Adbusting / Markenhacken
Referent: Paul Kalkbrenner
High, auch auf die Gefahr hin die Zyniker unter euch zu langweilen, möchte
ich mit ein paar Fakten zur Werbung beginnen. Keine Panik, es wird zunehmend
philosophischer und absurder. Bisweilen sogar richtig lustig.
Das Drogenkartell: Zucker, Tabak, Alkohol
Seit Anfang der 90er Jahre gibt das Bundesministerium für Gesundheit
Millionensummen für die Kampagne "Keine Macht den Drogen"
aus. Abgesehen davon, daß sich die Münchener Werbeagentur Abold
an dieser Kampagne einen Wolf verdient, ist diese Schnapsidee von Helmut
Kohl und seinen DFB-Kumpels nichts als ein gigantisches Täuschungsmanöver.
Das Geld des Steuerzahlers wird nicht nur zum Fenster rausgeschmissen, sondern
diese Kampagne will in erster Linie suggerieren, daß Dope, Heroin
und Speed die größten Feinde der Volksgesundheit sind.
Hintergrund ist jedoch: für die illegalen Drogen kassiert Waigel
keine Steuern. Für Zucker, Tabak und Alkohol jedoch fließen Milliarden
in seine Kassen. Folglich ist die gesamte Kampagne so aufgebaut, daß
niemand auf die Idee kommt, sogenannte legale Genußmittel wären
ebenfalls Drogen und gefährlich.
z.B. Zucker
Schon mal darüber nachgedacht, daß Zucker eine Droge ist?
Gib einem Kind, das noch nicht mit der Zivilisation gesegnet ist, eine Kiste
Schokoriegel und Du kannst den Energieflash beobachten, der durch seinen
Körper geht. Nicht unähnlich einer Prise Koks.
Wir alle können diese Erfahrung nicht mehr nachvollziehen, weil
unser gesamter Metabolismus bereits auf eine hohe Grunddosierung Zucker
geeicht ist. Bereits Babynahrung wird mit Zucker versetzt, völlig legal.
Anfixen würde man das bei einem Heroindealer nennen.
Damit keiner den Deal checkt, investiert der Weltkonzern Ferrero, allein
in Deutschland 300 Millionen DM in Werbung (1996) [1]. Tennis-Star Anke
Huber verspeist eine "Kinder-Milchschnitte" und verkündet
"So, jetzt kann's richtig losgehen!". Milchschnitte ist gesund,
ebenso wie "Kinder-Schokolade" und "Kinder Pingui",
"Fruchtzwerge sind so wertvoll wie ein kleines Steak".
Ferrero hat sich das Wort "Kinder" sogar als Marke schützen
lassen. (Ich habe 3 Klagen über mich ergehen lassen und mehrere 10.000
DM bezahlen müssen um die Marke "Kinder" nicht mehr zu "verunglimpfen").
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung hat die "kleinen
Milchmahlzeiten" 1996 analysiert. In keinem der untersuchten Pausensnacks
wurden ausreichende Mengen hochwertiger Kohlenhydrate oder Eiweiße
gefunden. Die Cremefüllung besteht fast ausschließlich aus Fett
und Zucker, zuviel Zucker.
Den Medien wie dem Kölner Express ist eine solche Nachricht eine
10-Zeilen Meldung auf Seite 7 wert. Darüber lacht Ferrero ebenso wie
über die Tatsache, daß die Kosten der Krankenkassen für
Füllungstherapien und Kariesbehandlung alleine 1996 bei 4-5 Milliarden
DM lagen [2]. Davon entfallen alleine 40% auf Kinder und Jugendliche.
Auch die Ferrero-Werbung konzentriert sich hauptsächlich auf diese
Zielgruppe. Sie darf als drittgrößter Werbetreibender der Republik
trotz gegenteiliger Beweise ihre Zucker-Drogen sogar Lebensmittel nennen.
Eine Studie der Universität Gießen [3] belegt, daß der
Anteil für Nahrungs- und Genußmittel 40% der gesamten Fernsehwerbung
ausmachen. Die mit Abstand am häufigsten beworbenen Produkte sind stark
gezuckerte Milchprodukte, Softdrinks und Süßwaren. Zu 77% (!)
erreichen diese Werbebotschaften am Samstagmorgen und Sonntagnachmittag
den Verbraucher, also dann, wenn die meisten Eltern ihre Kinder unbeaufsichtigt
vor der Glotze abstellen. Selbst die meisten Eltern geben laut Studie der
TV-Werbung eine Mitschuld an Übergewicht und Karies ihrer Kinder.
z.B. Alkohol
Das einzig Wahre ist nicht Warsteiner, sondern die Bundes-Verkehrsstatistik
der Polizei. Angetrunkene Deppen fahren jedes Jahr hunderte von Menschen
zu Tode, verletzen sich und andere, zerstören ganze Familien. Trotzdem
gibts an jeder Tanke Alkohol ohne Ende.
Trotz angeblichem Werbeverbot darf Beck's die Sportschau präsentieren.
Den schönsten Tag mit den schönsten Frauen präsentiert die
Bierwerbung. Die amerikanische Alkoholindustrie gibt jährlich mehr
als 2 Milliarden Dollar für Alkoholwerbung aus. Ca. 10% aller US-Bürger
können als Alkoholiker bezeichnet werden. 50% aller schweren Verkehrsunfälle
werden durch Alkoholeinfluß verursacht.
