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Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten der Europäischen Union vom 28. Februar 1997 zum

Grünbuch über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in audiovisuellen Diensten und Informationsdiensten (KOM (96) 483 endg.),

zur Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen über rechtswidrige und schädliche Inhalte im Internet (KOM (96) 487)

und zur Ratsentschließung vom 28. November 1996 über rechtswidrige und schädliche Inhalte im Internet

- Übersetzung -

Die Datenschutzbeauftragten der Europäischen Union erkennen die Notwendigkeit, Maßnahmen zum Jugendschutz und zum Schutz der Menschenwürde in bezug auf die neuen audiovisuellen und Informationsdienste in Erwägung zu ziehen. Sie weisen auf die Tatsache hin, daß Art. 1 Abs. 1 der EU-Datenschutzrichtlinie (95/46/EC) die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Grundrechte und -freiheiten natürlicher Personen und insbesondere ihr Recht auf Schutz der Privatsphäre in bezug auf die Verarbeitung persönlicher Daten zu schützen.

Das Recht auf Datenschutz ist Teil der Menschenwürde. In diesem Zusammenhang bringen die Datenschutzbeauftragten ein besonderes Interesse am Grünbuch zum Jugendschutz und zum Schutz der menschlichen Würde in audiovisuellen und Informationsdiensten zum Ausdruck. In ihrer Stellungnahme zum Grünbuch berücksichtigen die Datenschutzbeauftragten die Mitteilung der Kommission zu rechtswidrigen und schädlichen Inhalten im Internet (KOM (96) 487), die gleichzeitig veröffentlicht wurde, und die Entschließung des Telekommunikations-Ministerrates vom 28. November 1996 zu rechtswidrigen und schädlichen Inhalten im Internet.

Die Datenschutzbeauftragten messen der richtigen Abwägung zwischen dem Datenschutz (einschließlich der Möglichkeit für Nutzer, ihre Anonymität in den Netzen beizubehalten) und der Notwendigkeit, die Haftung für rechtswidriges Verhalten durchzusetzen (Frage 3 des Grünbuchs), erhebliche Bedeutung bei. Im herkömmlichen Massenmedium Fernsehen verbleibt die Verantwortung für rechtswidrige Inhalte eindeutig beim Anbieter der Information. Fernsehen war für den Zuschauer immer spurlos möglich. Das Grünbuch weist zu Recht darauf hin, daß Online-Dienste zu einem neuen Modell der interaktiven Kommunikation führen: Jeder Nutzer wird zu einem potentiellen Anbieter von Informationen. Aber die Verantwortung für rechtswidrige Inhalte sollte auch im Zusammenhang mit den neuen Online-Diensten beim Urheber verbleiben. Sie sollte nicht auf den Nutzer verlagert oder erstreckt werden. Die Tatsache, daß das Internet oder andere Netze in gewissem Umfang dazu genutzt werden, um illegale Inhalte anzubieten, sollte nicht dazu führen, daß das Internet in ein nahtloses Netz der Überwachung verwandelt wird, in dem der gesamte Netzverkehr beobachtet wird, um rechtswidrige Verhaltensweisen aufzuspüren.

