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Der Stress am Tag danach ...


Jetzt ist sie also vorbei: Die CeBIT-Messe '92. Wir haben es leidlich
ueberlebt, erstmal ein paar Tage Pause gemacht und uns dann an die Artikel
gesetzt. Fast 4 Monate nach der letzten Chalisti erscheint also jetzt
die Chalisti 18 mit Schwerpunkt Messe-Berichte. Keine Panik wg. der
Dauer zwischen den Chalisti's. 

In den letzten Wochen und Monaten ist viel passiert. Wir hatten beispiels-
weise Probleme mit den Medien. Vor einigen Wochen gab es einen Chalisti-
Sonderartikel, der sich auf diverse Artikel in EMMA, Spiegel und anderen
Zeitungen bezog, die ueber "Pornos auf den Netzen" geschrieben haben. Dabei
ging es in dem Artikel zentral um die Sperrungen an diversen Universitaeten
der Gruppen, die sich mit sexuellen Themen beschaeftigen. Zum Teil gingen
diese Sperrungen auch darueberhinaus, aber schon die Sperrung des Brettes, wo
sich Opfer von Verwaltungen anonym unterhalten, reicht aus um einen zu denken 
zu geben. Im vorrauseilenden Gehorsam wurde nicht mal versucht, der 
Informationsfreiheit den Vorrang vor dem (berechtigten) Schutz der Jugend zu 
geben oder mindestens hinzunehmen. Dieses Ereignis wurde natuerlich auch im 
restlichen globalen Dorf bemerkt. Benutzer aus anderen Laendern sahen mit 
befremden, wie hier mit einen Medium umgegangen wird, das im wahrsten Sinne 
des Wortes "demokratisch" ist. Wenige Wochen danach sehen die Benutzer in 
ihren Medien vermutlich die Ergebnisse der Wahlen in Baden-Wuertenberg und 
Schleswig-Holstein. Rechtsradikale Parteien sind dort zu erschreckenden 
Ergebnissen gekommen. Zum Beispiel 11% fuer die Republikaner in Baden-Wuertem-
berg, also die Partei des Herrn Schoehnhubers. War das nicht derselbe Herr, 
der mal vor einigen Jahren sagte, dass er - wenn er die Moeglichkeit haette - 
als erstes den MONITOR (eine Report-Fernsehsendung) verbieten wuerde ?  
Informationsfreiheit ist in dieser komplexen Welt ein wichtiges Mittel fuer
die Demokratie. Nur aufgeklaerte und informierte Buerger sind in der Lage,
eine (vernueftige) Wahl zu treffen und die Vorteile der Demokratie kennen-
zulernen. 
Wie es so schoen heisst: Weimar ging nicht unter, weil es zu viele Radikale
gab, sondern weil es zu wenig Demokraten gab. 
Letztens sagte eine Untersuchung, dass 50% der Jugend unter 20 Jahre latent 
rechtsradikale Gedanken nachhaengen. Hoffen wir mal, dass diese Untersuchung 
falsch gemacht wurde. In 20 Jahren machen diese Menschen die Politik.

In unseren Artikel ueber die Porno-Debatte hatten wir in 2 Absaetzen (eher
am Rande) ueber einen Vorgang in den Bretter der ct-Hierachie berichtet. Dort
gab es einige Diskussion, weil ein Benutzer aus dem Zerberus meinte, dass
seine Beitraege nicht ohne Nachfragen verwendet werden duerften. Daraufhin
bekam ich eine E-Mail von Christian Persson von der c't-Redaktion. Dort
beschwerte mensch sich ueber unsere Darstellung. Mensch verlangte von uns,
die Passagen zu aendern. Nach 2 Mails hatte ich klargemacht, dass es recht 
witzlos ist, das zu aendern. Wir wuerden aber in der naechsten Chalisti
selbstverstaendlich eine Gegendarstellung veroeffentlichen. Das ist fuer uns
einfach auch guter Stil. Das setzt aber voraus, dass mensch uns nicht
einfach sagt, was kritisiert wird, sondern das mensch uns einen Text
"Gegendarstellung" zuschickt. Das ist gaengige Praxis. Dazu war mensch aber 
wohl auch nicht bereit, den wir haben zweimal dazu aufgefordert und bis 
heute ist hier nix eingetroffen.
Herr Persson hat seine Position mit Diskussionsbeitraegen aus ct.diskussion
versucht zu belegen. Zum Teil konnten wir aber auch unsere Position mit
solchen Diskussionsbeitraegen belegen. Eine Stellungnahme bekamen wir auch
dafuer nicht. Da wir auch keinen Text "Gegendarstellung" bekommen haben, 
kann ich nur mitteilen: Der Text im Beitrag "Den Aufstand proben...",
der sich auf die Auseinandersetzungen zwischen Wau Holland und der Redaktion
c't bezieht, werden von der Herrn Persson (ob er im Namen der Redaktion
spricht, wurde mir nicht mitgeteilt) anders gesehen: 
a) Hat die Diskussion nicht zwischen Herrn Holland und der Redaktion c't
   stattgefunden, sondern zwischen Herrn Holland und einem Angehoerigen
   der Redaktion.
b) Wurde das Zerberus nicht von der Verteilung ausgeschlossen, "nur" weil
   Wau Holland seine Meinung gesagt hatte. Es wird hoechstens ein "Nachdem"
   akzeptiert.

Dieses teilen wir von uns aus mit. Bezuegl. b) bleiben wir bei unserer sub-
jektiven Sicht, weil sie sich so aus der Materiallage ergibt und Herr Persson 
unsere Meinung nicht aendern konnte. Wir sehen dies auch nicht als Richtig- 
oder Gegendarstellung an, weil diese bei uns bis zum heutigen Tage nicht 
eingegangen ist. Besonders fehlt jeder Hinweis, ob die Mitteilung von Herrn
Persson im Namen der Redaktion abgegeben wurde. 

