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2 x Freiheit der Information
Novellierung des 'Freedom of Information Act' --------------------------------------------- Der Fall des New Yorker Unternehmens "Brownstone Publishers Inc." ist bezeichnend. Das Unternehmen beabsichtigte die Datenbank des Stadt- entwicklungsamtes zu nutzen, um daraus interessante Statistiken abzuleiten und mit Blick auf das ortsansaessige Maklergewerbe und den Immobilienhandel zu vermarkten. Die Stadtverwaltung erklaerte sich jedoch lediglich bereit, einen Papierausdruck ihres entsprechenden Datenbestandes zur Verfuegung zu stellen. Statt einer $46 teuren Kopie der Datenbank auf Magnetband sollten mehrere Millionen Seiten Papier bedruckt werden. "Brownstone Publishers Inc." haette die Datenbank anhand dieser Unterlagen voellig neu generieren muessen. Geschaetzter Gesamtaufwand $10.000. Das Unternehmen liess sich auf diese Vorgehensweise nicht ein, ging statt- dessen unter Berufung auf den "Freedom of Information Act" vor Gericht und gewann das Verfahren. Mit der Begruendung, dass der dem "Freedom of Information Act" unterliegende gesetzgeberische Wille darauf ausgerichtet sei, jedermann ohne Ruecksicht auf moegliche kommerzielle Interessen den best- moeglichen Zugang zu Verwaltungsaufzeichnungen und Regierungsdokumenten zu ermoeglichen, wurde die New Yorker Stadtverwaltung zur Herausgabe eines entsprechenden computerlesbaren Magnetbandes verurteilt. Der demokratische Senator Patrick J. Leahy, Vorsitzender des "Senate Subcommittee on Technology and the Law" arbeitet z. Zt an einer Novellierung des "Freedom of Information Act" die den Moeglichkeiten der modernen Datenverarbeitung besser Rechnung tragen soll. Drei Aspekte werden im Zuge dieser Novellierungsdebatte besonders kontrovers diskutiert: 1) Sollen Regierungseinrichtungen ueberhaupt veranlasst werden koennen, Datenbankinformationen in den Formaten herauszugeben, die von Anfragern gewuenscht werden? 2) Wieviel Programmieraufwand darf einer Regierungseinrichtung zugemutet werden, um Anfragen auf der Grundlage des "Freedom of Information Acts" beantworten zu koennen 1) Inwieweit soll sich der "Freedom of Information Act" auch auf die Freigabe regierungseigener Verwaltungssoftware und - zur Kontrolle des Verwaltungs- handelns - auch auf verwaltungsinterne E-mail beziehen. Was Datenbankformate angeht, so sieht der derzeit diskutierte Novellierungs- entwurf von Senator Leahy sog. "vernuenftige (reasonable) Formatanfragen" als gerechtfertigt an. Auf keinen Fall sollte Regierungseinrichtungen die Herausgabe von Datenbankinformationen in Formaten abverlangt werden, die dort nicht zur Verfuegung stuenden. Auch der angesehene Rechtsprofessor Henry H. Perritt Jr. von der "Villanova University" in Philadelphia aeussert in einem Gutachten, dass Regierungseinrichtungen nicht zur Reorganisation von Datenbankstrukturen oder gar zur Generierung neuer Datenbankformate verpflichtet seien. Dennoch sind Regierungseinrichtungenn besorgt, dass die Geschaeftswelt den "Freedom of Information Act" fuer kommerzielle Interessen missbrauchen koennte. (Anm. der Red. Chalisti: Das geschieht tagtaeglich. Das FoIA wird weitaushaeufiger fuer kommerzielle Interessen genutzt, als im Sinne des Erfinders zur Kontrolle von Regierungsstellen). Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Gebuehren fuer Anfragen auf der Grundlage des "Freedom of Information Act" an das US-Finanzministerium zu entrichten sind und nicht an direkt an die Einrichtung, in der entsprechende Anfragekosten entstehen. Darueberhinaus sei die Personalausstattung vieler Einrichtungen so schlecht, dass ein Anstieg von Anfragen kaum noch bewaeltigt werden koenne. (aus Fitnus 18, GMD Aussenstelle Washinton) Der Warenwert von Information und die Paradigmendiskussion in der Informatik Auf der vornehmlich von amerikanischen Datenbankanbietern getragenen "Online-91", die vom 7.-9. Mai in New York stattfand, fand u.a. der Vortrag des unabhaengigen Unternehmensberaters David Bellin vom "Pratt Institute" in Brooklyn mit dem Titel "The Commoditization of Information - Political and Economic Realities" besondere Beachtung. Bellin griff in besonderer Weise in die z.B. in der GMD unter dem Titel "Leitbilder der Informatik" gefuehrte Paradigmendiskussion ein, die in Deutschland - je nach Sichtweise - den "Partner-", "Medien-" oder "Werkzeugcharakter" des Computers betont. Er beschaeftigte sich zunaechst mit dem Wert der Ware Information. Aus polit-oekonomischer Sicht liege der Warenwert von Informationen ueber ihrem reinen Gebrauchswert. Ebenso wie die auf dem Arbeitsmarkt gehandelte Ware "Arbeitskraft", die als einzige wertschoepfende Eigenschaften habe, werde auch die auf dem Informationsmarkt gehandelte Ware "Information" zunehmend einzigartig in ihrer Eigenschaft, mehr als nur sensu-motorisch regulierte (physical) Arbeitsprozesse steuern zu koennen. Erstmalig, so Bellin, seien wir heute in der Lage, auch die diese Prozesse steuernden Denkvorgaenge (abstract reasoning) informationstechnologisch auf Maschinen abbilden zu koennen. Dies geschehe durch die Akquisition von Wissen, das z.B. in Expertensysteme eingelagert werden koenne. Wissen sei allerdings zunaechst grundsaetzlich private Information in den Koepfen von Menschen. Der besondere Wert von Informationen als Ware begruende sich daher zunehmend ueber die urspruengliche "Privatheit" akquirierter und damit der Privatsphaere entzogener Informationen. Erst diese Art von Information ermoegliche es, Computer als expertokratische Partner des Menschen auszulegen. Waehrend sich seit Jahrzehnten der Begriff der "entfremdeten Arbeit" (alienation of labor) eingepraegt habe, eroeffneten diese informations- technologischen Potentiale heutzutage die viel weitreichendere Moeglichkeit, Arbeitnehmer vollstaendig von ihrer Arbeit zu trennen. Die zunehmende Akquisition privaten Wissens, so konzedierte Bellin, werfe allerdings auch in den USA immer akuter werdende Probleme des gesetz- geberischen Schutzes der Privatsphaere und des persoenlichen Datenschutzes auf. Der Vortrag ist in den "Proceedings of the Twelfth National Online Meeting" abgedruckt, die zum Preis von $55 bei "Learned Information Inc., 143 Old Marlton Pike, Medford, NJ 08055" bestellt werden koennen. Auf Wunsch ist die GMD-Aussenstelle Washington bei der Beschaffung behilflich. ------------------------------------------------------------------------------ |
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