Ein amerikanischer Jugendlicher sieht 100.000 Werbeanzeigen und Spots
für Alkohol, bevor er mit 18 den ersten Alkohol legal kaufen darf,
Durchschnittswerte nach DIN [4]. Aber Euch als
gestandene Zyniker brauche ich die Alkoholdiskussion wohl nicht weiter
auszuführen. Die Fakten sind klar. Von unserem Helden Harald Juhnke bis
Leberzirrhose. Darauf einen Dujardin.
z.B. Tabak
Zur Zeit macht die Entscheidung der EU die Runde, nach der die Tabakwerbung
verboten werden soll. Nur den Wenigsten dürfte bekannt sein, was mir
Frau Klug, die Pressesprecherin des Bundesgesundheitsministeriums, vor einigen
Tagen mit bedauerndem Unterton am Telefon erzählte: Nämlich daß
gleichzeitig die EU-Subventionen für Tabakanbau weiter erhöht
wurden.
Daß der Camel-Mann bereits vor Jahren an Lungenkrebs starb, verblaßt
angesichts der weltweiten Milliarden-Werbeetats von Philipp Morris und Co.
Daß die Zigarettenindustrie seit Jahrzehnten die Öffentlichkeit
dummdreist an der Nase herumführt, daß in ihren Labors suchterregende
Verfeinerungen und Zusatzstoffe für Glimmstengel entwickelt wurden,
kann man in den "Cigarette Papers" der University of California
[5] nachlesen.
Selbst die kürzliche Einstufung der US-Behörden von Tabak als
Droge hat sich noch nicht zu Helmut Kohl herumgesprochen. Kein Wunder, der
Mann kann ja auch kein Englisch. Selbst die außergerichtliche Einigung
der amerikanischen Tabakindustrie mit verschiedenen US-Bundesstaaten, die
die Nikotinbosse mit milliardenschweren Entschädigungszahlungen bestrafte,
wurde von der Börse mit einem Steigen der Aktien der Tabakindustrie
quittiert.
Diese seltsame Logik wurde von einem Sprecher der Tabak-Lobby folgendermaßen
erläutert: "Man sei jetzt schließlich in der Lage, diesen
Posten als feste Größe ins Budget einzuplanen, und sei so vor
noch kostspieligeren Überraschungen geschützt."
Raucherbein und Lungenkrebs sind angesichts dessen doch
Allgemeinplätze, die kein Kamel mehr interessieren. Stattdessen
konzentriert sich die Nikotin-Mafia auf die Jugend als Kernzielgruppe. Je
früher man die Kids anfixt, je größer der Profit.
Nicht ohne Grund ist Camel der Hauptsponsor der Love-Parade. Nicht ohne
Grund wurde eine Comicfigur, nämlich "Joe Camel" zur Hauptwerbefigur
erkoren. Wer zum Teufel liest Comics? Kinder und Jugendliche.
Philip Morris initiiert "Marlboro Music" mit Talentwettbewerben
für Nachwuchsmusiker, überzieht die Republik mit "Marlboro-HipHop-Jams"
und "Marlboro-House-Nights."
Doch die große Kohle ist jetzt in Asien und Afrika zu holen. Dort
beginnen die Konzerne folgerichtig ihre Erziehungsstrategie mittlerweile
mit Kinderspielzeug, auf dem die Logos bekannter Zigarettenmarken prangen.
Zur allgemeinen Belustigung möchte ich dieses Kapitel mit einem
Zitat aus dem deutschen Rundfunk-Staatsvertrag abschließen. Dieser
schreibt rechtsverbindlich vor:
"Werbung darf nicht irreführen, den Interessen der Verbraucher
nicht schaden und nicht Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit
oder Sicherheit der Verbraucher sowie der Umwelt gefährden. Werbung,
die sich an Kinder und Jugendliche richtet, darf nicht ihren Interessen
schaden oder ihre Unwissenheit ausnutzen."
Markenbewußtsein schafft Kriminalität
Vor einigen Jahren hat in Italien ein junger Mann namens Pietro Maso
seine Eltern ermordet, um sich Luxusprodukte leisten zu können. Im Laufe
des Gerichtsprozesses stellte sich heraus, daß er 27 Herrendüfte
auswendig herunterbeten konnte. Er gab an, genauestens zu wissen, welche
Marken man tragen und welches Auto man fahren müßte, um Erfolg
zu haben. Woher sollte er dieses Wissen haben, wenn nicht aus der Werbung?
[6]
Bereits Ende der 80er Jahre wurden sozialpsychologische Studien übers
"Abstauben" durchgeführt. Schüler, die ihren Mitschülern
Chevignon-Jacken, Nike-Turnschuhe und Adidas-Hemdchen klauen, gehören
mittlerweile zum Alltag. Hier in Hamburg beging ein Kid dieses Jahr Selbstmord,
weil er den Erpressungsversuchen seiner Mitschüler nicht mehr gewachsen
war.
Ohne Gameboy bist du eine Pfeife, ohne Tamagotchi eine Null. Derartiger
Schwachsinn beschäftigt mittlerweile Horden von Sozialarbeitern. Bezahlen
tut sie der Steuerzahler, also wir, nicht die Werbung, nicht die Markenartikler.
Obwohl in diesem unserem Lande rechtlich eigentlich das Verursacherprinzip
gilt, das heißt:
Wenn du mein Auto kaputt machst, mußt du es auch bezahlen. Wenn
Marlboro deine Gesundheit kaputt macht, mußt du es mit deinen Krankenkassenbeiträgen
allerdings selbst bezahlen.
