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Auf digitalen Pfaden - der Kritiker
Laesst der Bundesinnenminister die Computer-Szene ausspaehen? Wahrscheinlich ist die derzeitige Verwandlung des Computers in ein Kommunikationsmittel der Grund dafuer, dass so haeufig ueber Kom- munikation gesprochen wird. Doch was sie fuer den Menschen und seine Institutionen bedeutet, wird selten beleuchtet. Die Unter- suchung der "Kompatibilitaet mit Oma" in einer deutschen Wochen- zeitung brachte mich zu der Frage: Kommuniziert Oma mit ihrem Wellensittich? - Selbstverstaendlich! Tritt sie aber mit ihrer Sparkasse in Kontakt, so ist die "Schnittstelle" schon wesentlich enger und hochstandardisiert: Sparbuch, Ueberweisungsformular usw. Indirekt ist Omas Kommunikation mit der Bundesregierung. Hier ge- lingt ihr alle vier Jahre das Absetzen einiger Bits mit dem An- kreuzen des Stimmzettels. Und uns selbst ergeht es nicht anders. Mit wem kommuniziert die Wissenschaft? - Sie tut es mit sich selbst. Meinungen werden vertreten und modifiziert; Wissenschaft- ler schreiben, um bekannt zu werden. Ueber ihren innerwissen- schaftlichen Ruf gelingt ihnen vielleicht die Besetzung eines Lehrstuhls. Wollen sie als Gelehrte unsterblich werden, muessen sie dann weiterhin fleissig mit der Wissenschaft kommunizieren. Die banale Erkenntnis lautet, dass Menschen und Institutionen wesentlich mit sich selbst beschaeftigt sind, und somit meistens nur wenig voneinander wahrnehmen. So kann es niemanden wundern, dass kaum ein Computerfreak auf der diesjaehrigen CeBIT jenes B u c h bemerkte, das eine "Forschungsgruppe Medienkultur und Lebensformen" (Universitaet Trier) dort ausgestellt hatte. ----------------------------------------------------------------- Roland Eckert - Waldemar Vogelsang Thomas A. Wetzstein - Rainer Winter AUF DIGITALEN PFADEN Die Kulturen von Hackern, Programmierern, Crackern und Spielern Westdeutscher Verlag, Opladen 1991 - 304 Seiten - DM 48,-- ----------------------------------------------------------------- Als mir dieses Produkt durch Zufall in die Haende geriet, musste ich sofort an die "Wunschmaschine" denken - jenes mittlerweile acht Jahre alte Buch ueber das "Entstehen der Computerkultur" von der amerikanischen Soziologin Sherry Turkle. Die nunmehr deut- scher Feder entsprungenen "digitalen Pfade" schicken sich an, zwischen unterschiedlichsten jugendlichen Computernutzern zu un- terscheiden. Wie in der gesamten Technikfolgendiskussion, so die Autoren, herrschen hier bisher zu oberflaechliche Betrachtungen. Wie immer in der Sozialwissenschaft werden in der Trierer Studie nicht nur Problemfelder beschrieben, sondern es wird auch der Mangel an empirischer (also erfahrungswissenschaftlicher) For- schung beklagt. Das Buch wird nicht muede, auf die schnelle Ent- wicklung der "Neuen Medien" in unserer Zeit hinzuweisen. Dies lasse die Methoden wissenschaftlicher Beobachtung versagen. Als Leser frage ich mich jedoch, worin das Problem eigentlich liegen soll. Es scheint sich um eine fadenscheinige Ausrede zu handeln, die Untaetigkeit oder Fantasielosigkeit verschleiern soll. Wo war denn die deutsche Sozialwissenschaft in den ganzen vergangenen Jahren? Offenbar hat sie die schon seit langer Zeit auch in der Bundesrepublik vorhandenen Kulturen rund um den Computer schlicht verschlafen! In der Tat enthaelt das betrachtete Buch entlarvende "Fundstellen", die uns das Ausmass der Staubschicht vor Augen fuehren, unter der die Soziologie offenbar nach wie vor begraben liegt. So konnten die Wissenschaftler jetzt feststellen, dass es in der Computer-Szene nur einen geringen Anteil von Frauen gibt. Als er- klaerende Antwort fuer dieses Phaenomen faellt ihnen nichts besseres ein, als das laengst ideologische Stereotyp von der "geschlechts- spezifischen Sozialisation" zu wiederholen. In der Erziehung wer- de Risikobereitschaft unterschiedlich