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Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1983 auf die mündliche Verhandlung vom 18. und 19. Oktober 1983 - 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83- in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden ... unmittelbar gegen das Gesetz über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1983) vom 25. März 1982 (BGBl. I S. 369)
ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
1. § 2 Nummer 1 bis 7 sowie §§ 3 bis 5 des Gesetzes über eine
Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung
(Volkszählungsgesetz 1983) vom 25 März 1982 (Bundesgesetzbl. I
S. 369) sind mit dem Grundgesetz vereinbar; jedoch hat der
Gesetzgeber nach Maßgabe der Gründe für ergänzende Regelungen
der Organisation und des Verfahrens der Volkszählung Sorge zu
tragen.
2. § 9 Absatz 1 bis 3 des Volkszählungsgesetzes 1983 ist mit Artikel
2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes
unvereinbar und nichtig.
3. Die Beschwerdeführer werden durch das Volkszählungsgesetz
1983 in dem aus Nummer 1 und 2 ersichtlichen Umfang in ihren
Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1
Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt.
Im übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die
notwendigen Auslagen zu erstatten.
GRÜNDE:
A.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen das
Gesetz über eine Volkszählung, Berufszählung, Wohnungszählung
und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1983) vom 25. März
1982 (BGBl I S 369) - VZG 1983 -.
Die durch dieses Gesetz angeordnete Datenerhebung hat
Beunruhigung auch in solchen Teilen der Bevölkerung ausgelöst, die
als loyale Staatsbürger das Recht und die Pflicht des Staates
respektieren, die für rationales und planvolles staatliches Handeln
erforderlichen Informationen zu beschaffen. Dies mag teilweise
daraus zu erklären sein, daß weithin Unkenntnis über Umfang und
Verwendungszwecke der Befragung bestand und daß die
Notwendigkeit zur verläßlichen Aufklärung der Auskunftspflichtigen
nicht rechtzeitig erkannt worden ist, obwohl sich das
allgemeine Bewußtsein durch die Entwicklung der automatisierten
Datenverarbeitung seit den Mikrozensus-Erhebungen in den Jahren
1956 bis 1962 (vgl. BVerfGE 27, 1) erheblich verändert hatte. Die
Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung sind weithin nur
noch für Fachleute durchschaubar und können beim Staatsbürger die
Furcht vor einer unkontrollierbaren Persönlichkeitserfassung selbst
dann auslösen, wenn der Gesetzgeber lediglich solche Angaben
verlangt, die erforderlich und zumutbar sind. Zur Beunruhigung mag
nicht zuletzt beigetragen haben, daß auch Sachkundige die
Überzeugung vertraten, das Volkszählungsgesetz 1983 genüge trotz
einstimmiger Verabschiedung in den gesetzgebenden Körperschaften
schon in den Vorschriften über die Erhebung der Daten und vor
allem in den Bestimmungen über deren Verwertung nicht
hinreichend den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Da zu diesen
nur eine lückenhafte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung
bestand, nötigen die zahlreichen Verfassungsbeschwerden gegen das
Volkszählungsgesetz 1983 das Bundesverfassungsgericht, die
verfassungsrechtlichen Grundlagen des Datenschutzes umfassender
zu prüfen. Der Erlaß der einstweiligen Anordnung vom 13. April
1983 (EuGRZ 1983, S 171 = BVerfGE 64, 67) hat die
Voraussetzungen für eine solche Prüfung geschaffen.
I.
1. Das Volkszählungsgesetz 1983 regelt in den §§ 1 bis 8 Programm
und Durchführung der Erhebung; § 9 enthält besondere Regelungen
über die Verwendung und Übermittlung der erhobenen Daten. Die
wesentlichen Vorschriften lauten:
§ 1
(1) Nach dem Stand vom 27. April 1983 werden eine Volkszählung
und Berufszählung mit gebäudestatistischen und
wohnungsstatistischen Fragen sowie eine Zählung der
nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten und Unternehmen
(Arbeitsstättenzählung) durchgeführt.
(2) bis (3) ... .
§ 2
Die Volkszählung und Berufszählung erfaßt:
1. Vornamen und Familiennamen, Anschrift, Telefonanschluß,
Geschlecht, Geburtstag, Familienstand, rechtliche Zugehörigkeit
oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft,
Staatsangehörigkeit;
2. Nutzung der Wohnung als alleinige Wohnung, Hauptwohnung
oder Nebenwohnung (§ 12 Abs. 2 des Melderechtsrahmengesetzes);
3. Quelle des überwiegenden Lebensunterhaltes;
4. Beteiligung am Erwerbsleben, Eigenschaft als Hausfrau, Schüler,
Student;
5. erlernten Beruf und Dauer der praktischen Berufsausbildung,
höchsten Schulabschluß an allgemeinbildenden Schulen, höchsten
Abschluß an einer berufsbildenden Schule oder Hochschule sowie
Hauptfachrichtung des letzten Abschlusses;
6. bei Erwerbstätigen sowie Schülern und Studenten Namen und
Anschrift der Arbeitsstätte oder Ausbildungsstätte, hauptsächlich
benutztes Verkehrsmittel und Zeitaufwand für den Weg zur
Arbeitsstätte oder Ausbildungsstätte;
7. bei Erwerbstätigen Geschäftszweig des Betriebes, Stellung im
Beruf, ausgeübte Tätigkeit, Arbeitszeit, landwirtschaftliche und
nichtlandwirtschaftliche Nebentätigkeit;
8. im Anstaltsbereich die Eigenschaft als Insasse oder die
Zugehörigkeit zum Personal oder zum Kreis der Angehörigen des
Personals.
§ 3
(1) Die gebäudestatistischen Fragen erfassen bei Gebäuden mit
Wohnraum und bei ständig bewohnten Unterkünften Anschrift, Art
und Baujahr sowie den Eigentümer oder an seiner Stelle den
Nießbrauchberechtigten oder denjenigen, der Anspruch auf
Übereignung oder auf Einräumung oder Übertragung eines
Erbbaurechts oder Nießbrauchs hat.
(2) Die wohnungsstatistischen Fragen erfassen:
1. Art, Größe, Ausstattung und Verwendungszweck, Art der
Beheizung und der Heizenergie sowie Bezugsjahr der Wohnung,
Wohnverhältnis, Förderung der Wohnung mit Mitteln des sozialen
Wohnungsbaus sowie Zahl und Nutzung der Räume;
2. bei vermieteten Wohnungen außerdem die Höhe der monatlichen
Miete;
3. bei leerstehenden Wohnungen außerdem die Dauer des
Leerstehens.
§ 4
Die Arbeitsstättenzählung erfaßt:
1. bei allen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten und
Unternehmen
a) Namen, Bezeichnung, Anschrift, Telefonanschluß und Zahl der
Sprechstellen, Art der Niederlassung, Art der ausgeübten Tätigkeit
oder Art des Aufgabengebietes der Arbeitsstätte und des
Unternehmens, Eröffnungsjahr, Angaben über Neuerrichtung oder
Standortverlagerung, Träger der Arbeitsstätte bei Anstalten,
Einrichtungen von Behörden oder der Sozialversicherung sowie von
Kirchen, Verbänden oder sonstigen Organisationen,
b) Zahl der tätigen Personen nach Geschlecht, Stellung im Betrieb,
Zahl der Teilzeitbeschäftigten sowie Zahl der ausländischen
Arbeitnehmer nach Geschlecht,
c) Summe der Bruttolöhne und Bruttogehälter des vorhergehenden
Kalenderjahres;
2. bei Hauptniederlassungen und einzigen Niederlassungen außerdem
a) Eintragung des Unternehmens in die Handwerksrolle,
b) Rechtsform des Unternehmens;
3. bei Hauptniederlassungen zusätzlich zu den Angaben nach den
Nummern 1 und 2 für jede Zweigniederlassung
a) Namen, Bezeichnung, Anschrift, Art der ausgeübten Tätigkeit oder
des Aufgabengebietes,
b) Zahl der tätigen Personen,
c) Summe der Bruttolöhne und Bruttogehälter des vorhergehenden
Kalenderjahres.
§ 5
(1) Auskunftspflichtig sind
1. bei der Volkszählung und Berufszählung: alle Volljährigen oder
einen eigenen Haushalt führenden minderjährigen Personen, auch
für minderjährige oder behinderte Haushaltsmitglieder; für Personen
in Gemeinschaftsunterkünften, Anstalten und ähnlichen
Einrichtungen, auch die Leiter dieser Einrichtungen, soweit
Umstände, die in der Person des Auskunftspflichtigen liegen, dies
erforderlich machen;
2. bei den gebäudestatistischen Fragen: die in § 3 Abs. 1 genannten
Personen, deren Vertreter oder Gebäudeverwalter;
3. bei den wohnungsstatistischen Fragen: die Wohnungsinhaber oder
deren Vertreter sowie die nach den Nummern 1 und 2
Auskunftspflichtigen;
4. bei der Arbeitsstättenzählung: die Inhaber oder Leiter der
Arbeitsstätten und Unternehmen.
(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur
Auskunftserteilung haben keine aufschiebende Wirkung.
§ 6
(1) Zur Durchführung des Volkszählungsgesetzes 1983 können
ehrenamtliche Zähler bestellt werden.
(2) Zur Übernahme der ehrenamtlichen Zählertätigkeit ist jeder
Deutsche vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 65. Lebensjahr
verpflichtet. Befreit ist, wem eine solche Tätigkeit aus
gesundheitlichen oder anderen wichtigen Gründen nicht zugemutet
werden kann.
(3) Die Zähler sind berechtigt und verpflichtet, Eintragungen selbst
vorzunehmen, soweit dies zur Erfüllung des Zwecks der Zählung
erforderlich ist und die Auskunftspflichtigen einverstanden sind.
§ 7
(1) Bund, Länder, Gemeinden Gemeindeverbände und sonstige
Körperschaften des öffentlichen Rechts sind verpflichtet, ihre
Bediensteten auf Anforderung der Erhebungsstellen für die
Zählertätigkeit zur Verfügung zu stellen.
(2) Lebenswichtige Tätigkeiten öffentlicher Dienste dürfen durch
diese Verpflichtung nicht unterbrochen werden.
§ 9
(1) Angaben der Volkszählung nach § 2 Nr. 1 und 2 können mit den
Melderegistern verglichen und zu deren Berichtigung verwendet
werden. Aus diesen Angaben gewonnene Erkenntnisse dürfen nicht
zu Maßnahmen gegen den einzelnen Auskunftspflichtigen verwendet
werden.
(2) Einzelangaben ohne Namen über die nach den §§ 2 bis 4 erfaßten Tatbestände dürfen nach § 11 Abs. 3 des
Bundesstatistikgesetzes vom 14. März 1980 (BGBl I S 289) von den
Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder an die fachlich
zuständigen obersten Bundesbehörden und Landesbehörden
übermittelt werden, soweit sie zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden
Aufgaben erforderlich sind. Mit Ausnahme des Merkmals rechtliche
Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft
in § 2 Nr. 1 sowie der nach § 4 Nr. 1 Buchstabe c und § 4 Nr. 3
Buchstabe c erfaßten Tatbestände gilt Satz 1 auch für die
Übermittlung an die von den fachlich zuständigen obersten
Bundesbehörden und Landesbehörden bestimmten Behörden,
sonstigen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen, soweit die
Übermittlung zur Durchführung der von den fachlich zuständigen
obersten Bundesbehörden und Landesbehörden übertragenen
Aufgaben erforderlich ist. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) Für Zwecke der Regionalplanung, des Vermessungswesens, der
gemeindlichen Planung und des Umweltschutzes dürfen den
Gemeinden und Gemeindeverbänden die erforderlichen
Einzelangaben ohne Namen über die nach den §§ 2 bis 4 mit
Ausnahme des Merkmals rechtliche Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft in § 2 Nr. 1 sowie
der nach § 4 Nr. 1 Buchstabe c und § 4 Nr. 3 Buchstabe c erfaßten
Tatbestände der Auskunftspflichtigen ihres Zuständigkeitsbereiches
von den Statistischen Ämtern der Länder übermittelt werden. Für
eigene statistische Aufbereitungen können den Gemeinden und
Gemeindeverbänden Einzelangaben über die nach den §§ 2 bis 4
erfaßten Tatbestände von den Statistischen Landesämtern zur
Verfügung gestellt werden. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Für wissenschaftliche Zwecke dürfen die erforderlichen
Einzelangaben ohne Namen und Anschrift über die nach den §§ 2 bis
4 mit Ausnahme des Merkmals rechtliche Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft in § 2 Nr. 1 sowie
der nach § 4 Nr. 1 Buchstabe c und § 4 Nr. 3 Buchstabe c erfaßten
Tatbestände von den Statistischen Ämtern des Bundes und der
Länder an Amtsträger und für den öffentlichen Dienst besonders
Verpflichtete übermittelt werden.
(5) Die nach den Absätzen 2 bis 4 übermittelten Einzelangaben
dürfen von den Empfängern nur für die Zwecke verwendet werden,
für die sie übermittelt wurden.
(6) Einzelangaben in statistischen Ergebnissen über die nach § 2 Nr.
1 erfaßten Angaben zur rechtlichen Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft, gegliedert nach
Altersgruppen und Geschlecht, über die nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b
erfaßten Tatbestände, gegliedert nach Art der ausgeübten Tätigkeit
der Arbeitsstätten und Unternehmen, sowie über die nach § 4 Nr. 3
Buchstabe b erfaßten Tatbestände dürfen von den Statistischen
Ämtern des Bundes und der Länder veröffentlicht werden.
(7) § 11 des Bundesstatistikgesetzes gilt auch für Personen, die bei
Stellen beschäftigt sind, denen Einzelangaben zugeleitet werden.
(8) Die Statistischen Landesämter leiten dem Statistischen Bundesamt
auf Anforderung Einzelangaben für Zusatzaufbereitungen für
Bundeszwecke zu, wenn und soweit sie diese nicht selbst
durchführen."
Für eine statistische Erhebung nach Art der vorgesehenen
Volkszählung gilt außerdem das Gesetz über die Statistik für
Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz - BStatG) vom 14. März 1980
(BGBl I S 289). Von Bedeutung sind insbesondere § 10 über die
Auskunftspflicht und § 11 über die Geheimhaltung:
§ 10
(1) Alle natürlichen und alle juristischen Personen des Privatrechts
sowie Personenhandelsgesellschaften und Körperschaften, Anstalten
und Stiftungen des öffentlichen Rechts, Behörden und sonstige
öffentliche Stellen des Bundes, der Länder, Gemeinden und
Gemeindeverbände sowie deren Aufsicht unterstehenden
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind
zur Beantwortung der ordnungsgemäß angeordneten Fragen
verpflichtet, soweit nicht die Antwort ausdrücklich freigestellt ist.
(2) Die Verpflichtung der Befragten, Auskunft zu erteilen, besteht
gegenüber den mit der Durchführung der Bundesstatistiken amtlich
betrauten Stellen und Personen.
(3) Die Antwort ist wahrheitsgemäß, vollständig, fristgerecht sowie
kostenfrei und portofrei zu erteilen.
(4) Sind Erhebungsvordrucke zur Ausfüllung durch den Befragten
vorgesehen, so sind die Antworten auf diesen Erhebungsvordrucken
zu erteilen. Die Richtigkeit der Angaben ist durch Unterschrift zu
bestätigen, soweit es im Erhebungsvordruck vorgesehen ist.
§ 11
(1) Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, die
für eine Bundesstatistik gemacht werden, sind, soweit durch
Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, von den Amtsträgern
und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, die mit der
Durchführung von Bundesstatistiken betraut sind, geheimzuhalten, es
sei
denn, daß der Betroffene im Einzelfall in die Übermittlung oder
Veröffentlichung der von ihm gemachten Einzelangaben ausdrücklich
einwilligt. Die §§ 93, 97, 105 Abs. 1, § 111 Abs. 5 in Verbindung
mit § 105 Abs. 1 sowie § 116 Abs. 1 der Abgabenordnung vom 16.
März 1976 (BGBl I S 613), zuletzt geändert durch Zweites Kapitel
Artikel 1 des Gesetzes vom 26. November 1979 (BGBl I S 1953),
gelten nicht für Personen und Stellen, soweit sie mit der
Durchführung von Bundesstatistiken und Landesstatistiken betraut
sind.
(2) Die Übermittlung von Einzelangaben zwischen den mit der
Durchführung einer Bundesstatistik betrauten Personen und Stellen
ist zulässig, soweit dies zur Erstellung der Bundesstatistik
erforderlich ist.
(3) Das Statistische Bundesamt, die Statistischen Landesämter und
die sonstigen erhebenden Stellen und Behörden sind berechtigt und
verpflichtet, den fachlich zuständigen obersten Bundesbehörden und
Landesbehörden, den von ihnen bestimmten Stellen sowie sonstigen
Amtsträgern und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten
auf Verlangen statistische Einzelangaben zu übermitteln, wenn und
soweit diese Übermittlung unter Angabe des Empfängerkreises und
der Art des Verwendungszweckes in der die Statistik anordnenden
Rechtsvorschrift zugelassen und in den Erhebungsvordrucken
bekanntgegeben ist. In dieser Rechtsvorschrift und den
Erhebungsvordrucken ist auch anzugeben, ob die Übermittlung mit
oder ohne Nennung von Namen oder von Namen und Anschrift
zugelassen ist. Aus den Angaben gewonnene Erkenntnisse dürfen
nicht zu Maßnahmen gegen den Betroffenen verwendet werden.
(4) Die Geheimhaltungspflicht nach Absatz 1 gilt auch für die
Personen, denen nach Absatz 3 Einzelangaben zugeleitet werden.
(5) Einzelangaben, die so anonymisiert werden, daß sie
Auskunftspflichtigen oder Betroffenen nicht mehr zuzuordnen sind,
dürfen vom Statistischen Bundesamt und von den Statistischen
Landesämtern übermittelt werden.
(6) Eine Zusammenfassung von Angaben mehrerer
Auskunftspflichtiger ist keine Einzelangabe im Sinne dieses Gesetzes.
(7) Die zur Identifizierung der Auskunftspflichtigen sowie sonstiger
Betroffener dienenden Daten, insbesondere Namen und Anschriften,
sind zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben
auf dem Gebiet der Statistik für Bundeszwecke nicht mehr
erforderlich ist. Namen und Anschriften der Auskunftspflichtigen
sollen von den übrigen Angaben getrennt und unter besonderem
Verschluß gehalten werden.
Sofern nicht speziellere Vorschriften eingreifen, gelten im übrigen
das Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei
der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz - BDSG) vom 27.
Januar 1977 (BGBl I S 201), zuletzt geändert durch Art II § 36 des
Sozialgesetzbuchs (SGB) - Verwaltungsverfahren - vom 18. August
1980 (BGBl I S 1469), und die Datenschutzgesetze der Länder.
Wesentlich sind die §§ 5 und 13 BDSG.
§ 5
Datengeheimnis
(1) Den im Rahmen des § 1 Abs. 2 oder im Auftrag der dort
genannten Personen oder Stellen bei der Datenverarbeitung
beschäftigten Personen ist untersagt, geschützte personenbezogene
Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen
rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten,
bekanntzugeben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen.
