Anlaß für den Schwerpunkt "erkennungsdienstliche
Behandlung" (S. 25) waren mehrere Beschwerden
im Zusammenhang mit Razzien am Bahnhof Zoologischer Garten und
am Breitscheid-platz sowie diskriminierende erkennungsdienstliche
Fotos von rumänischen Abschiebehäftlingen. Razzien werden
oft als willkommene Gelegenheit genutzt, an Fotos der Überprüften
zu gelangen. Auch an sog. "gefährlichen Orten"
darf die Polizei nicht wahllos Personen kontrollieren. Es müssen
dafür Tatsachen ersichtlich sein, daß der Betroffene
mit den Besonderheiten des Ortes in einem Zusammenhang steht.
Die erkennungsdienstliche Behandlung nur aufgrund eines möglicherweise
vor Jahren im Polizeicomputer gespeicherten Tatverdachtes ist
nicht gerechtfertigt.
Unverhältnismäßig kann auch die Art der aufgenommenen
Fotos sein. Wenn rumänische Abschiebehäftlinge mit Jacken
ohne Reißverschluß, mit entblößter Brust
und zerrissenen Kleidungsstücken auf erkennungsdienstlichen
Fotos abgebildet werden, ist dies menschenverachtend, unverhältnismäßig
und die Aufbewahrung der Fotos unzulässig.
Ein weiterer Schwerpunkt im Berichtsjahr war die Nutzung von Archiven
für die Erforschung der DDR-Vergangenheit (S. 32).
Grundsätzlich dürfen diese Unterlagen nicht vor Ablauf
von 30 Jahren nach der Entstehung durch Dritte genutzt werden.
Nur wenn das Forschungsinteresse erheblich überwiegt und
die Person oder der historische Vorgang von besonderer Bedeutung
für die Erforschung der Geschichte oder das Verständnis
der Gegenwart ist, kann diese Schutzfrist verkürzt werden.
Amts- und Funktionsträger der ehemaligen DDR müssen
es allerdings hinnehmen, daß ihre Mitwirkung an Maßnahmen
zum Gegenstand der Forschung gemacht und veröffentlicht wird.
Zum Datenschutz für Mieter (S. 39) erreichten
den Datenschutzbeauftragten viele Beschwerden. Vermieter konfrontieren
Wohnungssuchende oft mit umfangreichen Fragebögen, die eine
Reihe unzulässiger Fragen enthalten. Gegen die Speicherung
der Personalien und des Geburtsdatums zur Vermeidung von Verwechslungen
bestehen keine Bedenken; unzulässig sind jedoch in der Regel
Fragen nach dem Geburtsort, dem Geburtsnamen, der Religionszugehörigkeit,
der Staatsangehörigkeit, der Personalausweisnummer, den Motiven
für die Wohnungssuche, der Anschrift des bisherigen Vermieters,
über Einrichtungsgegenstände, nach Kleintieren sowie
nach Beruf und Arbeitgeber.
Die zunehmende Verbreitung des INTERNET und das Bedürfnis
der Nutzer, ihre Nachrichten zu verschlüsseln, hat zur Kryptodebatte
(S. 43) geführt. Die Verschlüsselung ist eine
der wichtigsten Grundtechniken zur Herstellung informationstechnischer
Sicherheit in Kommunikationsnetzen. Damit werden aber nicht nur
Zugriffe unbefugter Dritter, sondern auch der Sicherheits- und
Strafverfolgungsbehörden ausgeschlossen. Sie erheben daher
weltweit die Forderung, die Verschlüsselung von Nachrichten
gesetzlich unter den Vorbehalt zu stellen, daß sie bei Bedarf
den Klartext jeder übertragenen Nachricht lesen können.
Eine derartige Regelung kann durch verschiedene technische Methoden
leicht umgangen werden. Gerade das organisierte Verbrechen wird
hiervon Gebrauch machen. Eine derartige Regelung würde nicht
zu mehr öffentlicher Sicherheit führen, sondern die
freie Kommunikation in unverhältnismäßiger Weise
einschränken.
Weitere Themen des Jahresberichtes:
Täterorientierte Ermittlungsarbeit bei der Polizei
darf nicht zu einer Meldung aller polizeilichen Kontakte des Betroffenen
führen, weil dies einer polizeilichen Beobachtung gleichkäme
(S. 50).
Akteneinsicht bei der Polizei: Betroffenen wird noch immer
grundsätzlich keine Einsichtnahme in die zu ihrer Person
geführten Unterlagen gewährt (S. 51).
Die Polizeiliche Einsatzleitzentrale (PELZ) wurde mit Mängeln
bei der Datensicherheit in Betrieb genommen. Eine externe Firma
konnte bei der Fernwartung des Systems auf die Dateien zugreifen,
die Paßwortvergabe war unzureichend, Zugriffsberechtigungen
für Mitarbeiter von Fremdfirmen waren zu weitgehend (S.
53).
