Das Ortsnetz bleibt bei der Telekom
Privatisierung des Telekommunikationsmarktes
Änderungen und Folgen
Referenten: Olav Strawe (TeleTalk), Achim Repenning (Econophone) und Reinhard Kowalewski (o.tel.o)
Ab 1998 gibt es außer der Telekom 48 weitere Telefondiensteanbieter,
bei denen auch Privatleute Kunden werden können. Die Gebühren
werden dort niedriger sein als bei der Telekom. Die drei großen
Anbieter (Acor, Viacom und o.tel.o) haben deswegen günstigere Preise,
weil sie eigene Weitverkehrsnetze besitzen (Viacom hat noch keines,
es ist aber zu erwarten, das sie eins bauen werden), Leitungen
von der Telekom mieten und günstig weitergeben oder Dienste ausländischer
Telefongesellschaften für Telefongespräche ins Ausland verfügbar
machen.
Anders als in den USA, wo das Telefonnetz nach der Privatisierung
an verschiedene regionale Telefongesellschaften verteilt wurde,
behält die Telekom ihr Netz komplett. Das bedeutet:auch Kunden
anderer Anbieter müssen weiterhin die Dienste der Telekom für
das Ortsnetz in Anspruch nehmen und bezahlen. Es gibt Ausnahmen,
bei denen Firmen Leitungen bis in die Häuser legen, jedoch nur
in vernachlässigbarem Umfang.
Es gibt zwei Möglichkeiten, Kunde bei anderen Anbieter zu werden.
Zum Einen Call-by-Call: Bei jedem Telefongespräch wählt man, über
welchen Anbieter das Gespräch laufen soll. Diese Entscheidung
könnte man einem Computer überlassen, der entscheidet, welche
Leitung die billigste ist. Die andere und erwartungsgemäß von
Privatkunden genutzte Möglichkeit ist, alle Gespräche nur noch
über einen bestimmte Anbieter zu führen. Dazu genügt ein Anruf
beim Anbieter, der eine Umschaltung im Rechner der Telekom veranlasst.
Daraufhin wird jedes Gespräch zu Telefonanschlüssen, die mit einer
Null beginnen, über den alternativen Anbieter geführt.
o.tel.o wird solche Aufträge ab Mitte Februar annehmen und damit
testen, ob die Umschaltung bei der Telekom so funktioniert, wie
sie es sollte. Es gibt noch viele ungeklärte Streitfragen und
Hindernisse. Einen Tag vor Weihnachten verkündete die Telekom,
für das Umschalten eine einmalige Gebühr von rund 100 Mark zu
kassieren. In den USA kostet so eine Umschaltung z.B. 8 Dollar,
die außerdem vom neuen Anbieter bezahlt werden. Auf ein einheitliches
Format für die Übertragung von Gebührenimpulsen konnten sich die
Konkurrenten auch noch nicht einigen. Wer wissen muß, wieviel
ein bestimmtes Gespräch gekostet hat, braucht daher einen Einzelverbindungsnachweis.
Den gibt es ab nächsten Jahr ohne Aufpreis. Die Provider sind
verpflichtet, nur noch solche Rechnungen zu schreiben - ohne Zusatzgebühr.
Von der Telekom bekommt man in jedem Fall eine Rechnung (ihr gehört
das Ortsnetz), und zusätzlich gibt es dann eine Rechnung vom alternativen
Anbieter. Zwar bietet die Telekom an, das Inkasso wie bei T-Online
ebenfalls für den Anbieter zu machen (kostet 4,9% der Einnahmen
plus 6 Pfennig je Zeile auf der Rechnung), das werden die Anbieter
aber nicht machen, sondern lieber ihre eigenen Rechnungen verschicken,
der sie dann entsprechend Werbung beilegen können.
Fazit: Ein kostenloses Ortsnetz, wie wir es alle herbeisehnen,
wird es leider nicht geben. Ferngespräche (das ist alles, was mit einer Null anfängt) gibt es aber billiger für die Leute,
die sich die Mühe machen, zu einem anderen Provider als der Telekom
zu gehen.
Die Preise der Telekom werden vermutlich nicht wie angekündigt
erheblich sinken. Es ist für das Unternehmen billiger, bewußt
den Verlust preisbewußter und innovativer Kunden in Kauf zu nehmen.
Dabei verliert sie weniger als bei einer Preissenkung für alle
Kunden.
Reinhard Kowalewski ist Pressesprecher bei o.tel.o
Achim Repenning ist Mitarbeiter bei Econophone
Olav Strawe ist Chefredakteur der Zeitschrift TeleTalk
Krischan Jodies