(2) Diese Personen sind bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit nach
Maßgabe von Absatz 1 zu verpflichten. Ihre Pflichten bestehen auch
nach Beendigung ihrer Tätigkeit fort.
§ 13
Auskunft an den Betroffenen
(1) Dem Betroffenen ist auf Antrag Auskunft über die zu seiner
Person gespeicherten Daten zu erteilen. In dem Antrag soll die Art
der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll,
näher bezeichnet werden. Die speichernde Stelle bestimmt das
Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung nach
pflichtgemäßem Ermessen.
(2) ... .
(3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit
1. die Auskunft die rechtmäßige Erfüllung der in der Zuständigkeit
der speichernden Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde,
2. die Auskunft die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden
oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile
bereiten würde,
3. die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer
Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach,
namentlich
wegen der überwiegenden berechtigten Interessen einer dritten
Person, geheimgehalten werden müssen,
4. ... .
(4) ... .
2. Nachdem der Entwurf eines Volkszählungsgesetzes in der 8.
Legislaturperiode am Streit um die Kosten gescheitert war, brachte
die Bundesregierung Anfang 1981 den im wesentlichen
unveränderten Entwurf eines Volkszählungsgesetzes erneut ein. In
der Begründung war unter anderem ausgeführt (BTDrucks 9/451, S.
7 ff.):
Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählungen
bildeten ein Kernstück der statistischen Bestandsaufnahme. Angaben
über den neuesten Stand der Bevölkerung, ihre räumliche Verteilung
und ihre Zusammensetzung nach demographischen und sozialen
Merkmalen sowie über ihre wirtschaftliche Betätigung seien
unentbehrliche Grundlagen für gesellschaftspolitische und
wirtschaftspolitische Entscheidungen des Bundes, der Länder und
Gemeinden. In verschiedenen Rechtsvorschriften werde auf
Zählungsergebnisse Bezug genommen. Auch die Parteien, die
Tarifpartner, die Wirtschaftsverbände und Berufsverbände, die
Wissenschaft und sonstige wichtige Gruppen des öffentlichen Lebens
seien auf die Zählungsergebnisse angewiesen. Diese seien ferner
Ausgangspunkt für die Fortschreibung der laufenden Entwicklung
und Auswahlgrundlage für gesetzlich angeordnete Erhebungen auf
Stichprobenbasis. Die Ergebnisse der letzten Zählung vom 27. Mai
1970 seien überholt. Bund, Länder und Gemeinden, aber auch
zahlreiche soziale und wirtschaftliche Organisationen sähen ihre
Arbeiten in den kommenden Jahren wesentlich beeinträchtigt und
befürchteten Fehlplanungen und Fehlinvestitionen. Die zur
Aktualisierung zu erhebenden Daten seien zur Entlastung der
Auskunftspflichtigen und zur Minimierung der Kosten auf das
unbedingt Notwendige beschränkt.
Mit der Volkszählung und Berufszählung werde ein vielfältiges
Strukturbild der Bevölkerung in tiefer regionaler Gliederung gewonnen. Ihre Ergebnisse seien Unterlage für zahlreiche
Verwaltungszwecke. Allein die Einwohnerzahl sei zum Beispiel für
die Stimmen der Länder im Bundesrat, für die Abgrenzung der
Bundestagswahlkreise, für den Finanzausgleich, für die Größe der
Gemeindeparlamente und vieles andere mehr von Bedeutung. Für
das Land Bayern seien hundert Rechtsvorschriften gezählt worden,
die auf die Bevölkerungszahl Bezug nähmen. Durch einen Vergleich
der Angaben über die Wohnungsanschriften mit den Melderegistern
könne erreicht werden, daß die im Rahmen der Volkszählung
ermittelten und anschließend auf der Basis der Zählung
fortgeschriebenen Einwohnerzahlen mit dem Inhalt der Melderegister
weitgehend identisch seien.
Die gebäudestatistischen Fragen würden in erster Linie für im
ganzen Bundesgebiet interessierende regionale und städtebauliche
Auswertungszwecke und als Basis für die gesetzlich angeordnete
Fortschreibung der Gebäude benötigt. Die wohnungsstatistischen
Fragen bezweckten, Umfang und Struktur des Wohnungsbestandes
regional tiefgegliedert zu erfassen. Sie sollten wesentliche Hinweise
für die richtige Einschätzung des Wohnungsbestandes liefern, wie
zum Beispiel Belegung der Wohnungen, Angaben über leerstehende
Wohnungen und Mietenbelastung. Die Daten seien zugleich die
Basis für die gesetzlich angeordnete Fortschreibung des
Wohnungsbestandes.
Die Arbeitsstättenzählung erstrecke sich als Rahmenzählung auf alle
Wirtschaftsbereiche mit Ausnahme der Landwirtschaft. Sie liefere in
fachlicher und regionaler Gliederung einen Überblick über Zahl und
Größe der Arbeitsstätten und Unternehmen und über deren
Rechtsform. Ihre Ergebnisse seien insbesondere für die
Raumordnung, die Landesplanung und Regionalplanung, die
Strukturpolitik, die Arbeitsmarktpolitik und die Verkehrspolitik eine
wertvolle Informationsbasis.
§ 9 des Regierungsentwurfs sah in Absatz 1 einen
Melderegisterabgleich lediglich für Vornamen und Familiennamen,
Geburtstag, Familienstand und Anschrift vor. Die Weitergabe von
Daten an die Gemeinden und Gemeindeverbände nach Absatz 3 war
an
die Bedingung geknüpft, daß durch Satzung die Voraussetzungen
geschaffen seien und erhalten blieben, die eine ausschließliche
statistische Nutzung der Daten sicherstellten.
Der vom Bundesrat vorgeschlagenen erweiterten Fassung des § 9
Abs. 1 VZG 1983 stimmte die Bundesregierung zu (BTDrucks
9/451, S 14f): Danach sollten lediglich Telefonanschluß, rechtliche
Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft
und Staatsangehörigkeit vom Melderegisterabgleich ausgeschlossen
sein.
Die kommunalen Spitzenverbände hatten vorgeschlagen, das
Erfordernis einer Datenschutzsatzung in § 9 Abs. 3 des Entwurfs zu
streichen. Dagegen wurde in den Ausschußberatungen eingewandt,
die sensiblen Daten, wegen derer das Satzungserfordernis für
notwendig gehalten werde, würden trotz des verringerten
Fragenprogramms auch weiterhin erhoben. In einzelnen Gemeinden
seien keine für die Bearbeitung von Statistiken zuständigen Stellen
benannt, so daß eine Nutzung der Daten ausschließlich für
statistische Zwecke nicht sichergestellt sei. Das Statistikgeheimnis
müsse so weit wie möglich gewahrt und alles vermieden werden,
was Zweifel an seiner Einhaltung hervorrufen könnte. Es sei
notwendig, daß das Vertrauen der Bevölkerung, die in diesen Fragen
außerordentlich sensibilisiert sei, geschützt werde. Auch die
Kommunalverwaltungen müßten ein Interesse daran haben, daß
keinerlei Verdacht in bezug auf Mißbrauchsmöglichkeiten
aufkommen könne.
Die damaligen Koalitionsfraktionen sind dieser Auffassung gefolgt
und haben mehrheitlich beschlossen, dem Deutschen Bundestag die
Annahme des § 9 Abs. 3 in der Fassung des Regierungsentwurfs
(also mit dem Erfordernis einer Datenschutzsatzung) zu empfehlen.
In der Gesamtabstimmung hat auch die Fraktion der CDU/CSU
zugestimmt (BTDrucks 9/1068, S 17). Diesem Beratungsergebnis
des Innenausschusses folgte auch der Deutsche Bundestag bei der
zweiten und dritten Beratung des Volkszählungsgesetzes 1983.
Der Bundesrat verlangte einmal die Einführung des § 5 Abs. 2
VZG 1983, demzufolge Widerspruch und Anfechtungsklage gegen
die Aufforderung zur Auskunftserteilung keine aufschiebende
Wirkung haben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der mit der
Volkszählung verbundene Kostenaufwand sei nur gerechtfertigt,
wenn in möglichst kurzer Zeit vollständige Ergebnisse vorlägen.
Dieses Ziel sei gefährdet, wenn Rechtsbehelfe aufschiebende
Wirkung hätten. Die Voraussetzungen der Anordnung einer
sofortigen Vollziehung könnten jeweils im Einzelfall nicht
hinreichend dargetan werden. Diese Unsicherheit sei dadurch
auszuräumen, daß im Gesetz selbst die aufschiebende Wirkung der
Rechtsbehelfe ausgeschlossen werde.
Ferner hielt es der Bundesrat für erforderlich, sämtliche Angaben
nach § 2 Nr. 1 und 2 VZG 1983 in den Melderegisterabgleich
einzubeziehen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kirchen
hielten eine Überprüfung der statistischen Zahlen über die
Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft für dringend notwendig.
Es bestünden Abweichungen zwischen den Zahlen der amtlichen
Statistik, den Melderegistern und den Zahlen, die die Kirchen selbst
ermittelt hätten. Eine Bereinigung setze den Melderegisterabgleich
voraus. Um möglichst zutreffende Ergebnisse über den
Ausländeranteil zu erhalten, solle der Melderegisterabgleich auch für
das Merkmal der Staatsangehörigkeit ermöglicht werden. Da der
Telefonanschluß nicht im Melderegister eingetragen werde, sei ein
Abgleich gegenstandslos. Dieses Merkmal müsse daher nicht
ausdrücklich ausgenommen werden. Für die Richtigkeit des
Melderegisters und die Richtigkeit und Vollständigkeit des
Volkszählungsergebnisses hätten die in § 2 Nr. 1 und 2 VZG 1983
aufgeführten Merkmale mit Ausnahme des Telefonanschlusses
nahezu gleiche Bedeutung, so daß sie beim Abgleich auch
gleichbehandelt werden sollten.
Weiter schlug der Bundesrat die später Gesetz gewordene
umfassende Formulierung des § 9 Abs. 3 Satz 2 VZG 1983 vor. Das
Satzungserfordernis und die Einschränkung hinsichtlich der zu
übermittelnden Einzelangaben seien zu streichen. Zur Begründung
wurde ausgeführt, die Gemeinden seien auch ohne eine Satzung gehalten, die Vorschriften der Geheimhaltung statistischer Daten zu beachten und dies durch organisatorische Maßnahmen
sicherzustellen. Der Gesetzestext besage auch eindeutig, daß die
Einzelangaben nur für statistische Zwecke verwendet werden
dürften. Das Informationsbedürfnis der Gemeinden beziehe sich auf
alle in den §§ 2 bis 4 VZG 1983 genannten Merkmale, so daß keine
Unterschiede hinsichtlich der Übermittlung an die Gemeinden
gemacht werden sollten.
Der Vermittlungsausschuß machte sich diese Auffassung des
Bundesrates zu eigen (BTDrucks 9/1350).
Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurde vom Bundestag
einstimmig gebilligt; der Bundesrat stimmte dem Gesetz durch
einstimmigen Beschluß zu.
II.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihrer Grundrechte aus
Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1, Art 4 Abs. 1, Art 5
Abs. 1, Art 13, Art 19 Abs. 4 GG sowie einen Verstoß gegen das
Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs. 3 GG). Sie tragen im wesentlichen
folgendes vor:
Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG folge für eine Volkszählung das
Gebot der Anonymität. Dies habe auch das Bundesverfassungsgericht
in seiner Entscheidung vom 16. Juli 1969 zur Verfassungsmäßigkeit
einer Repräsentativstatistik (BVerfGE 27, 1 - Mikrozensus)
festgestellt und beim damaligen Mikrozensus als gegeben
vorausgesetzt. Das Anonymitätsgebot des Grundgesetzes erfordere,
daß kein Zusammenhang zwischen erhobenen Daten und
individualisierbaren Personen oder Personengruppen hergestellt
werden könne. Ein wirksam anonymisiertes und in seiner
Verfügbarkeit strikt begrenztes Datum könne auf die Einzelperson
keinerlei Rückwirkung haben. Sei die Anonymität dagegen nicht
oder nicht voll gewährleistet, so mache eine Befragung Daten über
individuelle Personen und Personengruppen für beliebige
fremdbestimmte Zwecke verfügbar. Dadurch könne
die Einzelperson der freien Selbstbestimmung beraubt und zum
Gegenstand fremder Willensausübung und Kontrolle werden. Bei der
Volkszählung würden die Daten nicht anonymisiert, sondern blieben
in allen Fällen personenbezogen. Dies gelte auch dort, wo der Name
entfalle. Nach dem gesicherten Stand der Forschung könnten
scheinbar undurchbrechbare Anonymisierungen heute mit einfachen
mathematischen Verfahren repersonalisiert werden. Besonders leicht
sei die Reidentifizierung mit Hilfe der Haushaltskennummern sowie
der Zählerlisten, die für die Durchführung der Volkszählung ohne
gesetzliche Grundlage vorgesehen seien.
Seit der Mikrozensus-Entscheidung hätten sich die technischen
Voraussetzungen der Datenerhebung und Datenverarbeitung
grundlegend verändert. Die Statistischen Landesämter hätten sich zu
Landesdatenzentralen entwickelt, zahlreiche Sonderverwaltungen
hätten eigene Datenbanken mit eigenen Personenkennzeichen
eingeführt; auf Gemeindeebene entwickelten sich die Melderegister
zunehmend zu einer umfassenden Einwohnerdatenbank, deren Daten
im Prinzip für jede staatliche Stelle abrufbar seien. Dies habe zur
Folge, daß die Volkszählungsdaten auf den gleichen Rechnern mit
denselben Programmen durch dieselben Personen verarbeitet
würden, wie die Daten für andere staatliche Funktionen. Deshalb
reichten die herkömmlichen Sicherungen für einen wirksamen
Datenschutz nicht aus. Es sei möglich, einen riesigen Datenbestand
für eine beliebige Vielzahl von abrufenden Stellen ständig verfügbar
zu halten. Außerdem verfügten die unbestimmt vielen möglichen
Empfänger der Volkszählungsdaten in der Regel über eigene
Datenbanken. Diese lieferten Zusatzwissen, das mit den
Volkszählungsdaten verknüpft werden könne. Dadurch werde die
Schwelle der Reidentifikation weiter herabgesetzt. Aufgrund dieser
gewandelten technologischen Bedingungen sei die Erstellung eines
umfassenden und detaillierten Bildes der jeweiligen Person - ein
Persönlichkeitsprofil - möglich, und zwar auch im Intimbereich; der
Bürger werde zum "gläsernen Menschen". Die fehlende Anonymität bedeute nicht nur einen verfassungsrechtlichen Mangel der zu
erwartenden Zählpraxis und Auswertungspraxis, sondern stelle einen
Mangel des Volkszählungsgesetzes 1983 selbst dar.
Das Gesetz gerate durch sein Schweigen zu bestimmten wichtigen
Fragen seiner Anwendung in Konflikt mit dem vom
Bundesverfassungsgericht aufgestellten Wesentlichkeitsgebot.
Erhebungszweck und Erhebungsprogramm müßten im Gesetz
geregelt werden. Das Volkszählungsgesetz regele den Zählvorgang
selbst aber nur mit einem unwesentlichen Satz und lasse damit die
Form der grundrechtsbeeinträchtigenden Maßnahmen offen. Darüber
hinaus sei es verfassungsrechtlich geboten, daß der Bürger von der
Verarbeitung, insbesondere der Weitergabe seiner Daten, informiert
werde; denn sonst sei das Statistikgeheimnis durch den als
Antragsdelikt ausgestalteten Straftatbestand des § 203 StGB nicht
ausreichend geschützt.
Die vorgesehene Erhebung sei in dieser Form nicht erforderlich und
verstoße daher gegen das Übermaßverbot. Aufgrund der Fortschritte
der empirischen Sozialforschung und neuerer statistischer Methoden
seien Zwangserhebungen nach Art und Umfang des
Volkszählungsgesetzes 1983 methodisch überholt. Gezielte
freiwillige Erhebungen könnten mit wesentlich geringerem Aufwand
und erheblich geringerer Eingriffstiefe bessere Ergebnisse liefern.
Außerdem habe die Befragung ohne weiteres weniger einschneidend
ausgestaltet werden können, zumal heute das
Erhebungsinstrumentarium der "anonymen Datenerhebung"
entwickelt sei, welches zu weitaus geringeren Eingriffen in die
Privatsphäre führe. Auch die namensbezogene Weitergabe der Daten
an Gemeinden, welche insbesondere bei kleineren Gemeinden
unkontrollierbare Nebenfolgen nach sich ziehe, sei allenfalls aus der
früher beschränkten Möglichkeit der Statistikämter zur
Datenverarbeitung erklärbar. Damals hätten die Gemeinden selbst
statistische Auswertungen vornehmen müssen. Die Notwendigkeit
hierfür sei jedoch heute entfallen.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nach Auffassung der
Beschwerdeführer vor allem gegen die Vorschriften des § 9 VZG
1983. Der Melderegisterabgleich nach Absatz 1 sei bereits deshalb
verfassungswidrig, weil es an der Gesetzgebungskompetenz des
Bundes fehle. Unter den Bedingungen einer sich weiterentwickelnden
Datenverarbeitungstechnologie komme der verfassungsrechtlichen
Kompetenzverteilung eine neue Funktion zu. Es lasse sich aus ihr
das verfassungsrechtliche Gebot der Dezentralisierung von
bestimmten Datenspeicherungen ableiten, welches selbst schon ein
Element von Datenschutz sei. § 9 Abs. 1 VZG 1983 verknüpfe in
verfassungswidriger Weise Statistik und Verwaltungsvollzug. Der
Zähler, der unvermeidlich Einblick in sämtliche erhobenen Daten
der Befragten gewinne, befinde sich in einer Doppelrolle: Er sei
zugleich "Kundschafter der örtlichen Meldebehörde und Vollzieher
der Bundesstatistik". Bei einer rein melderechtlichen Befragung sei
eine Anonymisierung der Daten nicht nötig, und bei einer rein
statistischen Befragung brauchten die persönlichen Daten gar nicht
erst erhoben zu werden. Der Versuch des Gesetzgebers, in einer
gemischten, sowohl anonymen als auch individuellen Erhebung
beiden Zwecken gerecht zu werden, gefährde die für Zwecke der
Statistik gebotene Anonymität. Der klaren funktionellen Trennung
von Statistik und Meldewesen komme in einer veränderten
technischen Umwelt, die den Sicherheitsbehörden einen direkten
Zugriff auf den gesamten Datenbestand eröffne, eine erhöhte
verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die gesetzlich vorgesehene
Auskunftspflicht führe in Verbindung mit dem Melderegisterabgleich
zum Gebot der Selbstbezichtigung und verstoße deshalb gegen das
Rechtsstaatsprinzip. Das Nachteilsverbot in § 9 Abs. 1 Satz 2 VZG
1983 biete dagegen keinen ausreichenden Schutz; es stehe zudem in
Widerspruch zum Legalitätsprinzip.
Die Übermittlungsregelungen des § 9 Abs. 2 bis 4 VZG 1983
verstießen gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot.
