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International Working Group on Data Protection in Telecommunications

Bericht und Empfehlungen

zu

Datenschutz und Privatsphäre im Internet

angenommen auf der 20. Sitzung in Berlin, Deutschland

15. und 16.April 1996 (Übersetzung)

"Budapest - Berlin Memorandum"

Zusammenfassung

Es steht außer Zweifel, daß der gesetzliche und technische Datenschutz von Benutzern des Internet gegenwärtig unzureichend ist.

In diesem Dokument werden zehn Prinzipien zur Verbesserung des Datenschutzes im Internet beschrieben:

1. Die Diensteanbieter sollten jeden Benutzer des Internet unaufgefordert über die Risiken für seine Privatsphäre informieren. Der Benutzer wird dann diese Risiken gegen die erwarteten Vorteile abwägen müssen.

2. In vielen Fällen ist die Entscheidung, am Internet teilzunehmen und wie es zu benutzen ist, durch nationales Datenschutzrecht geregelt. Dies bedeutet z.B. daß personenbezogene Daten nur auf eine nachvollziehbare Art und Weise gespeichert werden dürfen. Medizinische und andere besonders sensible personenbezogene Daten sollten nur in verschlüsselter Form über das Internet übertragen oder auf den an das Internet angeschlossenen Computern gespeichert werden. Polizeiliche Steckbriefe und Fahndungsaufrufe sollten nicht im Internet veröffentlicht werden.

3. Initiativen für eine engere internationale Zusammenarbeit, ja sogar für eine internationale Konvention, die den Datenschutz im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Computernetzen und Diensten regelt, sollten unterstützt werden.

4. Es sollte ein internationaler Kontrollmechanismus geschaffen werden, der auf bereits existierenden Strukturen wie der Internet Society und anderer Einrichtungen aufbauen könnte. Die Verantwortung für den Schutz personenbezogener Daten muß in einem gewissen Ausmaß institutionalisiert werden.

5. Nationale und internationale Gesetze sollten unmißverständlich regeln, daß auch der Vorgang der Übermittlung (z. B. durch elektronische Post) vom Post- und Fernmeldegeheimnis geschützt wird.

6. Darüber hinaus ist es notwendig, technische Mittel zur Verbesserung des Datenschutzes der Benutzer auf dem Netz zu entwickeln. Es ist zwingend, Entwurfskriterien für Informations- und Kommunikationstechnologie und Multimedia-Hard- und Software zu entwickeln, die den Benutzer befähigen, die Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu kontrollieren. Generell sollten die Benutzer jedenfalls in den Fällen die Möglichkeit haben, auf das Internet ohne Offenlegung ihrer Identität zuzugreifen, in denen personenbezogene Daten nicht erforderlich sind, um eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen,.

7. Auch für den Schutz der Vertraulichkeit sollten technische Mittel entwickelt werden. Insbesondere die Nutzung sicherer Verschlüsselungsmethoden muß eine rechtmäßige Möglichkeit für jeden Benutzer des Internet werden und bleiben.

8. Die Arbeitsgruppe würde eine Studie über die Machbarkeit eines neuen Zertifizierungsverfahrens durch die Ausgabe von "Qualitätsstempeln" für Diensteanbieter und Produkte im Hinblick auf ihre Datenschutzfreundlichkeit unterstützen. Diese könnten zu einer verbesserten Transparenz für die Benutzer der Datenautobahn führen.

9. Anonymität ist ein wichtiges zusätzliches Gut für den Datenschutz im Internet. Einschränkungen des Prinzips der Anonymität sollten strikt auf das begrenzt werden, was in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, ohne jedoch das Prinzip als solches in Frage zu stellen.

10. Schließlich wird es entscheidend sein, herauszufinden, wie Selbstregulierung im Wege einer erweiterten "Netiquette" und datenschutzfreundliche Technologie die Implementierung nationaler und internationaler Regelung über den Datenschutz ergänzen und verbessern können. Es wird nicht ausreichen, sich auf eine dieser Handlungsmöglichkeiten zu beschränken: Sie müssen effektiv kombiniert werden, um zu einer globalen Informations-Infrastruktur zu gelangen, die das Menschenrecht auf Datenschutz und unbeobachtete Kommunikation respektiert.