Im bundesweiten Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden
werden zu viele Daten gespeichert. Das Berliner Landesamt für
Verfassungsschutz darf nur die Daten eingeben, die zum Auffinden
von Akten und der hierfür notwendigen Identifizierung von
Personen erforderlich sind
(S. 57).
GEZ überholt den Möbelwagen: Die regelmäßige
Datenübermittlung aus den Melderegistern an den SFB bzw.
die GEZ bei jeder An- und Abmeldung wurde eingeführt, ohne
unsere Vorschläge für ein datenschutzfreundliches Verfahren
zu berücksichtigen (S. 61).
14 Stunden im Polizeigewahrsam wegen fehlerhafter Ausschreibung
im INPOL-Fahndungsbe-
stand: Obwohl eine Abschiebung eines ehemaligen jugoslawischen
Staatsbürgers nicht möglich war, beließ die Ausländerbehörde
die Personalien des Betroffenen im Fahndungsbestand (S. 68).
Die Befragung von rückkehrwilligen Vietnamesen erfolgte
nicht nur ohne den erforderlichen Hinweis auf die Freiwilligkeit,
sondern erweckte den Eindruck, daß eine Verpflichtung zum
Ausfüllen der zum Teil höchst bedenklichen Fragen bestand
(S. 69).
Die Prüfung der Führerscheinstelle ergab erhebliche
datenschutzrechtliche Defizite: Urteile ohne straßenverkehrsrechtlichen
Bezug (z.B. Verletzung der Unterhaltspflicht) fanden sich in den
Führerscheinakten. Über zehn Jahre zurückliegende
Urteile werden weiter aufbewahrt, und Benachrichtigungen des Kraftfahrtbundesamtes
bleiben trotz des Ablaufes der Tilgungsfrist im Verkehrszentralregister
dauerhaft in den Akten (S. 72).
Korruptionsbekämpfung: Das Gesetzesvorhaben zur Einrichtung
einer zentralen Erfassungs- und Koordinierungsstelle ist datenschutzrechtlich
bedenklich. Die geplante Verpflichtung zur Meldung von "Hinweisen"
oder tatsächlichen Anhaltspunkten für Korruption birgt
die Gefahr der Denunziation in sich, die zu verdeckten Ermittlungen
und einer jahrelangen Registrierung des Betroffenen führen
können. Eine Unterrichtung des Betroffenen über die
Datenspeicherung ist ebenso wenig vorgesehen wie Löschungsfristen
(S. 82).
Inhalt von Personalakten: Vermerke über die psychische
und gesundheitliche Situation eines Mitarbeiters gehören
nicht in die Personalakte (S. 88).
Befragungen von Bewerbern über ihren beruflichen Werdegang
und ihre Hobbies vor anderen Mitbewerbern sind unzulässig
(S. 92). Bewerber, die an Eignungsprüfungen teilgenommen
haben, haben das Recht, ihre Testunterlagen einzusehen
(S. 93).
Wegen der Unsicherheit des INTERNET dürfen Patientendaten
nur in zuverlässig verschlüsselter Form mit e-mail versandt
werden. Krankheitsgeschichten dürfen nur in das INTERNET,
wenn die Anonymität der Betroffenen sichergestellt ist (S.
95).
Zu weit gehende Ermittlungen zur Feststellung von Zweckentfremdung
von Wohnraum geplant: Vorgesehen sind z.B. Datenerhebungen über
Ehegatten, Kinder, Lebensgefährten, Anfragen bei der Post,
bei dem Sozialamt, der BEWAG und GASAG (S. 103).
Nicht alle Markt- und Meinungsforschungsinstitute sind
an der Meinung der Betroffenen interessiert - manchmal steckt
etwas anderes dahinter (S. 111).
Datenschutzrechtliche Probleme im Internat: Internatszimmer
Heranwachsender sind von den Erziehern als Bereich privater Lebensgestaltung
zu respektieren (S. 113).
Datenschutzrechtliche Probleme bei Selbstbedienungssystemen
der Banken: Geldautomaten gaben Geld ohne PIN heraus, nie
geänderte PINs bei Scheckkarten können zu Problemen
führen, zweifelhafte Kundenfreundlichkeit bei Kontoauszugsdruckern
(S. 121).
Überprüfung einer Auskunftei: Zu viele Daten
werden zu leicht weitergegeben (S. 123).
"Verpolizeilichung" von Telediensten droht: Datenbestände
der Telekommunikationsunternehmen unterliegen einem nahezu unbegrenzten
Online-Zugriff verschiedener Sicherheitsbehörden (S. 130).
Für Multimedia-Dienste sind bedenkliche Auskunftspflichten
gegenüber Sicherheitsbehörden geplant (S. 135).
Die Videoüberwachung findet zunehmend Verbreitung.
Diese Technik wird zur Überwachung von Eingangsbereichen,
Verkehrsmitteln, in Gaststätten, Banken, Parkhäusern
und zur Überwachung von Mitarbeitern eingesetzt. Der Datenschutz
setzt hier jedoch Grenzen (S. 153).
|