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17. August 1999:

Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Länder fordern angemessenen Datenschutz auch für Untersuchungsgefangene

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben sich gegen die Änderungsvorschläge des Bundesrates zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft gewandt. Sie kritisieren, dass der Bundesrat einseitig das staatliche Vollzugsinteresse betont und sich damit deutlich vom Ziel einer sorgfältigen Güterabwägung entfernt. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben Forderungen für das weitere Gesetzgebungsverfahren in der anliegenden Entschließung aufgestellt.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte, Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, weist darauf hin, dass das Strafverfolgungs- und Sicherheitsinteresse des Staates auch beim Vollzug der Untersuchungshaft berücksichtigt werden muss. Daraus dürfen sich jedoch keine unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Eingriffe in die Rechte von Untersuchungsgefangenen ergeben. Auch in der Untersuchungshaft müssen die vertrauliche Kommunikation, insbesondere mit nahen Angehörigen, und eine wirksame Strafverteidigung gewährleistet sein.

Garstka: "Die Unschuldsvermutung hat unmittelbare Auswirkungen auch für die Verarbeitung der Daten von Untersuchungsgefangenen. Staatliche Eingriffsbefugnisse und Ausnahmen vom Datenschutz, die für rechtskräftig verurteilte Täter im Strafvollzug gelten, dürfen daher nicht pauschal zum Nachteil von Untersuchungsgefangenen angewendet oder noch verschärft werden."



Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 16. August 1999

Angemessener Datenschutz auch für Untersuchungsgefangene

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder begrüßen, daß die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft vorgelegt hat. Damit wird die seit Jahren erhobene Forderung der Datenschutzbeauftragten nach einer bereichsspezifischen gesetzlichen Regelung aufgegriffen.

Diese Regelung muß das Strafverfolgungs- und Sicherheitsinteresse des Staates im Rahmen des gesetzlichen Zwecks der Untersuchungshaft berücksichtigen. Gleichzeitig sind jedoch das Persönlichkeitsrecht der Gefangenen sowie die Unschuldsvermutung und der Anspruch auf wirksame Verteidigung im Strafverfahren angemessen zur Geltung zu bringen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt diesem Anliegen durch differenzierende Vorschriften teilweise Rechnung, läßt allerdings noch Raum für datenschutzrechtliche Verbesserungen. Die Stellungnahme des Bundesrates betont demgegenüber einseitig das staatliche Vollzugsinteresse und entfernt sich damit deutlich vom Ziel einer sorgfältigen Güterabwägung.

Nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder muß die gesetzliche Regelung insbesondere folgenden Anforderungen genügen:

  • Entgegen dem Vorschlag des Bundesrates, von einer inhaltlichen Überwachung nur ausnahmsweise nach dem Ermessen des Gerichts abzusehen, sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren an der Konzeption der Bundesregierung festgehalten werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung differenziert bei der Überwachung der Unterhaltung mit Besucherinnen und Besuchern sowie bei der Kontrolle des Textes von Schriftstücken sachgerecht nach Haftgründen. Nur im Falle der Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr sollten diese Maßnahmen unmittelbar und generell durch Gesetz vorgeschrieben werden, während sie bei Vorliegen anderer Haftgründe (z.B. Fluchtgefahr) nur im Einzelfall aufgrund richterlicher Anordnung erfolgen dürfen.
  • Darüber hinaus sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit unüberwachter Kontakte der Gefangenen zu nahen Angehörigen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auch in Fällen der Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr erwogen werden. Stichprobenartige Überprüfungen von Schriftstücken durch die Vollzugsanstalt anstelle einer Textkontrolle sollten nicht den gesamten Schriftverkehr einzelner Gefangener umfassen. Dies könnte sich im Ergebnis als verdachtsunabhängige Totalkontrolle ohne richterliche Entscheidung auswirken.
  • Das Recht auf ungehinderten und unüberwachten telefonischen Kontakt zwischen Verteidigung und Beschuldigten muß auch in der Untersuchungshaft gewährleistet sein. Mit dem rechtsstaatlichen Gebot wirksamer Strafverteidigung wäre es nicht vereinbar, diesen Kontakt von einer besonderen Erlaubnis des Gerichts abhängig zu machen, wie vom Bundesrat befürwortet.
  • Bei Datenübermittlungen an öffentliche Stellen außerhalb der Vollzugsanstalt (z.B. Sozialleistungsträger, Ausländerbehörden) und an Forschungseinrichtungen müssen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen im Rahmen einer Abwägung berücksichtigt werden. Auch die Erteilung von Auskünften an die Verletzten der Straftat sollte der Gesetzgeber unter Beachtung der Unschuldsvermutung regeln.
  • Die vom Bundesrat vorgeschlagene erhebliche Einschränkung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts von Gefangenen im Hinblick auf den Zweck der Untersuchungshaft würde wesentliche Datenschutzrechte in einem besonders sensiblen Bereich weitgehend entwerten und ist daher abzulehnen.

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  Berlin, am
  17.08.1999
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