Sowohl der Personenkreis, dem Daten übermittelt werden dürften,
als auch die Ziele, für welche die übermittelten Daten verwendet
werden dürften, seien unbestimmt geregelt. Die lediglich funktionelle
Umschreibung des Empfängerkreises führe dazu,
daß dieser für den Bürger aus dem Gesetz selbst nicht ersichtlich sei.
Der Verwendungszweck für die nach § 9 Abs. 2 und 3 VZG 1983
übermittelten Daten sei so unbestimmt geregelt, daß er juristisch
nicht abschließend faßbar sei. Auch die "wissenschaftlichen Zwecke"
des § 9 Abs. 4 VZG 1983 seien nur auf den ersten Blick klar.
Angesichts des herrschenden weiten Wissenschaftsbegriffs könnten
Daten auch an die wissenschaftlichen Stäbe der Arbeitsverwaltung
und Sozialverwaltung, des Bundeskriminalamts und der
Verfassungsschutzbehörden übermittelt werden. Der Befragte kenne
weder die über die statistischen Zwecke hinausgehenden Zwecke der
Erhebung noch den Umfang der gesetzlich zugelassenen
Übermittlung von Daten; er könne ferner nicht die zahlreichen
möglichen Empfänger der Daten bestimmen. Deshalb sei auch das
Nachteilsverbot für die Datenweitergabe in § 9 Abs. 2 Satz 3 und
Abs. 3 Satz 3 VZG 1983 unklar. Da die Menge der möglichen
Verwendungszwecke offen sei, könnten praktisch alle Angaben allein
oder in Verknüpfung zu Nachteilen führen. Für den Befragten sei
dies nicht vorauszusehen.
Die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft
verstoße wegen der Vermischung von Statistik und
Verwaltungsvollzug gegen das Grundrecht aus Art 4 Abs. 1 GG.
Auch die durch Art 5 Abs. 1 GG gewährleistete Meinungsfreiheit sei
verletzt. Zu ihr gehöre auch die Freiheit, bestimmte Tatsachen nicht
mitzuteilen. § 3 VZG 1983 verstoße gegen Art 13 GG. Es mache
keinen Unterschied, ob die Wohnung von Staatsorganen betreten
oder der Wohnungsinhaber zur Selbstoffenbarung gezwungen werde.
Schließlich sei die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs. 4 GG
verletzt. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 VZG 1983 ermögliche eine
Erfassung und Speicherung von Daten, ehe es in erster Instanz
überhaupt zur Verhandlung gekommen sei. Außerdem sei wegen der
Unbestimmtheit des Empfängerkreises und der möglichen
Verwendungszwecke der ermittelten Daten dem Bürger jeglicher
Überblick darüber vorenthalten, wer wo über welche seiner Daten in
welcher Weise und zu welchem Zweck verfüge. Einmal
weitergegebene Daten seien in komplex verbundenen und
zunehmend "vernetzten" Systemen unterwegs, so daß sie nicht mehr
zurückgehalten werden könnten. Auch deshalb laufe die
Rechtsschutzgarantie leer.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat an die Beteiligten und die
Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Fragen
gerichtet, die im wesentlichen folgende Punkte betrafen: Klärung der
Zwecke des Volkszählungsgesetzes 1983 und ihrer Erkennbarkeit aus
dem Gesetz; verfassungsrechtliche Bedeutung des Grundsatzes der
Zweckbindung der Daten; Zulässigkeit der Weitergabe statistischer
Daten für den Verwaltungsvollzug; Notwendigkeit einer näheren
Regelung des Vollzugs des Volkszählungsgesetzes 1983 durch den
Gesetzgeber; Vereinbarkeit der Volkszählung als Totalerhebung mit
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Möglichkeiten milderer
Vollzugsmittel bei einer Totalerhebung; Wert der Volkszählung für
die öffentliche Hand, wenn Datenübermittlungen nach § 9 VZG
1983 aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erlaubt sein sollten.
Zu den Verfassungsbeschwerden und den vom
Bundesverfassungsgericht gestellten Fragen haben sich für die
Bundesregierung der Bundesminister des Innern, ferner die
Regierung des Landes Baden-Württemberg, die Bayerische
Staatsregierung, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die
Niedersächsische Landesregierung, die Landesregierung des Landes
Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung Rheinland-Pfalz und die
Landesregierung Schleswig-Holstein geäußert. Außerdem haben der
Bundesbeauftragte für den Datenschutz, die Landesbeauftragte für
den Datenschutz Baden-Württemberg, der Bayerische
Landesbeauftragte für den Datenschutz, der Berliner
Datenschutzbeauftragte, der Landesbeauftragte für den Datenschutz
der Freien Hansestadt Bremen, der Hamburgische
Datenschutzbeauftragte, der Hessische Datenschutzbeauftragte, der
Landesbeauftragte für den Datenschutz Nordrhein-Westfalen und die
Datenschutzkommission Rheinland-Pfalz Stellung genommen.
1. Die Bundesregierung und die genannten Landesregierungen, mit
Ausnahme des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, halten
das Volkszählungsgesetz 1983 für mit dem Grundgesetz vereinbar
und die Verfassungsbeschwerden für unbegründet.
Die Auskunftspflichten nach dem Volkszählungsgesetz 1983, die
Durchführung der Zählung und die Verarbeitung und Verwendung
der erhobenen Daten seien durch den statistischen Gesetzeszweck
bestimmt. Mit der statistischen Erhebung seien einige
Datenverwendungen für andere Zwecke als solche der Volkszählung
verbunden (§ 9 VZG 1983).
Die Ergebnisse der Statistik als einer der vielseitigsten
Informationsquellen seien unverzichtbar für die Beobachtung der
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation und ihre
Entwicklung sowie für die Vorbereitung und Kontrolle von
Entscheidungen, Maßnahmen und Planungsvorhaben. Das Programm
der amtlichen Statistik habe laufend erweitert und den aktuellen
Bedürfnissen angepaßt werden müssen. Dabei sei Wert auf ein in
sich geschlossenes, vielseitig verwendbares und gut koordiniertes
statistisches Gesamtbild von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft gelegt
worden. Von Anfang an habe die Bundesstatistik auch Zahlen in
tiefer regionaler Gliederung geliefert, an denen unter anderem die
Länder ein starkes Interesse hätten. Der eigene Bedarf des Bundes
an regionalisierten Ergebnissen habe zugenommen, unter anderem
für die regionale Strukturpolitik im Rahmen der
Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur" (Art 91a Abs. 1 Nr. 2 GG), für die
Raumordnungspolitik, regionale Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik,
Bildungspolitik und Verkehrspolitik. Bei Statistikgesetzen mit
komplexer Aufgabenstellung sei es ausgeschlossen, alle
Erhebungszwecke oder gar die Erhebungsprogramme im Gesetz oder
in der Gesetzesbegründung darzustellen. Dies gelte auch für das
angegriffene Volkszählungsgesetz 1983. Dieses sei sorgfältig und
kritisch unter Beteiligung der Datenschutzbeauftragten beraten
worden. Es bleibe im Umfang des Fragenkatalogs hinter dem Volkszählungsgesetz 1970
zurück und umfasse keine Fragen, die den unantastbaren Bereich
privater Lebensgestaltung berührten.
Vorschriften über den Melderegisterabgleich und
Übermittlungsregelungen habe es auch im Volkszählungsgesetz 1970
gegeben. § 9 VZG 1983 fülle den durch § 11 BStatG vorgegebenen
Rahmen im einzelnen aus. Danach sei die Übermittlung von Daten
nur für "statistisch-planerische" Zwecke zugelassen, eine
Verwendung für Vollzugszwecke dagegen ausdrücklich untersagt.
Die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des
Bundesstatistikgesetzes und des Volkszählungsgesetzes 1983 gingen
erheblich über die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes hinaus
und verdeutlichten die große Sensibilität des Gesetzgebers für die
besondere Schutzbedürftigkeit von Einzelangaben, die für Zwecke
der Volkszählung mitgeteilt werden. Die Einhaltung der
einschlägigen Vorschriften sei auch sichergestellt, insbesondere
durch die Kontrollen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz
und des Bundesministers des Innern als Aufsichtsbehörde des
Statistischen Bundesamtes. Auch habe sich die Effektivität der
Sicherungseinrichtungen und Kontrolleinrichtungen der in den
Statistischen Ämtern benutzten elektronischen
Datenverarbeitungsanlagen gegenüber der Zeit der
Mikrozensus-Entscheidung entscheidend erhöht.
Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab sei das allgemeine
Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs.
1 GG. Eine Verletzung oder Gefährdung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts sei nicht gegeben. Der
gemeinschaftsgebundenen und gemeinschaftsbezogenen
Persönlichkeit sei ein Sozialbezug immanent, der es ausschließe,
schlechterdings von einer grundsätzlich umfassenden
Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen
Person auszugehen. Dem Staat sei es nicht von vornherein untersagt,
sich Zugang zu personenbezogenen Daten zu verschaffen und ihre
Verwertung zu regeln. Der Gesetzgeber könne das Interesse des
Einzelnen, für sich oder anonym zu bleiben, gegen das
Informationsinteresse der Allgemeinheit abwägen. Bei der Abwägung
sei zu berücksichtigen, daß
Volkszählungen eine Vorbedingung für die Planmäßigkeit
staatlichen Handelns seien. Der Staat sei als Sozialstaat nach Art 20
Abs. 1 und Art 28 Abs. 1 Satz 1 GG zur Daseinsvorsorge
verpflichtet. Das Informationsinteresse von Regierung und Parlament
sei deshalb verfassungsrechtlich legitimiert, weil anders an der
Lebenswirklichkeit orientierte Gesetzgebung nicht möglich sei.
Entsprechendes gelte für Maßnahmen der Datenverarbeitung. Die
sozialstaatliche Legitimation rechtfertige aber selbstverständlich nicht
jedes Mittel. Vielmehr setze eine statistische Erhebung voraus, daß
die Anonymität hinreichend gesichert sei. Das
Bundesverfassungsgericht habe keine absolute, gleichsam
mathematische Anonymität für verfassungsrechtlich geboten gehalten
(BVerfGE 27, 1 [7]). Die in der genannten Entscheidung für
ausreichend angesehenen Vorkehrungen seien nach wie vor geltendes
Recht und würden durch vielfältige weitere Sicherungen rechtlicher
und technischer Art verstärkt. Damit unterscheide sich die für die
Datenverarbeitung der Statistischen Ämter zu fordernde Anonymität
auch von dem Anonymitätsbegriff des § 11 Abs. 5 BStatG. Diese
Vorschrift setze für die Übermittlung von Einzelangaben voraus, daß
sie Auskunftspflichtigen nicht mehr zugeordnet werden könnten.
Diese hohe Anonymitätsschwelle habe lediglich insofern Bedeutung,
als die Statistischen Ämter unter diesen Voraussetzungen
Einzelangaben beliebigen Adressaten übermitteln dürften.
Das Volkszählungsgesetz 1983 entspreche auch dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Dem Gesetzgeber komme bei der Beurteilung
komplexer Sachverhalte ein Beurteilungsspielraum und
Einschätzungsspielraum und damit eine Entscheidungsprärogative zu.
Ähnlich wie für die Voraussetzungen des Gleichheitssatzes sei auch
für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem
Gesetzgeber bei der Festlegung der Prioritäten und bei der Auswahl
der Mittel ein entsprechender Freiraum zuzubilligen. Nur durch
richterliche Zurückhaltung könne der Gefahr begegnet werden, jeden
letztlich politischen Streit über Sinn und Unsinn eines Gesetzes
verfassungsgerichtlich zu führen. Das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach die Frage nach der Zwecktauglichkeit
einer gesetzlichen Regelung mit großer Zurückhaltung danach
beurteilt, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte,
daß die Maßnahmen zur Erreichung des Zieles geeignet waren.
Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit habe das
Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen weiten
Ermessungsbereich zugestanden. Diese Rechtsprechung trage der
Tatsache Rechnung, daß jeder Prognose ein gewisses Maß an
Unsicherheit anhafte, das um so größer werde, je weiterreichend und
komplexer die Zusammenhänge seien. Wesentlich sei, daß der
Gesetzgeber die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft
habe, wie dies für das Volkszählungsgesetz 1983 geschehen sei.
Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen, daß das
Volkszählungsgesetz 1983 zwar in die Privatsphäre jedes einzelnen
Einwohners eingreife, daß der Eingriff aber von geringer Intensität
sei, weil die Erhebung keine den Intimbereich betreffenden Daten
erfasse und die Fragen auch in ihrer Kumulierung keine wesentliche
Beeinträchtigung der Persönlichkeitssphäre ergäben. Die Gefahr
einer Herstellung von Persönlichkeitsprofilen sei nicht vorhanden, da
die vorgesehenen Tabellenprogramme dies ausschlössen und zudem
kein Datenverbund mit Stellen außerhalb der Statistischen Ämter
bestehe; gegen eine mißbräuchliche Verwendung der Daten seien
wirksame Vorkehrungen getroffen. Das Gesetz trage auch den mit
dem technischen Fortschritt der automatischen Datenverarbeitung
gesteigerten Möglichkeiten der Datenverknüpfung und dem
verstärkten Problembewußtsein der Bürger Rechnung. Das sei
geschehen durch die Reduzierung des Fragenumfangs gegenüber
früheren Zählungen, durch Verzicht auf die die Intimsphäre
berührende Fragen, durch umfassende Regelungen des Datenschutzes
im Volkszählungsgesetz 1983 selbst wie auch in den
Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder, ferner durch
andere institutionelle Vorkehrungen gegen einen Mißbrauch der
Daten. Auch sei den mit Statistik und Datenverarbeitung betrauten
Stellen nicht von vornherein ein gesetzwidriges Handeln zu
unterstellen. Vielmehr sei davon auszugehen,
daß die datenschutzrechtlichen Regelungen und das gesetzlich
gewährleistete Statistikgeheimnis beachtet würden. Gesetzliche
Reglementierung und Vorkehrungen gegen Mißbrauch seien nicht
schon für das Erheben der Daten geboten, sondern erst für das
Speichern und die weitere Verwendung.
Der Gesichtspunkt der Akzeptanz könne im Rahmen der Prüfung des
Verhältnismäßigkeitsprinzips zu berücksichtigen sein. Der
Gesetzgeber sei in einer repräsentativen Demokratie zwar gehalten,
beim Bürger um Verständnis zu werben. Dies könne Aufklärung,
Erläuterung, aber auch Auseinandersetzung mit Stimmungen,
Gefühlen, ja Ängsten erfordern, die im Einzelfall in ernst zu
nehmenden Kreisen der Bevölkerung vorhanden sein önnten. Der
Ort dafür sei nicht zuletzt das parlamentarische
Gesetzgebungsverfahren, das, verbunden mit vielfältigen
Möglichkeiten der Einflußnahme durch Bürger, Gruppen und
Verbände, eine "Entscheidungssuche vor den Augen der
Öffentlichkeit" gewährleiste und damit für das Vertrauen des
Bürgers notwendige Transparenz schaffe. Nehme aber der Bürger
die ihm damit eröffneten Möglichkeiten nicht wahr oder bleibe er
mit seinen Vorstellungen, Meinungen und Auffassungen in der
Minderheit, könne die Gültigkeit des vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber ordnungsgemäß und unter Beachtung materieller
verfassungsrechtlicher Kriterien beschlossenen Gesetzes nicht davon
abhängig sein, daß es allgemein und von jedermann akzeptiert
werde.
Ein Verzicht auf die Volkszählung sei nur möglich, wenn
entsprechende Daten aus anderen Dateien gewonnen werden
könnten, zum Beispiel aus dem Melderegister, den Dateien der
Krankenversicherung und Rentenversicherung, der
Arbeitsverwaltung, der Katasterämter und der Grundsteuerämter.
Diese Dateien wiesen jedoch erhebliche Fehler auf. Für die
Arbeitsstättenzählung gebe es derzeit überhaupt kein Äquivalent in
anderen Dateien und Registern. Im übrigen müßten die gesetzlichen
und rechtlichen Schranken des Datenschutzes, wie zum Beispiel das
Steuergeheimnis, beachtet werden. Eine Nutzung von Daten aus
verschiedenen Registern und Dateien würde zudem die Einführung eines
einheitlichen Personenkennzeichens voraussetzen. Dies allerdings
wäre ein entscheidender Schritt, den einzelnen Bürger in seiner
ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren. Aus der
Sicht des Datenschutzes und des mit ihm beabsichtigten
Persönlichkeitsschutzes sei es deshalb unabweisbar, daß
Volkszählungen und andere Statistiken unabhängig von vorhandenen
Verwaltungsunterlagen selbständig durchgeführt würden und nicht
auf der Verknüpfung von Verwaltungsdateien basierten.
Zum Mittel der Stichprobe meint die Bundesregierung, daß es für
den einzelnen Bürger letztlich unerheblich sei, ob er im Rahmen
einer Stichprobe oder einer Gesamterhebung befragt werde. Selbst
wenn man die Stichprobe trotzdem als milderes Mittel ansehe, sei sie
kein Äquivalent zur Volkszählung, weil sie nur ungenaue Ergebnisse
liefere. Zahlreiche Gesetze stellten aber nicht auf ungefähre, sondern
auf genaue Einwohnerzahlen ab. Auch Stichprobenbefragungen nach
Art der empirischen Sozialforschung könnten die Volkszählung nicht
ersetzen, weil amtliche Statistik und empirische Sozialforschung
unterschiedliche Aufgabenstellungen hätten, die auch die statistischen
Methoden beeinflußten. Für die amtliche Statistik seien in vielen
Fällen tiefgegliederte Angaben erforderlich, die nur eine
Totalerhebung liefern könne. Deshalb sei auch eine auf freiwilliger
Basis beruhende Volkszählung keine realistische Alternative. Die bei
der Volkszählung geforderte Genauigkeit des Nachweises
zuverlässiger Basisinformationen sei nach den praktischen
Erfahrungen mit der Teilnehmerquote bei freiwilligen Erhebungen
nicht zu erreichen. Auch eine Kombination von Vollerhebung und
Stichproben setze voraus, daß eine geeignete und zuverlässige
Auswahlgrundlage verfügbar sei. Dies sei bei der Volkszählung 1970
der Fall gewesen; damals habe die Gebäudezählung und
Wohnungszählung 1968 als Auswahlgrundlage zur Verfügung
gestanden. Für die Volkszählung 1983 seien derartige
Voraussetzungen nicht vorhanden. Im übrigen ergebe sich auch im
Falle einer Kombination von Vollerhebung und Stichprobe keine spürbare Erleichterung
für den Bürger.
