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Fehlende bereichsspezifische Regelungen bei der Justiz

(Entschließung der 56.Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 5./6. Oktober 1998)

Derzeit werden in allen Bereichen der Justiz – bei Staatsanwaltschaften, Gerichten und Gerichtsvollziehern – im Zuge von Modernisierungsvorhaben umfassende Systeme der automatisierten Datenverarbeitung eingeführt mit der Folge, daß sensible personenbezogene Daten auch hier in viel stärkerem Maße verfügbar werden als bisher. Sogar die Beauftragung Privater mit der Verarbeitung sensibler Justizdaten wird erwogen. Gerade vor dem Hintergrund dieser vollkommen neuen Qualität der Datenverarbeitung in der Justiz wird deutlich, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten Übergangsbonus hier keine tragfähige Grundlage für Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung mehr darstellen kann. Vielmehr müssen die Entscheidungen des Gesetzgebers den Maßstab für die weitere technische Ausgestaltung der Datenverarbeitung innerhalb der Justiz bilden und nicht umgekehrt. Dabei ist nicht nur für formell ausreichende Rechtsgrundlagen Sorge zu tragen. Auch Fragen der Datensicherheit und der Ordnungsmäßigkeit der Datenverarbeitung bedürfen der Regelung.

Seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts sind 15 Jahre vergangen. Dennoch werden ausgerechnet im Bereich der Justiz sensible personenbezogene Daten nach wie vor ohne die vom Bundesverfassungsgericht geforderten bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlagen erhoben und verarbeitet.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bekräftigen deshalb im Anschluß an ihren Beschluß der 48. Konferenz vom 26./27.09.1994 in Potsdam ihre wiederholten Forderungen zu bereichsspezifischen Regelungen bei der Justiz.

Zwar hat der Gesetzgeber in der abgelaufenen Legislaturperiode zumindest Regelungen über Datenerhebung, -verarbeitung und –nutzung im Strafvollzug sowie über die Datenübermittlung von Amts wegen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften an Gerichte, Behörden und sonstige öffentlichen Stellen geschaffen.

Trotzdem sind in wichtigen Bereichen gesetzliche Regelungen weiterhin überfällig. Ausreichende gesetzliche Regelungen fehlen vor allem für

  • weite Bereiche der Datenverarbeitung im Strafverfahren, insbesondere in automatisierten Dateien
    namentlich die
    • Übermittlung von Strafverfahrensdaten an nicht am Strafverfahren beteiligte dritte Stellen;
    • Rechte der Betroffenen (nicht nur der Beschuldigten, sondern auch von Zeugen und sonstigen Personen, deren Daten gespeichert werden) in Bezug auf Daten, die im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gespeichert werden.
  • Aufbewahrung von Akten, Karteien und sonstigen Unterlagen sowie die Dauer der Speicherung in automatisierten Dateien;
  • Datenübermittlung zu wissenschaftlichen Zwecken;
  • Datenverarbeitung in der Zwangsvollstreckung;
  • Datenverarbeitung im Jugendstrafvollzug;
  • Datenverarbeitung im Vollzug der Untersuchungshaft.

Der Gesetzgeber sollte daher in der kommenden Legislaturperiode zügig die notwendigen Novellierungen, für die zum Teil ja schon erhebliche Vorarbeiten geleistet worden sind, aufgreifen. Dabei ist nicht die jeweils geübte Praxis zu legalisieren, sondern es muß vorab unter datenschutzrechlichen Gesichtspunkten geprüft werden, welche Form der Datenerhebung und –verarbeitung in welchem Umfang erforderlich ist. Ferner hat der Gesetzgeber jeweils bereichsspezifisch zu prüfen, inwieweit Aufgaben der Justiz und damit verbundene Datenverarbeitungen Privaten übertragen werden dürfen.

Der Entwurf für ein "StVÄG 1996" erfüllt diese Voraussetzungen nicht, im Gegenteil fällt er teilweise hinter den bereits erreichten Standard der allgemeinen Datenschutzgesetze und anderer bereichsspezifischer Regelungen (wie z.B. dem Bundeszentralregistergesetz und den Polizeigesetzen der Länder) zurück.
Zu kritisieren sind vor allem:

  • Mangelnde Bestimmtheit der Voraussetzungen für Maßnahmen der Öffentlichkeitsfahndung
  • Unangemessen weite Auskunfts- und Akteneinsichtsmöglichkeiten für nicht Verfahrensbeteiligte
  • Unzureichende Regelungen über Inhalt, Ausmaß und Umfang von staatsanwaltlichen Dateien und Informationssystemen

Die Datenschutzbeauftragten halten es deshalb zum Schutz des Rechts des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung für geboten, wegen der mit der Datenerhebung, Verarbeitung und Nutzung verbundenen Rechtseingriffe unverzüglich in der neuen Legislaturperiode bereichsspezifische Regelungen der materiellen Voraussetzungen sowie der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zu schaffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes der Bürgerinnen und Bürger entgegenwirken.

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 Letzte Änderung:
 am 12.10.1998
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