmeldeanlagengesetzes. Anwendbar ist zunächst nur das Landeskrankenhausgesetz in Verbindung mit dem Krankenhausaufnahmevertrag sowie (subsidiär) §28 BDSG.

Allerdings sind die öffentlichen Krankenhäuser nach §5 Abs. 4 der Rahmendienstvereinbarungzu digitalen Nebenstellenanlagen 2 daran gehindert, für die Gespräche ihres Personals Gebührendaten mit vollständiger Zielnummer in der Nebenstellenanlage zu speichern, da dafür eine gesonderte gesetzliche Regelung fehlt. Da nicht anzunehmen ist, daß in den Krankenhäusern verschiedene Nebenstellenanlagen für Patienten und Personal betrieben werden, muß dies indirekt auch den Patienten zugutekommen.

Abgesehen davon sollte zumindest der Rechtsgedanke der §§6 TDSV/ UDSV auch im Verhältnis Krankenhaus-Patient entsprechend herangezogen werden, da die Patienten dem Krankenhaus gegenüber nicht schlechter gestellt werden sollten als die TELEKOM-Kunden gegenüber dem öffentlichen Netzbetreiber (ebenso die Kunden im privaten D 2-Netz). Das würde bedeuten, daß den Patienten zumindest ein Wahlrecht eingeräumt werden muß, ob sie eine verkürzte oder gar keine Speicherung der Zielrufnummer wünschen. Dieses Wahlrecht sollte sich aber nicht - wie in öffentlichen Fernsprechnetzen - auf den Einzelentgeltnachweis mit vollständiger Zielnummer erstrecken.

Allerdings erklärten verschiedene Krankenhäuser, daß bei ihrer digitalen Nebenstellenanlage die Verkürzung der Zielnummer technisch nicht möglich und aus Gründen der Abrechnungstransparenz auch nicht gewünscht sei.

Trotz aller Hinweise auf die leichte Abhörbarkeit analoger schnurloser Telefone besteht ein Trend, solche Telefone für die Sprachkommunikation des ärztlichen und pflegerischen Personals in Krankenhäusern einzusetzen, um die schnelle Erreichbarkeit dieser Mitarbeiter auch am Krankenbett sicherzustellen und gegebenenfalls auch Gespräche über den Zustand von Patienten unabhängig von der Verfügbarkeit stationärer Telefone führen zu können.

Wir haben in mehreren Fällen zu entsprechenden Anfragen klargestellt, daß der Nutzung solcher Telefongeräte für Gespräche mit patientenbezogenem Inhalt die ärztliche Schweigepflicht entgegen steht und empfohlen, dafür - allerdings teurere - digitale Geräte zu beschaffen, die nicht so leicht abhörbar sind.

Abhörsicherheit des Funksprechverkehrs der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

Der Sprechfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) war bekanntlich seit jeher abhörbar, wenn an Empfangsgeräten geringe technische Veränderungen vorgenommen wurden. Dies war strafbar, das Entdeckungsrisiko war jedoch gering. Wirksame Maßnahmen gegen das Mithören des Sprechfunkverkehrs durch Unbefugte, insbesondere durch Straftäter, sind aus Kostengründen unterblieben. Nach der Freigabe der Frequenzbereichsgrenzen Mitte 1992 ist der Funkverkehr inzwischen mit handelsüblichen Radioempfängern mithörbar.

Aus diesem Grund wurden Überlegungen angestellt, wie in Zukunft dieser Funkverkehr vor dem Abhören durch Unbefugte geschützt werden sollte. Die Technische Kommission der Konferenz der Innenminister des Bundes und der Länder wollte die Empfehlung beschließen, nach einem in Niedersachsen erprobten Modell die vorhandenen Analogfunkgeräte mit einer Inverterschaltung (Sprachverschleierungstechnik) nachzurüsten. Diese Maßnahme ist jedoch nicht geeignet, die gewünschte Vertraulichkeit des Sprechfunkverkehrs zu erreichen, da jedermann sich legal und für einen geringen Preis geeignete Funkempfänger mit Inverter beschaffen könnte, mit denen auch das Mithören invertierter Funkgespräche möglich ist.

