Gruppe für den Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten
Empfehlung 1/97
Datenschutzrecht und Medienangenommen von der Datenschutzgruppe am 25. Februar 1997 Inhalt 2.1 Freie Meinungsäußerung und Schutz der Privatsphäre 2.2 Rechtlicher Hintergrund des Artikels 9 der Richtlinie 2.3 Überblick über die Rechtslage in den Mitgliedstaaten Die Gruppe für den Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten eingesetzt durch die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995, gestützt auf Artikel 29 und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie, gestützt auf ihre Geschäftsordnung, insbesondere auf die Artikel 12 und 14
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empfielt
1 EinführungArtikel 9 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ("Richtlinie) bestimmt folgendes: Die Mitgliedstaaten sehen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen von diesem Kapitel sowie von den Kapiteln IV und VI nur insofern vor, als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen. Entsprechend der ihr nach Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie übertragenen Aufgabe nahm die Datenschutzgruppe in ihrer erster Sitzung die Beratung über die Umsetzung von Artikel 9 auf. Die britische und die deutsche Delegation legten hierzu Arbeitsunterlagen vor. In den Beratungen stellte sich heraus, daß die Anwendung der Datenschutzbestimmungen im Bereich der Medien in den Mitgliedstaaten derzeit unterschiedlich geregelt ist. Es wurde festgestellt, daß die Gruppe nützliche Hinweise zur Auslegung von Artikel 9 geben könnte. Zur Vorbereitung sollte das Sekretariat einen Bericht über die gegenwärtige Rechtslage unter Berücksichtigung des Berichts über Datenschutz und Medien des Europarats von 1991 erstellen. Am 21. Februar 1997 wurde ein von der Gruppe ausgearbeiteter Fragebogen verteilt. Die Gruppe diskutierte in ihrer dritten Sitzung ein Arbeitspapier und gelangte dabei zu einer Reihe von Schlußfolgerungen, die in der darauf folgenden Sitzung eingehend erörtert wurden. Im Zuge dieser Beratungen wurde vereinbart, das Arbeitspapier in Form einer Empfehlung nach Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie anzunehmen. Die Empfehlung wurde von der Datenschutzgruppe am 25. Februar 1997 angenommen. Im folgenden wird auf einige allgemeine Aspekte der Anwendung der Datenschutzgesetze in den Medien eingegangen und der rechtliche Hintergrund von Artikel 9 erläutert. In Kapitel 3 wird ein Überblick über die gegenwärtige Rechtslage in den Mitgliedstaaten gegeben. Kapitel 4 enthält die Schlußfolgerungen der Gruppe aus ihren Beratungen über die Anwendung der Datenschutzbestimmungen in den Medien. Artikel 9 der Richtlinie bestimmt, daß für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken in bezug auf bestimmte Richtlinienbestimmungen Beschränkungen und Ausnahmen gelten. Die vorliegende Empfehlung konzentriert sich daher auf Ausnahmen und Freistellungen für die Verarbeitung von Daten zu journalistischen Zwecken. 2 Allgemeines2.1 Freie Meinungsäußerung und Schutz der PrivatsphäreArtikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bestimmt in Absatz 1: "Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieses Recht gehört zu den wesentlichen Grundrechten, die aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten abgeleitet sind, und ist einer der Wesenszüge des rechtlichen Erbes demokratisch verfaßter Gesellschaften. Historisch gesehen ist das Recht auf freie Meinungsäußerung eines der ersten eingeforderten Menschenrechte, das gesetzlich verankert wurde. Vor allem die Presse erhielt besondere gesetzliche und verfassungsrechtliche Garantien, insbesondere gegen die Vorzensur. Das Recht auf Privatsphäre wird durch Artikel 8 EMRK gewährleistet. Der in diesem Artikel gewährte Schutz des Privatlebens umfaßt auch den Datenschutz. Ausnahmen von Grundsätzen des