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15. Mai 1996

Datenschutz bei Mediendiensten und Multimedia

soll Verhaltensprofile über die Mediennutzung verhindern

Der Berliner Datenschutzbeauftragte, Dr. Hansjürgen Garstka, erwartet, daß Bund und Länder bei ihren Bemühungen zur Regulierung der Mediendienste die datenschutzrechtlichen Anforderungen berücksichtigen werden. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in einer Entschließung Eckpunkte für Datenschutzregelungen bei Mediendiensten mit Multimedia-Anwendungen formuliert. Sie appellieren an die Gesetzgeber in Bund und Ländern, eine angemessene, datenschutzgerechte Regulierung der neuen Dienste nicht an Kompetenzstreitigkeiten scheitern zu lassen.

Von zentraler Bedeutung wird es sein, daß Multimediadienste und andere elektronische Dienstleistungen ohne persönliche Daten der Nutzer auskommen oder mit möglichst wenigen personenbezogenen Daten erbracht werden. Es soll verhindert werden, daß das Nutzerverhalten unbemerkt registriert und zu Verhaltensprofilen zusammengeführt wird. Das Grundrecht auf unbeobachtete Kommunikation ist auch bei interaktiven Mediendiensten zu gewährleisten. Dies ist unter anderem zu erreichen, indem die Betreiber und Anbieter dazu verpflichtet werden, auch anonyme Nutzungs- und Zahlungsverfahren anzubieten. Ferner dürfen die bei Verbindung, Aufbau und Nutzung anfallenden Daten grundsätzlich nur für ihre ursprünglichen Zwecke verarbeitet und genutzt werden.

Der Entschließung waren mehrere Anhörungen vorausgegangen, bei denen sich die Datenschutzbeauftragten von Vertretern von Online-Diensten deren Sichtweise erläutern ließen. Am Freitag, dem 10. Mai 1996, haben die Datenschutzbeauftragten mit Vertretern der Medienwirtschaft die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Anforderungen erörtert. Im Ergebnis wurde darin Übereinstimmung erzielt, daß die neuen elektronischen Dienstleistungen nur dann von den Bürgern genutzt werden, wenn der Datenschutz gewährleistet ist.

Anlage

Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder

Entschließung

der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder

vom 29. April 1996

zu Eckpunkten für die datenschutzrechtliche Regelung

von Mediendiensten

In letzter Zeit finden Online-Dienste und Multimedia-Anwendungen zunehmend Verbreitung. Mit den - häufig multimedialen - Angeboten, auf die interaktiv über Telekommunikationsnetze zugegriffen werden kann, sind besondere Risiken für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Teilnehmer verbunden; hinzuweisen ist insbesondere auf die Gefahr, daß das Nutzerverhalten unbemerkt registriert und zu Verhaltensprofilen zusammengeführt wird. Das allgemeine Datenschutzrecht reicht nicht aus, die mit den neuen technischen Möglichkeiten und Nutzungsformen verbundenen Risiken wirkungsvoll zu beherrschen.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder halten es für dringend erforderlich, durch bereichsspezifische Regelungen technische und rechtliche Gestaltungsanforderungen für die elektronischen Dienste zu formulieren, die den Datenschutz sicherstellen. Leitlinie sollte hierbei der Grundsatz der Datenvermeidung bzw. -minimierung sein. Die Datenschutzbeauftragten haben dazu in einer Entschließung vom 14./15. März 1996 zur Modernisierung und zur europäischen Harmonisierung des Datenschutzrechts vorgeschlagen, daß die informationelle Selbstbestimmung bei Multimediadiensten und anderen elektronischen Dienstleistungen durch die Pflicht, auch anonyme Nutzungs- und Zahlungsverfahren anzubieten, durch den Schutz vor übereilter Einwilligung, z.B. durch ein Widerspruchsrecht, und durch strenge Zweckbindung für die bei der Verbindung, Nutzung und Abrechnung anfallenden Daten sichergestellt wird.

Die Datenschutzbeauftragten weisen darauf hin, daß auch mit Inhalten, die durch Mediendienste verbreitet werden, datenschutzrechtliche Probleme verbunden sein können. Auf diese Probleme wird im folgenden jedoch - ebenso wie auf die Datenschutzaspekte der Telekommunikation - nicht näher eingegangen. Bei den datenschutzrechtlichen Eckpunkten wird ferner bewußt darauf verzichtet, den Regelungsort - etwa einen Länder-Staatsvertrag oder ein Bundesgesetz - anzugeben. Die Datenschutzbeauftragten appellieren an die Gesetzgeber in Bund und Ländern, eine angemessene datenschutzgerechte Regulierung der neuen Dienste nicht an Kompetenzstreitigkeiten scheitern zu lassen.