Es war daher zu befürchten, daß mit der unzureichenden Entscheidung der Weg verbaut wird, wirksame Methoden einzuführen. Der Innenministerkonferenz wurde daher empfohlen, die Entscheidung zu überdenken und statt dessen den Anstoß zu geben, sukzessiv den digitalen und damit leicht verschlüsselbaren Sprechfunk einzuführen, der ohnehin auf Sicht Stand der Technik und damit jedenfalls in einem Teil der Länder datenschutzrechtlich verpflichtend (vgl. z. B. §5 Abs. 1 S. 2 BlnDSG) sein wird.

Auch aufgrund der Bedenken der Konferenz der Datenschutzbeauftragten 3 hat die Technische Kommission der Innenministerkonferenz letztlich von der Einführung der Invertertechnik Abstand genommen. Vielmehr sollen weitere technologisch und wirtschaftlich in Frage kommende Sprachverschleierungssysteme auf ihre Einsatztauglichkeit als Übergangslösungen bis zur Einführung des digitalen Funksprechverkehrs geprüft werden.

Es ist zu hoffen, daß die im Rahmen des Schengener Abkommens gefaßte Entscheidung, im BOS-Bereich eine europäische Normierung zu erarbeiten, die die Digitalisierung und damit die Verschlüsselung des Funkverkehrs vorsieht, zur Beschleunigung der Einführung solcher Systeme beiträgt.

1.2 Deutschland und Europa

Zunehmende Konflikte zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen und der Medienfreiheit

Im Berichtszeitraum ist in der Öffentlichkeit verstärkt darüber diskutiert worden, ob die Persönlichkeitsrechte einzelner Bürger gegenüber der Berichterstattung durch die Medien ausreichend geschützt sind. Anlaß dafür waren beispielsweise

  • Berichte vor allem privater Fernsehveranstalter über Unfallopfer oder Rettungseinsätze der Feuerwehr, an denen sich auch Feuerwehrbeamte oder Mitarbeiter von Rettungsdiensten beteiligten (sogenannte "Reality-TV"),
  • der Fernsehbericht einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt über Mißstände in einer Einrichtung für psychisch Kranke, bei dem die Berichterstattung keinerlei Rücksicht auf die Intimsphäre der Kranken nahm,
  • die "öffentlichkeitswirksame" Durchführung von Razzien und Maßnahmen gegen mutmaßliche Schwarzarbeiter unter Hinzuziehung von Pressevertretern, wobei die kontrollierten Personen teilweise frontal fotografiert und in den Zeitungen abgebildet wurden,
  • die Weitergabe personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen, z. B. durch Polizei und Staatsanwaltschaft, aus Ermittlungsverfahren an die Medien.

Das Grundrecht auf freie Berichterstattung durch Presse und Rundfunk hat nach unserer Verfassungsordnung einen hohen Stellenwert. Dennoch genießt dieses Grundrecht keinen generellen Vorrang vor der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen, über den berichtet wird.

So unterschiedlich die genannten Fälle im einzelnen zu beurteilen sein mögen, verdeutlichen sie dennoch eine Reihe von gemeinsamen Problemen, deren Lösung gegenwärtig der Arbeitskreis Telekommunikation und Medien der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder unter Vorsitz des Berliner Datenschutzbeauftragten erörtert.

Das sogenannte "Medienprivileg" der Datenschutzgesetze, das Rundfunk und Presse bei ihrer journalistisch-redaktionellen Tätigkeit von den materiell-rechtlichen Vorschriften des Datenschutzrechts und von der Kontrolle unabhängiger Datenschutzbeauftragter frei stellt, ist kein Freibrief für unbeschränkte Eingriffe in die Privatsphäre des Bürgers. Die Mißachtung der Menschenwürde durch die Zurschaustellung von Unfallopfern oder Menschen in Not kann nicht unter Berufung auf die Medienfreiheit gerechtfertigt werden. Dies widerspricht auch den im Rundfunkstaatsvertrag und in den Landesmediengesetzen niedergelegten Programmgrundsätzen. Vielmehr müssen die Grundrechte der Medienfreiheit und des Persönlichkeitsrechts - zu dem letztgenannten gehört auch das Recht am eigenen Bild - miteinander zum Ausgleich gebracht werden.