Bericht

Das Internet ist gegenwärtig das größte internationale Computernetz der Welt. In mehr als 140 Ländern gibt es "Auffahrten" zu dieser "Datenautobahn". Das Internet besteht aus mehr als vier Millionen angeschlossenen Rechnern ("hosts"); mehr als 40 Millionen Benutzer aus aller Welt können wenigstens einen der verschiedenen Internet-Dienste nutzen und haben die Möglichkeit, miteinander durch elektronische Post zu kommunizieren. Die Benutzer haben Zugriff auf einen immensen Informationsbestand, der an verschiedenen Orten in aller Welt gespeichert wird. Das Internet kann als erste Stufe der sich entwickelnden Globalen Informationsinfrastruktur (GII) bezeichnet werden. Das World Wide Web bildet als die modernste Benutzeroberfläche im Internet eine Basis für neue interaktive Multimedia-Dienste. Die Internet-Protokolle werden zunehmend auch für die Kommunikation innerhalb großer Unternehmen genutzt ("Intranet").

Die Teilnehmer am Internet haben unterschiedliche Aufgaben, Interessen und Möglichkeiten:

  • Die Software-, Computer- und Telekommunikationsindustrien erstellen die Kommunikationsnetze und die angebotenen Dienste.
  • Telekommunikationsorganisationen wie die nationalen Telekommunikationsunternehmen stellen die Basisnetze für die Datenübertragung zur Verfügung (Punkt-zu-Punkt- oder Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen).
  • Dienstleistungsunternehmen stellen Basisdienste für die Speicherung, Übertragung und Darstellung von Daten zur Verfügung. Sie sind für den Datentransport im Internet verantwortlich (routing, delivery) und verarbeiten Verbindungsdaten.
  • Informationsanbieter stellen den Benutzern in Dateien und Datenbanken gespeicherte Informationen zur Verfügung.
  • Die Benutzer greifen auf die verschiedenen Internet-Dienste (elektronische Post, news, Informationsdienste) zu und nutzen das Netz sowohl zur Unterhaltung als auch für Teleshopping, Telearbeit, Fernunterricht und Telemedizin.

I. Probleme und Risiken

Anders als bei der traditionellen Verarbeitung personenbezogener Daten, bei der normalerweise eine einzelne Behörde oder ein Unternehmen für den Schutz der personenbezogenen Daten ihrer Kunden verantwortlich ist, ist im Internet eine solche Gesamtverantwortung keiner bestimmten Einrichtung zugewiesen. Darüber hinaus gibt es keinen internationalen Kontrollmechanismus zur Erzwingung der Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen, soweit diese existieren. Der Benutzer muß daher Vertrauen in die Sicherheit des gesamten Netzes setzen, das bedeutet in jeden einzelnen Bestandteil des Netzes, unabhängig davon, wo dieser angesiedelt ist oder von wem er verwaltet wird. Die Vertrauenswürdigkeit des Netzes wird durch die Einführung neuer Software, bei deren Nutzung Programme aus dem Netz geladen werden und die mit einer Verschlechterung der Kontrolle der auf dem Rechner des Benutzers gespeicherten personenbezogenen Daten verbunden ist, sogar noch wichtiger werden.