Natuerlich gibt es noch andere Katatrophen. Beispielsweise hatte ja 
bekanntlich am 6. Maerz Michelangelo Geburtstag. Das hatte zur Folge, dass 
ein nach ihm benannter Virus aktiv wurde. Nun gut. Der Virus ist im Vergleich 
zu anderen recht jung (Auswirkung auf den Verbreitungsgrad), er ist recht 
primitiv programmiert (einfacher Bootsektorvirus) und viele Anti-Viren-
Programme erkennen ihn schon seit Monaten. Es gab eine Warnung des CERT's 
aus den USA, was in einer solchen Situation nicht ungewoehnlich ist. Sowas 
kommt alle paar Wochen vor. Also kein Grund zur Panik, sollte mensch meinen. 

Wie es genau passierte, weiss heute keiner mehr. Vielleicht war es der
Name des Virus, vielleicht weil er eine Woche vor der CeBIT aktiv wurde, 
vielleicht weil es ein Winter-Loch in den Medien gab ... auf jeden Fall
war der Michelangelo-Virus in aller Munde. Von Hunderttausenden infizierten
Rechner war die Rede, und es wurde von einer "neuen Qualitaet" gesprochen. 
Da wir, als CCC, wiedermal mit Anrufen bombardiert wurden, hielten wir es
fuer sinnvoll, Anfang Maerz eine Pressemitteilung herauszugeben. In der
zeigten wir unser Erstaunen ueber die ploetzliche Aktivitaet und machten
klar, dass Anti-Viren-Programme kein prinzipieller Schutz vor Viren seien
und dass die Probleme bei der Computer-Sicherheit von fehlender Risiko-
abschaetzung kommen. Wir versuchten klarzumachen, dass die derzeitige Hysterie
nur der Sicherheits-Industrie hilft und hoechstens kurzfristig mehr Viren
beseitigt wuerden. Mittel- und Langfristig wuerde es sogar mehr Schaden als
Nutzen bringen:
        - Viren-Programmierer haben eine tolle PR. 
        - Die Leute, die sich Anti-Viren-Programme besorgt haben (egal ob 
          PD oder gar gekauft), haben die Zusammenhaenge nur bedingt ver-
          standen. Schon der naechste Virus mit grosser Verteilung und sogar 
          die schon lange bekannten Viren werden sie wieder befallen - nur 
          das die Benutzer sich sicher fuehlen. Was verstehen die denn schon 
          von neuen Virengenerationen, Varianten und dem Prinzip. 

Fuer diese Pressemitteilung haben wir von vielen Seiten positive, wie auch
negative Stimmen zu hoeren bekommen. Soweit es sich um sachliche Auseinander-
setzungen handelte, war dies auch sehr konstruktiv. Allerdings gibt es auch
Menschen, die Pressemitteilungen nicht so genau lesen. Am Anfang der 
Mitteilung steht z.B. der Name von Prof. Brunnstein, zustaendig fuer das
Virus-Test-Center an der Uni Hamburg. Weiter hinten sagen wir, dass der Vorteil
dieser Medienhysterie nur bei der Sicherheits-Industrie liegen wird. Prompt
bekomme ich von Prof. Brunnstein eine E-Mail, dass er doch nicht mit der
Sicherheits-Industrie zusammenarbeitet, etc. Zusammen mit der Tatsache, dass
ein Sprecher des CCC's den Michelangelo-Virus im Fernsehen in Brunnstein-
Virus umbenannt hat (was wirklich alles andere als eine Geistesleistung war),
teilte uns Prof. Brunnstein mit, dass er in Zukunft nix mehr mit uns zu tun
haben wolle und dass er zu keinen Veranstaltungen kommen werde, wo wir einge-
laden sind. Auch einige E-Mails (mit Sachargumenten und persoenlichen
Schlussfolgerungen) haben nicht helfen koennen. Die Diskussion wurde 
beendet. 
Dieses Verhalten ist mir (und anderen) nur schwer nachvollziehbar, aber wir
haben kein Problem damit, es zu respektieren. Wir koennen aber nicht 
akzeptieren, dass Prof. Brunnstein nun versucht, indirekten Druck auszuueben. 
Beispielsweise hat er eine Einladung zu einen BSI-Workshop in Boppard Anfang
September. Wie er mir mailte, hat er dem BSI mitgeteilt, dass er nicht kommen
werde, wenn ich komme. Abgesehen davon, dass es eines Wissenschaftlers unwuerdig
ist, einen Veranstalter so unter Druck zu setzen, moechte ich gern wissen,
was Prof. Brunnstein nun erwartet. Inzwischen ist auch bei mir die Einladung
zum BSI-Workshop eingegangen und ich habe auch vor hinzugehen. Es ist keine
angenehme Entscheidung vom BSI, wie es jetzt mit dem Problem umgehen will.
Auch die Anweisung Prof. Brunnsteins an die Studenten des VTC, auf der CeBIT
nicht mit uns zu reden, ist nicht nachzuvollziehen. Wollen wir mal sehen,
wie dies weitergehen soll. Auf unserer Seite werden wir uns wenigstens auf
keine Grabenkaempfe einlassen, aber auch unsere Arbeit nicht behindern 
lassen.

So. Dann bleibt noch zu sagen: Die Chalisti 19 erscheint in 1-2 Tagen. Sie
ist faktisch fertig, aber wir wollen ja keinen Aerger wg. ploetzlich
ueberhoehten Traffic. :-)

                                                        Redaktion Chalisti


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