Wenn Tommy Hilfinger dir einredet, seine neuen Jacken seien die coolsten
der Welt, ohne sie bist du out und kriegst keine geile Mutter ab - und du
gehst hin und klaust dir eine - Pech für Dich, du wanderst in den Knast,
nicht Tommy Hilfinger oder seine Werbeagentur. Schließlich hättest
Du ja den Fernseher ausmachen können, schließlich hättest Du ja
bei der Zeitschriftenwerbung schnell umblättern können, schließlich
hättest du ja beim Autofahren die Augen zumachen können, um nicht
auf die Werbung zu kucken.
Aber das Prinzip kennt ihr ja von den EC-Karten und den deutschen Banken.
Wenn jemand dein Konto abräumt bist du selbst schuld, schließlich
kann das niemand tun ohne daß du ihm deine Geheimnummer gegeben hast,
oder?
Werbung schadet deiner geistigen Gesundheit
Der Münchener Psychoanalytiker Franz Strunz hat in einer Untersuchung
versucht zu beweisen, daß sich Sigmund Freud irrte, als er das Traumverhalten
von Kindern analysierte. Freuds These war, daß Kleinkinder im Traum
frei von den Bevormundungen der Eltern und Gesellschaft seien. In ihren
Träumen lebten sie ein absolut freies und glückliches Leben.
Struntz wies in seinen Untersuchungen nach, daß es in den Träumen
der Kinder, die er untersuchte, nur so von schrecklichen Monstern, Verbrechen
und Katastophen wimmelte. Die meisten der untersuchten Kinder seien wie
paralysiert von den Gefahren, von denen sie nachts geträumt hätten.
Der einzige Unterschied zwischen den Kindern, die Freud und Strunz untersucht
haben, war die Entwicklung des Fernsehens. Freud konnte den Einfluß
des Fernsehens, der Medien und der Werbung nicht vorhersehen.
Die Medien haben aber nicht nur die Träume der Kinder verändert.
Hier ist ein grundsätzliches Verständnis von Rezeption
erforderlich: wie funktioniert Wahrnehmung?
Das Sprachbewußtsein entwickelt sich erst mit dem 4. Lebensjahr.
Vorher nimmt das Kleinkind die Welt nur in Bildern wahr, die allerdings
begreift es. Sprache und Logik bleiben ihm lange Zeit erstmal unbegreiflich.
Das Kind begreift also, was es im Fernsehen sieht, bevor es sprechen kann.
Es versteht die Bilder in Zeitschriften und auf Werbetafeln ebenso wie Analphabeten
es tun.
Kinder die mit 7 Jahren schon Crack ausprobieren, mit 8 ihre Schulkameraden
ausrauben und mit 9 versuchen, ihre jüngere Schwester zu vergewaltigen,
probieren nur das aus, was sie bereits in den Medien gesehen haben. Lange
bevor Ihnen Eltern und Gesellschaft linguistisch/verbal klarmachen können,
was angeblich falsch und richtig ist, hat die Macht der Medienbilder sie
bereits erzogen. Und dieses Phänomen betrifft nur unsere Generationen,
die erstmals in der Geschichte mit diesen virtuellen Bildern großgeworden
sind. Das logische Verständnis von "das da in der Glotze ist virtuell,
ebenso wie das da in der Zeitung" kommt bei uns allen zu spät.
Einer der bekanntesten Werbeideologen, Jacques Séguélas
von der Agentur Euro-RSCG formuliert es so: "Die Werbung hat alles
erobert... Sie ist zum Schulmeister unserer Kinder geworden, da sie bei
ihren Lehrern nur Stunden absitzen, das Fernsehen dagegen tausend Stunden
eifrig verfolgen. Sie sitzen gebannt vor unseren Spots, und so wird die
Werbung auch zum Lehrmeister fürs Leben." [6]
Die Macht der Bilder, der visuellen Kommunikation, bleibt aber auch im
Erwachsenenalter ungebrochen. Sie ist stärker als logische Argumente.
Auch wenn du dich darüber erhaben fühlst, die Penetranz der Werbebilder
dressiert dich trotzdem.
Deshalb arbeitet jede Werbung mit Bildern, deshalb sind erfolgreiche
Marken Wort-Bild-Zeichen. Jeder kennt den Coca-Cola Schriftzug, ebenso wie
das Lebensgefühl, das uns durch ungezählte Werbespots und Print-Kampagnen
eingebleut wurde. Jeder kennt den Marlboro-Schriftzug und assoziiert
ihn mit Freiheit und Abenteuer, Cowboy-Romantik und herber Männlichkeit.
Selbst die Telekom hat es geschafft mit einem Werbeetat von über 500
Millionen DM tausende von Narren davon zu überzeugen, sich ihre in
wenigen Tagen wertlosen Aktien zu kaufen.
Der erste, der die Macht der Medienbilder und der Corporate-Identity erkannt
und benutzt hat, quasi der Vater der Werbung, war Adolf Hitler. Kein Markenzeichen
war so bekannt wie das Hakenkreuz. Keine Marketingkampagne so erfolgreich
wie die der Nazis. Während das Volk sich an blonden arischen Schönheiten,
dem Glücksgefühl nach Pfadfinderart, dem Kult des Natürlichen
und wahren Deutschen, wolkenlosem Himmel und starken Autos, gigantischen,
perfekt organisierten Massenevents hingab, der Stimme des Führers im
Volksempfänger lauschte, die erste TV-Olympiade der Welt erlebte, sich
pausenlos starken Helden auf Plakaten und Denkmälern gegenübersah,
- starben all diejenigen, die diesem faschistischen Ideal nicht entprachen,
im KZ: Juden, Schwule, Gewerkschafter, Künstler und Kommunisten.