Die schnelle Ausbreitung des Internet und seine zunehmende Nutzung für kommerzielle und private Zwecke führen zur Entstehung schwerwiegender Datenschutzprobleme:

  • Das Internet ermöglicht die schnelle Übertragung großer Informationsmengen auf beliebige andere an das Netzwerk angeschlossene Computersysteme. Sensible personenbezogene Daten können in Länder übertragen werden, die nicht über ein angemessenes Datenschutzniveau verfügen. Informationsanbieter könnten personenbezogene Daten auf Rechnern in Ländern ohne jegliche Datenschutzgesetzgebung anbieten, auf die aus aller Welt durch einen einfachen Mausklick zugegriffen werden kann.
  • Personenbezogene Daten können über Länder ohne jegliche oder ohne hinreichende Datenschutzgesetzgebung geleitet werden. Im Internet, das ursprünglich für akademische Zwecke eingerichtet wurde, ist die Vertraulichkeit der Kommunikation nicht sichergestellt.

    Es gibt keine zentrale Vermittlungsstelle oder sonstige verantwortliche Einrichtung, die das gesamte Netz kontrolliert. Damit ist die Verantwortung für Datenschutz und Datensicherheit auf Millionen von Anbietern verteilt. Eine übertragene Nachricht könnte an jedem Computersystem, das sie passiert, abgehört und zurückverfolgt, verändert, gefälscht, unterdrückt oder verzögert werden. Trotzdem nimmt die Nutzung des Internet für Geschäftszwecke exponentiell zu, und personenbezogene und andere sensible Daten (Kreditkarten-Informationen und Gesundheitsdaten) werden über das Internet übertragen.
  • Bei der Nutzung von Internet-Diensten wird weder eine angemessene Anonymität noch eine angemessene Authentifizierung sichergestellt. Computernetzwerk-Protokolle und viele Internet-Dienste arbeiten in der Regel mit dedizierten (Punkt-zu-Punkt-)Verbindungen. Zusätzlich zu den Inhaltsdaten wird dabei die Identität (ID) von Sender und Empfänger übertragen. Jeder elektronische Brief enthält einen "header" mit Informationen über Sender und Empfänger (Name und IP-Nummer, Name des Rechners, Zeitpunkt der Übertragung). Der "header" enthält weitere Informationen über den Übertragungsweg und den Inhalt der Nachricht. Er kann auch Hinweise auf Publikationen anderer Autoren enthalten. Die Benutzer sind gezwungen, eine elektronische Spur zu hinterlassen, die zur Erstellung eines Benutzerprofils über persönliche Interessen und Vorlieben verwendet werden kann. Obwohl es keinen zentralen Abrechnungsmechanismus für Zugriffe auf news oder das World Wide Web gibt, kann das Informationsgebaren von Sendern und Empfängern zumindest von dem Dienstleistungsunternehmen, an das der Benutzer angeschlossen ist, verfolgt und überwacht werden.
  • Andererseits sind die unzureichenden Identifizierungs- und Authentifizierungsprozeduren im Internet bereits dazu benutzt worden, in unzureichend geschützte Computersysteme einzudringen, auf dort gespeicherte Informationen zuzugreifen und diese zu verändern oder zu löschen. Das Fehlen einer sicheren Authentifikation könnte auch genutzt werden, um auf kommerzielle Dienste auf Kosten eines anderen Benutzers zuzugreifen.
  • Es gibt im Internet Tausende von speziellen news-groups, von denen die meisten jedem Nutzer offenstehen. Die Artikel können personenbezogene Daten von Dritten enthalten, die gleichzeitig auf vielen tausend Computersystemen gespeichert werden, ohne daß der Einzelne eine Möglichkeit hat, dagegen vorzugehen.

Die Teilnehmer am Internet haben ein gemeinsames Interesse an der Integrität und Vertraulichkeit der übertragenen Information: Die Benutzer sind an verläßlichen Diensten interessiert und erwarten, daß ihre personenbezogenen Daten geschützt werden. In bestimmten Fällen können sie ein Interesse daran haben, Dienste ohne Identifizierung benutzen zu können. Den Benutzern ist es normalerweise nicht bewußt, daß sie beim "Surfen" im Netz einen globalen Marktplatz betreten und daß jeder einzelne Schritt dort überwacht werden kann.

