Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Verbindungsdaten in der Telekommunikation(Entschließung der 58.Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 7./8. Oktober 1999)
Die Ausbreitung moderner Telekommunikationsnetze und die Fortentwicklung der Informationstechnologie erfolgen in großen Schritten. Dieser technische Fortschritt hat einerseits zu einer massenhaften Nutzung der neuen Möglichkeiten der Telekommunikation und damit zu einer grundlegenden Veränderung des Kommunikationsverhaltens der Bevölkerung geführt. Andererseits erhalten dadurch die herkömmlichen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs eine neue Dimension, weil aufgrund der weitreichenden Digitalisierung immer mehr personenbezogene Daten elektronisch übertragen und gespeichert werden. Die bei der Telekommunikation anfallenden Daten können mit geringem Aufwand in großem Umfang kontrolliert und ausgewertet werden. Anhand von Verbindungsdaten läßt sich nachvollziehen, wer wann mit wem kommuniziert hat, wer welches Medium genutzt hat und wer welchen weltanschaulichen, religiösen und sonstigen persönlichen Interessen und Neigungen nachgeht. Bereits auf der Ebene der bloßen Verbindungsdaten können so Verhaltensprofile erstellt werden, die die Aussagekraft von Inhaltsdaten erreichen oder im Einzelfall sogar übertreffen. Eine staatliche Überwachung dieser Vorgänge greift daher tief in das Telekommunikationsgeheimnis der Betroffenen ein und berührt auf empfindliche Weise die Informationsfreiheit und den Schutz besonderer Vertrauensverhältnisse. Die bisherige rechtliche Grundlage für den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Verbindungsdaten in § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) stammt noch aus einer Zeit, in der die analoge Vermittlungstechnik vorherrschte, nicht für jedes Gespräch personenbezogene Verbindungsdaten erzeugt wurden und die Telekommunikationsdienste in wesentlich geringerem Maße als heute genutzt wurden. Die Vorschrift erlaubt auch Zugriffe auf Verbindungsdaten wegen unbedeutenden Straftaten, bei denen eine inhaltliche Überwachung der Telekommunikation unzulässig wäre. Unter Berücksichtigung der Digitaltechnik, der vollständigen Datenerfassung und der Möglichkeit zur Bildung von Verhaltensprofilen verstößt § 12 FAG daher gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist somit nicht mehr geeignet, Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis zu rechtfertigen. In einem früheren Gesetzesentwurf war vorgesehen, den Zugriff auf Verbindungsdaten grundsätzlich auf nicht unerhebliche Straftaten zu beschränken. Beschlossen wurde aber lediglich die unveränderte Fortgeltung des § 12 FAG, zuletzt befristet bis zum 31.12.1999. Nunmehr wollen der Bundesrat und die Justizministerkonferenz die Befristung für die Weitergeltung dieser Vorschrift aufheben und es damit beim bisherigen, verfassungsrechtlich bedenklichen Rechtszustand belassen. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder wenden sich entschieden gegen eine Verlängerung der Geltungsdauer des § 12 FAG und fordern statt dessen eine Neufassung der Eingriffsbefugnis unter Beachtung der grundrechtlichen Bindungen und Anforderungen, die sich aus dem von Art. 10 Grundgesetz geschützten Telekommunikationsgeheimnis ergeben. Die gesetzliche Ermächtigung für den Zugriff auf Verbindungsdaten gehört sachlich in die Strafprozessordnung. Die gesetzlichen Zugriffsvoraussetzungen sollten in Abstimmung mit § 100 a StPO neu geregelt werden. |
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Letzte Änderung: am 11.10.1999 | |||