Dem Grundgesetz lasse sich kein absoluter Grundsatz entnehmen,
daß zulässigerweise für einen bestimmten Verwaltungszweck
erhobene Daten ein für allemal an dieses Verwendungsziel gebunden
seien und deshalb schlechterdings nicht in den Dienst anderer
Verwendungszwecke gestellt werden dürften. Dies gelte auch für
statistische Daten. Statistik sei stets Registrierung ohne
Beeinflussung der zu registrierenden Verhältnisse. Sie diene nicht
notwendig bestimmten Einzelzwecken, sondern dem Gesamtzweck,
die für künftiges Planen und Handeln benötigten Informationen zu
verschaffen. Dies sei eingeschränkt aus gesetzlichen Gründen des
Datenschutzes und aus verfassungsrechtlichen Gründen des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Staat benötige hinsichtlich
der Datenverwendung eine gewisse Flexibilität. Würde ihm diese
durch starre Zweckbestimmungen genommen, könne er nicht auf
neue, häufig nicht vorhersehbare Fragestellungen reagieren. Die
Übermittlung von Daten, die der Staat rechtmäßig gewonnen habe,
sei unter dem Blickwinkel der Verfassung nicht stets und in allen
Bereichen an den ursprünglichen Verwendungszusammenhang
gebunden. Art 35 Abs. 1 GG könne grundsätzlich die formelle
Grundlage auch für die Weitergabe personenbezogener Daten für
einen anderen Verwendungszweck bieten. Auch das
Bundesverfassungsgericht habe die Verpflichtung zur Amtshilfe und
Rechtshilfe als ausreichende formelle Grundlage anerkannt und zur
Begrenzung nur auf das Verhältnismäßigkeitsgebot abgehoben
(BVerfGE 27, 344 [352]). Ob darüber hinaus die Weitergabe einer
ausdrücklichen Rechtsgrundlage bedürfe, könne dahinstehen; denn
allgemeine Regelungen wie § 10 Abs. 1 Satz 1 BDSG in Verbindung
mit § 5 Abs. 2 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)
reichten als solche jedenfalls aus. Der Grundsatz der Zweckbindung
sei von den Vertretern der Zweckbindungslehre überbewertet
worden. Meinungsumfragen zufolge empfänden gerade Empfänger
staatlicher Hilfen wiederkehrende Datenerhebungen als Belästigung
und gäben
dem verwaltungsinternen Datenaustausch den Vorzug. Dieser könne
im Sinne des Übermaßverbots das mildere Mittel im Vergleich zur
nochmaligen unmittelbaren Informationserhebung darstellen. Deshalb
habe auch der Gesetzgeber des Bundesdatenschutzgesetzes und der
Landesdatenschutzgesetze jeweils auf ein generelles
Zweckentfremdungsverbot verzichtet und sei statt dessen den durch
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewiesenen Weg gegangen. Nur
für Daten, die einem besonderen Berufsgeheimnis oder
Amtsgeheimnis unterlägen, habe das Prinzip der Zweckbindung
Vorrang (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BDSG), ferner in einzelgesetzlich
geregelten Sonderfällen (zum Beispiel §§ 3, 18 Abs. 2 und 3 des
Melderechtsrahmengesetzes - MRRG -).
Für die Übermittlung statistischer Daten habe der Gesetzgeber
Vorkehrungen getroffen, die über die Anforderungen des
allgemeinen Datenschutzrechts erheblich hinausgingen. In den
detaillierten Regelungen des § 11 BStatG werde deutlich, daß sich
der Gesetzgeber der besonderen Schutzbedürftigkeit der durch
statistische Erhebungen gewonnenen Daten bewußt sei. Sie trügen
den verfassungsrechtlichen Anforderungen des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in zweifacher Hinsicht Rechnung.
Einmal würden bereits im Bundesstatistikgesetz selbst abschließende
Festlegungen getroffen, die sicherstellten, daß Datenübermittlungen
auf das unabweisbar Notwendige beschränkt blieben. Zum anderen
würden für den Erlaß der einzelnen Statistikgesetze Rahmenvorgaben
gesetzt, die darauf ausgerichtet seien, in diesen Gesetzen je nach
Gegenstand und Besonderheit der einzelnen statistischen Erhebung
die Belange der Auskunftspflichtigen und die Interessen der
Allgemeinheit miteinander abzustimmen und zum Ausgleich zu
bringen. Für die geplante Volkszählung sei das im
Volkszählungsgesetz 1983 geschehen. Es schränke nicht nur die
Möglichkeiten der Datenweitergabe, wie sie nach den allgemeinen
Vorschriften des Datenschutzrechts bestünden, erheblich ein,
sondern verfeinere dabei zugleich das Geflecht an Sicherungen, die
das Bundesstatistikgesetz zum Schutz statistischer Daten enthalte.
§ 9 Abs. 1 VZG 1983 nenne ausdrücklich den Zweck der Weitergabe (Berichtigung der Melderegister). Die Vorschrift bezeichne
weiter enumerativ diejenigen Daten, die den Meldebehörden
zugänglich gemacht werden dürften. Sie gebe nur solche Angaben
aus statistischen Erhebungen für eine Korrektur der Melderegister
frei, die dort nach den einschlägigen Vorschriften der Meldegesetze
gespeichert werden dürften. Wäre ein solcher Melderegisterabgleich
nicht zulässig, so müßten im übrigen verstärkt umfangreiche,
eigenständige, kostenaufwendige, den Bürger zusätzlich belastende
Erhebungen zur Überprüfung und Berichtigung der Melderegister
durchgeführt werden. Durch § 12 Abs. 2 MRRG und die
entsprechenden Regelungen der Landesmeldegesetze sei der Begriff
der Hauptwohnung neu definiert worden. Er sei eine wesentliche
Voraussetzung für die Zuverlässigkeit der Fortschreibung der
Bevölkerungszahlen. Die Verzahnung der
Bevölkerungsfortschreibung mit den Melderegistern folge aus dem
Gesetz über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die
Fortschreibung des Bevölkerungsstandes in der Fassung vom 14.
März 1980 (BGBl I S 308); die in § 4 dieses Gesetzes angeordnete
Wanderungsstatistik werde auf der Grundlage der meldebehördlichen
Anmeldungen, Abmeldungen und Ummeldungen erstellt. Ohne die
Registerberichtigung würde die schon bisher bestehende Diskrepanz
zwischen Bevölkerungsfortschreibung und Melderegister noch
verschärft. Die Meldebehörden müßten bei jedem Einwohner prüfen,
ob er mehrere Wohnungen innehabe, um die Hauptwohnung
bestimmen zu können. Bei dieser Sachlage und Rechtslage sei die
Weitergabe der in § 9 Abs. 1 VZG 1983 genannten Angaben keine
die Privatsphäre des Einzelnen verletzende Zweckentfremdung.
Entsprechendes gelte für die Übermittlungsregelungen des § 9 Abs.
2 bis 4 VZG 1983, soweit darin überhaupt eine Herauslösung der
Daten aus dem ursprünglichen Verwendungszusammenhang gesehen
werden könne. Diese Regelungen machten entweder die
Datenweitergabe von der Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung der
obersten Bundesbehörden und Landesbehörden abhängig (§ 9 Abs. 2
VZG 1983) oder gäben jeweils die Verwendungszwecke an, für die allein die statistisch erhobenen Daten zur
Verfügung gestellt werden dürften (§ 9 Abs. 3 und 4 VZG 1983).
Im übrigen würden auch hier, je nach Empfänger und
Übermittlungsanlaß, bestimmte Daten von vornherein von der
Weitergabe ausgeschlossen. Die Abstufungen, die dabei
vorgenommen worden seien, zeigten in besonderer Weise, wie sehr
sich der Gesetzgeber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
verpflichtet gesehen habe. § 9 Abs. 2 VZG 1983 sei nach
eingehenden Beratungen, an denen auch die Datenschutzbeauftragten
von Bund und Ländern teilgenommen hätten, zustandegekommen.
Die Vorschrift schränke die Datenübermittlung gegenüber dem
früher geltenden Verfahren und gegenüber dem allgemeinen
Datenschutzrecht wesentlich ein und sichere sie gegen Mißbrauch.
Auf die Übermittlung von Einzelangaben ohne Namen sei zum
Beispiel die Deutsche Bundespost bei Einführung neuer Techniken
und der Gestaltung künftiger Netze angewiesen. Von besonderer
Bedeutung sei die Datenübermittlung nach § 9 Abs. 2 VZG 1983 für
aktuelle und komplexe Auswertungen auf den Gebieten der
Raumordnung und der Baupolitik und Wohnungsbaupolitik des
Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Die
Nutzung der Volkszählungsdaten durch Wissenschaft und Forschung
(§ 9 Abs. 4 VZG 1983) sei vom Innenausschuß des Deutschen
Bundestages im Interesse des Datenschutzes entgegen der Auffassung
der Datenschutzbeauftragten stärker eingegrenzt worden. Eine
Übermittlung sei nur an den Empfängerkreis im Sinne des § 11 Abs.
3 BStatG, das heißt an Amtsträger und für den öffentlichen Dienst
besonders Verpflichtete, zugelassen.
An der Verfassungsmäßigkeit des § 9 VZG 1983 ändere sich auch
nichts dadurch, daß die Daten, soweit sie für Zwecke des
Verwaltungsvollzugs dienstbar gemacht werden sollten, unter
bußgeldbewehrter Auskunftsverpflichtung erhoben werden sollten.
Allerdings berühre ein Zwang zur Selbstbezichtigung die Würde des
Menschen; jedoch seien Auskunftspflichten, die der Gesetzgeber
nach Abwägung mit den Belangen der Betroffenen zur Erfüllung
eines berechtigten staatlichen Informationsbedürfnisses anordne, als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne
des Art 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich.
Verfassungswidrig wäre ein Zwang, durch eigene Aussagen die
Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verfolgung oder eine
entsprechende Sanktion liefern zu müssen. Diesem Gesichtspunkt
trage § 9 VZG 1983 Rechnung. Beim Melderegisterabgleich nach §
9 Abs. 1 VZG 1983 gehe es nicht um Daten, durch die strafbare
Handlungen offenbart werden könnten. Für melderechtliche Verstöße
gelte das strikte Nachteilsverbot des § 9 Abs. 1 Satz 2 VZG 1983.
Um strafbare Handlungen zu offenbaren, müßten noch zusätzliche
Fakten hinzukommen. Auch im Anwendungsbereich von § 9 Abs. 2
bis 4 VZG 1983 sei eine Verwendung der Daten nur für
"statistisch-planerische" und wissenschaftliche Zwecke vorgesehen.
Eine Nutzung für Vollzugsmaßnahmen sei nicht gestattet (§ 9 Abs. 2
Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 VZG 1983). Hinzu komme die
Geheimhaltungspflicht nach § 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 11
Abs. 4 BStatG und § 9 Abs. 7 VZG 1983. Auch bei der
Datenübermittlung führe daher kein rechtlich zulässiger Weg zu
einer möglichen Aufdeckung strafbarer Handlungen oder anderer
Rechtsverstöße. Das Grundrecht des Art 2 Abs. 1 GG gebiete im
übrigen keinen lückenlosen Schutz gegen Selbstbezichtigung.
Handele es sich um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten
Informationsbedürfnisses, so sei der Gesetzgeber befugt, die Belange
der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Er könne
hierbei berücksichtigen, daß der Staat auf die Angaben der Bürger
im Interesse der Allgemeinheit angewiesen sei. Da der
Melderegisterabgleich auf die wenigen Angaben in § 2 Nr 1 und 2
VZG 1983 beschränkt sei und § 9 Abs. 1 Satz 2 VZG 1983 ein
Nachteilsverbot vorsehe, sei die uneingeschränkte Auskunftspflicht
des § 5 Abs. 1 VZG 1983 in Verbindung mit § 10 BStatG
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sollte jedoch bei den
wenigen Tatbeständen, bei denen schon die unmittelbar aus den
Angaben nach § 2 Nr 1 und 2 VZG 1983 gewonnenen Erkenntnisse
ausreichten, um strafrechtliche Sanktionen auszulösen, das
Bundesverfassungsgericht ein Verwertungsverbot für verfassungsrechtlich erforderlich halten, so könnte § 9 VZG 1983 in diesem Sinne verfassungskonform ausgelegt werden.
Die Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes in der Ausprägung
der durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten
Wesentlichkeitstheorie seien erfüllt. Soweit es gesetzlicher
Regelungen bedürfe, seien sie im Volkszählungsgesetz 1983 oder in
den bei seiner Durchführung anzuwendenden Gesetzen, dem
Bundesstatistikgesetz, dem Bundesdatenschutzgesetz und subsidiär im
Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes enthalten. Darüber hinaus
notwendige Regelungen könnten durch Verwaltungsvorschriften
getroffen werden. Zurückhaltung des Gesetzgebers liege gerade auch
im Interesse des durch die Normenflut bedrängten Bürgers. Soweit
den Bund - neben der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder für
Verwaltungsverfahrensregelungen zur Durchführung von
Bundesgesetzen - überhaupt eine Verpflichtung zum Erlaß derartiger
Regelungen treffe, habe er dieser Genüge getan. Im übrigen sei es
grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, im Rahmen seiner politischen
Gestaltungsfreiheit zu entscheiden, was als wesentlich anzusehen sei.
Es gebe kein milderes Vollzugsmittel für eine Totalerhebung. Die
Volkszählung setze voraus, daß sämtliche Auskunftspflichtigen
befragt und ihre Antworten auf Plausibilität und Vollständigkeit
überprüft würden. Der Plausibilitätskontrolle komme erhebliche
Bedeutung zu. Bei der letzten Volkszählung im Jahre 1970 seien
beispielsweise allein in Stuttgart etwa 100.000 Rückfragen notwendig
gewesen. Eine vollständige und richtige Erhebung setze eine
Begehung des Gemeindegebietes durch Zähler voraus. Ein
Postversand der Fragebogen erreiche nicht alle Auskunftspflichtigen,
weil dann auf Adressen in vorhandenen Registern zurückgegriffen
werden müsse, die in aller Regel fehlerhaft seien. Auch sei der
vollständige Rücklauf der Erhebungsbogen nicht sicherzustellen. Es
könne allerdings daran gedacht werden, den Zähler die Fragebogen
lediglich austeilen und eine Adressatenliste anlegen zu lassen. Die
Bürger hätten dann die
Bogen bei der Zählungsdienststelle vorzulegen. Eine solche
Regelung habe das Volkszählungsgesetz 1980 der Republik
Österreich vorgesehen. Auch dieses Verfahren sei nicht ohne Zähler
und Zählungsdienststellen ausgekommen. Wegen Verzögerungen bei
der Abgabe der Fragebogen habe häufig die Zeitnähe zum
Zählungsstichtag gefehlt. Der von Hamburg gewählte Weg des
sogenannten Mantelbogens sei ebenfalls kein milderes
Vollzugsmittel. Auch bei diesem Verfahren habe der Zähler Einblick
in die Daten des Auskunftspflichtigen. Der Vorteil liege lediglich in
der formellen Trennung des Namens und der Anschrift von den
übrigen Angaben. Dies führe aber im Ergebnis zu keiner größeren
Datensicherung zugunsten des Bürgers.
2. Demgegenüber hat der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg
verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Volkszählungsgesetz 1983
geäußert: Eine allgemeine verfassungsrechtliche Problematik des
Volkszählungsgesetzes 1983 ergebe sich daraus, daß zweifelhaft sei,
ob und inwieweit die Anonymität der dem Bürger abverlangten
Auskünfte garantiert sei. Auch wenn die einzelnen Fragen nicht in
den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eindrängen,
stelle sich das grundlegende Problem, ob die Angaben durch die
Anonymität ihrer Auswertung den Persönlichkeitsbezug verlören und
diese Anonymität hinreichend gesichert sei. Möglichkeiten
unmittelbarer und mittelbarer Identifizierung hätten in der
Bevölkerung und im juristischen Schrifttum erhebliche Bedenken
hervorgerufen. Die Anonymitätsgarantie für statistische Erhebungen
sei nicht nur ein rechtsstaatliches Gebot, sondern zugleich eine
unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg einer auf die
vertrauensvolle Mitwirkung der Bevölkerung angewiesenen
Befragung.
Der Melderegisterabgleich nach § 9 Abs. 1 VZG 1983 sei
problematisch, weil dabei die Verbindung von melderegisterlichen
und statistischen Zwecken vorgesehen sei. Der Regelungsgehalt des
Nachteilsverbots in § 9 Abs. 1 Satz 2 VZG 1983 sei zweifelhaft.
3. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die genannten Datenschutzbeauftragten der Länder haben unterschiedliche
verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Volkszählungsgesetz 1983
geäußert. Einige sind der Auffassung, daß dem durch eine
verfassungskonforme Auslegung und einen verfassungskonformen
restriktiven Gesetzesvollzug Rechnung getragen werden kann.
Andere halten die angegriffene Regelung für verfassungswidrig.
IV.
In der mündlichen Verhandlung haben sich die Beschwerdeführer
geäußert.
Für die Bundesregierung haben der Bundesminister des
Innern Dr Zimmermann, Prof Dr Badura und der Vizepräsident des
Statistischen Bundesamts Dr Hamer Stellung genommen; auf Antrag
der Bundesregierung wurde außerdem Prof Dr Seegmüller gehört.
Für die Bayerische Staatsregierung haben sich der Staatsminister des
Innern Dr Hillermeier und Ministerialdirigent Dr Giehl geäußert, für
den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Frau Senatorin
Leithäuser, für die Niedersächsische Landesregierung der Minister
des Innern Dr Möcklinghoff, für die Landesregierung des Landes
Nordrhein-Westfalen Leitender Ministerialrat Dr Rombach, für die
Landesregierung Rheinland-Pfalz Staatssekretär Prof Dr Rudolf und
für die Landesregierung Schleswig-Holstein der Minister des Innern
Claussen. Ferner haben Stellung genommen der Bundesbeauftragte
für den Datenschutz Dr Baumann, die Landesbeauftragte für den
Datenschutz Baden-Württemberg Frau Dr Leuze, der Bayerische
Landesbeauftragte für Datenschutz Dr Stollreither, der
Landesbeauftragte für den Datenschutz der Freien Hansestadt
Bremen Büllesbach, der Hamburgische Datenschutzbeauftragte
Schapper, der Hessische Datenschutzbeauftragte Prof Dr Simitis, der
Landesbeauftragte für den Datenschutz Nordrhein-Westfalen Dr
Weyer und für die Datenschutzkommission Rheinland-Pfalz deren
geschäftsführendes Mitglied, Direktor beim Landtag Becker.
B:
Die Verfassungsbeschwerden sind im wesentlichen zulässig.
Eine für alle geltende Norm kann ein einzelner Staatsbürger nach
ständiger Rechtsprechung nur dann direkt mit der
Verfassungsbeschwerde angreifen, wenn er durch diese Bestimmung
selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen
ist (BVerfGE 40, 141 [156]; 43, 291 [385]; 50, 290 [319]; 58, 81
[104]; 59, 1 [17f.]; 60, 360 [370]).
I.
Die Beschwerdeführer sind nicht alle von sämtlichen Vorschriften
des Gesetzes selbst betroffen.
Die Frage nach der Eigenschaft als Anstaltsinsasse nach § 2 Nr 8
VZG 1983 betrifft keinen der Beschwerdeführer, da sie weder
Insassen einer Anstalt noch als Anstaltsleiter auskunftspflichtig sind
(§ 5 Abs. 1 Nr 1 VZG 1983). In soweit sind alle
Verfassungsbeschwerden unzulässig.
Hinsichtlich der gebäudestatistischen Fragen nach § 3 Abs. 1 VZG
1983 sind nur Gebäudeeigentümer und ihnen gleichgestellte Personen
auskunftspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr 2 VZG 1983). Davon ist nach den
Beschwerdevorbringen allein der Beschwerdeführer zu a) als
Eigentümer einer Eigentumswohnung betroffen. Für die
Arbeitsstättenzählung nach § 4 VZG 1983 sind nur die Inhaber oder
Leiter der Arbeitsstätten und Unternehmen auskunftspflichtig (§ 5
Abs. 1 Nr 4 VZG 1983). Diese Regelung betrifft nur die
beschwerdeführenden Rechtsanwältinnen zu b) und die
beschwerdeführenden Rechtsanwälte zu e 1) bis e 4), e 7) und e 9).