Daher ist der Appell der Innenministerkonferenz vom Mai 1993 an die Medien, "sich ihrer mit der Presse- und Rundfunkfreiheit verbundenen Verantwortung bewußt zu sein und von einer die Menschenwürde verletzenden Berichterstattung Abstand zu nehmen", uneingeschränkt zu begrüßen. Zwar würde der Gesetzgeber bei inhaltlichen Beschränkungen der Berichterstattungsfreiheit schnell in Konflikt mit der grundgesetzlich geschützten Medienfreiheit kommen. Andererseits muß weiter kritisch beobachtet werden, ob die bestehenden Verfahren zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des einzelnen Bürgers (z. B. Anrufung des Deutschen Presserats und Klage vor den Zivilgerichten auf Schmerzensgeld) das Problem angemessen lösen. Zweifel bleiben angebracht.

In jedem Fall sind die Dienstbehörden in Bund und Länder verpflichtet sicherzustellen, daß sich öffentliche Bedienstete an Fernsehsendungen des sog. "Reality-TV" nicht beteiligen. Darauf haben wir den Polizeipräsidenten und die Feuerwehr hingewiesen.

Bei schweren Straftaten hat die Öffentlichkeit zwar in der Regel ein berechtigtes Informationsinteresse hinsichtlich des mutmaßlichen Täters; andererseits muß nicht jeder einer geringfügigen Straftat Verdächtigte es hinnehmen, in Presse oder Fernsehen abgebildet zu werden. Dies gilt beispielsweise bei der "öffentlichkeitswirksamen" Durchführung von Razzien und anderen polizeilichen Maßnahmen, bei denen zwar häufig die Gesichter der am Einsatz beteiligten Beamten, nicht aber die der kontrollierten Personen (z. B. mutmaßliche Schwarzarbeiter oder Hütchenspieler) auf den Pressefotos unkenntlich gemacht werden.

Erst recht ist es nicht hinnehmbar, wenn die Opfer von Straftaten, die sich dagegen nicht wehren können, zum Gegenstand einer Bildberichterstattung gemacht werden, die ausschließlich der Befriedigung von Sensationslust und der Steigerung der Zeitungsauflage dient. Die Veröffentlichung eines Fotos des abgetrennten Kopfes eines Mordopfers oder eines aus dem Fenster geworfenen Säuglings in der Boulevardpresse verletzt massiv das über den Tod hinaus zu achtende Persönlichkeitsrecht der Opfer und beeinträchtigt zudem die schutzwürdigen Belange der Angehörigen. Auch die gezielte Weitergabe personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen - z. B. Polizei und Staatsanwaltschaft - aus laufenden Ermittlungsverfahren, an denen die Öffentlichkeit ein legitimes Informationsinteresse hat, ist bisher nicht hinreichend normenklar geregelt. Weder der allgemeine Informationsanspruch der Presse nach dem Landespressegesetz noch die bundeseinheitlichen Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren enthalten verfassungskonforme Regelungen, die die Weitergabe personenbezogener Daten an die Medien rechtfertigen. Bisher müssen Polizei und Staatsanwaltschaft selbst bei einem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit bei einer Abwägung im Einzelfall auf die Verfassung zurückgreifen, was nicht immer hinreichend geschieht und in der Praxis Probleme bereitet. Es ist deshalb notwendig, daß der Bundesgesetzgeber durch entsprechende Festlegungen im Rahmen der ohnehin längst überfälligen Novellierung der Strafprozeßordnung und der Landesgesetzgeber durch Präzisierungen des Landespressegesetzes für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den schutzwürdigen Belangen der betroffenen Bürger und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit sorgen.