Seitenanfang Im Kapitel I, Abschnitt 3 des Grünbuchs ("Umfang der Probleme je nach Art der Dienste") findet sich die Aussage, daß es praktisch unmöglich ist, zufällig auf unerwünschtes Material im Netz zu stoßen. Da diese Annahme Auswirkungen darauf haben wird, wie die Rechtsordnung Personen behandelt, die auf solches Material zugegriffen haben, kann dieser Satz nicht unwidersprochen bleiben. Es muß betont werden, daß der bloße Zugriff auf kontroverses Material nicht automatisch als vorsätzlich rechtswidriges Handeln verstanden werden darf, weil
  • in dem Maße, in dem das Bewußtsein über kontroverse Inhalte wächst, die Prediger der Gewalt und des Rassismus sicherlich rafinierter vorgehen und Websites anbieten werden, die harmloses und kontroverses Material miteinander vermengen oder die gerade zu dem Zweck gestaltet worden sind, um verborgene Haßpropaganda zu verbreiten, während sie bewußt nützliches und unschädliches Material anbieten, um Besucher anzuziehen;
  • Internet-Suchmaschinen werden oft Links (Verknüpfungen) zu kontroversem Material vermischt mit Links zu harmlosem Inhalt liefern. Der Nutzer kann dem Link nachgehen und die Daten überprüfen, ob sie für ihn relevant sind, es sei denn, schon der Name der Website (den die Suchmaschine dem Nutzer anzeigt) ist klar genug. Ein Nutzer, der Informationen zu Themen sucht, die auch extremistische Gruppen interessieren (z. B. bestimmte Abschnitte der Zeitgeschichte) muß unter Umständen zahllose extremistische Websites sichten, die auch nicht durch sorgfältige Wahl der Suchbegriffe ausgeschlossen werden können;
  • Offline Navigations-Software (Browser), die ganze Websites auf die lokale Festplatte kopiert und den Nutzer das Material nach Belieben überprüfen läßt, wodurch Netzkosten gespart werden, wird zunehmend populär. Mit dieser Software kann der Nutzer dem Programm mitteilen, welche Angebote kopiert werden sollen, ohne daß er deren Inhalt zuvor gesehen hat, so daß in erheblichem Umfang kontroverses Material unter dem Namen dieses Nutzers aus dem Netz heruntergeladen werden kann, ohne daß er dies weiß, geschweige denn damit einverstanden ist.

Die Mitteilung der Kommission über illegale und schädliche Inhalte im Internet spricht von einem "Rechtsgrundsatz der Aufspürbarkeit". Die Datenschutzbeauftragten halten eine Klarstellung für wünschenswert, was dieser Grundsatz bedeuten soll. Während die Urheber von Inhalten aufspürbar sein sollten, führt die Frage, in welchem Umfang andere Nutzer verfolgbar sein sollten, zu komplexen Problemen und erfordert weitere Untersuchungen. Die Datenschutzbeauftragten schließen aber nicht aus, daß sie sich auf den Standpunkt stellen werden, daß die Privat-sphäre der Einzelnen nur dann angemessen geschützt werden kann, wenn ihr Recht auf Anonymität in diesen anderen Fällen gewährleistet ist. Die gegenwärtige Praxis der automatischen und heimlichen Registrierung von Nutzern, die lediglich in den Netzangeboten blättern, lesen oder Informationen aus dem World Wide Web herunterladen, sollte unterbunden werden. Probleme der Usenet Newsgroups müssen unabhängig davon untersucht werden. In jedem Fall ist größere Transparenz hinsichtlich der Sammlung personenbezogener Daten in den Netzen nicht nur entscheidend für den Schutz der Privatsphäre der Nutzer, sondern kann auch ein wichtiges Element der Medienerziehung für Erwachsene und Minderjährige in dem Sinne sein, der im Grünbuch (Kapitel II, Abschnitt 2.3) erwähnt wird.

Die Datenschutzbeauftragten begrüßen die Entschließung des Telekommunikations-Ministerrates vom 28. November 1996, die die Europäische Kommission auffordert, "die Erforschung von technischen Verfahren zu unterstützen, insbesondere der Filter-Software, der Bewertung, der Aufspürung und der datenschutzfreundlichen Gestaltung...". Allerdings würden die Datenschutzbeauftragten es begrüßen, wenn datenschutzfreundliche Technologien in diesem Zusammenhang besonders betont würden. Verfahren der Bewertung sollten in diesem Bereich entwickelt werden, um datenschutzfreundliche Online-Dienste zu fördern. Die Gestaltung und der Einsatz von datenschutzfreundlichen Techniken sollten als wichtige Kriterien in das fünfte Rahmenprogramm für Forschung und technische Entwicklung aufgenommen werden.

Die Datenschutzbeauftragten regen an, daß erwogen werden sollte, einen Vertreter der Datenschutzbeauftragten in eine mögliche Arbeitsgruppe einzubeziehen, die diese Fragen im Zusammenhang mit dem Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre erörtern könnte.

Zuletzt geändert:
am 06.03.97

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