Die übrigen Verfassungsbeschwerden sind unzulässig, soweit sie sich
gegen § 3 Abs. 1 und § 4 VZG 1983 richten.
II.
Soweit die Beschwerdeführer durch das Volkszählungsgesetz 1983
selbst betroffen sind, besteht auch eine unmittelbare und
gegenwärtige Betroffenheit.
Allerdings fehlt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die unmittelbare Betroffenheit, wenn die Durchführung
der angegriffenen Vorschrift einen besonderen Vollziehungsakt der
Verwaltung erfordert. Denn in der Regel greift erst dieser
Vollziehungsakt in die Rechtssphäre des Bürgers ein; der gegen
diesen Eingriff gegebene Rechtsweg ermöglicht auch die
Nachprüfung der Verfassungsmäßigkeit des angewandten Gesetzes
(BVerfGE 58, 81 [104]; vgl BVerfGE 59, 1 [17]; 60, 360 [369 f.]).
Zur Durchführung des Volkszählungsgesetzes 1983 bedurfte es der
Aufforderung zur Auskunftserteilung; erst hierdurch konnte die
Rechtssphäre der Beschwerdeführer betroffen werden (vgl § 5 Abs.
2 VZG 1983). Gegen diesen Vollzugsakt wäre der Rechtsweg vor
den Verwaltungsgerichten eröffnet gewesen. Dies steht jedoch der
Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden nicht entgegen.
In besonders gelagerten Fällen hat das Bundesverfassungsgericht die
Zulässigkeit einer unmittelbar gegen das Gesetz gerichteten
Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise vor Erlaß des
Vollziehungsaktes bejaht, wenn das Gesetz die Normadressaten
bereits gegenwärtig zu später nicht mehr korrigierbaren
Entscheidungen zwingt oder schon jetzt zu Dispositionen veranlaßt,
die sie nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen
können (BVerfGE 60, 360 [372] m. w. N.). Auch die unmittelbar gegen
das Volkszählungsgesetz 1983 gerichteten Verfassungsbeschwerden
sind ausnahmsweise bereits vor Erlaß des Vollziehungsaktes
zulässig.
Dieses Gesetz war gegenüber allen Bürgers innerhalb eines sehr
kurzen Zeitraumes zu vollziehen. Die Erhebungsbogen sollten vom
18. April 1983 an ausgeteilt und bis Anfang Mai 1983 wieder
eingesammelt werden. Zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes
vor den Verwaltungsgerichten hätte daher nur ein Zeitraum von etwa
zwei Wochen zur Verfügung gestanden. In dieser knapp bemessenen
Zeitspanne hätten sich die Gerichte der Problematik nicht so
annehmen können, daß eine für das Bundesverfassungsgericht
wesentliche Vorklärung hätte erwartet werden können. Gleichwohl wäre gegen ablehnende Entscheidungen im
Verfahren nach § 80 Abs. 5, § 123, § 146 Abs. 1 VwGO die
Verfassungsbeschwerde zulässig gewesen (vgl BVerfGE 51, 130
[138 ff.]; 53, 30 [49, 52]; 173 [190]). Jedenfalls wäre, nachdem die
Aufforderung zur Auskunftserteilung auf dem Verwaltungsrechtsweg
angefochten war, eine verfassungsgerichtliche Entscheidung vor
Erschöpfung des Rechtswegs nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG in
Betracht gekommen (vgl BVerfGE 59, 1 [19 f.]). Das
Bundesverfassungsgericht hätte sich dann jedoch mit zahlreichen,
möglicherweise einander widersprechenden verwaltungsgerichtlichen
Entscheidungen auseinandersetzen müssen. Es hätte außerdem
dadurch Rechtsunsicherheit drohen können, daß einige Gerichte den
Betroffenen vorläufigen Rechtsschutz gewährt hätten, andere
dagegen nicht. Unter diesen Umständen wäre das
Subsidiaritätsprinzip, welches den Bürger grundsätzlich zunächst an
die Fachgerichte verweist, geradezu in sein Gegenteil verkehrt
worden: Es hätte nicht mehr dazu gedient, das
Bundesverfassungsgericht zu entlasten und ihm die Fallanschauung
der Fachgerichte zu vermitteln, sondern es einem sachlich und
zeitlich besonders hohen Entscheidungsdruck ausgesetzt. Bei dieser
Sachlage konnten die Beschwerdeführer das Gesetz mit der
Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise unmittelbar angreifen.
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind - soweit zulässig - teilweise
begründet.
I.
Soweit den Beschwerdeführern durch § 5 Abs. 1 VZG 1983
unmittelbar eine Auskunftspflicht zu bestimmten, in den §§ 2 bis 4
VZG 1983 im einzelnen aufgeführten Sachverhalten auferlegt wird,
werden sie dadurch nicht in ihren Grundrechten aus Art 4, 5 und 13
GG verletzt.
1. Die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben (§ 5 Abs. 1 Nr
1 VZG 1983 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 BStatG) über die
rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft (§ 2 Nr 1 VZG 1983) verstößt nicht gegen das
Grundrecht der Beschwerdeführer auf Bekenntnisfreiheit (Art 4 Abs.
1 GG). Zur Bekenntnisfreiheit gehört nicht nur das Recht, seine
religiöse Überzeugung zu bekennen, sondern auch zu schweigen,
wie dies durch Art 140 GG in Verbindung mit Art 136 Abs. 3 der
Weimarer Reichsverfassung (WRV) besonders anerkannt ist. Diese
negative Bekenntnisfreiheit wird aber durch den Vorbehalt des Art
136 Abs. 3 Satz 2 WRV eingeschränkt, der es den Behörden
gestattet, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu
fragen, wenn davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine
gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. Eine
solche zulässige Ausnahme liegt hier vor, da es sich um eine
gesetzlich angeordnete statistische Erhebung für Bundeszwecke (Art
73 Nr 11 GG) handelt.
Für die Beurteilung der Bundeskompetenz ist entscheidend, ob die
Erhebung der Erfüllung einer Bundesaufgabe dient. Diese
Voraussetzung ist nach der Begründung des Gesetzentwurfs gegeben,
weil die Ergebnisse der Erhebung über die Religionszugehörigkeit
wichtige Informationen für das Verhalten von Bund und Ländern
darstellen (vgl BTDrucks 9/451, S 9). Ferner ist die Staatspraxis zu
berücksichtigen, der bei der Ermittlung des Umfanges einer
Kompetenznorm wesentliche Bedeutung zukommt (vgl BVerfGE 41,
205 [220]). Danach kann in den Programmen für Bundesstatistiken
auch statistischen Anforderungen der Länder Rechnung getragen
werden, weil sich Gesetzeszuständigkeiten,
Verwaltungszuständigkeiten und Planungszuständigkeiten von Bund
und Ländern vielfältig überschneiden. Nach der bisherigen
Staatspraxis wurden bei Volkszählungen nicht nur unter der Geltung
der Weimarer Reichsverfassung, sondern auch des Grundgesetzes
Angaben über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer
Religionsgesellschaft verlangt. So waren entsprechende Fragen
bereits nach § 5 Satz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt I des
Volkszählungsgesetzes vom 27. Juli 1950 (BGBl I S 335), nach § 3
Nr 1 Buchst a in Verbindung mit § 6 Nr 1 des
Volkszählungsgesetzes vom 13. April 1961 (BGBl I S 437) und nach
§ 2 Nr. 1
in Verbindung mit § 5 Nr 1 des Volkszählungsgesetzes vom 14.
April 1969 (BGBl I S 292) vorgesehen. Bei dieser Sachlage war der
Bund befugt, die Erhebung der Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft gesetzlich
anzuordnen.
2. Durch die Vorschriften des Volkszählungsgesetzes 1983 wird
auch nicht gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung
(Art 13 Abs. 1 GG) verstoßen.
Dieses Grundrecht ist nicht - wie einige Beschwerdeführer meinen -
deshalb verletzt, weil sie nach § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 5
Abs. 1 Nr 3 VZG 1983 gezwungen sind, ihre privaten
Wohnverhältnisse offenzulegen. Wohnung im Sinne des Art 13 GG
ist allein die räumliche Privatsphäre (BVerfGE 32, 54 [72]). Das
Grundrecht normiert für die öffentliche Gewalt ein grundsätzliches
Verbot des Eindringens in die Wohnung oder des Verweilens darin
gegen den Willen des Wohnungsinhabers. Dazu gehören etwa der
Einbau von Abhörgeräten und ihre Benutzung in der Wohnung, nicht
aber Erhebung und die Einholung von Auskünften, die ohne
Eindringen oder Verweilen in der Wohnung vorgenommen werden
können. Sie werden von Art 13 GG nicht erfaßt. Die nach § 4 Abs.
2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr 3 VZG 1983 vorgeschriebene
Auskunftspflicht über wohnungsstatistische Fragen ist mit einem
zwangsweisen Eindringen oder Verweilen in der Wohnung der
Auskunftspflichtigen nicht verbunden.
3. Die Verpflichtung zur Auskunft zu bestimmten, in den §§ 2 bis 4
VZG 1983 im einzelnen aufgeführten Sachverhalten verstößt auch
nicht gegen das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art 5
Abs. 1 Satz 1 GG).
Der Auffassung, die durch Art 5 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit,
seine Meinung nicht zu äußern (negative
Meinungsäußerungsfreiheit), schütze auch gegenüber der Ermittlung,
Speicherung und Weitergabe von Tatsachen, so daß der
grundrechtliche Schutz vor Informationseingriffen ausschließlich
durch Art 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet werde, kann nicht
gefolgt werden. Ein solcher Schutz würde von vornherein bei
Informationseingriffen durch Datenerhebungen versagen, die bei
Dritten oder durch heimliche Beobachtungen (Observationen)
vorgenommen werden. An einer Meinungsäußerung fehlt es aber
auch, wenn der Betroffene selbst Angaben zu einer statistischen
Erhebung macht.
Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer
"Meinung" vom Schutz des Grundrechts umfaßt wird, ist das
Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im
Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung; auf den Wert, die
Richtigkeit, die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an. Die
Mitteilung einer Tatsache ist im strengen Sinne keine Äußerung
einer "Meinung", weil ihr jedes Element fehlt. Durch das
Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist sie nur,
soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen ist, welche
Art 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet (BVerfGE 61, 1
[8 f.]). Demgegenüber sind Angaben im Rahmen statistischer
Erhebungen wie denen des Volkszählungsgesetzes 1983 reine
Tatsachenmitteilungen, die mit Meinungsbildung nichts zu tun
haben.
II.
Prüfungsmaßstab ist in erster Linie das durch Art 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine
Persönlichkeitsrecht.
1. a) Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert
und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied
einer freien Gesellschaft wirkt. Ihrem Schutz dient - neben speziellen
Freiheitsverbürgungen - das in Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art
1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht, das
gerade auch im Blick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen
verbundenen neuen Gefährdungen der menschlichen Persönlichkeit
Bedeutung gewinnen kann (vgl BVerfGE 54, 148 [153]). Die
bisherigen Konkretisierungen durch die Rechtsprechung umschreiben
den Inhalt des Persönlichkeitsrechts nicht abschließend. Es umfaßt -
wie bereits in der
Entscheidung BVerfGE 54, 148 [155] unter Fortführung früherer Entscheidungen (BVerfGE 27, 1 [6] - Mikrozensus; 27, 344 [350 f.] -
Scheidungsakten; 32, 373 [379] - Arztkartei; 35, 202 [220] -
Lebach; 44, 353 [372 f.] - Suchtkrankenberatungsstelle) angedeutet
worden ist - auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung
folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu
entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche
Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl ferner BVerfGE 56, 37
[41 ff.] - Selbstbezichtigung; 63, 131 [142 f.] - Gegendarstellung).
Diese Befugnis bedarf unter den heutigen und künftigen
Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung in besonderem
Maße des Schutzes. Sie ist vor allem deshalb gefährdet, weil bei
Entscheidungsprozessen nicht mehr wie früher auf manuell
zusammengetragene Karteien und Akten zurückgegriffen werden
muß, vielmehr heute mit Hilfe der automatischen Datenverarbeitung
Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren Person (personenbezogene Daten
(vgl § 2 Abs. 1 BDSG)) technisch gesehen unbegrenzt speicherbar
und jederzeit ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle
abrufbar sind. Sie können darüber hinaus - vor allem beim Aufbau
integrierter Informationssysteme - mit anderen Datensammlungen zu
einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild
zusammengefügt werden, ohne daß der Betroffene dessen Richtigkeit
und Verwendung zureichend kontrollieren kann. Damit haben sich in
einer bisher unbekannten Weise die Möglichkeiten einer
Einsichtnahme und Einflußnahme erweitert, welche auf das
Verhalten des Einzelnen schon durch den psychischen Druck
öffentlicher Anteilnahme einzuwirken vermögen.
Individuelle Selbstbestimmung setzt aber - auch unter den
Bedingungen moderner Informationsverarbeitungstechnologien -
voraus, daß dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über
vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der
Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung
tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit
überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in
bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer
das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen
abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt
werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu
entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung
wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende
Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen
können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.
Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert
und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder
weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche
Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, daß etwa die
Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative
behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen
können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner
entsprechenden Grundrechte (Art 8, 9 GG) verzichten. Dies würde
nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen
beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil
Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf
Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger
begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.
Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den
modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des
Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung
und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist
daher von dem Grundrecht des Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art
1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die
Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und
Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.
b) Dieses Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" ist nicht
schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht im
Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über
"seine" Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen
Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene
Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist,
stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem
Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Grundgesetz hat,
wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehrfach
hervorgehoben ist, die Spannung Individuum - Gemeinschaft im
Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit
der Person entschieden (BVerfGE 4, 7 [15]; 8, 274 [329]; 27, 1 [7];
27, 344 [351 f.]; 33, 303 [334]; 50, 290 [353]; 56, 37 [49]).
Grundsätzlich muß daher der Einzelne Einschränkungen seines
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden
Allgemeininteresse hinnehmen.
Diese Beschränkungen bedürfen nach Art 2 Abs. 1 GG - wie in § 6
Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes auch zutreffend anerkannt worden
ist - einer (verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage, aus der sich
die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und
für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem
rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (BVerfGE 45,
400 [420] m. w. N.). Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser mit
Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz folgt bereits aus dem
Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen
Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der
öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden dürfen, als
es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist (BVerfGE 19,
342 [348]; st Rspr). Angesichts der bereits dargelegten
Gefährdungen durch die Nutzung der automatischen
Datenverarbeitung hat der Gesetzgeber mehr als früher auch
organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen,
welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts
entgegenwirken (vgl BVerfGE 53, 30 [65]; 63, 131 [143]).
2. Die Verfassungsbeschwerden geben keinen Anlaß zur
erschöpfenden Erörterung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zu entscheiden ist nur über die Tragweite dieses
Rechts für Eingriffe, durch welche der Staat die Angabe
personenbezogener Daten vom Bürger verlangt. Dabei kann nicht
allein auf die Art der Angaben abgestellt werden. Entscheidend sind
ihre Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit. Diese hängen
einerseits von dem Zweck, dem die Erhebung dient, und andererseits
von den der Informationstechnologie eigenen
Verarbeitungsmöglichkeiten und Verknüpfungsmöglichkeiten ab.
Dadurch kann ein für sich gesehen belangloses Datum einen neuen
Stellenwert bekommen; insoweit gibt es unter den Bedingungen der
automatischen Datenverarbeitung kein "belangloses" Datum mehr.
Wieweit Informationen sensibel sind, kann hiernach nicht allein
davon abhängen, ob sie intime Vorgänge betreffen. Vielmehr bedarf
es zur Feststellung der persönlichkeitsrechtlichen Bedeutung eines
Datums der Kenntnis seines Verwendungszusammenhangs: Erst
wenn Klarheit darüber besteht, zu welchem Zweck Angaben verlangt
werden und welche Verknüpfungsmöglichkeiten und
Verwendungsmöglichkeiten bestehen, läßt sich die Frage einer
zulässigen Beschränkung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung beantworten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen
personenbezogenen Daten, die in individualisierter, nicht
anonymisierter Form erhoben und verarbeitet werden (dazu unter a),
und solchen, die für statistische Zwecke bestimmt sind (dazu unter
b).
a) Schon bislang ist anerkannt, daß die zwangsweise Erhebung
personenbezogener Daten nicht unbeschränkt statthaft ist, namentlich
dann, wenn solche Daten für den Verwaltungsvollzug (etwa bei der
Besteuerung oder der Gewährung von Sozialleistungen) verwendet
werden sollen. Insoweit hat der Gesetzgeber bereits
verschiedenartige Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen
vorgesehen, die in die verfassungsrechtlich gebotene Richtung
weisen (vgl beispielsweise die Regelungen in den
Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder; §§ 30, 31 der
Abgabenordnung - AO -; § 35 des Ersten Buches des
Sozialgesetzbuches - SGB I - in Verbindung mit §§ 67 bis 86 SGB
X). Wieweit das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung und im Zusammenhang
damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Pflicht zu
verfahrensrechtlichen Vorkehrungen den Gesetzgeber zu diesen
Regelungen von Verfassungs wegen zwingen, hängt von Art,
Umfang und denkbaren Verwendungen der erhobenen Daten sowie
der Gefahr ihres Mißbrauchs ab (vgl BVerfGE 49, 89 [142]; 53, 30
[61]). Ein überwiegendes Allgemeininteresse wird regelmäßig
überhaupt nur an Daten mit Sozialbezug bestehen unter Ausschluß
unzumutbarer intimer Angaben und von Selbstbezichtigungen. Nach
dem bisherigen Erkenntnisstand und Erfahrungsstand erscheinen vor
allem folgende Maßnahmen bedeutsam:
Ein Zwang zur Angabe personenbezogener Daten setzt voraus, daß
der Gesetzgeber den Verwendungszweck bereichsspezifisch und
präzise bestimmt und daß die Angaben für diesen Zweck geeignet
und erforderlich sind. Damit wäre die Sammlung nicht
anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht
bestimmbaren Zwecken nicht zu vereinbaren. Auch werden sich alle
Stellen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten
sammeln, auf das zum Erreichen des angegebenen Zieles
erforderliche Minimum beschränken müssen.
Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck
begrenzt. Schon angesichts der Gefahren der automatischen
Datenverarbeitung ist ein - amtshilfefester - Schutz gegen
Zweckentfremdung durch Weitergabeverbote und
Verwertungsverbote erforderlich. Als weitere verfahrensrechtliche
Schutzvorkehrungen sind Aufklärungspflichten, Auskunftspflichten
und Löschungspflichten wesentlich.