Alle glaubten dieser gigantischen Werbekampagne, niemand war den logischen
Argumenten des Widerstands zugänglich. So erfolgreich war diese Kampagne,
daß noch heute irgendwelche Verstrahlte von der Ausschwitz-Lüge
reden. Soweit zur Macht der Bilder und der Werbepropaganda.
Ein anderes, eher harmloses Beispiel, ist der Weihnachtsmann. Wieso trägt
er dieses rote Mäntelchen, dessen Ränder weiß abgesetzt
sind? Wieso trägt er diese Stiefel und das bekannte rot-weiße
Zipfelmützchen? Weil ihn ein amerikanischer Grafiker vor vielen Jahrzehnten
so für Coca-Cola gezeichnet hat. Und weil Coca-Cola dieses Image mit
Milliardenaufwand und jahrzehntelang konsequent penetriert hat. Ein Meilenstein
in der Geschichte des Marketings in den Hausfarben von Coca Cola: rot-weiß
[8].
Auch Pepsi strebt nach höherem. Der Konzern versucht zur Zeit, sich
einen bestimmten Blauton als Markenzeichen weltweit schützen zu lassen:
Pepsi Blue.
Die Hüter des ewig Gestrigen: Werbung und Medien
"Es gibt keine Unterschiede mehr zwischen den Mechanismen der Werbung,
des Fernsehens und jenen der anderen Medien. Sie funktionieren überall
auf die gleiche Art, mit den gleichen Tricks. Allmählich verwechselt
man den redaktionellen Teil mit der Reklame.
Im Fernsehen rollen alle amerikanischen Serien das gleiche "nette"
Traumschema ab wie die Werbung. Alle Gameshows, Teleshopping-Sendungen,
Sendeformen wie "Der Preis ist heiß" sind mit der Werbung
verbunden, machen selbst Werbung oder rufen dazu auf, auch ja zu
konsumieren, indem sie uns phantastische Werbegeschenke versprechen, die
unser Leben verändern. Shows ähneln immer mehr riesigen
Promotion-Events, da sich Schauspieler und Sänger immer nur dann
einladen lassen, wenn sie ihren neuesten Film oder ihre neueste CD
vorstellen möchten. Sie präsentieren sich dabei immer mit einem
strahlenden Lächeln, ganz wie in der Werbung. Die Showmaster ihrerseits
machen in ihrer Werbedeko nichts anderes, als für sich selbst in ihrer
eigenen, von Werbung unterbrochenen Show zu werben. Sie sprechen von
"meinen lieben Gästen",
"meinen schrecklich indiskreten Fragen", "jener hitverdächtigen
Single", während Schönheiten in tiefausgeschnittenen Dekolletes
und kurzen Röckchen um sie herumscharwenzeln und kaum mehr als drei
Worte hervorbringen, ganz wie in der Werbung.
Wir sind unter die Herrschaft der Fernsehdiktatur geraten, die nicht
gewaltsam, sondern sanft in Werbemanier über uns kam - was sie ja so
gefährlich macht.
Italien wurde unter der Regierung Berlusconi zum Vorreiter dieser neuen
Tyrannei, in der die Chefs von Fernsehanstalten zu Staatschefs werden. Sie
kontrollieren das Bild und damit die Realität - den Körper und
den Geist. Es entwickelt sich eine sanfte, überzeugende, unterschwellige
Diktatur, die von den Experten für Einschaltquoten gezielt gesteuert
wird. Die schlimmstmögliche aller Diktaturen, da gegen sie keine Revolte
mehr möglich ist. Sie braucht keine Gefängnisse und keine Wärter
mehr. Anstelle von Gittern gibt es die Glotze". [6].
Noch ein Zitat von Jacques Séguélas der Agentur Euro-RSCG:
[6]
"Die Aufgabe der Werbung ist es, den Konsumenten zu seinen verborgenen
Erwartungen hinzuführen. Indem sie diese aufdeckt, erschafft sie erst
die Lust, den wahren Motor unserer hemmungslosen Konsumgesellschaft."
Ohne Werbung keine Konsumgesellschaft, ohne Werbung hätten wir den
Kopf frei, um über andere, wichtigere Dinge nachzudenken.
Im Namen des Volkes: Wie das Markenrecht das Grundgesetz aushebelt -
Perlen deutscher Rechtsprechung
Die Frage: "Where do you want to go today?" ist mittlerweile
ein registriertes Trademark von Microsoft. Siemens hat vor wenigen Monaten
erfolgreich eine schwule Kölner Telefongesellschaft verklagt und
ihr untersagt, den Slogan: "Wir gehören zur Familie" zu benutzen,
obwohl der Slogan "We are Family" seit Jahren fester Bestandteil
der Schwulenszene ist.
Die Absurdität hat Methode. Obwohl wir zweifelsfrei im Kapitalismus
bzw. der freien Marktwirtschaft leben, in der auch die Kunst längst
zur Ware geworden ist, darf man als Künstler mit kritischen Adbusting-Werken
keinen kommerziellen Erfolg haben. Konzernen wie Shell ist jedoch millionenschwere
Augenwischerei, sprich Werbung, besserer Betrug am Verbraucher gestattet.