Andererseits sind viele Diensteanbieter an der Identifizierung und Authentifizierung von Benutzern interessiert: Sie benötigen personenbezogene Daten für die Abrechnung, könnten diese Daten aber auch für andere Zwecke nutzen. Je mehr das Internet für kommerzielle Zwecke genutzt wird, desto interessanter wird es für Diensteanbieter und andere Einrichtungen sein, so viele Verbindungsdaten über das Nutzerverhalten im Netz wie möglich zu speichern und damit das Risiko für den Datenschutz der Kunden zu verstärken. Unternehmen bieten in zunehmendem Maße freien Zugang zum Internet an, um sicherzustellen, daß die Kunden ihre Werbeanzeigen lesen, die zu einer der hauptsächlichen Finanzierungsquellen des gesamten Internets werden. Die Unternehmen wollen nachvollziehen können, in welchem Ausmaß, von wem und wie oft ihre Werbeanzeigen gelesen werden.

Im Hinblick auf die erwähnten Risiken kommt den Einrichtungen, die das Netz auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene verwalten, insbesondere bei der Entwicklung der Protokolle und Standards für das Internet, bei der Festlegung der Regeln für die Identifikation der angeschlossenen Server und schließlich bei der Identifikation der Benutzer eine wichtige Funktion zu.

II. Vorhandene Regelungen und Empfehlungen

Obwohl verschiedene nationale Regierungen und internationale Organisationen (z. B. die Europäische Union) Programme gestartet haben, um die Entwicklung von Computernetzen und -diensten zu erleichtern und zu intensivieren, sind dabei nur sehr geringe Anstrengungen unternommen worden, um für ausreichende Datenschutz- und Datensicherheitsregelungen zu sorgen. Einige nationale Datenschutzbehörden haben bereits Empfehlungen für die technische Sicherheit von an das Internet angeschlossenen Computernetzen und über Datenschutzrisiken für die einzelnen Benutzer von Internet-Diensten herausgegeben. Solche Empfehlungen sind z. B. in Frankreich, Großbritannien (vgl. den 11. Jahresbericht des Data Protection Registrar, Anhang 6) und in Deutschland erarbeitet worden. Die wesentlichen Punkte können wie folgt zusammengefaßt werden:

  • Das Anbieten von Informationen auf dem Internet fällt in den Regelungsbereich der nationalen Datenschutzgesetze und -regelungen. In dieser Hinsicht ist das Internet nicht so ungeregelt, wie oft behauptet wird. Es ist, um nur ein Beispiel zu nennen, einem deutschen Anbieter eines WorldWideWebServers verboten, ohne Wissen des Benutzers die vollständigen Angaben über den auf ihr Angebot zugreifenden Rechner, die abgerufenen Seiten und heruntergeladene Dateien zu speichern (wie es im Netz allgemein praktiziert wird). Nationale Regelungen können eine Verpflichtung für Informationsanbieter enthalten, sich bei einer nationalen Datenschutzbehörde anzumelden. Nationale Gesetze enthalten darüber hinaus spezielle Regelungen im Hinblick auf internationales Straf-, Privat- und Verwaltungsrecht (Kollisionsrecht), die unter bestimmten Umständen Lösungen bereitstellen können.
  • Bevor ein lokales Computernetz - z. B. das einer Behörde - an das Internet angeschlossen wird, müssen die Risiken für das lokale Netzwerk und die darauf gespeicherten Daten im Einklang mit dem nationalen Recht abgeschätzt werden. Dazu kann die Erarbeitung eines Sicherheitskonzepts und einer Abschätzung, ob es erforderlich ist, das gesamte Netz oder nur Teile davon an das Internet anzuschließen, gehören. Abhängig von dem verfolgten Zweck kann es sogar ausreichend sein, nur ein Einzelplatzsystem an das Netz anzuschließen. Es sollten technische Maßnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, daß auf dem Internet nur auf Daten, die veröffentlicht werden könnten, zugegriffen werden kann, z. B. durch Einrichtung eines Firewall-Systems, das das lokale Netzwerk vom Internet trennt. Es muß jedoch festgestellt werden, daß der Anschluß eines Computernetzwerks an das Internet eine Erhöhung des Sicherheitsrisikos auch dann bedeutet, wenn solche technischen Maßnahmen getroffen worden sind.
  • Falls personenbezogene Daten von Nutzern eines bestimmten Dienstes gespeichert werden, muß für die Benutzer klar sein, wer diese Daten nutzen wird und zu welchen Zwecken die Daten genutzt oder übermittelt werden sollen. Dies bedeutet eine Information am Bildschirm vor der Übermittlung und die Schaffung einer Möglichkeit, die Übermittlung zu unterbinden. Der Benutzer sollte in der Lage sein, diese Unterrichtung und aller übrigen Bedingungen, die durch den Diensteanbieter gestellt werden, auszudrucken.
  • Wenn der Zugang zu personenbezogenen Daten auf einem Computersystem bereitgestellt wird - z. B. durch die Veröffentlichung biographischer Angaben über Mitarbeiter in einem Verzeichnis - muß der Informationsanbieter sicherstellen, daß diese Personen sich der globalen Natur des Zugriffs bewußt sind. Am sichersten ist es, die Daten nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Person zu veröffentlichen.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von internationalen gesetzlichen Bestimmungen und Konventionen, die u. a. auch auf das Internet anwendbar sind:

  • Empfehlung des Rates über Leitlinien für den Schutz des Persönlichkeitsbereichs und den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten,
    verabschiedet vom Rat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am 23. September 1980
  • Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten
    vom 28. Januar 1981
  • Richtlinien betreffend personenbezogene Daten in automatisierten Dateien,
    von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet am 4. Dezember 1990
  • Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften 90/387/EWG vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP) (in der Datenschutz als "grundlegende Anforderung" definiert wird)
  • Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (EU-Datenschutzrichtlinie)
  • Allgemeines Abkommen über Handel und Dienstleistungen (GATS) (das in Artikel XIV regelt, daß die Mitgliedstaaten durch das weltweite Abkommen nicht daran gehindert werden, Regelungen über den Datenschutz von Einzelpersonen im Zusammenhang mit der Verarbeitung und Verbreitung von personenbezogenen Daten und dem Schutz der Vertraulichkeit von Akten und Aufzeichnungen über Einzelpersonen zu erlassen oder durchzusetzen).

Die Richtlinie der Europäischen Union enthält als erstes supra-nationales Gesetzeswerk eine wichtige Neudefinition des Begriffs "für die Verarbeitung Verantwortlicher", die im Zusammenhang mit dem Internet von Bedeutung ist. Artikel 2 Buchstabe c) definiert den "für die Verarbeitung Verantwortlichen" als die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder jede andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Wenn man diese Definition auf die Nutzung des Internet für die Zwecke der Übermittlung elektronischer Post anwendet, muß der Absender einer elektronischen Nachricht als "für die Verarbeitung Verantwortlicher" dieser Nachricht angesehen werden, wenn er eine Datei mit personenbezogenen Daten absendet, da er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung und Übermittlung dieser Daten bestimmt. Andererseits bestimmt der Anbieter eines Mailbox-Dienstes selbst die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit dem Betrieb des Mailbox-Dienstes und hat damit wenigstens eine Mitverantwortung für die Einhaltung der anwendbaren Regelungen über den Datenschutz.

Kürzlich hat die Europäische Kommission zwei Dokumente veröffentlicht, die zu einer europäischen Gesetzgebung führen könnten und in diesem Fall beträchtliche Auswirkungen auf den Datenschutz im Internet haben werden:

Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen über illegale und schädigende Inhalte im Internet (KOM(96) 487)

und

Grünbuch über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen und Informationsdiensten (KOM(96) 483).