Wegen der für den Bürger bestehenden Undurchsichtigkeit der
Speicherung und Verwendung von Daten unter den Bedingungen der
automatischen Datenverarbeitung und auch im Interesse eines
vorgezogenen Rechtsschutzes durch rechtzeitige Vorkehrungen ist
die Beteiligung unabhängiger Datenschutzbeauftragter von
erheblicher Bedeutung für einen effektiven Schutz des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung.
b) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten für statistische
Zwecke weisen Besonderheiten auf, die bei der
verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht außer acht bleiben können.
aa) Die Statistik hat erhebliche Bedeutung für eine staatliche Politik,
die den Prinzipien und Richtlinien des Grundgesetzes verpflichtet ist.
Wenn die ökonomische und soziale Entwicklung nicht als
unabänderliches Schicksal hingenommen, sondern als permanente
Aufgabe verstanden werden soll, bedarf es einer umfassenden,
kontinuierlichen sowie laufend aktualisierten Information über die
wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zusammenhänge. Erst
die Kenntnis der relevanten Daten und die Möglichkeit, die durch sie
vermittelten Informationen mit Hilfe der Chancen, die eine
automatische Datenverarbeitung bietet, für die Statistik zu nutzen,
schafft die für eine am Sozialstaatsprinzip orientierte staatliche
Politik unentbehrliche Handlungsgrundlage (vgl BVerfGE 27, 1 [9]).
Bei der Datenerhebung für statistische Zwecke kann eine enge und
konkrete Zweckbindung der Daten nicht verlangt werden. es gehört
zum Wesen der Statistik, daß die Daten nach ihrer statistischen
Aufbereitung für die verschiedensten, nicht von vornherein
bestimmbaren Aufgaben verwendet werden sollen; demgemäß
besteht auch ein Bedürfnis nach Vorratsspeicherung. Das Gebot
einer konkreten Zweckumschreibung und das strikte Verbot der
Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat kann nur für
Datenerhebungen zu nichtstatistischen Zwecken gelten, nicht jedoch
bei einer Volkszählung, die eine gesicherte Datenbasis für weitere
statistische Untersuchungen ebenso wie für den politischen
Planungsprozeß durch eine verläßliche Feststellung der Zahl und der
Sozialstruktur der Bevölkerung vermitteln soll. Die Volkszählung
muß Mehrzweckerhebung und Mehrzweckverarbeitung, also
Datensammlung und Datenspeicherung auf Vorrat sein, wenn der
Staat den Entwicklungen der industriellen Gesellschaft nicht
unvorbereitet begegnen soll. Auch wären Weitergabeverbote und
Verwertungsverbote für statistisch aufbereitete Daten zweckwidrig.
bb) Ist die Vielfalt der Verwendungsmöglichkeiten und
Verknüpfungsmöglichkeiten damit bei der Statistik von der Natur der
Sache her nicht im voraus bestimmbar, müssen der
Informationserhebung und Informationsverarbeitung innerhalb des
Informationssystems zum Ausgleich entsprechende Schranken
gegenüberstehen. Es müssen klar definierte
Verarbeitungsvoraussetzungen geschaffen werden, die sicherstellen,
daß der Einzelne unter den Bedingungen einer automatischen
Erhebung und Verarbeitung der seine Person betreffenden Angaben
nicht zum bloßen Informationsobjekt wird. Beides, die mangelnde
Anbindung an einen bestimmten, jederzeit erkennbaren und
nachvollziehbaren Zweck sowie die multifunktionale Verwendung
der Daten, verstärkt die Tendenzen, welche durch die
Datenschutzgesetze aufgefangen und eingeschränkt werden sollen,
die das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf informationelle
Selbstbestimmung konkretisieren. Gerade weil es von vornherein an
zweckorientierten Schranken fehlt, die den Datensatz eingrenzen,
bringen Volkszählungen tendenziell die schon im
Mikrozensus-Beschluß (BVerfGE 27, 1 [6]) hervorgehobene Gefahr
einer persönlichkeitsfeindlichen Registrierung und Katalogisierung
des Einzelnen mit sich. Deshalb sind an die Datenerhebung und
Datenverarbeitung für statistische Zwecke besondere Anforderungen
zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der auskunftspflichtigen Bürger
zu stellen.
Unbeschadet des multifunktionalen Charakters der Datenerhebung
und Datenverarbeitung zu statistischen Zwecken ist Voraussetzung,
daß diese allein als Hilfe zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben
erfolgen. Es kann auch hier nicht jede Angabe verlangt werden.
Selbst bei der Erhebung von Einzelangaben, die für statistische
Zwecke gebraucht werden, muß der Gesetzgeber schon bei der
Anordnung der Auskunftspflicht prüfen, ob sie insbesondere für den
Betroffenen die Gefahr der sozialen Abstempelung (etwa als
Drogensüchtiger, Vorbestrafter, Geisteskranker, Asozialer)
hervorrufen können und ob das Ziel der Erhebung nicht auch durch
eine anonymisierte Ermittlung erreicht werden kann. Dies dürfte
beispielsweise bei dem in § 2 Nr 8 VZG 1983 geregelten Erhebungstatbestand der Fall sein, wonach die Volkszählung
und Berufszählung im Anstaltsbereich die Eigenschaft als Insasse
oder die Zugehörigkeit zum Personal oder zum Kreis der
Angehörigen des Personals erfaßt. Diese Erhebung soll
Anhaltspunkte über die Belegung der Anstalten liefern (BTDrucks
9/451, S 9). Ein solches Ziel ist - abgesehen von der Gefahr sozialer
Etikettierung - auch ohne Personenbezug zu erreichen. Es genügt,
daß der Leiter der Anstalt verpflichtet wird, zum Stichtag der
Volkszählung die zahlenmäßige Belegung nach den in § 2 Nr 8 VZG
1983 aufgeführten Merkmalen ohne jeden Bezug auf die einzelne
Person mitzuteilen. Eine personenbezogene Erhebung des
Tatbestandes des § 2 Nr 8 VZG 1983 wäre deshalb von vornherein
ein Verstoß gegen das durch Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1
Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht.
Zur Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
bedarf es ferner besonderer Vorkehrungen für Durchführung und
Organisation der Datenerhebung und Datenverarbeitung, da die
Informationen während der Phase der Erhebung - und zum Teil auch
während der Speicherung - noch individualisierbar sind; zugleich
sind Löschungsregelungen für solche Angaben erforderlich, die als
Hilfsangaben (Identifikationsmerkmale) verlangt wurden und die eine
Deanonymisierung leicht ermöglichen würden, wie Name, Anschrift,
Kennummer und Zählerliste (vgl auch § 11 Abs. 7 Satz 1 BStatG).
Von besonderer Bedeutung für statistische Erhebungen sind
wirksame Abschottungsregelungen nach außen. Für den Schutz des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist - und zwar auch
schon für das Erhebungsverfahren - die strikte Geheimhaltung der zu
statistischen Zwecken erhobenen Einzelangaben unverzichtbar,
solange ein Personenbezug noch besteht oder herstellbar ist
(Statistikgeheimnis); das gleiche gilt für das Gebot einer möglichst
frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung, verbunden mit
Vorkehrungen gegen eine Deanonymisierung.
Erst die vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung geforderte
und gesetzlich abzusichernde Abschottung der Statistik
durch Anonymisierung der Daten und deren Geheimhaltung, soweit
sie zeitlich begrenzt noch einen Personenbezug aufweisen, öffnet den
Zugang der staatlichen Organe zu den für die Planungsaufgaben
erforderlichen Informationen. Nur unter dieser Voraussetzung kann
und darf vom Bürger erwartet werden, die von ihm zwangsweise
verlangten Auskünfte zu erteilen. Dürften personenbezogene Daten,
die zu statistischen Zwecken erhoben wurden, gegen den Willen
oder ohne Kenntnis des Betroffenen weitergeleitet werden, so würde
das nicht nur das verfassungsrechtlich gesicherte Recht auf
informationelle Selbstbestimmung unzulässig einschränken, sondern
auch die vom Grundgesetz selbst in Art 73 Nr 11 vorgesehene und
damit schutzwürdige amtliche Statistik gefährden. Für die
Funktionsfähigkeit der amtlichen Statistik ist ein möglichst hoher
Grad an Genauigkeit und Wahrheitsgehalt der erhobenen Daten
notwendig. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn bei dem
auskunftspflichtigen Bürger das notwendige Vertrauen in die
Abschottung seiner für statistische Zwecke erhobenen Daten
geschaffen wird, ohne welche seine Bereitschaft, wahrheitsgemäße
Angaben zu machen, nicht herzustellen ist (so bereits zutreffend die
Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des
Volkszählungsgesetzes 1950; vgl BTDrucks I/982, S 20 zu § 10).
Eine Staatspraxis, die sich nicht um die Bildung eines solchen
Vertrauens durch Offenlegung des Datenverarbeitungsprozesses und
strikte Abschottung bemühte, würde auf längere Sicht zu
schwindender Kooperationsbereitschaft führen, weil Mißtrauen
entstünde. Da staatlicher Zwang nur begrenzt wirksam werden kann,
wird ein die Interessen der Bürger überspielendes staatliches
Handeln allenfalls kurzfristig vorteilhaft erscheinen; auf Dauer
gesehen wird es zu einer Verringerung des Umfangs und der
Genauigkeit der Informationen führen (BTDrucks I/982, a.a.O.).
Läßt sich die hochindustrialisierte Gesellschaften kennzeichnende
ständige Zunahme an Komplexität der Umwelt nur mit Hilfe einer
zuverlässigen Statistik aufschlüsseln und für gezielte staatliche
Maßnahmen aufbereiten, so läuft die Gefährdung der amtlichen Statistik darauf hinaus, eine wichtige Voraussetzung sozialstaatlicher
Politik in Frage zu stellen. Kann damit nur durch eine Abschottung
der Statistik die Staatsaufgabe "Planung" gewährleistet werden, ist
das Prinzip der Geheimhaltung und möglichst frühzeitigen
Anonymisierung der Daten nicht nur zum Schutz des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen vom Grundgesetz
gefordert, sondern auch für die Statistik selbst konstitutiv.
cc) Wird den erörterten Anforderungen in wirksamer Weise
Rechnung getragen, ist die Erhebung von Daten zu ausschließlich
statistischen Zwecken nach dem derzeitigen Erkenntnisstand und
Erfahrungsstand verfassungsrechtlich unbedenklich. Es ist nicht
erkennbar, daß das Persönlichkeitsrecht der Bürger beeinträchtigt
werden könnte, wenn die erhobenen Daten nach ihrer
Anonymisierung oder statistischen Aufbereitung (vgl § 11 Abs. 5
und 6 BStatG) von Statistischen Ämtern anderen staatlichen Organen
oder sonstigen Stellen zur Verfügung gestellt werden.
Besondere Probleme wirft eine etwaige Übermittlung (Weitergabe)
der weder anonymisierten noch statistisch aufbereiteten, also noch
personenbezogenen Daten auf. Erhebungen zu statistischen Zwecken
umfassen auch individualisierte Angaben über den einzelnen Bürger,
die für die statistischen Zwecke nicht erforderlich sind und die -
davon muß der befragte Bürger ausgehen können - lediglich als
Hilfsmittel für das Erhebungsverfahren dienen. Alle diese Angaben
dürfen zwar kraft ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung
weitergeleitet werden, soweit und sofern dies zur statistischen
Aufbereitung durch andere Behörden geschieht und dabei die zum
Schutz des Persönlichkeitsrechts gebotenen Vorkehrungen,
insbesondere das Statistikgeheimnis und das Gebot der frühzeitigen
Anonymisierung, ebenso durch Organisation und Verfahren
zuverlässig sichergestellt sind wie bei den Statistischen Ämtern des
Bundes und der Länder. Eine Weitergabe der für statistische Zwecke
erhobenen, nicht anonymisierten oder statistisch aufbereiteten Daten
für Zwecke des Verwaltungsvollzugs kann hingegen in unzulässiger
Weise in das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung eingreifen (vgl ferner unten C IV
1).
III.
Den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt das
Erhebungsprogramm des Volkszählungsgesetzes 1980 im
wesentlichen. Gegenstand der Nachprüfung sind insoweit die §§ 2
bis 4 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Gesetzes mit Ausnahme der
Frage nach der Eigenschaft als Anstaltsinsasse oder der
Zugehörigkeit zum Anstaltspersonal (§ 2 Nr 8 in Verbindung mit § 5
Abs. 1 Nr 1 Halbsatz 2). Diese Vorschriften sind mit dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art 1 Abs. 1 GG mit der Maßgabe vereinbar, daß der Gesetzgeber
ergänzend für bisher fehlende grundrechtssichernde
Organisationsregelungen und Verfahrensregelungen sorgt und damit
die an eine Totalerhebung nach Art der Volkszählung 1983 zu
stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen gewährleistet.
1. Das Volkszählungsgesetz 1983 verpflichtet in § 5 die
Beschwerdeführer unter Androhung einer Geldbuße (§ 14 in
Verbindung mit § 10 BStatG) zur Auskunft über die in § 2 Nr 1 bis
7, §§ 3, 4 VZG 1983 genannten Erhebungstatbestände. Dadurch
greift es in das durch Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1
GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht ein. Die erhobenen Daten
sollen auch für künftige, zur Zeit der Erhebung noch nicht
vorhersehbare Aufgaben nutzbar sein. Diesen Informationseingriff
hat der Auskunftspflichtige hinzunehmen. Er erfolgt im
überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und genügt den Geboten
der Normenklarheit und der Verhältnismäßigkeit.
a) Das Erhebungsprogramm des Volkszählungsgesetzes 1983 führt
nicht zu einer mit der Würde des Menschen unvereinbaren
gänzlichen oder teilweisen Registrierung und Katalogisierung der
Persönlichkeit.
Volkszählungen, Wohnungszählungen, Berufszählungen und
Arbeitsstättenzählungen sollen nach der Begründung des
Regierungsentwurfs (BTDrucks.
9/451, S 7ff) Angaben über den neuesten Stand der Bevölkerung,
ihre räumliche Verteilung und ihre Zusammensetzung nach
demographischen und sozialen Merkmalen sowie über ihre
wirtschaftliche Betätigung, also im Ergebnis lediglich entpersönlichte
Aussagen liefern.
Das Erhebungsprogramm vermag zwar einzelne Lebensbereiche,
zum Beispiel den Wohnbereich des Bürgers, jedoch nicht dessen
Persönlichkeit abzubilden. Etwas anderes würde nur gelten, soweit
eine unbeschränkte Verknüpfung der erhobenen Daten mit den bei
den Verwaltungsbehörden vorhandenen, zum Teil sehr sensitiven
Datenbeständen oder gar die Erschließung eines derartigen
Datenverbundes durch ein einheitliches Personenkennzeichen oder
sonstiges Ordnungsmerkmal möglich wäre; denn eine umfassende
Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die
Zusammenführung einzelner Lebensdaten und Personaldaten zur
Erstellung von Persönlichkeitsprofilen der Bürger ist auch in der
Anonymität statistischer Erhebungen unzulässig (BVerfGE 27, 1
[6]). Derartigen Datenverbindungen - Totalabbildern - steht schon §
11 BStatG entgegen, der sogar die Übermittlung von nicht
anonymisierten Einzelangaben zwischen den mit der Durchführung
einer Bundesstatistik betrauten Personen und Stellen nur erlaubt,
soweit dies zur Erstellung der Bundesstatistik erforderlich ist (§ 11
Abs. 2 BStatG).
Die Zusammenführung von im Rahmen der Volkszählung 1983
erhobenen Daten oder deren Verbindung mit bei den Statistischen
Ämtern bereits vorhandenen Informationen ermöglicht es auch nicht,
Teilabbilder der Persönlichkeit anzufertigen, die mit der Würde des
Menschen nicht vereinbar sind. Einmal muß sich die Verarbeitung
und Verwendung der Daten innerhalb des mit der Bezeichnung als
Volkszählung, Berufszählung, Wohnungszählung und
Arbeitsstättenzählung gekennzeichneten und gesetzlich festgelegten
Zweckes der Befragung bewegen; zum anderen gilt der die amtliche
Statistik generell verpflichtende Grundsatz, daß die Aufbereitung der
Individualdaten immer zu einer "strukturierten" - anonymen - Form
führen muß, so daß im Ergebnis die Erstellung von "Bildern" mit Persönlichkeitsbezug auch in der Form von
Teilabbildern unzulässig ist.
b) Das Erhebungsprogramm des Volkszählungsgesetzes 1983 genügt
auch dem Gebot der Normenklarheit.
Hinreichend bestimmt ist ein Gesetz, wenn sein Zweck aus dem
Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich wird
(BVerfGE 27, 1 [8]); dabei reicht es aus, wenn sich der
Gesetzeszweck aus dem Zusammenhang ergibt, in dem der Text des
Gesetzes zu dem zu regelnden Lebensbereich steht (vgl BVerfGE 62,
169 [183f]). Diesen Anforderungen genügt die Beschreibung der zu
erhebenden Merkmale im Volkszählungsgesetz 1983; der Bürger
kann erkennen, über welche Grundtatbestände der Sozialstruktur er
befragt werden soll. Die Hauptzwecke lassen sich aus der Art der
Erhebung - einer Volkszählung, Berufszählung, Wohnungszählung
und Arbeitsstättenzählung -, dem Erhebungsprogramm und den
Gesetzesmaterialien hinreichend deutlich entnehmen. Nicht
erforderlich ist, daß der Gesetzgeber zu jeder einzelnen gesetzlichen
Verpflichtung auch den konkreten Zweck im Gesetz selbst erläutert.
Dies gilt namentlich mit Rücksicht auf die Besonderheiten der
Erhebung von Daten für statistische Zwecke, zumal bei einer
Volkszählung; hier ist eine Auflistung der einzelnen Zwecke
aufgrund ihrer multifunktionalen Zielsetzung unmöglich.
c) Das Erhebungsprogramm des Volkszählungsgesetzes 1983
entspricht, soweit es Prüfungsgegenstand ist, auch dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit. Danach muß eine Maßnahme zur
Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sein;
der mit ihr verbundene Eingriff darf seiner Intensität nach nicht
außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Bürger
hinzunehmenden Einbußen stehen (vgl BVerfGE 27, 344 [352 f.]; st.
Rspr).
Das Volkszählungsgesetz 1983 soll dem Staat die für künftiges
Planen und Handeln benötigten Informationen verschaffen. Als
Vorbedingung für die Planmäßigkeit staatlichen Handelns (vgl
BVerfGE 27, 1 [7]) dient die Volkszählung 1983 einem einleuchtenden, zur Erfüllung legitimer Staatsaufgaben angestrebten Zweck.
Mit dem eingesetzten Mittel der Volkszählung als Totalerhebung
[Vollerhebung) und dem Fragenkatalog des § 2 Nr 1 bis 7 und der
§§ 3, 4 VZG 1983 ist die Bundesrepublik Deutschland ihrer
Verpflichtung aufgrund der Richtlinien des Rates der Europäischen
Gemeinschaften vom 22. November 1973 zur Synchronisierung der
allgemeinen Volkszählungen - 73/403/EWG - (ABlEG Nr L 347
vom 17.12.1973, S 50) nachgekommen. Erhebungsmethode und
Erhebungsprogramm sind geeignet und erforderlich, um den
angestrebten Zweck zu erreichen, und für die Auskunftspflichtigen
zumutbar.
aa) Es ist derzeit nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber davon
ausgegangen ist, daß Erhebungen aufgrund von Stichproben auf
ausnahmslos freiwilliger Basis oder eine Kombination von
Vollprobenerhebung und Stichprobenerhebung die Volkszählung als
Totalerhebung nicht zu ersetzen vermögen. Diese Alternativen zu
einer Totalerhebung sind noch mit zu großen Fehlerquellen behaftet.