Ein Beispiel dieser Logik am Gerichtsprozeß Shell AG (1.) gegen Abgang!
GmbH und Paul Kalkbrenner (2.):
"Der Fall kann aber durchaus über eine mit den guten Sitten
im Wettbewerb nicht vereinbare Entwertung der Werbekraft eines bekannten
Zeichens gelöst werden, zumal nach neuem Markenrecht nicht nur die
Herkunftsverbürgungsfunktion eines Zeichens, sondern auch der Schutz
der Werbefunktion diskutiert wird."
"Der Antragsgegner zu 2. bringt damit seine durch das Handeln der
Antragstellerin in der Öffentlichkeit, insbesondere bei der ehemals
geplanten Entsorgung der Bohrinsel "Brent Spar" durch Versenkung
im Meer und dem in der Presse berichteten umweltzerstörerischen Vorgehen
bei der Erdölförderung in Nigeria, hervorgerufenen persönlichen
Eindrücke und Erkenntnisse unter Einbeziehung seines politischen Erlebens
frei assoziierend unter Verwendung des Firmenzeichens der Antragstellerin
unmittelbar zur Anschauung. Er genügt damit den Anforderungen, die
nach der Rechtsprechung des BVerfG als wesentlich für eine künstlerische
Betätigung anzusehen sind."
"Eine weitere Verwendung des heute zum historischen Symbols gewordenen
abgewandelten Zeichens ist jedenfalls als Vorspann zum Absatz von T-Shirts
aus dem Bereich des "Markenfake" nicht mehr gerechtfertigt. Das
(Shell)-Zeichen würde ein für allemal entwertet und wäre
als werbendes Symbol zukünftig nicht mehr einsetzbar, wenn man es denn
zuließe, daß die in einer bestimmten historischen Situation
zulässige Kritik losgelöst von dem historischen Anlaß in
der vorliegenden Gestaltung perpetuiert werden dürfte."
"Nachzutragen bleibt, daß das von dem Antragsgegner zu 2.)
vorgetragene Argument zur Abwandlung von Zeichen zwecks Kritik des auf die
Bevölkerung einprasselnden Werbebombardements viel zu unscharf ist,
um im Einzelfall als Abwägungsmaterial zu taugen" (Landgericht
Hamburg, Aktz. 315 O 443/96, 25.9.96).
"Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist das
entgeltliche, zu kommerziellen Zwecken erfolgende Vertreiben der obengenannten
T-Shirts bzw. Slipmats. Nicht zur Entscheidung steht die Frage, ob es den
Antragsgegnern auch verwehrt ist, zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit
von Vereinigungen oder Initiativen, die sich kritisch mit der Unternehmenspolitik
der Antragstellerin auseinandersetzenwollen, die streitgegenständlichen
T-Shirts solchen Vereinigungen kostenlos oder zum Selbstkostenpreis zur
Verfügung zu stellen."
"Es kann dahinstehen, ob der Antragsgegner zu 2. sich als Schöpfer
des satirischen Bildwerks "Totenkopf-Muschel" auf Art. 5 Abs.
3 GG berufen kann. Das Landgericht hat zutreffend darauf abgehoben, daß
Satire nicht automatisch auch Kunst sein muß. Ob die Anforderungen
an eine eigentümliche schöpferische Gestaltung, die den grundrechtlichen
Schutz hervorruft, gegeben sind, kann offenbleiben, weil es den Antragsgegnern
nicht generell verwehrt ist, das Kunstwerk zu verbreiten. Nur die Verbreitung
und der Vertrieb von mit dem Kunstwerk bedruckten T-Shirts und Slipmats
zu kommerziellen Zwecken ist den Antragsgegnern verwehrt."
"Der BGH hat auf diesen Umstand auch ausdrücklich abgestellt,
indem z.B. (aaO, S. 126) ausgeführt wird: "Verfolgt der Äußernde
nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen
Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden
Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung;..."
"Dabei bleibt es den Antragsgegnern selbstverständlich unbenommen,
die öffentliche Diskussion z.B. um das Engagement der Antragstellerin
oder deren Konzernmutter in Nigeria neu zu entfachen. Auch aus den von den
Antragsgegnern ergänzend eingereichten Unterlagen wird aber deutlich,
daß gegenwärtig eine öffentliche Debatte hierzu in Deutschland
nicht stattfindet. Ohne eine solche Debatte erscheint die kommerziell motivierte
Beschädigung der Antragstellerin im Wettbewerb unzulässig. Soweit
die Antragsgdgner mit ihren Produkten eine Kritik am System des Markenschutzes
und an der Markengläubigkeit der Verbraucher zum Ausdruck bringen wollen,
kann diese Absicht nicht den kommerziellen Vertrieb von Produkten, auf denen
die Verfremdung des Firmenzeichens und Firmensymbols der Antragstellerin
zum Totenkopf erfolgt, rechtfertigen." - Oberlandesgericht Hamburg,
6.11.1997
T-Shirts als Medium, The Power of Hemd
Nichts provoziert besser als ein T-Shirt. Anders als bei anderen Medien
wird nämlich Kommunikation zwischen leibhaftigen Menschen provoziert
und nicht etwa wie bei Zeitschriften zwischen bedrucktem Papier und Leser
oder zwischen TV-Kasten und lethargischem Konsument. In Zeiten allgemeiner
Sprachlosigkeit setzt ein T-Shirt direkt ein Signal zwischen Menschen. Provoziert
es ein Augenzwinkern, Schock oder Sympathie. Aber es bewegt etwas - im besten
Falle zwei Menschen aufeinander zu.