vermittelt, was dazu fuehre, dass "Jungen den Zugang zu ganz neuen Freizeitfeldern eher fin- den". Warum, so frage ich mich immer wieder, weigert sich die Wissenschaft beharrlich, die leidvollen Erfahrungen zur Kenntnis zu nehmen, die selbst hartgesottene Alt68er beim Scheitern ihrer "progressiven" Erziehungsmethoden laengst machen mussten? Trotz aufrichtigster Bemuehungen um eine ausgeglichene Entwicklung der Kinder interessieren sich Jungen leider nach wie vor mehr fuer Technik und Maedchen mehr fuer Soziales. Noch grotesker ist das Urteil der Autoren, wonach der Computer das geeignete Instrument zur "Inszenierung von Maennlichkeit" sein soll. Meine eigenen jahrelangen "alltagswissenschaftlichen" Beob- achtungen sagen mir, dass jugendliche Computerfreaks das Gegen- teil der landlaeufigen Vorstellung von Maennlichkeit darstellen. Sie sind eher Fliehende vor der ihnen vorgegebenen Rolle und Ver- teidiger ihrer Kindheit. Selbstverstaendlich laesst sich auch mein Eindruck nicht verallgemeinern. Dennoch sollte sich gerade ein Buch mit dem Anspruch auf differenzierte Betrachtung nicht von Klischees einholen lassen. Aber natuerlich ist es da ein Politik- student, der von Computerviren heimgesucht wird. Und wenn der Archimedes von "Arkon" ist, spricht das auch nicht fuer besondere Kenntnisse der Verfasser. Das Buch ist eine anerkennenswerte Fleissarbeit des ehrgeizigen universitaeren Mittel- und Unterbaus. Der verantwortliche Profes- sor hat lediglich "zusammenfassende Thesen" auf vier Seiten am Schluss des Buchs formuliert. Grossen Raum nimmt die Auswertung von Gespraechen ein, die mit unterschiedlichsten Angehoerigen der Com- puter-Szene gefuehrt wurden. Die Interviewpartner haben die Trie- rer Soziologen bei Treffen von Computerclubs, in den Computerab- teilungen der Kaufhaeuser, auf der CeBIT '90 sowie beim Chaos Communication Congress gefunden. So wird gleich am Anfang des Buchs u.a. dem Chaos Computer Club fuer die Unterstuetzung gedankt. Weiterhin wurden Computermagazine ausgewertet sowie Telefon- und Mailboxinterviews durchgefuehrt. Nicht zuletzt wurden in Mailbox- Netzen eigene "'Mails' zur Anregung von 'themenzentrierten' Dis- kussionen" verschickt. "Auf diesem Wege", so die Forscher, "erlangten wir (schrittweise) Einblick in die sozio-kulturellen Raeume der Computerfreaks. Auch dabei war fuer uns das Paradigma der qualitativ-interpretativen Forschung, die Handlungs- und Sinnstrukturen der Feldsubjekte situativ zu erschliessen, richtungsweisend". Interpretativ ist die verwendete Methode, weil "sie nicht von 'objektiven Messwerten' ausgeht, sondern den Umgang mit den Medien auf die Lebenssitua- tion des Rezipienten bezieht und die subjektiven Sinnhorizonte in ihrer biographischen Verortung behutsam zu rekonstruieren ver- sucht". Nun, angesichts solcher Formulierungen disqualifiziert sich Sozialwissenschaft zwar noch nicht, geraet aber ungewollt zur koestlichsten Unterhaltung der Leser: Es ist Satire! Weiterhin gibt es in dem Buch kaum einen Satz oder Gedanken, der nicht von einer Quellenangabe begleitet ist. Allein die Litera- turangaben nehmen stolze sechsunddreissig (!) Seiten am Ende des Buches ein! Sie werden zwar zu einer fluessigen Darstellung ver- backen, haetten aber an verschiedenen Stellen kritischer auf ihre Relevanz geprueft werden sollen. So wird etwa einer Veroeffentli- chung aus dem Jahre 1986 der Hinweis auf diverse "Computercamps" entnommen. Dass diese Information aller Wahrscheinlichkeit nach drei Jahre zuvor dem montaeglichen Nachrichtenmagazin entnommen worden ist, und diese Kuriosa heute wohl nicht mehr existieren, scheint gar nicht zu interessieren. Die Motivation der Hacker ist der "Kick" - jenes durch ploetzli- chen Ausstoss von Stress-Hormonen ausgeloeste "Kribbeln im Bauch", das sich im Moment des Erfolges einstellt, da sich das fremde Computer-System am anderen Ende der Welt oeffnet. Steht