Die Länder haben durch den Abschluß des Staatsvertrages über die Körperschaft des öffentlichen Rechts "Deutschlandradio" und eines entsprechenden Hörfunk-Überleitungsstaatsvertrages mit der Bundesrepublik Deutschland 4 eine neue Rundfunkanstalt gegründet, die zwei Hörfunkprogramme veranstaltet. In ihnen sind die Programme von RIAS 1 und DS-Kultur aufgegangen. Das Deutschlandradio hat seinen Sitz in Berlin und Köln. Der "Deutschlandradio"-Staatsvertrag enthält auch Datenschutzvorschriften, die allerdings erheblich hinter dem Standard zurückbleiben, den das Berliner Datenschutzgesetz für den Sender Freies Berlin vorsieht. Während beim Sender Freies Berlin die Verarbeitung personenbezogener Daten im Verwaltungsbereich, also insbesondere der Daten von Gebührenzahlern und Mitarbeitern, durch den Berliner Datenschutzbeauftragen kontrolliert werden, gibt es beim Deutschlandradio keine vergleichbare unabhängige Datenschutzkontrolle. Vielmehr werden die Datenschutzvorschriften des "Deutschlandradio"-Staatsvertrages ausschließlich durch den internen Rundfunkdatenschutzbeauftragten überwacht. Bei den Verhandlungen über diesen Staatsvertrag sind wir nicht beteiligt worden, so daß es uns nicht möglich war, auf eine Verbesserung des Datenschutzes bei der neuen Rundfunkanstalt hinzuwirken.

GEZ: schneller als der Möbelwagen?

Der Sender Freies Berlin (SFB) betreibt gemeinsam mit den übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln. Diese Einrichtung verarbeitet aufgrund des Rundfunkstaatsvertrages zentral die Daten der Rundfunkteilnehmer im Auftrag der jeweiligen Landesrundfunkanstalt, also auch des Sender Freies Berlin. Können Mitteilungen oder Zahlungsaufforderungen der GEZ von der Post nicht zugestellt werden, so holt der SFB gegenwärtig eine Melderegisterauskunft beim Landeseinwohneramt über den betroffenen Bürger ein, um ihm das Schreiben zustellen zu können. Dies geschieht in der Praxis mittels Magnetbändern, mit denen die Daten postalisch nicht erreichbarer Bürger aus dem Bestand der Rundfunkanstalt mit dem Adressenbestand der Meldebehörde verglichen werden. Dabei handelt es sich um gebündelte Einzelauskünfte aus dem Melderegister, die nach §25 Meldegesetz zulässig sind. Dieses Verfahren ist nicht zu beanstanden und hat sich auch nach Auffassung der Senatsverwaltung für Inneres bewährt.

Demgegenüber fordert der SFB gemeinsam mit den anderen Rundfunkanstalten, in Zukunft sollten die Meldebehörden verpflichtet werden, von sich aus regelmäßig bei einer Reihe von Änderungen des Meldedatenbestandes - bei jedem Umzug und jedem Sterbefall - die GEZ hierüber unaufgefordert zu informieren. In Hessen und Nordrhein-Westfalen ist dies bereits geltendes Recht. Hintergrund für diese Forderung der Rundfunkanstalten ist der härter werdende Konkurrenzkampf mit den privaten, nicht gebührenfinanzierten Rundfunkveranstaltern, der die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neben Einsparungen im eigenen Bereich dazu zwingt, den Gebühreneinzug effektiver zu gestalten. Nach Angaben der Rundfunkanstalten ist der Adressenbestand der GEZ deshalb vielfach veraltet, weil die Rundfunkteilnehmer der GEZ Anschriftenänderungen entweder überhaupt nicht oder verspätet mitteilen. Durch die regelmäßige Übermittlung von Meldedatenänderungen hoffen die Rundfunkanstalten, ihr Gebührenaufkommen entscheidend zu erhöhen, indem der von ihnen vermutete erhebliche Anteil der "Schwarzseher" ermittelt werden könnte.

