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Manche moegen's heiss

              oder: Die Einsamkeit an der Konsole

Der Vortragende Guenter Freiherr von Garvenreuth, das Thema RECHT
unuebersichtlich (Globales Dorf = rechtsfreier Raum?), der Ort
BUNKER ULMENWALL in Bielefeld - mit solchen Grundsteinen wird
ein lebhaftes Haus initiert. Das Publikum, wenn nicht
fachkundig, so zu einem Grossteil engagiert. Eine wahre Freude
fuer jeden, auch fuer mich als teilnehmender Beobachter.

Ob allerdings die haeufig beobachtbaren Bestrebungen, rechtliche
Sicherheit fuer MailboxbetreiberInnen zu erreichen, zum Zuge
kommen konnten? Nach gaengiger Praxis wohl nicht.

Herr Gravenreuth stellte ein Konzept vor, dass seinem
Rechtsverstaendnis entspricht. Diese Dreiteilung gilt es
festzuhalten:

     Mailboxen, die dem Briefdienst vergleichbar sind, also NUR
     persoenliche Nachrichten fuer Transfer enthalten.
     BetreiberInnen solcher Einrichtungen sind fuer die Inhalte
     der transportierten Nachrichten nicht belangbar. Ihr
     Auftrag entspricht dem nicht, weil hier ein vertraulicher
     Transfer Teil der Vereinbarungen ist.

     Mailboxen, die mit Presseagenturen vergleichbar sind, also
     ein redaktionelles Konzept vorliegt. Sollten keine
     presserechtlichen Zuweisungen existieren, wuerde nach den
     vorgefundenen Gewohnheiten entschieden, wer Redakteur,
     Verleger usw. ist. In diesen Faellen wuerde mit
     Zustaendigkeiten nicht viel Federlesens gemacht.

     Mailboxen, die mit PD-Vertriebsfirmen vergleichbar sind,
     wobei KEINE grundsaetzliche Unterscheidung zwischen Texten
     und Programmen betont wurde, bzw. eine solche
     Unterscheidung betont zurueckgewiesen wurde. Hier klaffte
     dann endgueltig der Abgrund auf, der im Veranstaltungstitel
     angezielt wird.

Vorab, Herr Gravenreuth hat feste Positionen zu seiner
Dreiteilung. Ist sozusagen beruflich gezwungen, von Fall zu Fall
eine Zuteilung mehr oder weniger schnell vorzunehmen.
Nachdenklich stimmt daher, dass ihm als Fachmann nicht im
Vornherein klar war, dass oeffentliche Nachrichten ebenfalls mit
einem kompletten Zusatz des Absender, bzw. Ursprungssystem
versehen ist. Dieser Umstand brachte dann auch die meiste Unruhe
auf, weil ja die entscheidenden Gerichte in der Regel mit
weniger Detailkompetenz ausgestattet sein duerften. Wichtig auch,
dass ein anwesender oertlicher Rechtsanwalt Herrn Gravenreuth's
Rechtsauffassungen auf weiten Strecken teilte.

So weit, so gut. Wie nun laesst sich sachlich zusammenfassen, was
eroertert wurde? Strittig war vieles. Waehrend das Konstrukt einer
reinen "Briefersatzbox" und ihrer rechtlichen Auslegung von den
Anwesenden noch einvernehmlich uebergegangen wurde, stiess die
Darstellung eine "Mailboxagentur" schon auf wenig Gegenliebe.
Kein Wunder, welche Mailboxagentur kann, wie BTX von der
Sicherheit eines Staatsvertrages ausgehend, redaktionelle
Verantwortlichkeiten auf die einzelnen Anbieter uebertragen
sehen? Den Betreibern von Mailboxagenturen kann da nur empfohlen
werden, sich keinesfalls auf die Verweisbarkeit zum BTX zu
verlassen. Jedoch wenn die Zustaendigkeiten bestehen und
verantwortlich dazu gestanden wird, duerfte auch hier wie bei der
Briefbox kein wesentlich unklarer Rechtsraum (aus Sicht der
Juristen) sein.

Die PUBLICBOX hingegen ist als hochgradig brisant anzusehen.
Zuerst Herrn Gravenreut's Gedankengang, die gaengigen Mailboxen
(Programm- und/oder Text-Up/down-Loader) mit PD-Firmen zu
vergleichbaren. Eine Firma, die PD- und/oder Shareware kopiert
und verkauft, sie ist zweifellos verantwortlich, falls sie
Loehnsoft, Anti-Tuerken-Tests und/oder rassenverhetzende Texte
vertreibt. Anders, die Vertreibung bestimmter Produkte bleibt
weiterhin verboten, unabhaengig von einer neu eingesetzten
Technik.