Beispiele aus der Abgang!-Range of Shirts
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Do it yourself: media to the people
Jede Entwicklung, zum Extrem getrieben, kippt in ihr Gegenteil um. Als
Reaktion auf die Omnipräsenz der Werbung und die Gleichschaltung der
Medien haben sich die verschiedensten Formen des Widerstands etabliert.
Adbusting: ad = von advertising, busting = von to bust, jemanden hochnehmen,
hochgehen lassen
Wer diesen Begriff geprägt hat, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.
Feststellen läßt sich allerdings, daß die kanadische Gruppe
Media Foundation [4] seit ca. 5 Jahren auch unter den Namen Adbusters operiert.
Sie geben ein 1/4jährliches Magazin mit dem Titel Adbusters heraus.
Ihr erklärtes Ziel ist, die Werbung mit Ihren eigenen Waffen zu schlagen.
Hierzu haben die Jungs und Mädels, zumeist ehemalige oder immer noch
Professionals aus der Werbung, verschiedene Kampagnen und Tools entwickelt.
Sehr gut zusammengestellt auf ihrer Home Page übrigens.
Eine Kampagne, an der seit langem gearbeitet wird, ist ein Fake der überwiegend
in den USA bekannten Kampagne von Absolut Vodka. Ganzseitige Anzeigenmotive,
die auf den ersten Blick der Werbung von Absolut täuschend ähnlich
sind.
Andere Kampagnen orientieren sich an der Ästhetik von Marlboro,
McDonalds oder z.B. Calvin Klein. Gleichzeitig zu diesen gefaketen Printanzeigen
entstehen Fernsehspots, die z.B. die Magersuchtästhetik von Calvin
Klein professionell nachstellen, inclusive einem Kate Moss lookalike Model,
das allerdings im Adbuster Spot in die Kloschüssel kotzt, damit auch
dem letzten klar wird, wohin die standardisierten Schönheitsideale
des Modebusiness führen.
Die Schwierigkeiten beginnen, diese Spots bei einem Fernsehsender unterzubringen,
oder die Anzeigen in Harpers Bazaar oder Vogue zu schalten. Dort, wo sie
hingehören, wo sie ein Millionenpublikum erreichen. Einzig CNN hat
bisher halbherzig einige Spots gesendet, während Sender wie NBC und
CBC sogar eigenst neue Geschäftsbedingungen erlassen haben, um solche
Anti-Werbung von den Bildschirmen zu verbannen. Und dies, obwohl die Media
Foundation bereit war, die vollen Kosten für die Schaltung der jeweiligen
Ads zu zahlen.
Die Media Foundation überläßt daher sendereife Kopien
der Spots jedem, der sie haben will, kostenlos. Da in den Staaten wesentlich
mehr kleine Kabelkanäle und Sender als hierzulande existieren, bis
hin zu Universitätseigenen TV-Sendern, kann so jeder, der die Message
verbereiten will, dies selbst tun. 15 Sekunden Fernsehzeit nach Mitternacht
kosten mitunter nur 50 Dollar.
Die Media Foundation stellt auf ihrer Website eine sogenannte Cultur
Jammers Toolbox zur Verfügung. Bastelanleitungen für Spraycan-Verlängerungen
und Tips wie man Werbeflächen am wirkungsvollsten übersprüht
oder überklebt.
Andere Aktivitäten sind zum Beispiel die Propagierung eines "Buy-Nothing-Day"
jedes Jahr im November. Unterstützung von Initiativen und Organisationen
wie "Kids against junkfood" oder der "Critical Mass"
Bewegung. Eine anarchische Aktion, mit der in den großen amerikanischen
Städten tausende von Radfahrern den Autoverkehr auf legale Weise blockieren.
Strategische Artikel, die die neusten Trends der Werbung analysieren,
runden das Bild ebenso ab wie Verweise auf Internet-Werbe-Blacklists [9]
oder das Aufzeigen von Perspektiven persönlicher Befreiung durch Meditation
[12].
Weitere Aktivisten sind zum Beispiel die aus der Künstlergruppe
"ArtFux" hervorgegangenen "Cicada Corp. of Artists"
[10]. Rodriguez de Gerada übermalt mit seinen Kollegen seit Jahren große
Werbetafeln oder überklebt sie mit riesigen Tintenstrahlausdrucken.
Aus Camel Werbung wird so eine Cancer-Warnung. Die in den USA bekannte Zigarettenmarke
"Kool" wandelt er einfach durch überkleben des ersten Buchstabens
in "Fool" um. Durch Hinzufügen läßt Rodriguez
ziemlich krasse Assoziationen entstehen "Link Kool to Genocide"
(Verbinde Kool mit Völkermord) zum Beispiel.
Eine weitere Serie von Arbeiten ist das Überkleben von Verkehrszeichen.
Mithilfe eines Schneideplotters und reflektierender Folie wird so aus stinknormalen
Stop-Schildern: Stop Rassism, Stop Aids usw. Der Clou ist, die Plotterfolie
im gleichen Farbton wie das Verkehrsschild zu benutzen, so daß die
Manipulation nur nachts den vorbeifahrenden Autofahrern auffällt deren
Autoscheinwerfer die Folie zum Reflektieren bringen.
Wesentlich aufwendiger arbeitet die Billboard Liberation Front [11].