Außerdem setzen sie verläßliche Daten über die Gesamtbevölkerung
voraus, die zur Zeit nur periodische Volkszählungen liefern können.
Diese Würdigung beruht auf dem gegenwärtigen Erkenntnisstand
und Erfahrungsstand. Vor künftigen Entscheidungen für eine
Erhebung wird sich der Gesetzgeber erneut mit dem dann erreichten
Stand der Methodendiskussion auseinandersetzen müssen, um
festzustellen, ob und in welchem Umfang die herkömmlichen
Methoden der Informationserhebung und Informationsverarbeitung
beibehalten werden können. Die Methoden der amtlichen Statistik
und der Sozialforschung entwickeln sich stetig weiter. Diese
Entwicklung darf der Gesetzgeber nicht unberücksichtigt lassen. Er
muß ungewissen Auswirkungen eines Gesetzes dadurch Rechnung
tragen, daß er die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpft,
um die Auswirkungen so zuverlässig wie möglich abschätzen zu
können (BVerfGE 50, 290 [334]); bei einer sich später zeigenden
Fehlprognose ist er zur Korrektur verpflichtet (vgl. BVerfGE,
a.a.O. [335]). Der Gesetzgeber kann aufgrund veränderter Umstände
zur Nachbesserung einer ursprünglich verfassungsgemäßen Regelung
gehalten sein (vgl BVerfGE 56, 54 [78f] mwN). Ebenso muß er bei
der Anordnung einer statistischen Erhebung anhand des erreichbaren
Materials prüfen, ob eine Totalerhebung trotz einer inzwischen
fortgeschrittenen Entwicklung der statistischen und
sozialwissenschaftlichen Methoden noch verhältnismäßig ist. Es
reicht insoweit zur Begründung nicht aus, lediglich darauf zu
verweisen, daß Volkszählungen schon immer in Form von
Totalerhebungen durchgeführt worden seien.
In diesem Sinne hat der Deutsche Bundestag in einem Beschluß vom
15. Dezember 1982 zum Gesetz über die Durchführung einer
Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens
(Mikrozensusgesetz) die Bundesregierung ersucht darzulegen
(BTDrucks 9/2261, S 3),
1. in welchem Umfang auf Erhebungen nach dem
Mikrozensusgesetz wegen Reduzierung oder Wegfalls der sachlichen
Notwendigkeit dieser Erhebung verzichtet werden kann,
2. in welchem Umfang Erhebungen nach dem Mikrozensusgesetz
durch weniger kostenintensive und gleichwertige oder bessere
Umfragemethoden ersetzt werden können.
Dabei sollen auch die neuesten Erkenntnisse der empirischen
Sozialforschung und die Erfahrungen mit statistischen Erhebungen
im Ausland bewertet und sofern sie auf anderen Systemen beruhen,
ihre Geeignetheit für die Bundesrepublik Deutschland geprüft
werden.
Wie aus den Stellungnahmen mehrerer Datenschutzbeauftragter
hervorgeht, wird neuerdings im Inland und Ausland diskutiert, ob
auf Totalerhebungen verzichtet werden kann. Diese Diskussion wird
der Gesetzgeber aufmerksam zu verfolgen haben. Zur Zeit liegen
aber noch keine sicheren Ergebnisse vor, die das Mittel der
Totalerhebung schon jetzt unverhältnismäßig erscheinen lassen.
bb) Auch die Übernahme sämtlicher Daten aus bereits vorhandenen
Dateien der Verwaltung ist keine zulässige Alternative zu der
vorgesehenen Totalzählung. Denn die Nutzung von Daten aus
verschiedenen Registern und Dateien würde voraussetzen,
daß technische, organisatorische und rechtliche Maßnahmen
getroffen werden, die es erst erlauben, diese Daten, bezogen auf
bestimmte Personen oder Institutionen, zusammenzuführen. Eine
solche Maßnahme wäre zum Beispiel die Einführung eines
einheitlichen, für alle Register und Dateien geltenden
Personenkennzeichens oder dessen Substituts. Dies wäre aber gerade
ein entscheidender Schritt, den einzelnen Bürger in seiner ganzen
Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren. Die
Verknüpfung vorhandener Dateien wäre danach auch nicht das
mildere Mittel.
cc) Auch die bei Wahlen und Abstimmungen geläufigen, der
Briefwahl nachgebildeten und damit anonymeren Erhebungsformen
sind allgemein kein Ersatz für die vorgesehene Zählung.
Eine vollständige und regional richtige Feststellung der Einwohner,
Gebäude, Wohnungen und Arbeitsstätten setzt eine Begehung des
Gemeindegebietes voraus. Ein Postversand der Fragebogen erreicht
nicht alle Auskunftspflichtigen. Denn es müßte hierbei auf Adressen
in vorhandenen Registern zurückgegriffen werden, die in aller Regel die Situation am Zählungsstichtag nicht vollständig wiedergeben.
Ein gegenüber dem bisher vorgesehenen Volkszählungsverfahren
milderes Mittel besteht jedoch darin, die Zähler die Fragebogen
lediglich austeilen und eine Adressenliste anlegen zu lassen, in der
Namen und Anschriften der Auskunftspflichtigen aufgeführt sind, die
Fragebogen erhalten haben. Die Auskunftspflichtigen hätten dann die
ausgefüllten Bögen in verschlossenem Umschlag dem Zähler zu
übergeben, bei der Zählungsdienststelle abzugeben oder an diese
zurückzusenden. Diese Erhebungsmethode vermeidet die
Gefährdungen, die durch die Einsichtnahme der Zähler in die
personenbezogenen Angaben der Bürger entstehen. Sie
berücksichtigt andererseits, daß zur vollständigen und richtigen
Zählung das Gemeindegebiet begangen werden muß, und ermöglicht
es, Unstimmigkeiten durch Rückfragen zu klären.
Eine solche Erhebungsmethode läßt § 5 Abs. 1 VZG 1983 in
Verbindung mit § 10 Abs. 2 und 3 BStatG zu. Die Auskunftspflicht besteht nach § 10 Abs. 2 BStatG gegenüber den mit der
Durchführung der Bundesstatistik amtlich betrauten Stellen und
Personen. Nach § 10 Abs. 3 BStatG ist die Antwort unter anderem
kostenfrei und portofrei zu erteilen. Die Auskunftspflicht kann somit
auf dem Postwege erfüllt werden; der Bürger ist berechtigt, den
Erhebungsbogen zur Volkszählung im verschlossenen Umschlag
kostenfrei und portofrei an die Zählungsdienststellen zu senden. Eine
andere Auslegung hätte zur Folge, daß die Erhebungsform der
Volkszählung 1983 unverhältnismäßig wäre und deshalb das
allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art 1 Abs. 1 GG verletzen würde.
dd) Die Erhebungstatbestände des § 2 Nr 1 bis 7 und der §§ 3, 4
VZG 1983 sind auch in ihrer Gesamtheit erforderlich, um den
Zweck der Volkszählung zu erreichen. Die Volkszählung soll ein
vielseitiges koordiniertes statistisches Gesamtbild von Gesellschaft
und Wirtschaft liefern. Dazu werden die Daten aus allen
Zählungsteilen - für die Volkszählung und Berufszählung sowie für
die Gebäudezählung, Wohnungszählung und Arbeitsstättenzählung -
in Verbindung miteinander benötigt. Die Erhebungstatbestände des
Volkszählungsgesetzes 1983 dienen in der Regel mehreren nicht
abschließend zu benennenden Zwecken. Das jeweilige Merkmal darf
aber nicht isoliert gesehen werden. Denn nur in der Kombination mit
weiteren Merkmalen - in Abhängigkeit von den jeweiligen
Fragestellungen - sind die vielfältigen von der Bundesregierung in
ihrer Stellungnahme im einzelnen genannten Zwecke zu erfüllen.
Deshalb werden die Daten gerade in ihrer Gesamtheit benötigt.
2. Indessen bedarf es zur Sicherung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung noch ergänzender verfahrensrechtlicher
Vorkehrungen für Durchführung und Organisation der
Datenerhebung. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen (oben C
II 2 b bb) sind für die durch das Volkszählungsgesetz 1983
vorgesehene Erhebung nur zum Teil erfüllt. Zwar trägt § 11 BStatG
dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
durch eine Regelung über das Statistikgeheimnis Rechnung. Auch schreibt § 11 Abs. 7 Satz 1 BStatG die Löschung der zur
Identifizierung dienenden Daten vor, sobald diese nicht mehr für
statistische Zwecke des Bundes benötigt werden. Bis zu diesem
Zeitpunkt sollen nach Satz 2 der Vorschrift Namen und Anschriften
von den übrigen Angaben getrennt und unter besonderem Verschluß
gehalten werden. Diese Bestimmungen reichen jedoch nicht aus, um
für die Volkszählung verfassungsgemäße Bedingungen der
Datenerhebung und Datenverarbeitung zu gewährleisten. Vielmehr
hat der Gesetzgeber darüber hinaus für notwendige
Sicherungsvorkehrungen zum Schutz des informationellen
Selbstbestimmungsrechts Sorge zu tragen. Er braucht nicht alles
selbst zu regeln, muß aber dafür sorgen, daß das Notwendige
geschieht. Im einzelnen sind folgende grundrechtssichernde
Maßnahmen geboten:
a) Es bestehen Aufklärungspflichten und Belehrungspflichten. Zwar
braucht der Auskunftspflichtige sich nicht mit anderen einem
Haushalt zurechnen zu lassen, sondern wird, sofern er es wünscht,
anhand eines eigenen Haushaltsbogens gezählt; denn § 5 Abs. 1
VZG 1983 sieht grundsätzlich eine persönliche Auskunftspflicht
jedes einzelnen Bürgers vor. Auch steht diesem - wie bereits
ausgeführt - das Recht zu, den ausgefüllten Erhebungsbogen in
verschlossenem Umschlag dem Zähler zu übergeben, bei der
Zählungsdienststelle abzugeben oder ihn ihr mit der Post
zuzusenden. Diese Rechte sind für den Bürger bei
Massenerhebungen der streitigen Art aber nur schwer erkennbar und
der gesetzlichen Regelung erst im Wege der Auslegung zu
entnehmen; die vorgesehene Durchführung der Erhebung lenkt von
ihnen eher ab. Daher hat der Gesetzgeber sicherzustellen, daß die
Bürger über diese Rechte schriftlich belehrt werden. Auch ist
deutlich kenntlich zu machen, soweit bestimmte Angaben (wie etwa
die Telefonnummer) lediglich auf freiwilliger Basis erhoben werden.
b) Die zur Identifizierung dienenden Merkmale (insbesondere
Namen, Anschriften, Kennummern und Zählerlistennummern) sind
zum frühest möglichen Zeitpunkt zu löschen und bis dahin von den
übrigen Angaben getrennt unter Verschluß zu halten.
Die Handhabung der Vorschrift des § 11 Abs. 7 BStatG, der
insoweit grundrechtssichernde Funktion zukommt, darf nicht allein
dem Ermessen der Verwaltung überlassen bleiben. Zugleich ist eine
effektive Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten notwendig.
Sinnvollerweise wird der Auskunftspflichtige genauer darüber zu
belehren sein, welche Merkmale lediglich Hilfsmittel der Erhebung
sind (vgl § 5 des Mikrozensusgesetzes vom 21. Februar 1983 (BGBl
I S 201)).
c) Den Bürgern treten Zähler entgegen, die Einblick in die
Unterlagen erhalten, wenn der ausgefüllte Erhebungsbogen offen
abgegeben wird. Deshalb müssen Maßnahmen getroffen werden, um
Interessenkollisionen möglichst zu vermeiden. Dem Schutzbedürfnis
wird zwar schon weitgehend durch die aufgeführten Möglichkeiten
der Abgabe des ausgefüllten Fragebogens Rechnung getragen. Dies
allein reicht jedoch bei einer Massenerhebung mit etwa 600.000
Zählern (vgl BTDrucks 9/451, S 10) für einen effektiven Schutz des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus. Mit Recht
haben die Datenschutzbeauftragten deshalb in ihrer Besprechung
vom 22. März 1983 angeregt, auf den Einsatz von Zählern zu
verzichten, bei denen im Hinblick auf ihre dienstliche Tätigkeit
Interessenkonflikte nicht auszuschließen sind. Als weitere Maßnahme
ist eine Vorschrift geboten, daß Zähler - darüber besteht zwischen
dem Bundesminister des Innern und den Datenschutzbeauftragten
Einvernehmen - nicht in der unmittelbaren Nähe ihrer Wohnung
eingesetzt werden sollen, damit in der Nachbarschaft die
Auskunftsbereitschaft nicht beeinträchtigt wird.
d) Schließlich hat der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, daß der
Inhalt des Fragebogens mit dem Gesetz übereinstimmt. So ist es
nicht angängig, alle Auskunftspflichtigen von vornherein nach
Haushalten zu erfassen, obwohl § 5 VZG 1983 grundsätzlich eine
persönliche Auskunftspflicht jedes Bürgers vorsieht. Auch darf der
Inhalt der einzelnen Fragen im Fragebogen nicht weiter gehen, als
der Gesetzestext es zuläßt. Die Entscheidung, wie die Erfüllung
dieser Anforderungen an den Fragebogen sicherzustellen ist, hat der Gesetzgeber zu treffen. Dazu stehen ihm verschiedene Möglichkeiten offen, einschließlich der Ermächtigung,
den Inhalt des Fragebogens durch eine Rechtsverordnung
festzulegen.
IV.
1. Die zu statistischen Zwecken erhobenen, noch nicht
anonymisierten, also noch personenbezogenen Daten dürfen - wie
bereits ausgeführt (oben C II 2 cc) - kraft ausdrücklicher
gesetzlicher Ermächtigung weitergeleitet werden, soweit und sofern
dies zur statistischen Aufbereitung durch andere Behörden erfolgt
und wenn dabei die zum Schutz des Persönlichkeitsrechts gebotenen
Vorkehrungen, insbesondere das Statistikgeheimnis und das Gebot
der Anonymisierung, in gleicher Weise zuverlässig sichergestellt
sind wie bei den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder.
Würden hingegen personenbezogene, nicht anonymisierte Daten, die
zu statistischen Zwecken erhoben wurden und nach der gesetzlichen
Regelung dafür bestimmt sind, für Zwecke des
Verwaltungsvollzuges weitergegeben (Zweckentfremdung), würde in
unzulässiger Weise in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung eingegriffen. Es kann offenbleiben, ob eine
direkte Weiterleitung dieser Daten generell und selbst dann als
unvereinbar mit dem Grundsatz der Trennung von Statistik und
Vollzug zu beanstanden wäre, wenn der Gesetzgeber diese
Weiterleitung ausdrücklich vorsähe. Es bedarf auch keiner
abschließenden Erörterung, ob die gleichzeitige Durchführung einer
an sich statthaften Erhebung personenbezogener Daten für
statistische Zwecke mit einer an sich statthaften Erhebung
personenbezogener Daten für bestimmte Zwecke des
Verwaltungsvollzugs auf verschiedenen Bögen (kombinierte
Erhebung) zulässig wäre. Sowohl die direkte Übermittlung von zu
statistischen Zwecken erhobenen Daten als auch die kombinierte
Erhebung wären schon deshalb nicht bedenkenfrei, weil die
Verknüpfung zweier unterschiedlicher Zwecke mit unterschiedlichen
Anforderungen den Bürger angesichts der für ihn undurchsichtigen
Möglichkeiten der
automatischen Datenverarbeitung in hohem Maße verunsichert und dadurch die Zuverlässigkeit der Angaben und deren Eignung für
statistische Zwecke gefährden kann. Ferner wären die
unterschiedlichen Voraussetzungen zu beachten: So gelten für die
Erhebung und Verwertung zu statistischen Zwecken das
Statistikgeheimnis, das Gebot der Anonymisierung und das
Nachteilsverbot; für die Erhebung zu Verwaltungsvollzugszwecken
ist dies hingegen nicht oder nicht in gleicher Weise der Fall;
während für die Statistik Identifikationsmerkmale (etwa Name und
Anschrift) nur als Hilfsmittel dienen, sind sie in aller Regel für die
Erhebung zu Verwaltungsvollzugszwecken wesentlicher Bestandteil.
Zudem wird dabei die auf statistische Datensammlung zugeschnittene
Ermittlungsorganisation zugleich für andere Erhebungszwecke
eingesetzt, die für sich allein eine solche Organisation schwerlich
rechtfertigen würden. Auch wäre zu beachten, daß das
Rechtsschutzverfahren bei den beiden Erhebungsarten
auseinanderlaufen kann.
Eine Regelung, die dennoch beide Zwecke gleichzeitig erreichen
will, ist zur Erreichung der beabsichtigten Zwecke jedenfalls dann
untauglich und damit verfassungswidrig, wenn sie tendenziell
Unvereinbares miteinander verbindet. In einem solchen Fall kann die
Verbindung statistischer Zwecke mit Verwaltungsvollzugszwecken in
einer Zählung nicht nur zu Unklarheit und Unverständlichkeit der
Norm führen, sondern bewirkt darüber hinaus ihre
Unverhältnismäßigkeit. Anders als bei Datenerhebungen zu
ausschließlich statistischen Zwecken ist hier eine enge und konkrete
Zweckbindung der weitergeleiteten Daten unerläßlich (oben C II 2
a). Zudem ist das Gebot der Normenklarheit von besonderer
Bedeutung. Der Bürger muß aus der gesetzlichen Regelung klar
erkennen können, daß seine Daten nicht allein zu statistischen
Zwecken verwendet werden, für welche konkreten Zwecke des
Verwaltungsvollzugs seine personenbezogenen Daten bestimmt und
erforderlich sind und daß ihre Verwendung unter
Schutz gegen Selbstbezichtigungen auf diesen Zweck begrenzt bleibt.
2. Die Kombination der Volkszählung für statistische Zwecke mit
dem Melderegisterabgleich nach § 9 Abs. 1 VZG 1983 entspricht
nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer fehlt dem Bund
zur Regelung des Melderegisterabgleichs allerdings nicht die
Zuständigkeit; sie ist nach Art 75 Nr 5 GG gegeben.
Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes (Art 75 GG)
gestattet diesem nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts auch Vollregelungen für einzelne Teile
einer Gesetzgebungsmaterie, sofern dem Landesgesetzgeber für die
Gesamtmaterie noch ausreichender Regelungsspielraum verbleibt,
den dieser aufgrund eigener Entschließung ausfüllen kann (vgl
BVerfGE 43, 291 [343] - Numerus clausus). Da § 9 Abs. 1 Satz 1
VZG 1983 nur die Möglichkeit des Melderegisterabgleichs einräumt,
bleibt dem Landesgesetzgeber, der sowohl das Ob als auch das Wie
des Abgleichs der Angaben der Volkszählung nach § 2 Nr 1 und 2
VZG 1983 bestimmen kann, noch ausreichender
Regelungsspielraum, den er aufgrund eigener Entschließung
ausfüllen kann, aber nicht muß. Die Entscheidung darüber, ob ein
Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung des
Melderegisterabgleichs im Sinne des Art 72 Abs. 2 GG besteht, ist
in das Ermessen des Bundesgesetzgebers gestellt (vgl BVerfGE 33,
224 [229]; st Rspr). Für den Melderegisterabgleich besteht nach der
nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers ein
Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung zur Wahrung der
Rechtseinheit oder Wirtschaftseinheit (Art 72 Abs. 2 Nr 3 GG);
denn die Berichtigung der Melderegister sollte insbesondere im
Hinblick auf § 12 Abs. 2 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG)
vom 16. August 1980 (BGBl I S 1429) in allen Bundesländern zur
gleichen Zeit und in gleichem Umfang erfolgen. Da somit die
Zuständigkeit des Bundes zur Regelung des Melderegisterabgleichs
nach Art 75 Nr 5 GG gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, ob
seine Zuständigkeit zu dieser Regelung auch aus Art 73 Nr 11 GG
folgt.
b) § 9 Abs. 1 VZG 1983 verletzt aber das in Art 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG gesicherte Recht auf
informationelle Selbstbestimmung, weil die Regelung tendenziell
Unvereinbares miteinander verbindet, deshalb zur Erreichung der
angestrebten Zwecke ungeeignet, in ihrem Inhalt unklar und daher in
ihrer Tragweite für den Bürger unverständlich ist.
§ 9 Abs. 1 Satz 1 VZG 1983 gestattet den Gemeinden, bestimmte
Angaben aus den Erhebungsunterlagen mit den Melderegistern zu
vergleichen und zu deren Berichtigung zu verwenden. Ausgewählte
Personendaten der Volkszählung 1983 können so nicht nur zu
statistischen Zwecken, sondern zusätzlich zu einem
Verwaltungsvollzug verwandt werden, dem keine konkrete
Zweckbindung entspricht. Zwar ergibt sich aus der gesetzlichen
Regelung, daß die gemäß § 2 Nr 1 und 2 VZG 1983 erhobenen
Daten nicht nur zu statistischen Zwecken, sondern zusätzlich für den
Melderegisterabgleich erhoben werden; es ist jedoch infolge der
Aufgaben der Meldebehörden, die Daten ihrerseits nach Maßgabe
des Vierten Abschnitts des Melderechtsrahmengesetzes und der
entsprechenden Vorschriften der Länder weiterzugeben, nicht
vorhersehbar, zu welchem konkreten Zweck welche Behörden die
Daten verwenden. Dies hat zur Folge, daß sich die Zwecke beider
Erhebungen (Statistik - Melderegisterabgleich) nicht nur gegenseitig
beeinträchtigen, sondern sogar ausschließen; denn während die
Effizienz der Statistik eine strenge Beachtung des
Statistikgeheimnisses verlangt, ist dieses, wie die weitergehenden
Übermittlungsregelungen des Melderechtsrahmengesetzes zeigen, mit
den Aufgaben der Meldebehörden (§ 1 Abs. 3 MRRG) unvereinbar.
Wie sehr durch die gleichzeitige Verfolgung beider Zwecke die
Funktionsfähigkeit der amtlichen Statistik gefährdet wird, die ein
Kernstück der statistischen Bestandsaufnahme bildet (vgl Begründung
der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über eine
Volkszählung, Berufszählung, Wohnungszählung und
Arbeitsstättenzählung - Volkszählungsgesetz 1982 (BTDrucks 9/451,
S 7, A I)), hat auch der Gesetzgeber gesehen; denn in § 9 Abs. 1
Satz 2 hat er es ausdrücklich untersagt, aus den statistischen
Einzelangaben
gewonnene Erkenntnisse zu Maßnahmen gegen den einzelnen
Auskunftspflichtigen zu verwenden. Dieses Nachteilsverbot
verspricht jedoch mehr, als es leisten kann. Es vermag das Defizit
für die Funktionsfähigkeit der Statistik und für den Schutz der
Betroffenen nicht auszugleichen, das durch die Verbindung von
Statistik und Vollzug entsteht. Das Verbot, das wörtlich aus § 1
Abs. 3 Satz 2 BStatG übernommen und welches auf das
Statistikgeheimnis zugeschnitten ist, kann zwar einen ausreichenden
Schutz gewähren, wenn die Daten allein zu statistischen Zwecken
weitergegeben werden. Seine Übernahme in eine Vorschrift über den
Melderegisterabgleich erhöht aber die Unverständlichkeit der
gesamten Regelung und führt dazu, daß der auskunftspflichtige
Bürger die Auswirkungen dieser Bestimmung nicht mehr zu
übersehen vermag. Für den Betroffenen ist nicht erkennbar, daß
seine statistischen Angaben nach Maßgabe der melderechtlichen
Vorschriften in weitem Umfang an Behörden und öffentliche Stellen
übermittelt werden können, ohne daß diese den statistischen
Ursprung dieser Daten feststellen und dem Nachteilsverbot
Rechnung tragen können. Damit kann das Nachteilsverbot (§ 9 Abs.
1 Satz 2 VZG 1983) seine Aufgabe nicht erfüllen; zugleich verletzt
es das Gebot der Normenklarheit (oben C II 1 b).
3. Auch § 9 Abs. 2 VZG 1983 verstößt gegen Art 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift gestattet die
Übermittlung von personenbezogenen Einzelangaben an die fachlich
zuständigen obersten Bundesbehörden und Landesbehörden sowie an
die von ihnen bestimmten Stellen, soweit diese personenbezogenen
Daten von den Empfängern zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer
Zuständigkeit liegenden Aufgaben benötigt werden. Sie geht über §
11 Abs. 5 und 6 BStatG hinaus, da die Daten lediglich ohne Namen,
nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VZG 1983 auch ohne die Angaben der
Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft
übermittelt werden können und dem Betroffenen daher noch ohne
Schwierigkeiten zuzuordnen sind. Ob die Übermittlung nur zu
statistischen Zecken oder auch für den
Verwaltungsvollzug zulässig ist, kann der Vorschrift nicht
entnommen werden. Eine Begrenzung auf die Übermittlung zu
statistischen Zwecken scheitert an der fehlenden Normenklarheit.
Damit ist aber die Möglichkeit der Verwendung für
Verwaltungsvollzugszwecke gegeben. Selbst wenn die Übermittlung
von zu statistischen Zwecken erhobenen personenbezogenen Daten
zu Verwaltungsvollzugszwecken oder eine Kombination einer für
sich allein zulässigen statistischen Erhebung mit einer für sich allein
zulässigen Erhebung zu Verwaltungsvollzugszwecken nicht von
vornherein gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen sollte, verletzt §
9 Abs. 2 VZG 1983 die Bürger doch bereits deshalb in ihrem Recht
auf informationelle Selbstbestimmung, weil weder aus der Vorschrift
klar zu erkennen ist, daß diese überhaupt eine Weitergabe zu
Verwaltungszwecken vorsieht, noch um welche konkreten, klar
definierten Zwecke es sich dabei handelt, wie dies bei nicht
anonymisierten Daten geboten ist. Wenn aber schon eine klare
Zweckbestimmung fehlt, ist auch nicht mehr abzusehen, ob sich die
Weitergabe in den Grenzen des zur Zweckerfüllung Erforderlichen
hält.
4. § 9 Abs. 3 VZG 1983 verstößt ebenfalls gegen Art 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG.
a) Satz 1 des § 9 Abs. 3 VZG 1983 ermöglicht es, die mit Hilfe der
Gemeinden erhobenen personenbezogenen Daten ohne Namen auch
dem kommunalen Bereich für bestimmte Verwaltungszwecke zur
Verfügung zu stellen. Übermittelt werden dürfen die erforderlichen
(personenbezogenen) Einzelangaben über die nach den §§ 2 bis 4
VZG 1983 erfaßten Tatbestände - mit Ausnahme der nach § 4 Nr 1
Buchstabe c und § 4 Nr 3 Buchstabe c VZG 1983 verlangten
Angaben und des Merkmals der rechtlichen Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft - für Zwecke der
Regionalplanung, des Vermessungswesens, der gemeindlichen
Planung und des Umweltschutzes. Zu welchem konkreten Zweck die
Daten indessen weitergegeben werden, insbesondere ob nur zu
statistischen oder auch zu Verwaltungsvollzugszwecken, ist danach
nicht hinreichend erkennbar. So besteht Regionalplanung auf gemeindlicher Ebene aus den
Flächennutzungsplänen und den aus ihnen hervorgegangenen
Bebauungsplänen. Diese sind ebenso Bestandteil gemeindlicher
Planung und treffen für die im jeweiligen Planungsgebiet belegenen
Grundstücke spezifizierte und eindeutige Festsetzungen über Art und
Ausmaß der zugelassenen baulichen Nutzung, mithin
Verwaltungsentscheidungen gegenüber dem einzelnen Bürger. Auch
die für Zwecke des Vermessungswesens und des Umweltschutzes
übermittelten personenbezogenen Einzelangaben können von den
Übermittlungsadressaten nicht nur zu statistischen, sondern ebenso
zu Verwaltungsvollzugszwecken verwendet werden. So wurde in der
Berichterstattergruppe "Statistik" des Innenausschusses anläßlich der
Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ausdrücklich
darauf hingewiesen, daß mit der Formulierung "für Zwecke des
Vermessungswesens" gerade nicht nur eine statistische Aufbereitung
für eine gemeindliche Planung gemeint sei, sondern mit Rücksicht
auf die Landesvermessungsbehörden an einen Abgleich der
Unterlagen und an eine Verbesserung der vorhandenen
Liegenschaftskataster gedacht sei (vgl. S. 14 des Kurzprotokolls der 4.
Sitzung der Berichterstattergruppe "Statistik" vom 8. Mai 1979).
Überdies verfolgen der Umweltschutz und das Vermessungswesen
im Bereich der Gemeinden weniger statistische, sondern eher
Verwaltungsvollzugszwecke; hierauf hatte bereits der Bayerische
Landesbeauftragte für den Datenschutz in seiner Stellungnahme vom
31. Mai 1979 an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages
ausdrücklich hingewiesen. § 9 Abs. 3 Satz 1 VZG 1983 verstößt
daher bereits deshalb gegen das durch Art 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht,
weil die Vorschrift weder klar erkennen läßt, daß die übermittelten
personenbezogenen Daten auch zu Verwaltungsvollzugszwecken
verwendet werden können, noch um welche konkreten klar
definierten Zwecke es sich dabei handelt. Angesichts der Unklarheit
der vorgesehenen Zwecke ist es den Statistischen Ämtern des Bundes
und der Länder auch nicht möglich festzustellen, ob zur
Erfüllung der jeweiligen Zwecke nicht die Übermittlung - faktisch -
anonymisierter Einzelangaben (§ 11 Abs. 5 BStatG) an die
Gemeinden oder ihre Verbände genügt.
b) Auch Satz 2 des § 9 Abs. 3 VZG 1983 verstößt gegen das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung. Für eigene statistische
Aufbereitungen können den Gemeinden und Gemeindeverbänden
nach dieser Vorschrift die nach den §§ 2 bis 4 VZG 1983 erfaßten
Tatbestände sogar einschließlich der Namen zur Verfügung gestellt
werden.
Zwar begrenzt die Bestimmung damit die Verwendung
personenbezogener Einzelangaben im kommunalen Bereich auf
statistische Aufbereitungen. Unberücksichtigt bleibt jedoch, daß es
zur Sicherung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der
Bürger darüber hinaus bei der Verarbeitung personenbezogener
Daten auch außerhalb der Statistischen Ämter einer Organisation
bedarf, welche die Zweckbindung ebenso sichert wie innerhalb der
Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Eine derartige
Sicherung ist insbesondere deshalb geboten, weil in vielen
Gemeinden keine für die Bearbeitung von Statistiken zuständigen
Stellen vorhanden sind, so daß eine ausschließlich für statistische
Zwecke vorgesehene Nutzung der Daten nicht als ausreichend
gewährleistet angesehen werden kann. Hinzu kommt, daß die
Kommunalstatistik im Gegensatz zur Bundesstatistik nicht gesetzlich
geregelt und damit von anderen Verwaltungsaufgaben nicht von
vornherein abgeschottet ist. Damit ist der Datenfluß
personenbezogener Daten über die nach den §§ 2 bis 4 VZG 1983
erfaßten Tatbestände innerhalb der Kommunen und ihrer Verbände
nur unzureichend allein durch die Verwendungsschranke "statistische
Aufbereitungen" gehemmt. Diese Formulierung ist aber so ungenau,
daß sie herangezogen werden kann, um die verschiedensten
Aktivitäten zu decken. Im kommunalen Bereich sind die Grenzen
statistischer Nutzung fließend: Darunter werden nicht nur
herkömmliche Tabellenwerke verstanden, sondern auch
Spezialaufbereitungen für Planungszwecke, die bei kleinräumigem
Bezug - wegen des besonders großen Zusatzwissens
der Kommunen - leicht an die Grenze der Deanonymisierung stoßen.
Gemeindliche Statistik wird insoweit heute weitgehend als
"Stadtentwicklung" oder "Stadtentwicklungsforschung" verstanden.
Gerade wenn sich die Angaben - wie im gemeindlichen Bereich - auf
kleinere Personengruppen beziehen, muß der Gesetzgeber für
organisatorische Vorkehrungen sorgen, welche die vorgesehene
Zweckbindung garantieren. Dazu ist die Trennung der
Kommunalstatistik von anderen Aufgabenbereichen der Gemeinden
und ihrer Verbände ("informationelle Gewaltenteilung") unerläßlich.
Da § 9 Abs. 3 Satz 2 VZG 1983 eine Übermittlung von
personenbezogenen Einzelangaben für statistische Aufbereitungen
der Gemeinden und ihrer Verbände gestattet, ohne die
Zweckbindung zu statistischen Zwecken wie in den Statistischen
Ämtern des Bundes und der Länder zu sichern, ist die Vorschrift mit
Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG unvereinbar.
5. Demgegenüber verletzt § 9 Abs. 4 VZG 1983 nicht das
allgemeine Persönlichkeitsrecht. Diese Vorschrift gestattet für
wissenschaftliche Zwecke die Übermittlung bestimmter
Einzelangaben an Amtsträger und für den öffentlichen Dienst
besonders Verpflichtete. Die Übermittlung hat sich in den Grenzen
des für wissenschaftliche Zwecke Erforderlichen zu halten; Name
und Anschrift dürfen überhaupt nicht weitergegeben werden. Die
Regelung folgt damit der Erkenntnis, daß für die meisten
Untersuchungsbereiche ein direkter Personenbezug nicht erforderlich
ist; denn der Wissenschaftler ist regelmäßig nicht an der einzelnen
Person interessiert, sondern an dem Individuum als Träger
bestimmter Merkmale. Da bei den Übermittlungsadressaten des § 9
Abs. 4 VZG 1983 regelmäßig kaum Zusatzwissen vorhanden sein
wird, ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand und Verfahrensstand
nicht davon auszugehen, daß der Schutz des informationellen
Selbstbestimmungsrechts bei der Verarbeitung von Daten nach § 9
Abs. 4 VZG 1983 über die durch § 5 BDSG, § 11 Abs. 5 BStatG, §
9 Abs. 5 VZG 1983 und die Kontrolle der Datenschutzbeauftragten
des Bundes und der Länder gewährleisteten
Sicherungen hinaus weitere Vorkehrungen von Verfassungs wegen
erfordert.
V.
Die Beschwerdeführer werden nicht in ihrem Grundrecht aus Art 19
Abs. 4 GG verletzt.
1. Art 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die
Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität
des Rechtsschutzes; der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf
eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (BVerfGE 53, 115
[127 f.]; st Rspr). Würde das Volkszählungsgesetz 1983 demnach
verhindern, daß der Bürger Kenntnis davon erlangen könnte, wer wo
über welche seiner personenbezogenen Daten in welcher Weise und
zu welchen Zwecken verfügt, so wäre sein Rechtsschutz
verfassungsrechtlich unzureichend. Gerade deshalb verpflichtet Art
19 Abs. 4 GG die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder,
die Übermittlung personenbezogener Daten zu protokollieren, so daß
der Bürger von der Weitergabe seiner Daten gemäß § 13 BDSG und
den entsprechenden Vorschriften der Datenschutzgesetze der Länder
Kenntnis erlangen und dagegen den Rechtsweg beschreiten kann.
2. Auch § 5 Abs. 2 VZG 1983, der die aufschiebende Wirkung von
Rechtsbehelfen gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung
ausschließt, ist mit Art 19 Abs. 4 GG vereinbar.
Der Rechtsweggarantie kommt auch die Aufgabe zu, irreparable
Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer
staatlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich
auszuschließen (BVerfGE 35, 263 [274]; 51, 268 [284]; 53, 30
[67 f.]). Aus dieser grundsätzlichen Garantie folgt zugleich das
Verfassungsgebot, möglichst zu verhindern, daß durch die sofortige
Vollziehung Tatsachen geschaffen werden, die auch dann nicht mehr
rückgängig gemacht werden können, wenn sie sich bei richterlicher
Prüfung als rechtswidrig erweisen sollten (vgl BVerfGE 35, 382
[401 f.]; 37, 150 [153]). Andererseits gewährleistet Art 19 Abs. 4 GG
die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im
Verwaltungsprozeß nicht schlechthin. Überwiegende
öffentliche Belange können es rechtfertigen, den
Rechtsschutzanspruch des Einzelnen einstweilen zurückzustellen, um
unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls
rechtzeitig in die Wege zu leiten (BVerfGE 51, 268 [284]).
Bei Volkszählungen wäre eine vollständige Erhebung, die
insbesondere als Informationsbasis für regional bezogene
Entscheidungen unentbehrlich ist, für die Dauer der aufschiebenden
Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die
Aufforderung zur Auskunftserteilung ausgeschlossen. Das Ziel der
Volkszählung wäre ohne § 5 Abs. 2 VZG 1983 gefährdet. Die
besonderen Umstände der Volkszählung, die auf vollständige
Angaben zu einem Stichtag angewiesen ist, rechtfertigen es, den
Rechtsschutzanspruch des einzelnen Bürgers einstweilen
zurückzustellen.
VI.
1. Da die Absätze 1 bis 3 des § 9 VZG 1983 mit dem Grundgesetz
unvereinbar sind und die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten
aus Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1 GG verletzen, sind
diese Vorschriften gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG für nichtig
zu erklären. Gründe, die es ausnahmsweise zulassen, von einer
Nichtigerklärung abzusehen, liegen nicht vor.
2. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf §
34 Abs. 3 und 4 BVerfGG.
Da die Verfassungsbeschwerden Anlaß zur Gesamtüberprüfung des
Gesetzes gegeben und zu wesentlichen Beanstandungen geführt
haben, ist es gerechtfertigt, eine Auslagenerstattung auch insoweit
anzuordnen, als die Verfassungsbeschwerden erfolglos geblieben
sind.
(gez.) Dr. Benda Dr. Simon Dr.Hesse
Dr. Katzenstein Dr. Niemeyer Dr. Heußner
Niedermaier Dr. Henschel
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