Nun kamen die Gegenargumente. Von realitaetsfernen Konstrukten
abgesehen, gipfelte die Fragestellung darin, was eine Mailbox
denn nun darstellt: eine Kopiermaschine oder eine
Dienstleistung. Das muss mensch sich vielleicht erst mal auf der
Zunge zergehen lassen. Bietet der/die MailboxbetreiberInnen
einen Kopierdienst an, oder wird eine Kopiervorrichtung als
Dienstleistung zur Verfuegung gestellt? Nicht um unserer eigenen
Bewertung, sondern der Abschaetzung rechtlich relevanter Umstaende
willen. Dieser Unterschied wiegt schwer. Umso beeintraechtigender
der Umstand, dass eine PUBLICBOX beide Kriterien erfuellt.

Das Fazit, einE BetreiberIn habe 5% der SYSTEMZEIT fuer
Stichproben aufzubringen, die der Unterdrueckung verbotener Daten
diene, muendete dann auch unweigerlich in der Frage, welche Daten
zu zensieren seien. Herr Gravenreuth verwies, es gilt die
herrschende Rechtslage (Loehnsoft, Terroraufrufe sind verboten
und gegebenenfalls zu zensieren).

Ein Einwand hierzu war geradezu evolutionaer: Nicht die
AbsenderInnen, sondern die EmpfaengerInnen stehen in der
Verantwortung fuer jedwelche Daten. Nicht BetreiberInnen, sondern
EmpfaengerInnen zensieren nach Wunsch. Der Gesetzgeber, bzw.
unser Rechtssystem glaubt, die EmpfaengerInnen schuetzen zu
muessen. Der Ansatz des Einwandes ist, jede Bevormundung
bezueglich des Umganges mit verbreiteten Daten aller Art
(Kommunikationsfreiheit des/r Absender) zu foerdern. Strittig und
kaum eroertert. Zum Nachdenken: Eine scharf geladene Pistole in
der Hand eines vierjaehrigen Kindes - gilt dieser Vergleich in
irgendeiner Form fuer Datensammlungen?

Wichtig, dass Absprachen zwischen PUBLICBOXEN zwecks Routing von
persoenlichen und oeffentlichen Nachrichten nicht automatisch dazu
fuehren, dass von einer gewerblich/vereinsrechtlichen Handhabung
auszugehen sei.

Natuerlich loeste die Zensurfrage die heftigste Disussion aus.
Herr Gravenreuth wies deutlich darauf hin, dass es inzwischen
einige Urteile gibt, die eine Sorgfaltspflicht der
BetreiberInnen verlangen.

Auf der anderen Seite gab es auch die klare Ablehnung jeglicher
Zensur. Vom technischen Problem, wie pruefe ich ein AMIGA-File in
einer MSDOS-Box, bis hin zur Kernfrage, wieso sollten
BetreiberInnen ueberhaupt eine Zensur entscheiden duerfen, wenn es
um nicht-indizierte "Spiele" sowie um Texte geht, die zweifellos
auf der Grenze zum Gewaltaufruf liegen? Letztlich wuerde dies ein
Gericht entscheiden muessen. Einige Anwesende sahen aber, dass
sich hier ein Schleichweg ankuendigt, rechtliche Gewalt auf
Gewerbetreibende zu uebertragen.

Eine woertliche gestellte Frage bekommt an dieser Stelle eine
sinngemasse Antwort: "Wie muss ich mich als BetreiberIn verhalten,
um auf der sicheren Seite zu stehen?". Die Antwort lautete zwar,
der Stichprobenpflicht Genuege tun, ich moechte es aber ausweiten:

Dem Umstand, dass jedeR AbsenderIn im Prinzip selbst
verantwortlich ist, wird via BetreiberInnen mit einer
(rechtsueblichen) Bevormundung begegnet. Eine PUBLICBOX
betreiben, es ist ein Tanz auf dem Vulkan. Nur ein Job fuer jene,
die es heiss moegen.

Ein turbulenter Nachmittag, der eine Zusammenfassung im
Telegrammstil verdient: Raubkopien nein, Importe unterliegen
nationalem Recht, Zensurunwillen muss den BetreiberInnen
nachgewiesen werden. Netze sind nicht automatisch Gesellschaften
oder Vereine. Eine Sammel- bzw. Informationsstelle ueber
urheberrechtsfreie Teste (BGB, FAG usw.) konnte nicht genannt
werden. Die Oeffentlichkeitsarbeit ausserhalb der Mailboxen liegt
nicht nur im Argen, sie ist derzeit trostlos!

Die interessanteste Frage fand keine verbindliche Antwort: Was
eigentlich ist eine Mailbox aus rechtlicher Sicht? Die im Raum
schwebende Antwort sprach niemand aus: "Manche moegen's heiss".

Horst Willenberg
(h.willenberg@bionic.zer.de)

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