Technik ist nicht alles...
Wie mache ich ein Netz?
Referent: Hartwig Thomas
Hinter der Frage: "Wie baue ich ein Netz auf?" steht weder eine
kleine "Schraub-Aufgabe" noch das pure High-Tech-Wissen der Hard-
und Software-Experten. Referent H. Thomas, der als Programmierer und Unternehmer
kleine Firmen und große Banken berät, stellte den Entwicklungsprozess für
ein Local-Area-Network (LAN) am Beispiel einer einfachen Aufgabenstellung
dar.
"Wie entwickeln wir ein einfaches Konzept für eine
PC-Händlerin, damit diese Netzwerke, möglichst ohne Probleme und
Katastrophen (für sich UND den Kunden) entwerfen kann."
Als Symptome bestehender Netzwerkprobleme identifizierte Thomas ständig
steigende Kosten für die Ressourcen des Netzwerkbetriebes, das
Gefühl von Rat- und Wehrlosigkeit unter wenig informierten
BenutzerInnen und den (oftmals aus bestehenden Zwängen heraus
entstandenen) diktatorischen Habitus von SystembetreuerInnen. Ursachen
hierfür liegen seiner Ansicht nach in der zunehmenden Verflechtung von
Abhängigkeiten in Systemen, der Mikroökonomie der
Ressourcenzuteilung und der entstehenden Zweiklassengesellschaft unter
BenutzerInnen.
Als Therapie für die beschriebenen Probleme verschreibt Thomas mehr
Transparenz im System, ein verbessertes Ressourcenmanagement und kluge,
sprich verantwortliche Benutzer.
Zur Planung eines Netzwerkes genügt es danach nicht,
ausschließlich Kunden, den Händler oder Programmierer zu Rate zu
ziehen.
Vor technische Entscheidungen stellt Thomas einige grundsätzliche
Überlegungen, die zunächst einmal klären, FÜR WEN das
Netzwerk gebraucht wird und WOZU. Auch WAS das Netz leisten soll (und WAS
NICHT) sollte vor weiteren erforderlichen, technischen Fragen stehen.
Zu diesen gehören die Art der Verkabelung, Netztopologie, verwendete
Protokolle, die genaue Planung der Datenhaltung und die Definition bzw.
Zuweisung von Verantwortungsbereichen.
Statt des "Lean Client", dem Rechner à la Diskless PC oder
Java-Station, fordert Thomas den "fetten Client", der alle
wichtigen Programme beherbergt und dem Netzwerk das
überläßt, wofür es entwickelt wurde: die Kommunikation.
Programme sollten nicht auf den Fileservern liegen und den Datenfluß
im Netz durch dezentrale Ausführung bremsen. Vielmehr sollten nur
wirklich gemeinsam genutzte Daten zentral liegen.
Für kleinere Netze empfiehlt Thomas die Sterntopologie mit
gleichberechtigten Maschinen, größere Systeme sollten
ähnlich in Gruppen organisiert werden, auch um einzelne Stränge
unbeschadet warten zu können ohne daß zuviele User zum leerlaufen
gezwungen werden.
Systeme müßten auch zulassen, daß beim teilweisem Ausfall
möglichst viele Nutzer ungestört weiterarbeiten können.
Nicht nur dem Netzarchikekten und Betreuer, sondern auch den Nutzern eines
Netzes müssen Nutzen und Struktur klar sein; außerdem fordert
Thomas neben dem Recht auf freie Editor-/Browserwahl auch das Recht, sich
dem Netzwerk zu verweigern.
Seine Forderung nach der "eigenen Maschine" (analog dem eigenen Schreibtisch
mit abschließbarer Schublade im rechnerlosen "Alt-Büro") wurde von einigen
Teilnehmern eher kritisch betrachtet, weil sie eine Umsetzung (gerade in
großen Netzen) für zu aufwendig halten. Thomas verwies hier auf die
Probleme, die entstehen, wenn "in stalinistischer Manier" upgedatet wird
(i.e. ein Netz - eine Programmversion, unbeabsichtigt vom Produktionsprozess
und Willen der Betroffenen).
Der mittelfristige, ökonomische Vorteil, der durch den selbstgewählten
Zeitpunkt von Updates gegeben ist, entschädigt für die durch mehrere
Versionen auftretenden Unübersichtlichkeiten. Auch zwingt das Vorhandensein
mehrerer Versionen eines Programms die AnwenderInnen, sich mit der
Vernetzung auseinanderzusetzen und das System besser zu verstehen. Die
genaue Bedarfsplanung und Erstellung eines Pflichtenheftes sind für Entwurf
von Netzen ebenso wichtig wie die Zielsetzung, größtmögliche Transparenz für
alle BenutzerInnen zu gewährleisten.
In Folge ist jeder Benutzer für seine Maschine (Daten, Backups, Passwörter)
selbst verantwortlich, auch die Aufgaben anderer Rechner sind eindeutig und
transparent definiert.
Harte Zeiten für Netzgötter?
Alfons Deitermann
Ankündigung