Datenschutzes und von Artikel 8 EMRK müssen rechtmäßig und verhältnismäßig sein. Gleiches gilt für Beschränkungen der Meinungsfreiheit, die sich aus der Anwendung datenschutzrechtlicher Grundsätze ergeben können. Diese beiden Grundrechte dürfen jedoch nicht von vornherein als Kollisionsrechte angesehen werden. Ohne einen ausreichenden Schutz der Privatsphäre würden viele ihre Meinung nicht ohne weiteres zum Ausdruck bringen. Ebenso dürfte die Identifizierung und Klassifizierung von Lesern und Nutzern von Informationsdiensten die Bereitschaft des einzelnen verringern, Informationen entgegenzunehmen und mitzuteilen. 2.2 Rechtlicher Hintergrund des Artikels 9 der RichtlinieNach Artikel F Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union hat die Union die Grundrechte zu achten, wie sie durch die EMRK und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gewährleistet sind. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die Medien als Sonderfall anerkannt und die Notwendigkeit gesehen, einen Ausgleich zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Schutz der freien Meinungsäußerung zu schaffen. Artikel 19 des ursprünglichen Kommissionsvorschlags sah vor, daß die Mitgliedstaaten die Presse und die audiovisuellen Medien von einigen Richtlinienbestimmungen ausnehmen konnten. Aus der Begründung wird deutlich, daß Kernbestimmung dieses Artikels die Pflicht ist, einen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen herzustellen und daß dabei andere verfügbare Hilfsmittel wie das Recht auf Gegendarstellung, ein beruflicher Ehrenkodex, die Schranken der EMRK und allgemeine Rechtsgrundsätze berücksichtigt werden sollten. In Artikel 9 des geänderten Kommissionsvorschlags wurden dann Ausnahmeregelungen für Medien verbindlich vorgeschrieben. Der Text wurde anschließend erneut geändert, um auch journalistische Tätigkeiten einzubeziehen und die Ausnahmeregelung auf diese Aktivitäten zu beschränken. Eine weitere Änderung, durch die der Artikel seine jetzige Fassung erhielt, präzisierte die zulässigen Ausnahmen dahingehend, daß sie nicht unterschiedslos für alle Datenschutzbestimmungen gelten sollten. In der jetzigen Fassung sind Ausnahmen zwar verbindlich vorgeschrieben, doch "nur insofern ..., als sich dies als notwendig erweist, um einen Ausgleich zwischen dem Recht auf Privatsphäre und dem Recht auf freie Meinungsäußerung herzustellen. Diese Ausnahmebestimmungen sind zudem beschränkt auf die allgemeinen Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten, die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer und Verhaltensregeln für die Kontrollstellen. Ausnahmen von Sicherheitsbestimmungen sind nach Erwägungsgrund 37 nicht zulässig. Außerdem, so heißt es in diesem Erwägungsgrund, sollten die in diesem Bereich zuständigen Kontrollstellen mindestens bestimmte ex post-Zuständigkeiten erhalten, beispielsweise zur regelmäßigen Veröffentlichung eines Berichts oder zur Befassung der Justizbehörden. 2.3 Überblick über die gegenwärtige Rechtslage in den MitgliedstaatenIn den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten werden gegenwärtig folgende Ansätze verfolgt: a) In einigen Fällen enthalten Datenschutzbestimmungen keine ausdrückliche Ausnahme für den Bereich der Medien. Dies gilt für Belgien, Spanien, Portugal, Schweden und das Vereinigte Königreich. b) In Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Finnland sind Medien von bestimmten Datenschutzbestimmungen ausgenommen. Ähnliche Ausnahmeregelungen sind in einem italienischen Gesetzentwurf vorgesehen. c) In anderen Ländern sind Medien von den allgemeinen Datenschutzvorschriften freigestellt und unterliegen Sonderregeln. In Dänemark gilt dies für alle Medien, in Deutschland nur für die öffentlichen Rundfunkanstalten, die nicht den Datenschutzgesetzen der Länder oder des Bundes unterliegen, sondern besonderen Bestimmungen in den von