Obwohl auch diese nicht rechtlich bindend und eher auf einer nationalen denn auf einer internationalen Ebene verabschiedet worden sind, sollten die

  • Grundsätze für die Bereitstellung und Nutzung personenbezogener Daten
    "Privacy und die nationale Informations-Infrastruktur"
    verabschiedet von der Privacy Working Group
    des Information Policy Committee
    innerhalb der Information Infrastructure Task Force (IITF) am 6. Juni 1995

genannt werden, da sie einen Einfluß auf die internationalen Datenflüsse haben werden. Sie sind intensiv und fruchtbar mit der Internationalen Arbeitsgruppe zum Datenschutz in der Telekommunikation bei einem gemeinsamen Treffen in Washington D. C. am 28. April 1995 diskutiert worden.

In der Praxis werden einige wichtige und effektive Regeln zur Selbstregulierung von der Netzgemeinde selbst aufgestellt (z. B. "Netiquette"). Solche Maßnahmen dürfen im Hinblick auf die Rolle, die sie gegenwärtig und zukünftig für den Datenschutz des einzelnen Benutzers spielen können, nicht unterschätzt werden. Sie tragen mindestens dazu bei, die nötige Aufmerksamkeit unter den Benutzern dafür zu schaffen, daß Vertraulichkeit als eine Grundanforderung auf dem Netz nicht existiert ("Sende oder speichere niemals etwas in Deiner Mailbox, das Du nicht in den Abendnachrichten sehen möchtest"). Die EU-Datenschutzrichtlinie wiederum fordert Verhaltensregeln (Artikel 27), die von den Mitgliedstaaten und der Kommission gefördert werden sollen.

III. Empfehlungen

Es steht außer Zweifel, daß der gesetzliche und technische Datenschutz im Internet im Augenblick unzureichend ist.

Das Recht jedes Einzelnen, die Datenautobahn zu benutzen, ohne überwacht und identifiziert zu werden, sollte garantiert werden. Andererseits muß es im Hinblick auf die Nutzung personenbezogener Daten auf der Datenautobahn (z. B. von Dritten) Grenzen geben ("Leitplanken").

Eine Lösung für dieses Grunddilemma muß auf folgenden Ebenen gefunden werden:

1. Die Diensteanbieter sollten jeden potentiellen Nutzer des Internet unaufgefordert über die Risiken für seine Privatsphäre informieren. Der Benutzer wird dann diese Risiken gegen die erwarteten Vorteile abwägen müssen.

2. Da "sowohl die einzelnen Teile der Netzwerk-Infrastruktur als auch die Benutzer jeder einen physikalischen Standort haben, können Staaten einen bestimmten Grad von Verläßlichkeit in bezug auf die Netze und ihre Teilnehmer verhängen und durchsetzen" (Joel Reidenberg). In vielen Fällen ist die Entscheidung, am Internet teilzunehmen und wie es zu benutzen ist, durch nationale Datenschutzgesetze geregelt.

Personenbezogene Daten dürfen nur in einer nachvollziehbaren Art und Weise gespeichert werden. Medizinische und andere sensible personenbezogene Daten sollten nur in verschlüsselter Form über das Internet übertragen oder auf den am Internet angeschlossenen Computern gespeichert werden.

Es spricht viel dafür, die Nutzung des Internet für die Veröffentlichung von Steckbriefen und Fahndungsaufrufen durch die Polizei zu verbieten (das amerikanische Federal Bureau of Investigations veröffentlicht seit einiger Zeit eine Liste von gesuchten Verdächtigen im Internet). Die beschriebenen Defizite der Authentifizierungsprozeduren und die leichte Manipulierbarkeit von Bildern im Cyberspace scheinen die Nutzung des Internet für diesen Zweck auszuschließen.

3. Verschiedene nationale Regierungen haben internationale Übereinkommen über die globale Informations-Infrastruktur angeregt. Initiativen für eine engere internationale Zusammenarbeit, ja sogar eine internationale Konvention, die den Datenschutz im Hinblick auf grenzüberschreitende Netze und Dienste regelt, sollten unterstützt werden.

