Chaos Communication Congress '97
Hamburg, Eidelstedter Bürgerhaus, 27. - 29.12.1997
Chaos-Knoten

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Was vom Jahr übrig blieb

Realitätsabgleich und Rückblick 1997

ActiveX, Kinderporno, EC-Karten und so weiter

Referent: Andy Müller-Maguhn, Hendrik H. Fulda und Frank Rieger


Da sitzt er auf der Bühne, der Vorstand, und erzählt so beiläufig, was er das Jahr über getrieben hat. Außer bei diesem alljährlchen Realitätsabgleich hat man wohl bei keiner Veranstaltung auf dem CCCongress eine so nette Gelegenheit, den "eingetragenen Verein" hinter dem CCC ein wenig durchschimmern zu sehen.

Woraus besteht also die Vorstandsarbeit in einer Hightech-Lobbyorganisation wie dem CCC? Aus Veröffentlichungen, Vorträgen und Zeugenaussagen.

Das nennenswerte 1997 begann mit einer Veröffentlichung im SPIEGEL, über den Trick von Lutz Donnerhacke, mit Hilfe eines Active-X-Applets einem fremden Computer Überweisungen auf das eigene Konto unterzuschieben. "Große Presselast" war die Folge, ähnlich wie nach einer weiteren SPIEGEL-Story, in der behauptet wurde, jedes eingeschaltete Mobiltelephon ließe sich aus der Ferne als Wanze umprogrammieren. Ob das tatsächlich funktioniert, ist noch nicht geklärt. Dennoch: "An dem Tag", erinnerte sich Frank Rieger, "habe ich drei Akkus leertelephoniert, das ist mir noch nie passiert". (Woraus wir lernen, daß eine Veröffentlichung im SPIEGEL immer noch die beste Methode ist, um ein Mobiltelephon aus der Ferne einzuschalten und dann Informationen abzusaugen. Zumindest bei Franks Mobiltelephon).

Mit wachem Auge verfolgte der Club auch das Urteil des OLG Hamm in Sachen Sicherheit von PINs auf EC-Karten, das erste, in dem die Richter nicht dem Argument der Banken folgen mochten. Seitdem ist also auch unter Juristen bekannt, daß die Informationen auf der Karte ausreichen, um die PIN auszurechnen. Wenig Beachtung hingegen fand Andys Vorschlag für ein Update der 10 Gebote auf dem Kirchentag.

Schön sind die Geschichten anzuhören, die mit einem gönnerhaften "und dann habe ich dem Richter in fünf Minuten das Internet erklärt" und dem homerischen Gelächter aus dem Publikum enden, zum Beispiel die vom Prozeß gegen die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt, der CompuServe die Homepage wegen eines Links auf strafbaren Inhalt (in diesem Fall die Internet-Ausgabe der Zeitschrift "Radikal") gesperrt hatte. Fazit aus diesem Prozeß: Frau Marquardt ist wegen des "Radikal"-Links nicht verurteilt worden, aber grundsätzlich ist die Strafbarkeit von Links nicht geklärt.

Das schlagende Argument war in diesem Fall der Verweis auf ein SPIEGEL Online-Angebot, in dem Links zum Thema "Auschwitzlüge und so weiter im Internet" gesammelt worden waren, so berichtete Andy (der als sachverständiger Zeuge im Prozeß gegen Angela Marquardt gehört wurde).

Im August durfte der Vorstand dann auch die Dreharbeiten zm Film "23" (Über den KGB-Hack und Karl Koch) in Köln besichtigen. Eben dort wurde nämlich der CCCongress aus jenen Tagen nachgestellt, in einer Turnhalle und mit alten C64-Rechnern aus der Requsite. Die Statisten, alles Schüler, erzählte Andy mit Mißbilligung in der Stimme, seien von der Regieassistentin ständig dazu angehalten worden, doch bitte mehr zu rauchen.

Ein Dauerbrenner des Jahres 1997 war Kindesmißbrauch und -pornographie, und leider eben auch Detlef Drewes, ein politischer Redakteur der "Augsburger Allgemeinen", der über T-Online eineutige Angebote empfangen haben will, aber (laut Andys Bericht nach übereinstimmender Meinung des CCC und des bayerischen Landeskriminalamtes) wohl viel zusammenphantasiert und sich seine Fundstellen als Agent Provocateur selbst erzeugt.

Von der Tagung der Datenschutzbeauftragten gab es die Beobachtungzu vermelden, daß sich die Zeiten sehr geändert haben und die Beauftragten sich mit neuen Aufgaben befassen möchten:nicht mehr der Staat als allmächtiger Sammler von Bürgerdaten ist die größte Gefahrenquelle, wie man vor 10 Jahren bei der Einrichtung dieser Ämter dachte - die Wirtschaft sammelt weit mehr Daten, ohne kontrolliert zu werden. Außerdem sei es an der Zeit, auch die Offenlegung von staatlich gespeicherten Daten zu fordern, damit die Bürger ihrer Verwaltung besser auf die Finger schauen können.

Erfahrungen der Machtlosigkeit konnte der Vorstand auch bei Anhörungen vor Bundestags-Kommisionen sammeln, wo sich die Abgeordneten über Konzepte und Sachverhalte genauer informieren, die bei der Gesetzgebung sowieso nicht berücksichtigt werden. Immerhin - so das augenzwinkernde Resümee - "das Internet ist auch 1997 nicht verboten worden".

Martin Virtel



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