Sie baut ganze Neonreklamen um. Schaltet einzelne Buchstaben ab und baut
neue dazu. Aus Camel wird so "Am I dead yet?"
Aber auch in Deutschland gibt es die Killer der Werbetafeln. In Köln
treibt mein Freund Parzival [13] seit Jahren sein Unwesen, indem er alte
Holzreste von Paletten und anderen Kram auf große Plakatwände
nagelt. Auch er betrachtet Werbung als Nötigung, und seine Beschlagungsaktionen
werden von der lokalen Presse sogar mit Zustimmung goutiert.
Womit wir bei meinem eigenen Laden ankommen. Ohne es eigentlich zu wollen,
aber durchaus konsequent, hat mich mein Weg über ein eigenes Grafikatelier
und eine eigene Werbeagentur ebenso wie meine jahrelange Arbeit als Photograph für
die Presse zum Adbusting geführt. Gestandener Frust über die Hure
Werbung, exemplarisch am eigenen Leib erlebt an einer Kampagne für
die Stadt Köln mit dem Titel: "Abfall vermeiden". Ein durchgeknallter
Artdirektor wollte unbedingt alles im Studio fotografiert haben, bloß
nicht auf Location. So fotografierte ich in meinen Studio innerhalb einer
Woche eine komplette Metzgerei, einen Kiosk, eine Parfümerie und einen
Gemüsestand. Natürlich mußte alles im Studio vorher komplett
aufgebaut werden. 50.000,- DM kosteten allein die Requisiten. Freitag abends
mußte ich dann drei Abfallcontainer bestellen, um den Mist auf der
Müllkippe zu entsorgen. Innerhalb einer Woche für 50.000,- DM
Abfall produziert - wohlgemerkt für eine Kampagne die da hieß:
"Mitmachen - Abfall vermeiden!".
Jahre später holte mich die Story mit einem T-Shirt wieder ein:
"Keine Macht den Doofen". Innerhalb von wenigen Monaten hatte
ich die erste Klage am Hals. So entstand Abgang [14]. Geburtshelfer war die Werbung selbst und ein
guter alter Quadra 950. Ein universelles Produktionsmittel mit 33 Mhz. 5
Jahre und viele Abmahnungen und Klagen später weiß ich, daß
ich eine Eiterblase aufgestochen hatte: Die heilige Kuh der Werbung, das
Markenzeichen. Kern jeder Werbestrategie ist genau dies, die Marke. Ein mehr
oder minder reduziertes Wort-Bild Zeichen, dem die deutschen Gerichte eine
Persönlickeit attestieren, die sogenannte Markenpersönlichkeit,
die sich durch nichts anderes definiert als durch die penetrante
Wiederholung schönfärberischer Lügen in den Medien. Unter
Einsatz von Millionen von DM, bis jeder, der ein blaues Quadrat mit einem
Strich drin sieht, an die deutsche Bank denkt. "Vertrauen ist der
Anfang von allem". Ein paar Peanuts, und man ist aus dem Schneider.
Doch wie einfach ist es mit einem Scanner, Streamline und Freehand, diesen
Zeichen den Garaus zu machen. Das erstaunliche war, daß meine Arbeit
anscheinend für viele Journalisten eine willkommene Entschuldigung
war, selber über die Werbung herzuziehen, ohne daß Ihnen die
Anzeigenabteilung den Hals rumdrehte. Abgang bekam mit seinen T-Shirts eine
Mediencoverage, die beispiellos war. Von Stern bis Spiegel, von Bild bis
FAZ, von RTL bis ARD alle haben über diese Shirts berichtet. Das machte
aus den unschuldigen Hemdchen, anscheinend eine Gefahr für die großen
Markenartikler. So, daß der besorgte Blick zum Fax jeden Morgen zur
Routine wurde: Wer verklagt uns heute? Was die Konzerne Millionen an Werbeetat
kostete, bekamen wir kostenlos. Präsenz in den Medien. Spaßeshalber
haben wir irgendwann angefangen, die Prozeßkosten mit vergleichbaren
Schaltungskosten für Anzeigen hochzurechnen.
Die Markenartikler selbst haben mit ihren Klagen dafür gesorgt,
daß unsere Shirts so populär wurden. Mehr aber noch, daß
die Message so enorm verbreitet wurde. Sie entlarvten sich selbst in ihrer
Humorlosigkeit, allen voran Telekom und Shell. Verglichen mit den paar
Zehntausend, die unsere Shirts gekauft haben, waren es Millionen, die über
unsere Attacken auf die Telekom gelacht haben. Und sie gaben uns alle Recht
- bis auf die Richter. Was die Telekom in den Jahren ihres Monopols gemacht
hat, waren lauter Fehler, errors - in der Summe also T-error.
Im Gegensatz zu den kanadischen Adbustern konnten wir uns nicht darüber
beklagen, keine Medienöffentlichkeit herstellen zu können. Obwohl
jetzt, wo der Hype nachgelassen hat, die Sache wieder anders aussieht. Für
unseren Shell-Prozeß interessiert sich kein Schwein mehr, gerade mal
die Hamburger Lokalpresse, aber die inhaftierten Bürgerrechtler in
Nigeria interessieren das Hambuger Abendblatt noch weniger.
Einen entscheidenden Beitrag zum Adbusting hat die Technoszene geliefert.