Die Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder hat die Forderung der Rundfunkanstalten aufgegriffen und die Innenministerkonferenz um einen Vorschlag zur bundeseinheitlichen Änderung des Melderechts gebeten. Der Entwurf der Innenministerkonferenz, der bei Stimmenthaltung Berlins beschlossen wurde, sieht eine Änderung des Melderechtsrahmengesetzes vor, wonach künftig alle Meldebehörden im Fall der Anmeldung, der Abmeldung oder des Todes eines volljährigen Einwohners dessen Namen, Geburtstag, gegenwärtige und frühere Anschriften, Tag des Ein- bzw. des Auszuges, Familienstand und im Todesfall den Sterbetag den Rundfunkanstalten übermitteln sollen.

Bei einer Verwirklichung dieses Vorschlags würde ein entscheidender Schritt in Richtung auf ein Bundesmelderegister aller volljährigen Einwohner der Bundesrepublik getan, das bei den Beratungen des Melderechtsrahmengesetzes im Bundestag ausdrücklich aus Gründen des Datenschutzes abgelehnt worden ist. Zwar sieht der Rundfunkstaatsvertrag vor, daß die Rundfunkanstalten jeweils nur auf die Daten der zu ihrem Sendebereich gehörenden Hörer und Zuschauer zugreifen dürfen, im Fall des Umzugs in die Bereiche anderer Sender darf aber auch auf deren Datenbestände zugegriffen werden. Außerdem ist abzusehen, daß schon die Existenz des dann entstehenden bundesweiten Meldedatenbestandes bei der GEZ zu großen Begehrlichkeiten bei einer Vielzahl von öffentlichen und privaten Stellen führen würde.

Entscheidend ist aber, daß bei dem vorgeschlagenen Verfahren in großem Umfang Meldedaten an die Rundfunkanstalten übermittelt würden, die diese zum Einzug von Rundfunkgebühren nicht benötigen. Viele Bürger teilen von sich aus der GEZ mit, daß sie ein Rundfunkgerät zum Empfang bereithalten oder daß sie umgezogen sind. Durch die vorgeschlagene regelmäßige Meldedatenübermittlung an die Rundfunkanstalten würde in unverhältnismäßiger Weise in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dieser Bürger eingegriffen. Ein solcher Eingriff läßt sich weder mit den finanziellen Problemen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten noch mit deren verfassungsrechtlicher Bestandsgarantie rechtfertigen.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat deshalb die vorgeschlagene regelmäßige Übermittlung von Meldedaten an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abgelehnt 5 . Selbst wenn der Entwurf der Innenministerkonferenz Eingang in das Melderechtsrahmengesetz finden sollte, sind wir mit der Senatsverwaltung für Inneres 6 der Auffassung, daß eine entsprechende Änderung des Berliner Meldegesetzes nicht in Betracht kommt, solange datenschutzrechtliche Alternativen nicht einmal geprüft worden sind.

Dringend erforderlich ist dagegen die bereits Anfang 1992 von uns angemahnte Ergänzung der Verordnung über die Feststellung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht 7 um die erforderlichen Befugnisse zur Datenverarbeitung. Insbesondere die Übermittlung der Daten von Personen, die von der Rundfunkgebührenpflicht durch die Sozialämter befreit worden sind, an den SFB erfolgt gegenwärtig immer noch ohne die erforderliche Rechtsgrundlage.

Die zweite Stufe der Postreform - Privatisierung der TELEKOM zu Lasten der Kunden?

Die vollständige Privatisierung der Deutschen Bundespost TELEKOM, die in eine AG umgewandelt werden soll, ist politisch beschlossene Sache. Die Beratungen über die dazu erforderliche Grundgesetzänderung und ergänzende gesetzliche Regelungen haben Anfang 1994 begonnen.

Schon im Juni 1993 hat die TELEKOM allerdings ein Tochterunternehmen, die DeTeMobil- GmbH, gegründet und ihr den Betrieb sämtlicher Mobilfunkeinrichtungen (C- und D 1-Netze, Eurosignal, CITY-Ruf, Bündelfunk) übertragen.