der Rech- ner erst offen, so liegt die Herausforderung fuer den Freak darin, sich in der angezapften Welt als Aussenstehender zu behaupten und eine moeglichst hohe Stufe in der Systemhierarchie der Privilegien zu erschleichen. Weltweite "Expeditionen" von System zu System fuehren die Hacker zu unterschiedlichsten Institutionen. Die ihnen dabei zugaenglichen Daten sind fuer sie jedoch weitgehend ohne Be- deutung, weil die Kontexte meist im Dunkeln bleiben. Das Zerstoe- ren von Daten oder ganzen Systemen liegt jedoch keinesfalls im Interesse der Hacker. Schliesslich koennen sie ihre Wanderungen nur in funktionierenden Strukturen unternehmen. Somit sind die Schae- den, die durch Hacker verursacht werden, gering. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Im hier beschriebenen Buch je- doch wird sie zum entscheidenden Knackpunkt. Das Werk ist eine ueberarbeitete Fassung eines Gutachtens, das vom Bundesinnen- misterium des Innern finanziert worden ist. Offenbar herrscht dort die Befuerchtung, dass von den Hackern unerhoerte Gefahren fuer Staat und Gesellschaft ausgehen. Die Verfasser der Studie konnten in der Tat Gespraeche mit Crashern fuehren, mit jenen also, die in fremden Computersystemen gezielt Schaeden verursachen. Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler lautet: Crasher stellen sich mit ihrem destruktiven Verhalten in die Reihe der unkontrollierbaren aggressiven Problemgruppen unserer Gesellschaft, zu denen etwa Streetgangs, Skinheads oder Hooligans zaehlen. Das kann nur unterstrichen werden. Doch muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass es... ...sich hierbei um einen kleinen Personenkreis handelt, der die gesamte Hacker-Szene in Verruf bringt. Dies nicht deutlich hervorzuheben, waere fahrlaessig. Zwar lassen sich dem Buch in dieser Hinsicht kaum Vorwuerfe machen. Dennoch lenkt die Studie die Aufmerksamkeit in eine voellig falsche Rich- tung. Die grossen und eigentlichen Schaeden der Computeranwendung entstehen naemlich innerhalb der computerbetreibenden Institutio- nen selbst und nicht durch von aussen eindringende Hacker, was auch die Autoren selbst zugeben. Nicht Ausnahme, sondern Regel ist gegenwaertig die fahrlaessige Handhabung von Computern in der professionellen Anwendung. Datensicherung und -sicherheit sind nach wie vor weitgehend Lippenbekenntnisse. Besonders aber ent- stehen gewaltige Schaeden durch erfahrene Mitarbeiter, die sich innerhalb von Unternehmen kriminell betaetigen. In der Studie wird solche White-Collar-Kriminalitaet jedoch nur am Rande erwaehnt und ausgerechnet im Kapitel ueber die Hackerkul- tur plaziert. Das ist skandaloes! In einem Atemzug mit den Ab- zockern im feinen Anzug werden an gleicher Stelle auch Arbeitneh- mer als Saboteure bezeichnet, die der lueckenlosen Kontrolle mo- derner Personalinformations- und anderer Systeme durch kleine Manipulationen an der Maschinerie zu entkommen versuchen. Hier werden grundlegend verschiedene Motive bestimmter Personengrup- pen ueberhaupt nicht unterschieden. Es ist schlicht eine Gemein- heit gegenueber denjenigen Menschen, die gegenwaertig Opfer perfek- tionierter computergestuetzter Personenkontrollen werden! Endgueltig befremden mich die Verfasser der "digitalen Pfade", wenn sie Forschungsanstrengungen im Bereich der White-Collar- Kriminalitaet mit dem Hinweis auf die rechtliche Situation der Wissenschaftler ablehnen, wonach eine Aussagepflicht bei staats- anwaltlichen Ermittlungen besteht - als haetten sich die fuer das Buch laengst befragten Crasher nicht strafbar gemacht! Mit dem Ausblenden der wirklichen Probleme setzen sich die Trierer So- ziologen dem Verdacht aus, sich zu Handlangern derjenigen Kraefte zu machen, die ein Interesse haben, Hacker mit einem moeglichst schlechten Ruf zu behaften, um selbst ungestoert und unbeobachtet ihren Manipulationen nachgehen zu koennen. In einem