4. Es sollte ein internationaler Kontrollmechanismus geschaffen werden, der auf bereits existierenden Strukturen wie der Internet Society und anderer Einrichtungen aufbauen könnte. Die Verantwortung für den Schutz personenbezogener Daten muß in einem gewissen Ausmaß institutionalisiert werden.

5. Nationale und internationale Gesetze sollten unmißverständlich regeln, daß auch der Vorgang der Übermittlung (z. B. durch elektronische Post) vom Post- und Fernmeldegeheimnis geschützt wird.

6. Darüber hinaus ist es notwendig, technische Mittel zur Verbesserung des Datenschutzes der Benutzer auf dem Netz zu entwickeln. Es ist zwingend, Entwurfskriterien für Informations- und Kommunikationstechnologie und Multimedia-Hard- und Software zu entwickeln, die den Benutzer befähigen, die Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu kontrollieren. Generell sollten die Benutzer jedenfalls in den Fällen die Möglichkeit haben, auf das Internet ohne Offenlegung ihrer Identität zuzugreifen, in denen personenbezogene Daten nicht erforderlich sind, um eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen. Konzepte für solche Maßnahmen sind bereits entwickelt und veröffentlicht worden. Beispiele sind das "Identity-Protector"-Konzept, das in "Privacy-enhancing technologies: The path to anonymity" von der niederländischen Registratiekamer und dem Datenschutzbeauftragten von Ontario/Kanada enthalten ist (vorgestellt auf der 17. Internationalen Konferenz der Datenschutzbeauftragten in Kopenhagen (1995)) und das "User Agent-Konzept", das auf der gemeinsamen Sitzung der Internationalen Arbeitsgruppe zum Datenschutz in der Telekommunikation und der Privacy Working Group der Information Infrastructure Task Force vorgestellt wurde (April 1995).

7. Auch für den Schutz der Vertraulichkeit sollten technische Mittel entwickelt werden.

Die Nutzung sicherer Verschlüsselungsmethoden muß eine rechtmäßige Möglichkeit für jeden Benutzer des Internet werden und bleiben.

Die Arbeitsgruppe unterstützt neue Entwicklungen im Internet-Protokoll (z. B. IP v6), die die Vertraulichkeit durch Verschlüsselung, Klassifizierung von Nachrichten und bessere Authentifizierungsprozeduren verbessern. Die Hersteller von Software sollten den Sicherheitsstandard des neuen Internet-Protokolls in ihre Produkte aufnehmen und Diensteanbieter sollten die Nutzung dieser Produkte so schnell wie möglich unterstützen.

8. Die Arbeitsgruppe würde eine Studie über die Machbarkeit eines neuen Zertifizierungsverfahrens durch die Ausgabe von "Qualitätsstempeln" für Diensteanbieter und Produkte im Hinblick auf ihre Datenschutzfreundlichkeit unterstützen. Diese könnten zu einer verbesserten Transparenz für die Benutzer der Datenautobahn führen.

9. Anonymität ist ein wichtiges zusätzliches Gut für den Datenschutz im Internet. Einschränkungen des Prinzips der Anonymität sollten strikt auf das begrenzt werden, was in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, ohne jedoch das Prinzip als solches in Frage zu stellen.

10. Schließlich wird es entscheidend sein, herauszufinden, wie Selbstregulierung im Wege einer erweiterten "Netiquette" und datenschutzfreundliche Technologie die Implementierung nationaler und internationaler Regelung über den Datenschutz ergänzen und verbessern können. Es wird nicht ausreichen, sich auf eine dieser Handlungsmöglichkeiten zu beschränken: Sie müssen effektiv kombiniert werden, um zu einer globalen Informations-Infrastruktur zu gelangen, die das Menschenrecht auf Datenschutz und unbeobachtete Kommunikation respektiert.

Die Internationale Arbeitsgruppe zum Datenschutz in der Telekommunikation wird die weitere Entwicklung in diesem Bereich genau beobachten, Anregungen aus der Netzgemeinde berücksichtigen und weitere, detailliertere Vorschläge entwickeln.

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