Datenschutz in Berlin
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20 Jahre Berliner Datenschutzbeauftragter

Prof.Dr. Hansjürgen Garstka
Berliner Beauftragter für Datenschutz und Akteneinsicht

Perspektiven für den Datenschutz in Berlin bis zum Jahr 2005

1. Auch Berlin braucht ein neues Datenschutzgesetz

Seit über einem Jahr ist die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes überfällig, die die Eu-ropäische Datenschutzrichtlinie von 1995 notwendig gemacht hat. Ein Entwurf wird demnächst von der Bundesregierung beschlossen. Sobald sich die Konturen der Bundesgesetzgebung hinreichend klar abgezeichnet haben, muss auch das Land Berlin sein Landesdatenschutzgesetz neu fassen. Entsprechend den europäischen Vorgaben werden damit mehr Rechte der Bürgerinnen und Bürger auch gegenüber den öffentlichen Stellen unseres Landes verbunden sein. Zusammen mit dem jüngst verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetz und anderen Gesetzen zur Regelung der Informationsverarbeitung in Berlin könnte damit die Schaffung eines einheitlichen Landesinformationsgesetzbuches verbunden werden. Diese Gelegenheit könnte gleichzeitig genutzt werden, die oft kritisierte Flut datenschutzrechtlicher Spezialbestimmungen im Landesrecht einzudämmen.

2. Die Verwaltungsreform muss zur Stärkung der informationellen Selbstbestimmung genutzt werden

Die bereits vollzogenen, aber auch die bevorstehenden nächsten Schritte der Verwaltungsreform sollen bürgernähere und effizientere Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung ermöglichen. Hierzu gehört aber auch, dass die Rechte der Bürger gegenüber der Verwaltung nicht nur gewahrt, sondern verstärkt werden. Die Aufrechterhaltung der informationellen Gewaltenteilung auch bei einem multifunktionalen Bürgerbüro, klare Verantwortlichkeiten bei der Neustrukturierung des Einwohnerwesens oder die Sicherstellung des Amtsgeheimnisses bei der Nutzung des Internet sind Beispiele für Anforderungen, die an die Verwaltungsreform zu stellen sind.

3. Sparsamer Umgang mit personenbezogenen Daten bei Gesetzgebung und Informationstechnik ist nötig

Am besten ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt, wenn keine oder möglichst wenig personenbezogene Daten verarbeitet werden. Hieraus ergeben sich nicht nur Anforderungen an die Gestaltung von Verwaltungsverfahren, sondern auch an den Gesetzgeber. Er sollte bei allen Gesetzgebungsvorhaben prüfen, welche personenbezogenen Daten aufgrund des Gesetzes verarbeitet werden müssen. Die Auswahl der sparsamsten Möglichkeiten ist ein Verfassungsgebot. Derartige Prüfungen, die vom Berliner Datenschutzgesetz bereits vorgeschrieben, aber bislang nicht umgesetzt sind, müssen eingeführt werden. Vorabkontrollen bei automatisierten Verwaltungsverfahren und gesetzliche Rahmenbedingungen für die Auditierung dieser Verfahren (z.B. durch eine besondere Kennzeichnung datenschutzfreundlicher Verfahren) sollten auch auf Landesebene eingeführt werden.

4. Informations- und Telekommunikationstechniken dürfen nicht zur umfassenden Überwachung missbraucht werden

Der zunehmende Einsatz von Informations- und Telekommunikationstechniken verführt, insbesondere in Verbindung mit großen Datenverarbeitungskapazitäten, zu dem Gedanken, man könne und solle sie zunehmend zur Überwachung nutzen. Die Digitalisierung und Integration von Informationsverarbeitungsprozessen bis hin zur weltweiten Vernetzung im Internet machen durch den Einsatz von Computern unterschiedlichster Größenordnung (vom Hochleistungsrechner bis hinab zum Mikroprozessor), von Videoüberwachungs- und geographischen Ortungssystemen die flächendeckende Überwachung zu einer realen Möglichkeit. Dieser Entwicklung muss durch eine genaue Überprüfung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall entgegengewirkt werden. Auch die berechtigten Belange der Gefahrenabwehr - und Strafverfolgungsbehörden rechtfertigen nicht jedes Mittel.

5. Eingriffsbefugnisse müssen regelmäßig auf ihre Effektivität überprüft werden.

Auch in Berlin sind durch Bundes- und Landesgesetzgeber der Polizei eine Vielzahl neuer Befugnisse eingeräumt worden, die tief in die informationelle Selbstbestimmung eingreifen (Großer und Kleiner Lauschangriff, Rasterfahndung, Schleppnetzfahndung, Schleierfahndung, Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel). Obwohl jeweils lautstark gefordert, werden diese Mittel sehr selten und auch dann häufig ohne Erfolg eingesetzt. Für alle diese Maßnahmen sollte eine regelmäßige anonymisierte Berichtspflicht mit anschließender parlamentarischer Erörterung vorgeschrieben werden, wie dies bereits beim Großen Lauschangriff der Fall ist. Sollte sich ein Mittel als nicht effektiv herausstellen, sind die Befugnisse zurückzunehmen.

6. E-Commerce wird sich nur entwickeln, wenn verlässliche und vertrauliche Kommunikation möglich ist

Auch das Land Berlin setzt auf die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce) als zentrales Wirtschaftsinstrument der Informationsgesellschaft. Viele Förderprojekte unterstützen die Wirtschaft hierbei. Die Entwicklung des E-Commerce setzt allerdings Akzeptanz bei Anbietern und Konsumenten voraus, deren wesentliche Elemente Verlässlichkeit und Vertraulichkeit der Kommunikation sind. Die Förderung des E-Commerce muss daher auch eine Förderung der hierzu erforderlichen Techniken einschließen: hinreichend sichere kryptographische Methoden, digitale Signaturen und datenschutzgerechte Datenverarbeitungstechniken ("Privacy Enhanced Technologies").

7. Der Fortschritt in der Medizin darf nicht die ärztliche Schweigepflicht aushöhlen

Berlin ist ein Zentrum der medizinischen Forschung und der Anwendung neuester medizinischer Behandlungsmethoden. Diese sind in der Regel von einem massiven Einsatz moderner Informationstechniken begleitet, die den Zugang zu den verschiedensten medizinischen Daten erleichtern, damit aber auch gleichzeitig das Recht der Betroffenen auf Geheimhaltung ihrer medizinischen Daten gefährden. Den hohen Anforderungen an die Sicherheit der Medizintechnik müssen ebenso hohe Anforderungen an die Ausgestaltung der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Datenschutz an die Seite gestellt werden. Die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen reichen hierfür nicht aus.Es sind eigene gesetzliche Anforderungen an den Umgang mit medizinischen Daten zu formulieren.

Zuletzt geändert:
am 25.11.99

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