Die mit jeder Privatisierung öffentlicher Aufgabenerfüllung verbundenen datenschutzrechtliche Probleme sind bereits an anderer Stelle 8 behandelt worden. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat gerade im Zusammenhang mit der zweiten Stufe der Postreform betont, daß die Privatisierung der TELEKOM nicht zu einer Schlechterstellung der Bürger durch eine Absenkung des materiell-rechtlichen Datenschutzstandards führen darf. Dies gilt insbesondere bei dem wichtigsten von der TELEKOM angebotenen Dienst, dem Sprachtelefondienst. Außerdem muß der Gesetzgeber sicherstellen, daß für eine zukünftige TELEKOM-AG und ihre Tochterunternehmen eine einheitliche Datenschutzkontrolle gewährleistet wird, bei der auch eine Kontrolle von Amts wegen möglich ist. Die Aufsichtsbehörden für den privaten Bereich können dagegen nach dem geltenden Bundesdatenschutzgesetz nur einschreiten, wenn ihnen hinreichende Anhaltspunkte für eine Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen vorliegen. Die meisten Aufsichtsbehörden werden deshalb erst auf Beschwerden von Bürgern hin tätig. Dies ist jedoch gerade im Bereich der Telekommunikation nicht ausreichend, zumal der Bürger die Datenverarbeitung in digitalen Telekommunikationsnetzen kaum durchschauen kann und deshalb nur selten Anlaß für eine Beschwerde sehen wird 9 .

Die durch den Fangschaltungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts 10 notwendig gewordene Neuregelung des Telekommunikationsrechts steht noch immer aus und soll jetzt im Zusammenhang mit der zweiten Stufe der Postreform erfolgen. Dabei wird es darauf ankommen, eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der zwangsläufig anfallenden Verbindungsdaten in öffentlichen und privaten Telekommunikationsnetzen zu schaffen. Zugleich muß der verfassungsrechtlich bedenkliche Zustand beendet werden, daß gegenwärtig Auskünfte über Verbindungsdaten an die Strafverfolgungsbehörden auch bei Bagatelldelikten zulässig sind.

Zum 1. Januar 1994 ist eine Vorschrift der TELEKOM-Datenschutzverordnung (TDSV) in Kraft getreten, die dem Telefonkunden das Recht gibt, fallweise -also bei jedem Telefongespräch - darüber zu entscheiden, ob er die bei ISDN-fähigen Telefonapparaten mögliche Anzeige seiner Rufnummer beim Angerufenen unterdrücken will oder nicht. Dies könnte technisch durch Knopfdruck oder durch Wahl einer bestimmten Nummer vor der eigentlichen Rufnummer geschehen. Bisher ist jedoch nicht erkennbar, da? die TELEKOM oder andere Hersteller von Telefonapparaten entsprechende Geräte anbieten. Damit droht ein wichtiges Wahlrecht der TDSV leerzulaufen, weil der Telefonkunde, der einen ISDN-Hauptanschluß hat, bisher darauf verwiesen wird, sich ein für alle Mal für oder gegen die Rufnummernanzeige zu entscheiden. Die Anzeige der Rufnummern von analogen Anschlüssen, von denen aus beim Inhaber eines ISDN-fähigen Telefons angerufen wird, ist zwar technisch möglich, wird aber nach Angaben der TELEKOM bisher nicht durchgeführt. Nach dem Wortlaut der TDSV müßte auch in diesem Fall eine individuelle Unterdrückungsmöglichkeit(z.B. durch Wahl einer bestimmten Ziffer) geschaffen werden, bevor die Rufnummern von analogen Anschlüssen angezeigt werden dürfen.