hackerfeindli- chen Klima faellt es im Zweifelsfall leichter, Hacker als Scha- densverursacher zu diffamieren. Auf solche Zusammenhaenge haette das Buch eingehen muessen. Die Beschraenkung auf die indirekt zi- tierte Aussage von Steffen Wernery, wonach die Kriminalisierung der Hacker und ihre damit verbundene Abdraengung in den Untergrund ihnen die Motivation nimmt, im Sinne von Gerechtigkeit und der Aufdeckung von Missstaenden der Computeranwendung zu wirken, ist zu billig. Trotz dieser peinlichen Schwachpunkte haben die Urheber des Buches aber auch andere Saiten. Diese zeigen sich in der fairen Darstellung der allgeimeinen Eigenschaften der Freaks, seien sie nun Hacker, Computerspieler, Programmierer, "DFUeler" oder Cracker. Dem Buch gelingt es, sie gegen oft gehoerte und nachge- betete Vorwuerfe und Vorurteile in Schutz zu nehmen. Computer- freaks haben haeufig Angst, von der Gesellschaft als Einzelgaenger abgestempelt zu werden. Die Autoren der "digitalen Pfade" bemue- hen sich um den Nachweis, dass Freaks jedoch durchweg in der Lage sind, ein Gleichgewicht zwischen dem Computer-Hobby und ihren uebrigen Aktivitaeten herzustellen. Dabei zeigen sie vielfaeltige Interessen wie etwa Sport, Musik, Modellbau, Disco, Kino, Ju- gendzentren, Parties, Oldtimer, Freundin... Haeufig entsteht auch aus der Nutzung des Computers selbst ein ganz neuer sozialer Rahmen, was sich etwa in Mailboxkommunikation, Computerclubs oder auch Gespraechen mit Gleichgesinnten zeigt. Dennoch koennen sich die Soziologen von der Universitaet Trier eines bestimmten Eindrucks nicht erwehren: "Der Rechner ist auch bei den intensiven Nutzern in ein breitgefaechertes Spektrum von Freizeitaktivitaeten eingebettet. Dabei wird offenkundig: Ihre sozialen und kulturellen Handlungsmuster gleichen eher den Ak- tionen von 'Larry', dem gewitzten und actionsuchenden Helden des Spiels 'Leisure Suit Larry in the world of the Lounge Lizards', als dem immer wieder auftauchenden Stereotyp vom kontaktarmen Einzelgaenger". Es entsteht beim Leser das ungute Gefuehl einer sich im Kreis drehenden Argumentation. Das ist jedoch nicht die Schuld der Wissenschaftler, sondern spiegelt offenbar die Vertracktheit realer Umstaende... Brillant wird das Buch bei der Abrechnung mit den "Kulturmora- listen"! Mit diesem Begriff werden diejenigen Forscher und son- stigen Schreiberlinge bezeichnet, die penetrant von der techni- schen Struktur und der Funktionsweise des Computers auf mensch- liche Verhaltensweisen schliessen. Kulturmoralisten werfen den Computerfreaks regelmaessig vor, sie seien kommunikationsfeind- lich. In bester Tradition Theodor W. Adornos kommt es dann zu Behauptungen, wonach sich digitales Denken ausbreitet, Kontroll- verlust eintritt und schliesslich die allgemeine Verkuemmerung der Sprachkompetenz zu beklagen sein wird. Solche schraegen Weltan- schauungen, so sagen die Autoren der Trierer Studie zu Recht, entstehen aus irrationalen Aengsten und sind Ausdruck des schlim- men und inakzeptablen Zustands, dass viele ueber Computerfreaks schreiben, ohne jemals einen einzigen gesehen zu haben. Die heutige Jugend ist aber, wie sich nun herausgestellt hat, keineswegs kommunikationsfeindlich. Ganz im Gegenteil ist sie sogar ueber die "Buchkultur", jenem von Heeren bornierter Deutsch- lehrer zum Teil fanatisch gepredigten Massstab, laengst hinausge- wachsen! Gerade Computerfreaks muessen, so die Verfasser der "digitalen Pfade", als Beispiel der neuen "Multimedia-Generation" gelten. Sie informieren sich vielfaeltig und verfuegen ueber persoen- liche "Mediotheken": Buecher, Zeitschriften, Schallplatten, Video- cassetten und Disketten stehen als Quellen gleichberechtigt ne- beneinander. Besonders in den Mailboxen werden die Freaks selbst als Schreibende aktiv. Angesichts dieser Tatsachen frage ich mich gemeinsam mit den Soziologen aus Trier, wie die Prediger zweifel- hafter