Vorlage zur Bundespressekonferenz am 14.1.1998
Widerstand von Datenschutzbeauftragten gegen den Lauschangriff
Datenschutzbeauftragte aus den Bundesländern* üben Kritik
an der von den Innen- und Rechtspolitikern der Koalition und der
SPD geplanten Einführung des Großen Lauschangriffs.
Bei aller Anerkennung der Notwendigkeit, die Kriminalität
effektiv zu bekämpfen, besteht keine Rechtfertigung zum Abhören
von Wohnungen bei der Strafverfolgung. Schon in den vergangenen
Jahren sind die polizeilichen Ermittlungsbefugnisse systematisch
verschärft worden, ohne daß dies zu einer maßgeblichen
Steigerung der Aufklärungsquote geführt hätte.
Auch die Einführung des Lauschangriffs wird daran nichts
ändern.
Damit wird vielmehr auch der letzte unantastbare Bereich der Privatsphäre
der heimlichen Ausforschung preisgegeben. Wenn die Bürger
und Bürgerinnen nicht mehr sicher sein können, ob sie
in ihrer Wohnung unbelauscht sind, führt dies zu einer Verunsicherung
über die Reichweite ihrer Grundrechte und zu einer Verringerung
der freien Lebensgestaltung. Es ist ein Irrglaube anzunehmen,
der Lauschangriff ließe sich auf "Gangsterwohnungen"
begrenzen. Von Ermittlungsverfahren sind ausschließlich
Tatverdächtige betroffen, die nach der Menschenrechtskonvention
als unschuldig zu gelten haben. Beim Lauschangriff ist es unvermeidlich,
daß auch Unverdächtige mit abgehört werden - darunter
z.B. alle Personen des Umfeldes des Betroffenen, wie Familienangehörige,
Bekannte, Kollegen und Kolleginnen.
Auch technisch ist der Lauschangriff fragwürdig. Die "Gangster",
die erfaßt werden sollen, werden sich mit Ortungs- und Störungstechnik
wehren. Übrig bleiben die, die sich keiner Schuld bewußt
sind, und Kontaktpersonen, die das Abhören überhaupt
nicht ins Kalkül ziehen.
Der Rechtsstaat muß sich Grenzen setzen, sonst verliert
er sein Gesicht. Die Abgeordneten des Bundestages und die Landesregierungen
müssen sich im klaren sein, daß damit ein fundamentaler
Grundwert unserer Gesellschaft aufgegeben wird.
Die geplanten Einschränkungen wie Abhörverbote für
Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete sind vollkommen unzureichend.
Abhörverbote müssen für alle zeugnisverweigerungsberechtigten
Personen, wie für Ärzte, Psychologen und Rechtsanwälte,
gelten. Zudem sind die geplanten Einschränkungen realitätsfremd.
Weil die technischen Mittel zum Abhören grundsätzlich
ortsgebunden eingesetzt werden, kann ein Abhörverbot für
bestimmte Personen nicht ausreichend umgesetzt werden.
___________
* Die Erklärung wird unterstützt von den Landesbeauftragten
für den Datenschutz Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg,
Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,Nordrhein-Westfalen,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein.
Redaktion: Berliner Datenschutzbeauftragter, Pallasstr. 25, 10781
Berlin
|