1. Anonyme bzw. datensparsame Nutzung: Die Dienste und Multimedia-Einrichtungen sollten so gestaltet werden, daß keine oder möglichst wenige personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden; deshalb sind auch anonyme Nutzungs- und Zahlungsformen anzubieten. Auch zur Aufrechterhaltung und zur bedarfsgerechten Gestaltung von Diensten und Dienstleistungen (Systempflege) sind soweit wie möglich anonymisierte Daten zu verwenden. Soweit eine vollständig anonyme Nutzung nicht realisiert werden kann, muß jeweils geprüft werden, ob durch andere Verfahren, z.B. die Verwendung von Pseudonymen, ein unmittelbarer Personenbezug vermieden werden kann. Die Herstellung des Personenbezugs sollte bei diesen Nutzungsformen nur dann erfolgen, wenn hieran ein begründetes rechtliches Interesse besteht.

2. Bestandsdaten: Bestandsdaten dürfen nur in dem Maße erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit sie für die Begründung und Abwicklung eines Vertragsverhältnisses sowie für die Systempflege erforderlich sind. Die Bestandsdaten dürfen zur bedarfsgerechten Gestaltung von Diensten und Dienstleistungen sowie zur Werbung und Marktforschung genutzt werden, soweit der Betroffene dem nicht widersprochen hat. Für die Werbung und Marktforschung durch Dritte dürfen Bestandsdaten nur mit der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen verarbeitet werden.

3. Verbindungs- und Abrechnungsdaten: Verbindungs- und Abrechnungsdaten dürfen nur für Zwecke der Vermittlung von Angeboten und für Abrechnungszwecke erhoben, gespeichert und genutzt werden. Sie sind zu löschen, wenn sie für die Erbringung der Dienstleistung oder für Abrechnungszwecke nicht mehr erforderlich sind. Soweit Verbindungsdaten ausschließlich zur Vermittlung einer Dienstleistung gespeichert werden, sind sie spätestens nach Beendigung der Verbindung zu löschen. Die Speicherung der Abrechnungsdaten darf den Zeitpunkt, die Dauer, die Art, den Inhalt und die Häufigkeit bestimmter von den einzelnen Teilnehmern in Anspruch genommener Angebote nicht erkennen lassen, es sei denn, der Teilnehmer beantragt eine dahingehende Speicherung. Verbindungs- und Abrechnungsdaten sind einer strikten Zweckbindung zu unterwerfen. Sie dürfen über den hier genannten Umfang hinaus nur mit der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Unberührt hiervon bleibt die Speicherung von Daten von Verantwortlichen für Angebote im Zusammenhang mit Impressumspflichten.

4. Interaktionsdaten: Werden im Rahmen von interaktiven Dienstleistungen darüber hinaus personenbezogene Daten erhoben, die nachweisen, welche Eingaben der Teilnehmer während der Nutzung des Angebots zur Beeinflussung des Ablaufs vorgenommen hat (Interaktionsdaten; hierzu gehören z.B. Daten, die bei lexikalischen Abfragen, in interaktive Suchsysteme - etwa elektronische Fahrpläne und Telefonverzeichnisse - und bei Online-Spielen eingegeben werden), darf dies nur in Kenntnis und mit ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen geschehen. Interaktionsdaten dürfen nur unter Beachtung einer strikten Zweckbindung verarbeitet und genutzt werden. Sie sind grundsätzlich zu löschen, wenn der Zweck, zu dem sie erhoben wurden, erreicht wurde (so müssen Daten über die interaktive Suche von Angeboten unmittelbar nach Beendigung des Suchprozesses gelöscht werden). Eine weitergehende Verarbeitung dieser Daten ist nur auf Grundlage einer ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen zulässig.

5. Einwilligung: Der Abschluß oder die Erfüllung eines Vertragsverhältnisses dürfen nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Betroffene in die Verarbeitung oder Nutzung seiner Daten außerhalb der zulässigen Zweckbestimmung eingewilligt hat. Soweit Daten aufgrund einer Einwilligung erhoben werden, muß diese jederzeit widerrufen werden können. Für die Form und Dokumentation elektronisch abgegebener Einwilligungen und sonstiger Willenserklärungen ist ein Mindeststandard zu definieren, der einen fälschungssicheren Nachweis über die Tatsache, den Zeitpunkt und den Gegenstand gewährleistet. Dabei ist sicherzustellen, daß der Teilnehmer bereits vor der Einwilligung soweit wie möglich über den Inhalt und die Folgen seiner Einwilligung und über sein Widerrufsrecht informiert ist. Deshalb müssen die Betroffenen sowohl vor als auch nach Eingabe der Erklärung die Möglichkeit haben, auf Einwilligungen, Verträge und sonstige Informationen über die Bedingungen der Nutzung von Diensten, Multimedia-Einrichtungen und Dienstleistungen zuzugreifen und diese auch in schriftlicher Form zu erhalten. Da Verträge oder andere rechtswirksame Erklärungen, die in einer Fremdsprache verfaßt sind, unter Umständen juristische Fachbegriffe enthalten, die nur vor dem Hintergrund der jeweiligen Rechtsordnung zu verstehen sind, sollten zumindest diejenigen Dienste, die eine deutschsprachige Benutzeroberfläche anbieten, derartige Unterlagen auch in deutscher Sprache bereitstellen.

