Die ersten Gesprächspartner für den Kundenwunsch
nach Durchleuchtung einer "zu beauskunftenden Person"
waren angeblich für die D.A.V.I.T.-Telefonisten meist das
Opfer selbst, Nachbarn und der Postbote. Zum Beispiel mit dem
Einstieg "Hier ist die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte. Die EDV-Abteilung hat gemeldet, daß Sie den
Arbeitgeber gewechselt haben. Stimmt das?" sollen die Späher
schnell einen Überblick über die Arbeitsverhältnisse
der ganzen Familie gewonnen haben.
Als bestens informiert und plauderwillig erwiesen sich
nach den Erfahrungen der Hascher die Briefträger.
Freilich nur über den "Umweg", sich als Mitarbeiter
eines Postamts auszugeben, der wegen des fehlenden Nachsendeantrags
mit alter Post des "Opfers" belästigt wird.
Zweiter Teil der Telefonrecherche: das zuständige Einwohnermeldeamt.
In diesem Fall seien Mitarbeiter der Berliner Firma auch vor Amtsanmaßung
nicht zurückgeschreckt. "Hier Amtsgericht Charlottenburg.
Wir versuchen ständig, Herrn XY eine Zeugenladung zuzuschicken",
lautete eine gängige Eintrittsformel der findigen Schnüffler.
Wenige Minuten später hatte sich das gewünschte Bild
der "zu beauskunftenden Person" um neue Intimitäten
erweitert: Geburtsdatum, Wohnsitzdaten, Religion, Steuerklasse,
Wahlsperren, Arbeitslosigkeit.
Ein firmeninternes Schulungspapier zum Thema "Bankgespräche"
zeigt, wie's geht: "Sollten Sie sich mit falschem Namen nennen,
so empfehle ich einen lustigen Namen." Auch die
Generallinie ist klar: "Das Datenschutzgesetz hat hier scharfe
Richtlinien, welche Sie in keiner Weise erfüllen."
Erfahrungsgemäß sperrten sich die stets gestreßten
Mitarbeiter der Einwohnermeldeämter gegen die grundsätzlich
untersagte Telefonauskunft nur selten. Auch hier galt: Je häufiger
der Kontakt, je kollegialer der Ton("Ich ruf auch gern nochmal
an, wenn Ihr gerade im Streß seid"), desto größer
die Chancen für eine Zusammenarbeit. Besonders interessiert
waren viele der Kunden an der finanziellen Situation ihrer Kreditnehmer
oder Geschäftspartner. Kein Problem:
Der Anrufer gab sich laut Staatsanwaltschaft bei der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (BfA) als beliebige Landesversicherungsanstalt
aus und ließ sich mit der kontoführenden Stelle, der
sogenannten "Rate" verbinden. Schnell erschlossen
sich dem Bittsteller die zuständige Krankenkasse,
Bankverbindung und das Jahresbruttogehalt. Viele Banken
waren zu mehr bereit.
Verlocken kann man sie so: "Wir wollen Herrn
XY ein Kreditlimit geben. Könnt ihr mir unter BüV (Banküblicher
Vorbehalt d. Red.) sagen, ob der für 5000 gut ist?"
lautete die Testfrage bei der Deutschen Bank Berlin, Filiale Ku'damm.
Volltreffer: Die Bankfrau gab den Kontostand preis und Wies ungefragt
darauf hin, daß der Betroffene "über ausreichende
Sparrücklagen" verfügte.
Rechtsanwälte und Versandhäuser waren sehr
an eventuellen Einträgen im Polizeiregister interessiert.
Die Chancen auf umfassende Auskünfte durch D.A.V.I.T standen
gut, wenn sich die mutmaßlichen Datenpiraten bei einer beliebigen
Polizeidienststelle als Kollegen einer anderen Wache oder als
Gerichtsmitarbeiter meldeten und eine eilige Angelegenheit vortäuschten.
Für Kunden, deren Wissensdurst auch das Krankheitsbild
umfaßte, hatte die Firma ebenfalls eine passende Legende
parat. "BfA Berlin, hallo, Herr Kollege", begann der
Rechercheur sein Gespräch mit der Krankenkassen-Angestellten.
Über die Eingangsplauderei "Uns fehlt der Entgeltnachweis
von Herrn XY. Dauernd kommt die Post zurück. Ist der etwa
umgezogen? entwickelte sich ein nettes Gespräch. Ergebnis:
" Übrigens will der die Krankenkasse wechseln. Warum
eigentlich? War er oft krank?"
Für den möglichen, da vorgeschriebenen Wunsch nach
Rückruf bei der BfA hatte sich die Firma einen geschickten
Trick einfallen lassen. 865-1 bis einschließlich -8 lautet
die BfA-Einwahl plus vierstelliger Durchwahl. Der Rechercheur
gab jedoch als seine Nummer die Einwahl 865-9 plus Durchwahl an:
eine "Todnummer", die ständig besetzt war. Nach
zwei Stunden rief er wieder bei der gewissenhaften, aber
mittlerweile entnervten Sachbearbeiterin an und erkundigte sich
freundlich-höhnisch, warum sie nicht zurückgerufen habe.
Auf einen zweiten Versuch verzichtete sie ohne Zögern
- und rückte bereitwillig die noch fehlenden Details heraus.