den Ländern geschlossenen Staatsverträgen. Die Unterschiede zwischen diesen drei Modellen sollten allerdings nicht überbewertet werden. In den meisten Fällen werden Datenschutzbestimmungen - unabhängig davon, ob es ausdrückliche Ausnahmeregelungen gibt - schon wegen des in der Verfassung verankerten Rechts auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit auf Medien nicht in vollem Umfang angewandt. Diese Grundrechte bilden de facto eine Schranke für die Anwendung des materiellen Datenschutzrechts oder zumindest für dessen Durchsetzung. Der normale Datenschutz gilt allerdings im allgemeinen für alle Medien-Aktivitäten. Hiervon ausgenommen sind nur die Print-Medien. Die für den Datenschutz zuständigen Kontrollstellen tragen bei der Anwendung des Datenschutzrechts der Besonderheit der einzelnen Medien Rechnung, unabhängig davon, ob Sonderregelungen bestehen oder nicht. Die tatsächliche Reichweite der Ausnahmeregelungen läßt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von der Gesamtstruktur des Datenschutzrechts in jedem einzelnen Land ab. In welchem Umfang Ausnahmen erforderlich sind, bestimmt sich danach, wie weit sich das materielle Datenschutzrecht effektiv auf die Aktivitäten der Medien auswirkt. Die Unterschiede in der Anwendung des Datenschutzrechts in bezug auf die einzelnen Medien lassen sich auch aus einer anderen Perspektive erklären, nämlich ausgehend von der Funktion des Datenschutzrechts und der Verwendung der Informationstechnologie durch die Medien. In den Anfängen des Datenschutzes konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf große zentrale Datenbanken. Medien schienen damals von solchen Bestimmungen kaum betroffen zu sein, so daß Ausnahmeregelungen auch nicht notwendig erschienen. Die Verlagerung des Schwerpunkts im Datenschutzrecht auf den Begriff der Datenverarbeitung und die umfassende Nutzung der Informationstechnologie durch die Medien haben die Situation grundlegend verändert. Die in den Mitgliedstaaten geltenden Regelungen weisen übereinstimmend eine wichtige Bestimmung auf, der zufolge die Medien - oder zumindest die Presse - gewisse Vorschriften beachten müssen, die zwar nicht zum Datenschutz im eigentlichen Sinne gehören, aber zum Schutz der Privatsphäre des einzelnen beitragen. Diese Bestimmungen und eine häufig umfassende Rechtsprechung bieten eine besondere Form des Rechtschutzes, der mitunter als Ersatz für den fehlenden präventiven Rechtsschutz im Datenschutzrecht angesehen wird. Will man beurteilen, wie die Privatsphäre in bezug auf die Medien geschützt wird, so muß man folgende Schutzmechanismen berücksichtigen: das Recht auf Gegendarstellung und die Möglichkeit, falsche Darstellungen zu berichtigen, die Berufspflichten der Journalisten und die damit verbundene Selbstkontrolle sowie die Bestimmungen zum Schutz der Ehre (straf- und zivilrechtliche Regelungen zum Schutz vor Verleumdung usw.). Die Hinwendung der traditionellen Medien zu elektronischer Veröffentlichung und Online-Diensten gibt weiteren Grund zum Nachdenken. Mit den Online-Diensten gewinnt die Unterscheidung zwischen redaktioneller Tätigkeit und nichtredaktioneller Tätigkeit eine neue Dimension, da sich bei Online-Diensten anders als bei den herkömmlichen Medien die Identität der Empfänger der Dienste feststellen läßt. 3 ErgebnisAus dem Vorstehenden dürfte deutlich geworden sein, daß der Rechtsrahmen in den Mitgliedstaaten für die Anwendung des Datenschutzrechts im Bereich der Medien einer generellen Überprüfung bedarf. Insbesondere muß geprüft werden, in welchem Umfang die Anwendung der einzelnen Bestimmungen in den Kapiteln II, IV und VI der Richtlinie zum Schutz der freien Meinungsäußerung eingeschränkt werden muß. Dabei ist folgendes zu berücksichtigen:
Geschehen zu Brüssel, den 25. Februar 1997. Im Namen der Datenschutzgruppe Der Vorsitzende P.J. Hustinx |
Zuletzt geändert:
am 14.11.97