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22. April 1998
Datenschutzbeauftragte: Gen-Datei nur mit rechtsstaatlichen
Sicherungen
Zu der Einrichtung einer zentralen DNA-Analyse-Datei beim BKA
auf Anordnung des Bundesinnenministers erklären die Datenschutzbeauftragten
von Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt
und Schleswig-Holstein:
Die Datenschutzbeauftragten lehnen DNA-Analysen zur Aufklärung
von schweren Straftaten im Einzelfall nicht ab. Es ist zu begrüßen,
wenn Spuren und Beweismittel einer Person eindeutig zugeordnet
werden können. Der genetische Fingerabdruck ist um ein Vielfaches
genauer als der herkömmliche Fingerabdruck, so daß
aus datenschutzrechtlicher Sicht keine pauschale Ablehnung der
Nutzung dieser modernen Technik zur Strafverfolgung besteht. Die
Datenschutzbeauftragten weisen jedoch auf die erheblichen Zukunftsrisiken
einer zentralen Gen-Datei hin.
Mit der Einrichtung einer solchen Datei im Rahmen der polizeilichen
Datensammlungen erreicht die Nutzung von DNA-Analysen eine völlig
neue Dimension. Anders als bei Fingerabdrücken, die zur Feststellung
der Identität genutzt werden können, soll hier ein Datenbestand
aufgebaut werden, der künftig wesentlich weitergehende Eingriffe
ermöglichen kann. Angesichts der weltweiten intensiven Forschung
zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms ist es nicht
auszuschließen, daß die gespeicherten DNA-Merkmale
künftig auch die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen
ermöglichen.
Angesichts dieser Unwägbarkeiten muß es dem Gesetzgeber
vorbehalten bleiben, die Risiken, die mit dem Aufbau eines derart
sensiblen Datenbestandes verbunden sind, gegen die Interessen
der Straftatenverfolgung abzuwägen und sich gegebenenfalls
auch gegen eine zentrale Gen-Datei zu entscheiden.
Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen des Bundesinnenministers
und der Landesinnenminister zu kritisieren. Statt nach jahrelanger
Diskussion rechtzeitig eine tragfähige Rechtsgrundlage zu
schaffen, möchten sie offenbar das Parlament vor vollendete
Tatsachen stellen. Eine bundesweite Gen-Datei bedarf angesichts
der damit verbundenen schwerwiegenden Grundrechts-
eingriffe der parlamentarischen Beratung und einer einwandfreien
gesetzlichen Grundlage, bevor ihr Betrieb begonnen wird.
Die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage ist keineswegs
formaler Natur. Vielmehr soll dadurch erreicht werden, daß
das Parlament über wichtige rechtsstaatliche Sicherungen
entscheiden kann:
- Das grundsätzliche Verbot der Verformelung und Speicherung
von Analyseergebnissen, die inhaltliche Aussagen über Erbanlagen
ermöglichen.
- Ein striktes Nutzungsverbot für persönlichkeitsrelevante
Erkenntnisse, die aus der gespeicherten Verformelung der DNA resultieren.
- Die Begrenzung auf Personen, die wegen genau zu bestimmender
schwerer Straftaten gegen die körperliche Integrität,
insbesondere gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt wurden
und bei denen eine Wiederholungsgefahr festgestellt wurde, sofern
die Speicherung aufgrund einer Prognose unter Zugrundelegung des
bisherigen Täterverhaltens die künftige Strafverfolgung
fördern kann.
- Die Begrenzung auf Daten aus DNA-Analysen, die zur Aufklärung
von Straftaten nach den Regelungen der Strafprozeßordnung
aufgrund richterlicher Anordnung erhoben wurden.
- Differenzierte Prüf- und Löschungsfristen nach sachgerechten
Kriterien (z.B. Schwere der Straftat, Alter der Betroffenen).
Bevor eine gesetzliche Regelung geschaffen ist, muß die
Einspeicherung von DNA-Analyse-Daten in zentrale Dateien unterbleiben.
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