Rund 90 000 Anfragen zum Preis von 2,50 Mark bis zu dreistelligen
Summen gingen monatlich ein. Das Gros der Infowünsche beantwortete
die Firma per Datenfernübertragung. Recherchewünsche
zu noch nicht gespeicherten Firmen oder Personen wurden an die
geschulten Telefonisten delegiert.
Das Geschäfstrio freute sich über steigenden Umsatz:
Nach sieben Millionen Mark im vergangenen Jahr sollte 1995 die
Zehn-Millionen-Grenze überschritten werden.
Von diesem Erfolg hatten Axel von Saldern und Günter
Mainka vor sechs Jahren noch nicht zu träumen gewagt, als
sie mit zwei Mitarbeitern D.A.V.I.T gründeten. Zu dem datendurstigen
Duo, das sich 1980 auf einer Halloween-Party kennengelernt
hatte, gesellte sich 1991 Michael Sänger hinzu. Die Jungunternehmer
glaubten, die Zeichen der totalvernetzten Datenzeit erkannt zu
haben. Neben der eigenen Recherche, in seriösen Auskunftei-Kreisen
"Nachbarbefragung" genannt, kauften sie soviel Datenstämme
wie möglich: Adreßlisten, Schuldnerverzeichnisse usw.
Mehrere InkassoInstitute speisten ständig neue Negativdaten
in den 1,2 Millionen Mark teuren Großrechner der Firma ein
- freilich ohne die vorgeschriebene Benachrichtigung der ahnungslosen
Bürger.
"Das Allerwichtigste" sei natürlich der Datenschutz,
betonen die Geschäftsführer offiziell. Mit dem Rechtsanwalt
Ralf Abel habe man einen "außerordentlichen Fachmann"
als Datenschutzbeauftragten gewonnen. Nie habe es seitens der
zuständigen Behörde, der Senatsverwaltung für Inneres,
Beanstandungen gegeben.
Problem der Auskunftei-Kunden: Sie alle verbuchen Millionenverluste,
weil Kunden die Zeche prellen. Ihr gemeinsamer Nachteil: Sie gehören
Branchen an, die weitgehend auf die Ehrlichkeit ihrer Klientel
angewiesen sind. Während im Einzelhandel die schlichte Devise
"Geld gegen Ware" gilt, setzen Versandhandel, Mobilfunkanbieter
oder Kreditkartenfinnen gezwungenermaßen auf das Prinzip
Hoffnung. Hoffentlich zahlt der Kunde - oft zahlt er nicht.
Auf offenen Rechnungen in Höhe von rund 120 Millionen
Mark blieben Handy-Anbieter im vergangenen Jahr sitzen. Um geschätzte
150 Millionen wurden im gleichen Zeitraum Kreditkartenfirmen hierzulande
geprellt. Besonders hart traf es die Versandhäuser. Rund
360 Millionen Mark - ein Prozent vom Jahresumsatz verbuchte die
Branche 1993 als "statistischen Zahlungsausfall " -
Tendenz steigend. Quelle (zwölf Millionen Inlandskunden)
beispielsweise schrieb Rechnungen für rund 90 Millionen Mark
in den Wind, auf rund sieben Millionen Mark mußte die Quelle-Tochter
Schöpflin verzichten.
Auch die Versicherungsriesen HDI, Haftpflichtverband
der Deutschen Industrie (2,5 Millionen Verträge), und Concordia
(2,2 Millionen Verträge) griffen auf die Dienste der dubiosen
Berliner Detektei zurück. Das Motiv lag auf der Hand: Rund
eine Milliarde Mark zahlte HDI 1994 für "Versicherungsfälle".
Branchen-Faustregel: Etwa fünf Prozent der Schäden sind
getürkt, doch der Nachweis fällt oft schwer.
Bittere Einsicht: Lückenlosen Schutz gibt es nicht.
"Wenn es jemand darauf anlegt, schafft er das auch",
konstatiert Gert Rippel, Geschäftsführer der Conrad
Electronic. Obwohl jeder siebte der 1,5 Millionen Conrad-Kunden
per Bankeinzug zahlt, bilanziert Europas größter Elektronikversender
jährlich zwei Millionen Mark Ausfall. "Die Auskünfte
von Schufa oder Creditreform reichen vorn und hinten nicht",
klagt Rippel. "Wirklich gute Daten haben mir nur die
Jungs von B.B.E. geliefert."
Wahrscheinlich sind die Berliner Verdächtigten kein Einzelfall.
Über der gesamten Branche der Handels- und Wirtschaftsauskunfteien
braut sich etwas zusammen. Kritiker monieren bereits seit einigen
Jahren, daß die Datenschutzregeln für den privaten
Bereich unzureichend seien. "Auskunfteien und Detekteien
werden nie ganz zu kontrollieren sein. Da sind wir auf viele Zufälle
angewiesen, um Mißbrauch nachzuweisen", berichtet der
baden-württembergische Ministerialrat Gerd Fasbender, der
im Stuttgarter Innenministerium das Datenschutzreferat leitet.
Und: " Die Zahl der Beschwerden über deren Praktiken
steigt ständig."
NORBERT ROBERS /OLAF WILKE
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