Auf der Ebene der Europäischen Union tritt die Entwicklung des Telekommunikationsdatenschutzrechts noch immer auf der Stelle. Die Europäische Kommission hat im Berichtszeitraum keine geänderte Fassung ihres Vorschlags für eine ISDN-Richtlinie beschlossen, so daß der Abstand zwischen diesem für den europäischen Telekommunikationsmarkt so wichtigen Vorhaben und der allgemeinen Datenschutzrichtlinie, mit der er ursprünglich gemeinsam in Kraft gesetzt werden sollte, immer größer wird. Gleichzeitig sind andere Initiativen der Europäischen Kommission im Telekommunikationssektor schon sehr viel weiter gediehen, etwa der Entwurf für eine Richtlinie über den offenen Netzzugang im Sprachtelefondienst, die zum Teil Regelungen enthält, die erheblich hinter dem Vorschlag für eine ISDN-Datenschutzrichtlinie zurückbleiben. Die endgültige Beschlußfassung im Rat bleibt allerdings abzuwarten.

Besonderes Gewicht mißt die Kommission nach dem Aufbau der im Europäischen Unionsvertrag von Maastricht genannten transeuropäischen Netze bei. Insbesondere das ISDN wird zu einem der ersten transeuropäischen Netze ausgebaut werden. Auch der grenzüberschreitende Datenaustausch zwischen Verwaltungen wird von der Kommission gefördert.

Der Ministerrat der Europäischen Gemeinden (Europäische Rat) hat am 22. Juli 1993 beschlossen, daß die Monopole im öffentlichen Sprachtelefondienst europaweit bis zum 1. Januar 1998 beseitigt werden müssen. Dies soll im Zuge der zweiten Stufe der Postreform auch in der Bundesrepublik umgesetzt werden. Damit soll es in naher Zukunft in der Europäischen Union zu einem Wettbewerb zwischen zahlreichen Diensteanbietern kommen, so daß sich das oben beschriebene Problem der Gewährleistung eines einheitlichen hohen Datenschutzstandards auch auf europäischer Ebene stellen wird. Schon deshalb ist es dringend erforderlich, daß die von der Kommission vorgeschlagene Datenschutzrichtlinie für das ISDN zügig verabschiedet wird. Darauf hat auch die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder verwiesen.

Einer Lösung auf europäischer Ebene bedürfen auch die Datenschutzprobleme im Zusammenhang mit der Mobilkommunikation. So müssen die Daten der Mobilfunkteilnehmer auf der Funkstrecke wirksam verschlüsselt werden. Eine bloße Digitalisierung der Signale reicht nicht aus, denn durch sie wird das Abhören erschwert, nicht aber zuverlässig ausgeschlossen. Den Benutzern sollte eine kostenlose Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung angeboten werden. Vor allem aber müssen gerade bei der Mobilkommunikation, wo Informationen über den jeweiligen Standort der Teilnehmers auch dann verarbeitet werden, wenn sein Gerät nur empfangsbereit ist, wirksame Vorkehrungen gegen die Entstehung von Bewegungsbildern getroffen werden. Dazu müssen laufende und künftige Normierungsprozesse entsprechend beeinflußt werden. Wenn schon der Anfall solcher Standortdaten nicht von vornherein technisch ausgeschlossen werden kann, muß durch die Gesetzgebung der Union oder der Mitgliedsstaaten eine strenge Zweckbindung dieser Daten an die technische Vermittlung der Telekommunikationsverbindung gewährleistet werden. Jede darüber hinausgehende Nutzung sollte ausdrücklich untersagt werden.

Gerade im Bereich de Telekommunikation ist es entscheidend, daß die Europäische Union nicht unter dem Hinweis auf den Grundsatz der Subsidiarität davon absieht, die angesprochenen Fragen möglichst einheitlich zu regeln. Die Mobilkommunikation wird gerade im grenzüberschreitenden Verkehr große Bedeutung erlangen, wie das Beispiel der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren zeigt 16. Einheitliche hohe Datenschutzanforderungen sind deshalb eine Grundvoraussetzung für die Akzeptanz dieser Technik, der die Europäische Kommission mit Recht so große Bedeutung beimißt.

Zuletzt geändert:
am 07.02.97

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