Wer zu den Ravern der vergangenen Jahre zählte, kennt sie ohne Ende,
die Flyer und Cover im Lego, Mars oder Dash Design. Respektlosigkeit und
Humor hat die Designer der Clubs und Raves ebenso bewegt wie uns. Dies war
anfangs eine völlig parallele Entwicklung, die erst allmählich
zusammenwuchs. Tilman bastelte in der Frontpage [13] seine regelmäßige
Seite mit verdrehten Marken-Logos, Shoot veredelte das Adbusting zur Clubwear-Kollektion,
meine Kumpels von BionicBeats mußten nach der Abmahnung eines Süßwarenfritzen
ihre "Nimm 2" Plakate überkleben und "Aufschwung Ost"
in Kassel mußten gar ihren Namen ändern. Die heißen jetzt
"Stammheim" [15]. Nomen est Omen. Der "Flyer" [16] aus
Berlin hat mit seinen Adbusting-Covern neben kleineren Abmahnungen allerdings
richtig Erfolg gehabt.
Bleiben mir einige Fragen an euch zum Schluß
Zur Technik und den verschieden Ansätzen von Adbusting ist genug
gesagt. Die Crux ist nach wie vor die Verbreitung, insbesondere in den Push-Medien,
den Einbahnstraßen von Fernsehen, Radio und Zeitschriften. Daß im
Internet einige Möglichkeiten autonomer Distribution liegen, ist klar,
sollten wir drüber reden. Aber wann kommt man im Netz über Quicktime
Movies hinaus? Wird es eine Bandbreite geben, die Full TV ermöglicht,
jede Website ein eigener TV-Kanal? Und wie kriegt man Otto-Normalo dazu,
dorthin zu zappen?
Wie jammt man das Fernsehen?
Wie sendet man ohne Lizenz?
Besteht in Deutschland die Möglichkeit, ähnlich wie in den
USA freie, kleine Sendekanäle zu lizenzieren?
Oder gibt es solche Möglichkeiten im europäischen Ausland?
Kann man die Frequenzen von Satelliten und Kabel hacken?
Wie kriegt man subversive Botschaften in die 1. Reihe des Abendprogramms,
ohne dabei erwischt zu werden?
Jeder Empfänger ist auch ein Sender, jeder Videorekorder läßt
sich mit kleinen Basteleien so umbauen, daß man zumindest die Nachbarn
anstrahlen kann. Aber wie weiter?
Im Osten gibt es noch aus der Zeit des Tals der Ahnungslosen weitgehend
autonome Kabelnetze in kleinen Ortschaften. Aber wie findet man diese? Kann
man Decoder bauen, oder gibt es bereits welche, die die Werbeblöcke
im TV erkennen und ausschalten können? Welche weiteren Möglichkeiten
gibt es, autonome und authentische (massenwirksame) Medien zu schaffen oder
zu nutzen, deren Distribution nicht den großen Konzernen unterliegt?
Fragen über Fragen. Richtige Antworten werde ich mit der nötigen
Diskretion zur Kenntnis nehmen. Tips, Tricks, Ideen und Vorschläge
natürlich dito.
"On the day, the anti-advertising vandals can convince customers
not to buy from Usenet advertisements, that is the day advertising will
stop."
[1] Nielsen Werbeforschung S+P
[2] Bundeszahnärztekammer, Studie Mundgesundheit
[3] Studie der Universität Gießen
[4] http://www.adbusters.org
[5] http://galen.library.ucsf.edu/tobacco/cigpapers/
[6] Oliviero Toscani "Die Werbung ist ein lächelndes Aas",
Bollmann Verlag, 1996
[7] http://www.osho.org/news/school/newchild/part1e.htm
[8] http://www.coca-cola.com/santa/index.cgi
[9] http://www-math.uni-paderborn.de/~axel/BL/
[10] http://www.escape.com/~cicada/home~1.htm
http://www.atomicspork.com/cicadaarticle.html
http://www.graffiti.org/index/artists.html
[11] http://www.sfbayguardian.com/AnE/96_01/011096artbt.html
[12] http://www.osho.org/
[13] url and Jürgen Laarmann not found,
[14] http://www.abgang.de (z.Zt.
eine schlimme Baustelle, sorry, ab februar 98 refreshed)
[15] http://www.kybernaut.de./stammheim/
[16] http://www.flyeronline.de/
Sollte man sich auch mal reintun:
- Jean Baudrillard, "Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen",
Merve Verlag, Berlin
- Marshall McLuhan, "Die magischen Kanäle - Understanding Media"
Verlag der Kunst, Dresden
- "T-Shirt Design" mit einem Vorwort von Paul Kalkbrenner,
Graphis Verlag, Zürich
- James Redfield, "Die Prophezeiungen von Celestine", Heyne
Verlag, München
Sehr zu empfehlen die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift "Adbusters",
per Kreditkarte über ihre Home Page zu bestellen: http://www.adbusters.org
Coming soon:
"Die ABGANG! Story", 5 Jahre Adbusting aus deutschen Landen,
CD-Rom, mit allen Shirts, Hintergrundberichten, Prozeßunterlagen,
Presseberichten, Aktionen, Perfomances und Fernsehbeiträgen als Quicktime-Movies,
plus special Audio-Tracks befreundeter Bands (Subskriptionspreis 30 Mäuse,
postmaster@abgang.de).
Gemeinsam mit dem Flyer, Modern Times und Harlekin wird Abgang im neuen
Jahr eine große Ausstellung zum Thema Adbusting organisieren. In Hamburg,
Köln, München, Berlin und Frankfurt.
Bis dahin: Stay tuned.
Ankündigung