BZ, 14.6.1995 Titelseite
Berlin: Brutalen Mörder begnadigen? Diepgen sagt
NEIN
Im Streit mit der Justizsenatorin setzt sich der Regierende
durch. Seite 5
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Von ANDRA FISCHER und ANNE LOSENSKY
Berlin - Er ist ein brutaler Mörder, verurteilt zu
lebenslanger Haft: Peter W. (51).Nach Polizei-Angaben "einer
der gefährlichsten Täter der Nachkriegszeit". Gestern
der Skandal. Justiz-Senatorin Lore Peschel-Gutzeit (62)
wollte ihn begnadigen. "Ungeheuerlich angesichts der Schwere
der Bluttat. Ein falsches Zeichen", empörte sich Berlins
Regierender Eberhard Diepgen - er verhinderte die Begnadigung
mit seinem Veto.
Wer ist dieser Mörder?
Peter W., Zimmermann, verurteilt wegen Raubes. 1975 überfällt
er im Hafturlaub (!) den Wilmersdorfer Autohändler Hans Hillig
(48) und dessen Freundin Marie-Luise Heide (35). Raubt sie aus.
Fesselt das Paar - und metzelt es nieder. Hillig ist sofort
tot. Seine Freundin überlebt schwerverletzt (linkes Auge
durchschossen). Sie begeht später aus Verzweiflung Selbstmord.
Berlin geschockt. Der Täter flüchtet in den Osten, wird
nach langem Hickhack zurückgeschickt. Verurteilt: lebenslange
Haft. Aus dem Knast droht er Marie-Luise Heide. Sie soll aussagen,
daß er nicht der Mörder war: "Täglich passieren
Morde, wir verstehen uns..."
Kann sich so ein Mann ändern? Der Berliner Gnadenausschuß
meint ja:
- "Weil sein "Vollzugsverhalten positiv"
sei. Er "freiwillig" an Gesprächen teilnimmt.
"Selbstkritisch" sei.
- Weil er "immer pünktlich Zurückkehrte"
(seit 1994 im offenen Vollzug).
Sogar beim "Malern einer Berliner
Schule half".
- Weil er eine "feste Freundin
mit Wohnung" heiraten
will. Weil man ihm 1994 schon in Aussicht
stellte: 1995 klappt es mit der Begnadigung!
Aber sogar Staatsanwaltschaft und Strafvollstreckungs-Gericht
sagen: keine Gnade! Grund: Schwere Schuld,
nur kurz im offenen Vollzug gewesen.
Keiner kann wissen, ob in diesem Mann nicht noch eine Zeitbombe
tickt.
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