Ansprueche auf das Gespinst einer passiven Generation kom- men koennen, auf eine Generation, die sich in verkrueppelten, weil von vorgegebenen Konsummustern berieselten Digital-Sklaven mani- festieren soll. Ganz im Gegenteil ist naemlich gerade bei den Freaks das Bewusstsein um die Gefahren der Computerzivilisation ausgepraegt. Weil fuer sie der Mensch im Zentrum technischer Betrachtungen steht, sehen sie die drohenden Einschraenkungen der Freiheit durch perfektionierte und computergestuetzte Kontrollen am Arbeitsplatz oder in anderen Bereichen der Gesellschaft. Thomas A. Wetzstein, Paedagoge und einer der Autoren der Trierer Studie, formuliert das von ihm gewonnene Bild: "Die Freaks werden durch das Computern zu kreativen und phantasievollen Pro- duzenten von neuen Sinnmustern. Sie sind also keineswegs jene Medienmarionetten, zu denen sie von Kulturmoralisten immer wie- der stilisiert (zutreffender: degradiert) werden". - Trotz aller Kritik also, die ich hier an dem Buch "Auf digitalen Pfaden" geuebt habe, moechte ich doch sagen, dass Computerfreaks von den Autoren durchaus Rueckendeckung erfahren. Wenn ich jedoch auf die eingangs angestellten Betrachtungen ueber Kommunikation zurueckkom- me, so befuerchte ich, dass der Einfluss der Studie nicht sehr weit reichen wird. Welche Entscheidungstraeger werden sich schon die Muehe machen, ein differenziertes Bild zu gewinnen? (Anm. der Redaktion: Sicher nicht die Regel, aber moeglich. Dazu siehe Kommentar im Editorial) Auch eine breitere Oeffentlichkeit wird das Buch aufgrund seiner trockenen wissenschaftlichen Darstellung nicht erreichen. Immerhin hat es die Chance, eines Tages zum Klassiker zu werden. Vorsorglich hat es der Westdeutsche Verlag deshalb auf saeurefreiem Papier drucken lassen, damit es sich nicht vorzeitig selbst aufloest. Gegenwaertig arbeitet die "Forschungsgruppe Medienkultur und Le- bensfomen" der Universitaet Trier an einem Projekt mit dem Titel "Kultur und elektronische Kommunikation". Finanziert von der VW- Stiftung moechte man die Kultur der "Mailboxes" im Freizeitbe- reich erforschen. Dazu wurde, wie sich viele erinnern werden, vor einigen Monaten ein Fragebogen ueber die Netze verschickt. Leider haben sich die Wissenschaftler dabei etwas ungelenk ver- halten, weil sie ihr Vorhaben - jedenfalls in meinen Augen - zu wenig transparent gemacht haben. Zwar sagte mir Herr Lerch, Mitarbeiter der Forschungsgruppe und deren Repraesentant auf der diesjaehrigen CeBIT, dass es eine Reihe von Reaktionen auf den Fragebogen gegeben habe, doch schien mir der Ausdruck in seinem Gesicht eher Enttaeuschung widerzuspiegeln. Vielleicht haetten die Soziologen mehr Vertrauen erweckt, wenn sie sich zunaechst an eine laengst ueberfaellige Untersuchung der Compu- terkriminalitaet in Betrieben und Institutionen der Wirtschaft ge- macht haetten. Ebensowichtig waere eine Soziologie der fahrlaessigen Handhabung von Computern. Hier gaebe es eine Menge wichtiger und skandaltraechtiger Erkenntnisse zu gewinnen. Stattdessen ist aber zuerst die Mailbox-Szene dran - ohne Zweifel auch ein wichtiger Forschungsgegenstand, wie die kuerzliche Zensurwelle an deutschen Universitaeten in Bezug auf die Uebertragung von Computergrafiken im GIF-Format gezeigt hat. So koennte es den Print- und anderen Medien gelingen, den Ruf der Mailbox-Szene zu ruinieren. Hier be- duerfte es Stimmen auch aus der Sozialwissenschaft, die zur Ver- teidigung der Mailbox-Netze bereit waeren, und die Gewicht haetten, weil die Oeffentlichkeit ihre Aussagen respektiert. Es ist zu hof- fen, dass die Trierer Forschergruppe bereit ist, diese wichtige Aufgabe wahrzunehmen. Noch muss man leider daran zweifeln. Von Frank Moeller, April 1992 f.moeller@cl-hh.zer f.moeller@cl-hh.comlink.de ------------------------------------------------------------------------------ |
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