6. Transparenz der Dienste und Steuerung der Datenübertragung durch die Teilnehmer: Die automatische Übermittlung von Daten durch die beim Betroffenen eingesetzte Datenverarbeitungsanlage ist auf das technisch für die Vertragsabwicklung notwendige Maß zu beschränken. Eine darüber hinausgehende Übermittlung ist nur aufgrund einer besonderen Einwilligung zulässig. Im Hinblick darauf, daß die Teilnehmer bei der eingesetzten Technik nicht erkennen können, in welchem Dienst sie sich befinden und welche Daten bei der Nutzung von elektronischen Diensten bzw. bei der Erbringung von Dienstleistungen automatisiert übertragen und gespeichertwerden, ist sicherzustellen, daß die Teilnehmer vor Beginn der Datenübertragung hierüber informiert werden und die Möglichkeit haben, den Prozeß jederzeit abzubrechen. Die zur Nutzung vom Anbieter oder Netzbetreiber bereitgestellte Software muß eine vom Nutzer aktivierbare Möglichkeit enthalten, den gesamten Strom der ein- und ausgehenden Daten vollständig zu protokollieren. Bei einer Durchschaltung zu einem anderen Dienst bzw. zu einer anderen Multimedia-Einrichtung müssen die Teilnehmer über die Durchschaltung und damit mögliche Datenübertragungen informiert werden. Diensteanbieter haben zu gewährleisten, daß sie keine erkennbar unsicheren Netze für die Übertragung personenbezogener Daten nutzen bzw. den Schutz dieser Daten durch angemessene Maßnahmen sicherstellen. Entsprechend dem Stand der Technik sind geeignete (z.B. kryptographische) Verfahren anzuwenden, um die Vertraulichkeit und Integrität der übertragenen Daten sowie eine sichere Identifizierung und Authentifikation zwischen Teilnehmern und Anbietern zu gewährleisten.

7. Rechte von Betroffenen: Die Rechte von Betroffenen auf Auskunft, Sperrung, Berichtigung und Löschung sind auch bei multimedialen und sonstigen elektronischen Diensten zu gewährleisten. Soweit personenbezogene Daten im Rahmen eines elektronischen Dienstes veröffentlicht wurden, der dem Medienprivileg unterliegt, ist das Gegendarstellungsrecht der von der Veröffentlichung Betroffenen sicherzustellen.

8. Datenschutzkontrolle: Eine effektive, unabhängige und nicht anlaßgebundene Datenschutzaufsicht ist zu gewährleisten. Den für die Kontrolle des Datenschutzes zuständigen Behörden ist ein jederzeitiger kostenfreier elektronischer Zugriff auf die Dienste und Dienstleistungen und der Zugang zu den eingesetzten technischen Einrichtungen zu ermöglichen. Bei elektronischen Diensten, für die das Medienprivileg gilt, ist die externe Datenschutzkontrolle entsprechend zu beschränken.

9. Geltungsbereich: Der Geltungsbereich der jeweiligen Regelungen ist eindeutig festzulegen. Es ist sicherzustellen, daß die Datenschutzbestimmungen auch gelten, sofern personenbezogene Daten nicht in Dateien verarbeitet werden.

10. Internationale Datenschutzregelung: Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung grenzüberschreitender elektronischer Dienste und Dienstleistungen ist eine Fortentwicklung der europäischen und internationalen Rechtsordnung dringend erforderlich, die auch bei ausländischen Diensten, Dienstleistungen und Multimedia-Angeboten ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet. Die Verabschiedung der sog. ISDN-Datenschutzrichtlinie mit einem europaweiten hohen Schutzstandard ist überfällig. Kurzfristig ist es notwendig, den Betroffenen angemessene Mittel zur Durchsetzung ihrer Datenschutzrechte gegenüber ausländischen Betreibern und Dienstleistern in die Hand zu geben. Die in Deutschland aktiven Dienste aus Nicht-EG-Staaten haben im Sinne der EG-Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) vom 24.10.1995 einen verantwortlichen inländischen Vertreter zu benennen.

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Zuletzt geändert:
am 02.02.97

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